Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 20. Dezember 2007
Aktenzeichen: I-2 U 62/06

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 20.12.2007, Az.: I-2 U 62/06)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16. Mai 2006 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu

6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Vorrichtungen zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff mit einer Heizung, einem intermittierenden Transport, einer Formstation mit einer starren Querbrücke zur Aufnahme der einen Hälfte des Formwerkzeuges, einem zur Querbrücke axial verschiebbaren und zur Mittelachse schwenkbaren Formtisch zur Aufnahme der anderen Hälfte des Formwerkzeuges, wobei der Antrieb für die Axialverschiebung über eine Kurvenscheibe erfolgt, und mit einer Auswerfereinrichtung für die geformten Teile,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzu-führen oder zu besitzen,

bei denen der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches als am Maschinengestell angeordneter Servomotor ausgebildet ist, der mit seinen Antriebseinrichtungen am Formtisch angreift;

insbesondere wenn die Antriebseinrichtung als Kurbelbetrieb ausgebildet ist

und/oder

nach der Beendigung des Schwenkens des Formtisches beim Schließen der Werkzeughälften der Servomotor freigeschaltet wird, so dass sich sei-ne Motorwelle unbegrenzt drehen kann;

2. der Klägerin unter Vorlage eines nach Kalenderjahren geordneten, voll-ständigen Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 23. Mai 1992 begangen hat und zwar unter Angabe

a. der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,

b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Liefer-

zeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und

Anschriften der gewerblichen Abnehmer unter Vorlage entsprechender

Belege in Form von Bestellungen und Rechnungen,

c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, An-

gebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie der

Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, wobei den Beklagten

vorbehalten bleibt, auf ihre Kosten die Namen und Anschriften der An-

gebotsempfänger nur einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur

Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten

Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigen, der Klä- gerin darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Angebotsempfän-

ger in der Rechnungslegung enthalten ist,

d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren

Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet ein

schließlich Messeauftritten sowie bei Internetwerbung zusätzlich der

jeweiligen Domain, der Schaltungszeiträume sowie der Zugriffszahlen,

e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs-

kosten und des erzielten Gewinns, wobei diese Angaben erst ab dem 10. Juli 1999 zu machen sind,

wobei die Angaben von den Beklagten zu 2. und 4. erst ab dem 10. Juli 1999 zu machen sind.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind,

1. der Klägerin für die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom

23. Mai 1992 bis zum 9. Juli 1999 begangenen Handlungen eine an-gemessene Entschädigung zu zahlen;

2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu

Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 10. Juli 1999 begangenen Handlun-gen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 40 33 xxx (nachfolgend: Klagepatent), das am 22. Oktober 1990 angemeldet und am 23. April 1992 offengelegt worden ist. Die Patenterteilung wurde am 10. Juni 1999 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.

Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefer gezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff. Vorrichtungen dieser Art werden beispielsweise zur Herstellung von Plastikbechern, Margarinebechern oder Pflanzentöpfen verwendet.

Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff mit einer Heizung, einem intermittierenden Transport, einer Formstation mit einer starren Querbrücke zur Aufnahme der einen Hälfte des Formwerkzeuges, einem zur Querbrücke axial verschiebbaren und zur Mittelachse schwenkbaren Formtisch zur Aufnahme der anderen Hälfte des Formwerkzeuges, wobei der Antrieb für die Axialverschiebung über eine Kurvenscheibe erfolgt, mit einer Auswerfereinrichtung für die geformten Teile,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches (27) als am Maschinengestell angeordneter Servomotor (21, 22) ausgebildet ist, der mit seinen Antriebseinrichtungen (23, 24, 33, 34) am Formtisch (27) angreift."

Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 des Klagepatents) zeigt den Aufbau einer bevorzugten Ausführungsform der erfindungsgemäßen Vorrichtung:

Aus Figur 3 des Klagepatents ist der mit Bezugsziffer 21 bezeichnete Servomotor erkennbar. Der Formtisch ist in verschwenkter Auswurfstellung und gestrichelt in nicht verschwenkter Stellung dargestellt.

Bis zum Ende des Jahres 2003 vertrieb die Beklagte zu 3., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. und der Beklagte zu 4. waren, Thermoformautomaten mit der Bezeichnung "X1" und "X2". Ab dem 1. Januar 2004 übernahm die Beklagte zu 1., unter Geschäftsführung des Beklagten zu 2., den entsprechenden Geschäftsbereich. Die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aus Anlage K 7. Nachfolgend ist eine von den Beklagten als Anlage B 2 vorgelegte Prinzipskizze des Aufbaus der angegriffenen Ausführungsformen eingeblendet:

Die Beklagte zu 1. hat gegen das Klagepatent Nichtigkeitsklage erhoben. Das Bundespatentgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. November 2007 abgewiesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die angegriffenen Ausführungsformen machten von dem Klagepatent wortsinngemäß, jedenfalls aber in äquivalenter Weise Gebrauch. Sie hat die Beklagten daher auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz in Anspruch genommen.

Die Beklagten haben geltend gemacht, die angegriffenen Thermoformautomaten verfügten nicht über ein zur Mittelachse schwenkbaren Formtisch. Schwenkbar sei lediglich der untere Teil des Formwerkzeugs mit seinem Werkzeughalter (sogenannter Schwenktisch). Der Formtisch besitze zwar einen Antrieb für die translatorische Hubbewegung, nicht aber einen separaten Antrieb für die rotatorische Schwenkbewegung. Der Schwenktisch sei nicht lediglich ein weiteres Bauteil des Formtisches, sondern als Maschinenteil funktionell dem Werkzeug zugeordnet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, die angegriffenen Ausführungsformen verfügten nicht über einen zur Mittelachse schwenkbaren Formtisch im Sinne des Merkmals 2 c) oder über einen hierzu gleichwirkendes, naheliegendes und gleichwertiges Ersatzmittel.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie macht geltend, das von den Beklagten als "Schwenktisch" bezeichnete Bauteil sei als Formtisch im Sinne des Klagepatentes zu sehen. Die von dem Landgericht bei der Merkmalsinterpretation herangezogene Fähigkeit des Formtisches, selbst in der Lage zu sein, als Amboss zu wirken, so dass die erheblichen Kräfte, die insbesondere beim Stanzen auf den Formtisch einwirkten, von diesem bereits selbst aufgenommen werden könnten, finde im Klagepatent an keiner Stelle eine Grundlage. Das Klagepatent treffe zur technischen Funktion des Formtisches allein die Aussage, dass er zur Aufnahme der anderen Hälfte des Formwerkzeuges dienen solle. Richtig sei zwar, dass auf den Formtisch beim Formen und insbesondere beim Stanzen erhebliche Kräfte einwirkten, das Klagepatent schreibe aber nicht vor, dass der Formtisch diese aufnehmen müsse. Es sei vielmehr in das Belieben des Fachmannes gestellt, wie die entsprechende Konstruktion in ihrer Gesamtheit auszusehen habe. Aber selbst wenn man diese technische Funktion in den Patentanspruch hineinlese, ergebe sich, dass der Formtisch in der angegriffenen Ausführungsform zweiteilig ausgebildet sei, bestehend aus dem schwenkbaren, das Unterwerkzeug tragenden Teil und dem darunter angeordneten, mit den Führungsstücken verbundenen Unterteil. Auch dies sei noch vom Klagepatent umfasst, da dieses sich nicht dazu verhalte, ob der Formtisch ein- oder mehrteilig ausgebildet sein solle.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, die angegriffenen Ausführungsformen machten von den Merkmalen 2 c) sowie 4 b) keinen Gebrauch. Der Formtisch selbst werde bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht verschwenkt, sondern lediglich der untere Teil des Formwerkzeuges. Selbst wenn man annähme, bei den angegriffenen Ausführungsformen sei der Formtisch zweigeteilt, nämlich in einen massiven unteren Teil und einen relativ dazu verschwenkbaren Werkzeugteil, ergäben erst beide Teile zusammen den Formtisch, der als Ganzes jedoch nicht verschwenkbar sei. Auch eine äquivalente Verletzung liege nicht vor, da dem Fachmann keinerlei Anregung gegeben werde, lediglich einen Teil eines Formtisches, nämlich das Formwerkzeugunterteil nebst Werkzeughalter zu verschwenken. Daher besitze der Formtisch auch keinen separaten Antrieb für die Schwenkbewegung. Weiter machen die Beklagten geltend, ihnen stünden ein Vorbenutzungsrecht zu. Sie haben dazu vorgetragen, sie hätten schon vor dem Prioritätszeitpunkt ein Modell X entwickelt und benutzt, welches der Lehre nach dem Klagepatent entspräche. Die angegriffenen Ausführungsformen X1 und X2 stellten nur unbedeutende Weiterentwicklungen des Modells X dar. Des weiteren erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung gegenüber den Schadenersatzansprüchen der Klägerin, die länger als drei Jahre vor Klageerhebung zurückliegen. Dazu führen die Beklagten aus, sie hätten die angegriffenen Vorrichtungen regelmäßig auf Messen, so auch auf einer Messe in den Jahren 1995 und 1998 ausgestellt. Dabei sei der Klägerin nicht verborgen geblieben, aus welchen Einzelteilen die ausgestellten Maschinen zusammengesetzt gewesen seien, die Klägerin habe die Maschinen ausgiebig besichtigen können. Darüber hinaus habe die Klägerin Prospekte in Augenschein nehmen können. Dass sie dies getan habe, habe sie in einem beim Europäischen Patentamt anhängigen Verfahren bestätigt, in dem sie sich gegen ein Gebrauchsmuster der Beklagten wende und dort mit Schriftsatz vom 28. Januar 2005 (Anlage B 15) erklärt habe, die angegriffene Ausführungsform X1 sei in einem Prospekt zu sehen. Des weiteren sind sie der Ansicht, der Klägerin stehe kein Anspruch nach Ziff. I. 2. b. auf Vorlage von Belegen in Form von Bestellungen und Rechnungen zu. Im Übrigen vertreten die Beklagten die Auffassung, das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Dem Klagepatent mangele es an der notwendigen Erfindungshöhe, da sich sämtliche Merkmale des Klagepatents für den Durchschnittsfachmann naheliegend aus einer Kombination aus dem Stand der Technik, nämlich der DE 33 46 628 (Anlage K 3) sowie der US 4,676,938 (Anlage 2 zur Nichtigkeitsklage) sowie aus der Ausgestaltung der Thermoformmaschine F 743 ergebe, letztere sei vor dem Prioritätszeitpunkt schon offenkundig vorbenutzt worden (vgl. Anlage B 16.1 - Nichtigkeitsklage). Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beklagten sich weiterhin auf das deutsche Gebrauchsmuster DE 20 2005 016 510 sowie auf das europäische Patent EP 1 052 080 bezogen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet. Die angegriffenen Vorrichtungen machen von der technischen Lehre des Klagepatentes wortsinngemäß Gebrauch. Dies ist bezüglich der Merkmalsgruppen 1 und 3 unstreitig. Aber auch Merkmalsgruppen 2 und 4 sind verwirklicht.

1.

Das Klagepatent betrifft mit seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff. Im Stand der Technik sind solche Vorrichtungen aus dem deutschen Patent DE 33 46 628 C2 (Anlage K 3) bekannt. Bei dieser Vorrichtung wird sowohl die vertikale Bewegung des Formtisches als auch dessen Schwenkbewegung über Kurvenscheiben zwangsweise vorgenommen. Es ist folglich immer ein festgelegter Ablauf der beiden Bewegungen zueinander gegeben. Eine Erhöhung der Geschwindigkeit der einen Bewegung hat automatisch die Erhöhung der Geschwindigkeit der anderen Bewegung zur Folge. Die absoluten Geschwindigkeiten ergeben sich aufgrund der Drehzahl des gemeinsamen Antriebs, was als nachteilig angesehen wird. Als weiterhin nachteilig an diesem Stand der Technik bezeichnet es das Klagepatent, dass eine Änderung des Bewegungsablaufes von Axial- und Schwenkbewegung zueinander einen aufwendigen Tausch der recht teuren und präzise aufeinander abgestimmten Kurvenscheiben erfordere (Klagepatent Anlage K 1, Spalte 1, Zeile 16 bis 18).

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, die Vorrichtung so auszubilden, dass eine Veränderung des Bewegungsablaufs der Schwenkbewegung zur Bewegung der Hubbewegung des Formtisches möglich ist, ohne dass Umbauten der Vorrichtung erforderlich sind. Die Veränderung solle allein durch eine andere Programmierung der Steuerung möglich sein. Auf diese Weise könne der Ablauf der Schwenkbewegung an das zu fertigende Produkt und das eingesetzte Form/Stanzwerkzeug optimal angepasst werden. Dadurch könne mit einer Vorrichtung unterschiedliche Werkzeuge für unterschiedlich gestaltete Produkte betrieben werden. Die Vorteile der bekannten Vorrichtung sollten erhalten bleiben (Anlage K 1, Spalte 1, Zeile 19 bis 31).

Die Aufgabe soll dadurch gelöst werden, dass der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches vom Antrieb der Hubbewegung getrennt und letzterer als Servomotor ausgebildet wird (Anlage K 1, Spalte 1, Zeilen 32 - 34).

Dementsprechend sieht Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor (vgl. Anlage WKS 1):

Vorrichtung zum Formen, Stanzen und Stapeln von tiefgezogenen Teilen aus thermoplastischem Kunststoff mit

einer Heizung (6, 7), einem intermittierenden Transport (5), einer Formstation mit einer starren Querbrücke (12) zur Aufnahme der einen Hälfte (10) des Formwerkzeuges, einen Formtisch (27) und einer Auswerfer-Einrichtung (50) für die geformten Teile (19).

Der Formtisch (27)

dient zur Aufnahme der anderen Hälfte (11) des Formwerkzeuges, ist zur Querbrücke (12) axial verschiebbar und zur Mittelachse schwenkbar.

Der Antrieb für die Axialverschiebung erfolgt über eine Kurvenscheibe.

Der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches (27)

ist als am Maschinengestell angeordneter Servomotor (21, 22) ausgebildet, der mit seinen Antriebseinrichtungen (23, 24, 33, 34) am Formtisch (27) angreift.

2.

Wie Merkmal 1 c) zu entnehmen ist, weist die Vorrichtung eine Formstation mit einem Formwerkzeug auf. Dieses Formwerkzeug ist nach Maßgabe der Merkmale 1 c) und 2 a) zweigeteilt. Die eine (obere) Hälfte wird von einer starren Querbrücke aufgenommen. Die andere (untere) Hälfte, in der das Ausführungsbeispiel betreffenden Beschreibung (Spalte 2, Zeilen 9ff.) als Unterteil bezeichnet, wird von einem Formtisch aufgenommen bzw. ist auf diesem, wie es in der Beschreibung in Spalte 2, Zeilen 15 bis 17 heißt, "befestigt". Für den Durchschnittsfachmann ist damit zweifelsfrei, dass Anspruch 1 zwischen Werkzeug und Formtisch deutlich unterscheidet.

Das Formwerkzeug im Sinne des Klagepatents setzt sich aus den Vorrichtungsteilen zusammen, die den thermoplastischen Kunststoff zu Gebrauchsteilen formen, wie sich dies u.a. auch aus Merkmal 1 e) erschließt. In der das bezeichnete Ausführungsbeispiel betreffenden Beschreibung werden in Spalte 2, Zeilen 6 bis 12 die das Ober- und das Unterteil bildenden Einzelteile der Formwerkzeuge aufgeführt, welche die Funktionen des Werkzeuges verdeutlichen.

Der Formtisch ist nach Merkmal 2 a) das Vorrichtungsteil, welches zur Aufnahme der anderen, der unteren Hälfte des Formwerkzeuges dient. Infolge seiner axialen Verschiebbarkeit zur Querbrücke nach Maßgabe der Merkmale 2 b) und 3, kann er die untere Werkzeughälfte so an die obere Werkzeughälfte heranführen, dass das Formwerkzeug seine Funktion erfüllen kann, Teile aus thermoplastischem Kunststoff zu formen und zu stanzen. Des Weiteren dient die axiale Verschiebbarkeit des Formtisches dazu, nach Vollendung des Form- und Stanzvorganges die Werkzeughälften voneinander zu trennen, damit nach Durchführung der in Merkmal 2 c) angesprochenen Schwenkbewegung die Auswerfer-Einrichtung für die geformten Teile gemäß Merkmal 1 e) in Tätigkeit versetzt werden kann.

Anspruch 1 legt sich nicht fest, wie die axiale Verschiebbarkeit des Formtisches zur Querbrücke konstruktiv umgesetzt wird. In Spalte 2, Zeilen 19ff. der Beschreibung findet sich hierzu ein Beispiel: Danach weist der Formtisch beiderseits zwei Lagerzapfen (28) auf, die außen in einem Lager sitzen. Jedes Lager ist in einem Führungsstück (30) befestigt, das wiederum an ortfesten Führungssäulen (31) vertikal verschiebbar ist. Das Ausführungsbeispiel geht davon aus, dass der Formtisch selbst, d.h. unmittelbar ohne Zwischenschalten weiterer Vorrichtungsteile, axial zur Querbrücke verschiebbar ist. Das ist aber für den Durchschnittsfachmann ersichtlich nur eine Besonderheit des Ausführungsbeispiels, welches den weitergehenden Wortlaut bzw. Wortsinn des Anspruchs nicht einengen kann. Anspruch 1 schließt es nicht aus, dass dem Formtisch die axiale Verschiebung durch ein weiteres Vorrichtungsteil, wie etwa ein brückenähnliches Gebilde, das seinerseits am Maschinengestell vertikal verschiebbar ist, vermittelt wird. Für den Fachmann ist offensichtlich, dass der Formtisch, wie das Landgericht hervorgehoben hat, beim Formen und Stanzen nicht unerhebliche Kräfte aufnehmen muss, die über die untere Werkzeughälfte vermittelt werden. Es ist aber nicht ersichtlich, dass Anspruch 1 einen bestimmten Weg vorgibt, wie diese vom Formtisch aufgenommenen Kräfte letztlich an das Maschinengestell weiter gegeben werden. Das kann auch mittels eines Vorrichtungsteils erfolgen, auf dem der Formtisch jedenfalls während seiner vertikalen Bewegung zur Querbrücke mit der oberen Werkzeughälfte ruht bzw. sitzt.

Die oben genannten Merkmale der Merkmalsgruppe 2, die den Formtisch definieren, werden von den angegriffenen Ausführungsformen erfüllt. Das von der Beklagten in Anlage B 2 als "Werkzeughalter/Schwenktisch" bezeichnete Vorrichtungsteil dient der Aufnahme des unteren Teils des Formwerkzeugs (Merkmal 2 a)). Es ist zur Mittelachse schwenkbar (Merkmal 2 c)). Es ist axial verschiebbar, in dem es (über Schleiflager) auf einem Führungsblock aufsetzt und dessen Axialbewegung übernimmt. Die Zuordnung der einzelnen Teile der angegriffene Ausführungsform zu den Merkmalen des Klagepatents stellt sich mithin so dar, wie von der Klägerin mit Anlage WKS 4 vorgenommen. Das in Anlage B 2 als "Werkzeughalter/Schwenktisch" bezeichnete Teil der angegriffenen Ausführungsform ist als Formtisch im Sinne von Merkmal 1 d) und Merkmalsgruppe 2 anzusehen.

Merkmalsgruppe 4 des Klagepatents beschäftigt sich mit der Ausgestaltung des Antriebs für die Schwenkbewegung. Der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches wird - gegenüber dem Stand der Technik - vom Antrieb der Hubbewegung getrennt und als Servomotor ausgebildet, der entweder über einen Kurbelbetrieb oder eine Kugelrollspindel mit zugehöriger Mutter am Formtisch angreift. Nach der Lehre des Klagepatents hat dies den Vorteil, dass der Kurbeltrieb dabei einen sinusförmigen Bewegungsablauf hat, was sich beim Anfahren der Endlagen positiv auswirkt. Der Antrieb über Kugelrollspindel und Mutter bietet die Möglichkeit, in einem gewissen Bereich den Kippwinkel zu verändern und damit optimal anpassen zu können. Bei beiden Antrieben ist es durch den Einsatz eines Servomotors durch das Schwenken möglich, dessen Drehzahl während eines Schwenkhubes zu verändern, so dass ein gewünschter Bewegungsablauf der Kippbewegung erzielbar ist einschließlich eines sanften Anfahrens der Endlagen (Anlage K 1, Spalte 1, Zeilen 32 bis 46). Daraus folgt für das Klagepatent, dass der Antrieb als Servomotor, der am Maschinengestell angeordnet ist, ausgebildet ist (Merkmal 4 a)) und über weitere Antriebseinrichtungen verfügt , wie beispielsweise die im Ausführungsbeispiel dargestellten Laschen und Hebel, welche am Formtisch angreifen (Merkmal 4 b)).

Die angegriffenen Ausführungsformen machen von diesen Merkmalen Gebrauch: Der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches ist als am Maschinengestell ausgebildeter Servomotor ausgebildet (Merkmal 4 a)), wie in der von den Beklagten vorgelegten Anlage B 2 zu erkennen ist. Er greift, entsprechend Merkmal 4 b), mit seinen Antriebseinrichtungen, in Anlage B 2 als "Parallellenker-Kupplung bezeichnet", am Formtisch, in Anlage B 2 als "Werkzeughalter/Schwenktisch" bezeichnet, an.

3.

Den Beklagten steht kein Vorbenutzungsrecht zu. Das Vorgängermodell X der angegriffenen Ausführungsform, unterstellt es ist schon vor dem Prioritätszeitpunkt entwickelt und benutzt worden, vermittelt den Beklagten kein Vorbenutzungsrecht, da es nicht von sämtlichen Merkmalen des Klagepatents Gebrauch macht. Merkmal 4 a) des Klagepatents, wonach der Antrieb für die Schwenkbewegung des Formtisches als am Maschinengestell angeordneter Servomotor ausgebildet sein muss, ist nicht erfüllt. Die Ausführungsform X unterscheidet sich, das Beklagtenvorbringen als richtig unterstellt, von einem dem Klagepatent entsprechenden Gerät dadurch, dass der Schwenkantrieb, zum Verschwenken des Werkzeugs mit dem im "Formtisch" gelagerten "Schwenktisch", direkt auf die Schwenkwelle des Werkzeuges gesteckt ist und bei der Hubbewegung des Formtisches mitverfahren wird. Der Servomotor für die Schwenkbewegung ist nach Patentanspruch 1 jedoch nicht einfach irgendwo in der Vorrichtung vorzusehen, sondern muss am Maschinengestell befestigt werden, weswegen zusätzliche Antriebseinrichtungen nach Maßgabe des Merkmals 4 b) erforderlich sind, um den Abstand zwischen dem Motor und dem Formtisch zu überbrücken. Dies ist aufgrund der Funktionsweise einer Thermoformanlage vorteilhaft, bei der das Ausstanzen der geformten Kunststoffe erfolgt, solange der Kunststoff noch im Werkzeugunterteil gelagert ist. Daher muss der Formtisch große Stanzkräfte aufnehmen. Damit die Stanzschläge und die Stanzkräfte nicht unmittelbar auf den Motor einwirken, wird der Motor für die Drehbewegung des Formtisches nicht unmittelbar am Formtisch selbst angeordnet. Konsequenterweise stellen sich die angegriffenen Ausführungsformen X1 und X2 als Weiterentwicklung des Modells X dar, da bei diesen nun auch der für die Schwenkbewegung zuständige Motor am Maschinengestell angreift und nicht direkt auf den Formtisch aufgesetzt ist.

4.

Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung gegenüber den Schadenersatzansprüchen der Klägerin, die länger als drei Jahre vor Klageerhebung zurückliegen, greift nicht durch.

Voraussetzung für den Lauf einer Verjährungsfrist ist, dass die Klägerin, als juristische Person handelnd durch ihre vertretungsberechtigten und zur Entscheidung befugten Organe, nicht nur die Möglichkeit der Kenntniserlangung von einem Schadenseintritt hatte, sondern eine solche Kenntnis der tatsächlich positiv erlangt hat (oder ggfls. grob fahrlässig nicht erlangt hat). Im vorliegenden Fall geht es insbesondere um Kenntnis davon, dass die angegriffenen Ausführungsformen X1 und X2 die Merkmale der Merkmalsgruppe 2 sowie Merkmal 4 a) verwirklichen. Eine solche Kenntnisnahme durch die Klägerin ist vorliegend nicht ersichtlich. Soweit die Beklagten eine Beweisaufnahme vor dem Europäischen Patentamt in Bezug nimmt (Anlage B 15) und hieraus eine entsprechende Kenntnis der Klägerin ableiten möchte, ergibt sich nicht, dass Gegenstand der Wahrnehmung des als Zeuge benannten Mitarbeiters der Klägerin gerade die Frage der Ausprägung der entsprechenden Merkmalsgruppe 2 und des Merkmals 4 a) war.

5.

Da die Beklagten widerrechtlich von dem Klagepatent Gebrauch machen, sind sie der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Bei der Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten die Beklagten die Patentverletzung erkennen und vermeiden können. Sie trifft deshalb zumindest ein fahrlässiges Verschulden. Die Beklagte haftet der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 139 Abs. 2 PatG auf Schadensersatz. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit mangels näherer Kenntnis der Klägerin über den Umfang der Verletzungshandlungen nicht fest, weswegen die Klägerin ein hinreichendes Interesse daran hat, dass die Schadensersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, haben die Beklagten in zuerkanntem Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB). Dabei umfasst der Anspruch der Klägerin auch die Vorlage von Belegen in Form von Bestellungen und Rechnungen (Ziffer I 2. b)), da, soweit Namen und Anschriften von Lieferanten sowie der gewerblichen Angebotsempfänger zu offenbaren sind, der Patentverletzer auch zur Vorlage entsprechender Belege (Einkaufs- und Verkaufsbelegen wie Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Lieferscheinen, Zollpapieren) verpflichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 28.4.2005 - I-2 U 110/03; Benkard/Rogge/Grabinski, a.a.O., § 139 Rdnr. 89a; § 140b Rdnr. 8; Mes, Patentgesetz, 2. Aufl., § 140 b, Rdnr. 19).

6.

Eine Veranlassung zur Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO besteht nicht.

Eine Aussetzung der Verhandlung nach 148 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn das Verletzungsgericht die Feststellung treffen kann, dass das mit der Klage geltend gemachte Patent mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht rechtsbeständig ist. Davon kann regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn der Stand der Technik das Klagepatent entweder neuheitsschädlich vorwegnimmt oder die Erfindungshöhe derart fragwürdig erscheinen lässt, dass sich ein vernünftiges Argument für die Zuerkennung der Erfindungshöhe nicht finden lässt. Bloße Zweifel des Verletzungsgerichts an der Erfindungshöhe können hingegen eine Aussetzung nicht rechtfertigen.

Auch die Beklagten haben - zu Recht - nicht geltend gemacht, der von ihnen in der Nichtigkeitsklage angeführte Stand der Technik (DE 33 46 628 - Anlage K 3; US 4,676,938 - Anlage 2 zur Nichtigkeitsklage Anlage B 16.1; angebliche offenkundige Vorbenutzung des Thermoformautomaten F 743 - Anlagen 3a - 3 e zur Nichtigkeitsklage) nehme die Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents neuheitsschädlich vorweg. Die Abweisung der Nichtigkeitsklage der Beklagten durch das Urteil des sachkundigen Bundespatentgerichts vom 13. November 2007, bestätigt auch die Auffassung des Senats, dass durchgreifende Zweifel an der erforderlichen Erfindungshöhe nicht bestehen.

Abgesehen davon, dass die US 4,676,938 gattungsfremd erscheint, führt auch eine Kombination mit der DE 33 46 628 ersichtlich nicht zu der patentgemäßen Lehre, weil auch die US 4,676,938 jedenfalls die Merkmalsgruppe 4 nicht offenbart.

Es besteht keine Veranlassung, den Verkündungstermin solange zu verschieben, bis die schriftlichen Gründe der Entscheidung des Bundespatentgerichts vorliegen., weil diese den Senat ohnehin nicht binden können, nachdem Anspruch 1 des Klagepatents unverändert geblieben ist.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es bestand kein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

R1 R2 R3






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 20.12.2007
Az: I-2 U 62/06


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