Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Januar 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 311/05

(BPatG: Beschluss v. 27.01.2009, Az.: 6 W (pat) 311/05)

Tenor

Das Patent 101 53 439 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 30. Dezember 2004 veröffentlichte Patent 101 53 439 mit der Bezeichnung "Korrosionsgeschütztes Wälzlager" ist mit Schriftsatz der Einsprechenden I am 29. März 2005 und mit Schriftsatz der Einsprechenden II am 30. März 2005, jeweils per Fax, Einspruch erhoben worden. Beide Einsprechende stützen ihren Einspruch auf zusätzlich angezogene druckschriftliche Entgegenhaltungen, zu denen sie schriftlich vorbringen, diesen gegenüber beruhe das Wälzlager nach dem Streitpatent nicht auf erfinderischer Tätigkeit. In der mündlichen Verhandlung behaupten beide Einsprechende auch fehlende Neuheit des erteilten Wälzlagers. Im Prüfungsund Einspruchsverfahren wurden u. a. folgende Entgegenhaltungen angezogen:

Im Prüfungsverfahren: DE 4142313A1 Im Einspruchsverfahren: DD 222 611 A1.

Die Einsprechende I trägt unter Hinweis auf die von ihr genannten Entgegenhaltungen schriftlich vor, diese offenbarten bereits Wälzlager, die mit den im erteilten Anspruch genannten Additiven ausgestattet seien. Außerdem sei es auch bekannt, eine Schutzschicht auf den Außenbereich eines Kugellagers aufzubringen. Die Einsprechende II bezweifelt die Ausführbarkeit des Patentgegenstands. Im Übrigen argumentiert sie, die Einzelheiten eines Wälzlagers nach dem streitigen Anspruch 1 seien für sich soweit bekannt, dass sie nicht als Erfindung angesehen werden könnten. In der mündlichen Verhandlung argumentieren beide Einsprechende zudem, dem erteilten Streitgegenstand fehle in Bezug auf ein Wälzlager, entsprechend der DD 222 611 A1 die Neuheit. Beide Einsprechende stellten übereinstimmend den Antrag, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellte den Antrag, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten: Patentansprüche 1 bis 10, Beschreibung 3 Seiten, Abs. [0001] bis [0028], Zeichnungen Fig. 1 und 2, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Patentinhaberin argumentiert, beide Einsprüche seien mangels Substantiierung nicht zulässig. U. a. hätten sich die Einsprechenden nicht mit dem Merkmal auseinandergesetzt, dass die Additive "jeweils an der mit der Wachsschicht bedeckten Oberfläche des Wälzlagers angelagert seien". Zur Begründetheit der Einsprüche führt sie aus, aus den von der Einsprechenden I genannten Entgegenhaltungen gingen insgesamt nicht alle Merkmale hervor, außerdem würden Merkmale als bekannt angesehen, die in den Entgegenhaltungen nicht offenbart seien. Die Ausführungen zu den einzelnen Entgegenhaltungen ließen zudem vermissen, weshalb ein Fachmann ein Lager nach einem der entgegengehaltenen Dokumente mit einem weiteren Lager zusammenschauen sollte, um zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen.

Der in der Verhandlung vorgelegte streitgemäße Patentanspruch 1 lautet (Gliederung durch den Senat):

a) Wälzlager mit einem ersten Lagerring (1) und einem Satzvon Wälzkörpern (3), die mit dem ersten Lagering (1) und einem zweiten Lagerring (2) oder einem Maschinenteil in Wälzkontakt stehen, wobeib) der Außenbereich des Wälzlagers wenigstens zum Teil miteiner Wachsschicht (7) überzogen ist, c) welche ein verschleißschützendes Additiv (8)

d) und ein korrosionsschützendes Additiv (9) enthält, die jeweilsan der mit der Wachsschicht (7) bedeckten Oberfläche des Wälzlagers angelagert sinde) und die Wachsschicht (7) eine Dicke zwischen 2 µm und 300 µm aufweist und f) auf eine metallische Zwischenschicht aufgebracht ist.

Bezüglich der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 sowie zum weiteren Vorbringen aller Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH X ZB 6/08 -Ventilsteuerung, Urteil vom 6. Dezember 2008).

2.

Die Einsprüche wurden fristgerecht erhoben und sind mit Gründen versehen. Sie sind damit zulässig. Dem Antrag der Patentinhaberin, die Einsprüche als nicht ausreichend substantiiert und damit als unzulässig zurückzuweisen, kann nicht stattgegeben werden. Die Patentinhaberin behauptet, das Merkmal des Anspruchs 1 nach Streitpatent, wonach der Außenbereich des Wälzlagers wenigstens zum Teil mit einer Wachsschicht überzogen istc) welche ein verschleißschützendes Additiv (8) undd) ein korrosionsschützendes Additiv (9) enthält, die jeweils ander mit der Wachsschicht (7) bedeckten Oberfläche des Wälzlagers angelagert sind, werde von den beiden Einsprechenden nicht besprochen, vielmehr sei deren Schriftsätzen auch implizit nicht zu entnehmen, weshalb das Merkmal als bekannt oder naheliegend angesehen werden könnte. Sowohl die Einsprechende I als auch die Einsprechende II gehen aber jeweils auf dieses Teilmerkmal ein. So führt die Einsprechende I aus, "Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass auch in der Wälzlagertechnik die Beschichtung von Außenbereichen mit einer Wachsschicht, die einen Korrosionsinhibitor enthält, bereits bekannt ist" (vgl. Schriftsatz E I vom 24.3.2005, Seite 3, drittletzter Absatz). Die Einsprechende II bringt in ihrem Schriftsatz vom 30. März 2005 vor (vgl. Seite 3), die US 44 64 275 A offenbare Beschichtungen von Wälzlagern mit Wachsschichten, enthaltend Antioxidationsmittel und ein Verschleißschutzmittel -und weiter: Auf der Metalloberfläche werden Filmdicken ... aufgetragen (1. Absatz). Aus der JP 2000-304057, Absätze [0009] bis [0016] seien Feststoff-Schmiermittelzusammensetzungen, enthaltend Verschleißschutzadditive und Korrosionsschutzadditive als Beschichtungsmassen für Metalloberflächen seit langem bekannt (Seite 3, 2. Absatz). Damit wird von jeder der beiden Einsprechenden das in Rede stehende Merkmal aufgegriffen und die Tatsachen werden auch bzgl. dieses Teilmerkmals d) im Einzelnen soweit angegeben, dass sich eindeutig ergibt, dass der Einspruch nach Auffassung der Einsprechenden gerechtfertigt ist (vgl. Schulte, 8. Aufl. PatG, § 59, Rdn. 93). Der Senat kann aufgrund dieser Angaben somit abschließende Folgerungen für das Vorliegen dieses Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen. Ob die Ausführungen einen Widerruf tragen, ist eine Frage der Begründetheit.

Die Ausführungen der Einsprechenden I und II sind auch, entgegen der Ansicht der Patentinhaberin bzgl. des weiteren Vorbringens der Einsprechenden ausreichend substantiiert. Die Argumentationslinie der Einsprechenden bringt ausreichend deutlich zum Ausdruck, wie ein Fachmann die aus den entgegengehaltenen Schriften bekannten Merkmale miteinander zu kombinieren hätte, um zum Anspruchsgegenstand zu gelangen, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen. Dies gilt insbesondere auch für den Punkt "5. Zusammenfassung" der Einsprechenden II. Inwieweit der jeweilige Vortrag der Einsprechenden schlüssig ist, hat keine Auswirkungen auf das Vorliegen der Zulässigkeit der Einsprüche (vgl. Schulte, a. a. O. Rdn. 99).

a. Die beanspruchten Merkmale sind ursprünglich offenbart. Die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 entstammen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 4 und 10, die Merkmale der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 entsprechen denjenigen der ursprünglichen Ansprüche 2, 3, 5 bis 9 und 11 bis 13.

3. Die Lehre nach dem erteilten bzw. nach dem vorliegenden Patentanspruch 1 ist ausführbar.

a. Dies kann zwar im Ergebnis dahinstehen, weil -wie unten ausgeführt -der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Der Senat ist jedenfalls davon überzeugt, dass ein Fachmann unter Einbeziehung der Lehre aus der Patentschrift ein Wälzlager mit den allgemein gehaltenen Merkmalen nach Patentanspruch 1 fehlerfrei nacharbeiten kann, dass er insbesondere eine Wachsschicht mit den beanspruchten Additiven so auf ein Wälzlager aufbringen kann, dass sich bei der ersten Inbetriebnahme des Wälzlagers die Wachsschicht im Bereich der in Wälzkontakt zueinander stehenden Flächen auflöst und das verschleißschützende Additiv an deren Oberfläche angelagert wird. Der Senat konnte allerdings der von der Patentinhaberin in der Verhandlung vorgebrachten Erklärung des Begriffs "anlagern" nicht folgen und hat darauf auch hingewiesen. Denn mangels einer anderweitigen Offenbarung kann die Begriffsbedeutung "anlagern" nur in allgemein gültiger Art Verständnis finden, vergleichbar den aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen.

b. Wachse sind Stoffe, die heute durch ihre mechanischphysikalischen Eigenschaften definiert werden. Ihre chemischen Zusammensetzung und Herkunft sind hingegen sehr unterschiedlich. Ein Stoff wird als Wachs bezeichnet, wenn er bei 20¡ C knetbar, fest bis brüchig hart ist, eine grobe bis feinkristalline Struktur aufweist, farblich durchscheinend bis opak, aber nicht glasartig ist, über 40¡ C ohne Zersetzung schmilzt, wenig oberhalb des Schmelzpunktes leicht flüssig (wenig viskos) ist, eine stark temperaturabhängige Konsistenz und Löslichkeit aufweist sowie unter leichtem Druck polierbar ist. Ist mehr als eine der oben aufgeführten Eigenschaften nicht erfüllt, ist der Stoff nach der DGF (DGF-Einheitsmethode M-I 1 (75)) kein Wachs.

4.

Ein Wälzlager mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu gegenüber allen, als bekannt nachgewiesenen Wälzlagern, denn keine dieser Ausbildungen umfasst zusätzlich zu den Merkmalen a) bis e) des erteilten Anspruchs 1 auch noch eine Ausbildung, bei der die Wachsschicht auf eine metallische Zwischenschicht aufgebracht ist (Merkmal f).

5.

Ein Wälzlager mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit zweifelsfrei ist, stellt nicht das Resultat einer erfinderischen Tätigkeit dar.

a.

Als Durchschnittsfachmann wird ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von Wälzlagern angesehen, der zusätzlich auch über rudimentäre chemische Kenntnisse verfügt, die ihm erlauben, geeignete Korrosionsund Verschleißschutzadditive auszuwählen und fachgerecht aufzubringen.

b.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf den erteilten Patentanspruch 1 nach dem Vortrag der Einsprechenden dargelegt, dass er ein Wälzlager mit den Merkmalen a) bis e) als durch die DD 222 611 A1 neuheitsschädlich vorweggenommen ansieht. Im Einzelnen wurde dazu ausgeführt, dass diese Schrift ein Wälzlager beschreibt (vgl. S. 1, Z. 23), bei dem ein erster Lagerring und ein Satz von Wälzkörpern, die mit dem ersten Lagering und einem zweiten Lagerring oder einem Maschinenteil in Wälzkontakt stehen -entsprechend Merkmalsteil a) der Gliederung. Ein solches Wälzlager wird -entsprechend Merkmalsteil b) -mit einem Wachsüberzug umgeben (vgl. S. 1, Z. 14). Der Wachsüberzug enthält sowohl ein verschleißschützendes Additiv (Ethylen-Vinylacetat Copolymer) als auch ein korrosionsschützendes Additiv (Korrosionsinhibitor, vgl. jeweils "Erfindungsanspruch"), die jeweils an der mit der Wachsschicht bedeckten Oberfläche angelagert sind -entsprechend der Merkmalsteile c) und d). Die Tatsache, dass diese Additive an der Wälzlageroberfläche angelagert sind, respektive auch nach Entfernung der Wachsschicht dort verbleiben, wird in der DD 222 611 A1 zwar als nachteilig angesehen (vgl. S. 1, Z. 45, S. 2, Z. 14), der Fachmann erhält daraus jedoch -unabhängig vom konkreten Ausführungsbeispiel nach der Entgegenhaltung -ohne Zweifel die Lehre wie er vorzugehen hätte, wenn er eine dauerhafte Schutzwirkung erzielen will. Die Schichtdicke des Wachsüberzugs ist auf S. 1, Z. 33 der DD 222 611 A1 -übereinstimmend mit Merkmal e) des streitgemäßen Anspruchs -mit >100 µm angegeben. Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung nach Zwischenberatung ausgeführt hat, offenbart die DD 222 611 A1 damit ein Wälzlager mit allen Merkmalen a) bis e) nach obenstehender Gliederung des erteilten Anspruchs. Das bedeutet, ein Wälzlager nach dem vorliegenden Anspruch 1 unterscheidet sich davon nur mehrdurch die Ausbildung, entsprechend Merkmal f), wonach die Wachsschicht -auf eine metallische Zwischenschicht aufgebracht ist.

Die Einsprechenden haben in der mündlichen Verhandlung auf die DE 41 42 313 A1 hingewiesen, in der aufgabengemäß die Korrosion an Wälzlagerteilen verhindert werden soll, wobei die Korrosionsschutzmaßnahme eine hohe Standzeit haben soll (vgl. DE 41 42 313 A1, Sp. 1, Z. 15 bis 18). Als Lösung sieht diese Entgegenhaltung vor, korrosionsgefährdete Oberflächenteile eines solchen Wälzlagers mit einer Zwischenschicht, im vorliegenden Fall mit einer Korrosionsschutzbeschichtung aus einer Zink-Verbindung zu versehen. Durch die Parallelität der zugrundeliegenden Aufgabe -Erreichung eines umfänglichen Korrosionsschutzes -erhält der damit befasste Fachmann einen Hinweis, dass beide Schriften zur Lösung seines aktuellen Problems Relevanz aufweisen. Denn eine solche Schutzmaßnahme ist sowohl durch das Aufbringen einer Zwischenschicht (Nickel-Verbindung nach der DE 41 42 313 A1) als auch durch einen Wachsüberzug mit entsprechendem Additiv zu verwirklichen. Dadurch kann er Wälzlager optimal vor Korrosion schützen (Streitpatent, Abs. [0007]). Dementsprechend "unter stark korrosiven Umgebungsbedingungen" (vgl. Streitpatent Abs. [0015]) zusätzlich eine metallische Zwischenschicht vorzusehen, also zusätzlich zu der einen bekannten Lösung eine Zweite hinzu zu fügen, kann daher nicht mehr als erfinderisch angesehen werden.

Anspruch 1 ist daher nicht bestandsfähig.

Hiermit haben zwingend auch die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 keinen Bestand, da sie zusammen mit dem Patentanspruch 1 Gegenstand desselben Antrags auf Aufrechterhaltung des Patents sind und deshalb ohne eigene Prüfung das Rechtsschicksal des nicht patentfähigen Anspruchs 1 teilen (vgl. BGH GRUR 1980, 716 Schlackenbad i. V. m. BlPMZ 1989, 103 Verschlussvorrichtung für Gießpfannen).

6. Der Senat hat die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung mehrfach auf seine vorläufige Auffassung zum (sowohl zum erteilten als auch zum geltenden) Sachund Streitstand hingewiesen. Nachdem die Patentinhaberin trotzdem nicht zu erkennen gegeben hat, sie wolle (weitere) Hilfsanträge stellen, liegt entgegen der nach Schluss der mündlichen Verhandlung geäußerten Meinung der Patentinhaberin keine unzulässige Überraschungsentscheidung des Senats vor.

Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.

Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl






BPatG:
Beschluss v. 27.01.2009
Az: 6 W (pat) 311/05


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