Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. Juni 1999
Aktenzeichen: 22 U 32/99

(OLG Köln: Urteil v. 29.06.1999, Az.: 22 U 32/99)

Tenor

Die Berufung der Kläger zu 1., 2., 4., 5. und 6. gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. November 1998 - 91 0 192/97 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß in Abänderung der Kostenentscheidung des Landgerichts die Kosten der 1. Instanz den Klägern zu je 1/6 auferlegt werden. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu 1., 2., 4., 5. und 6. zu je 1/5 zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern zu 1., 2., 4., 5. und 6. wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 5.000,- abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Kläger sind eingetragene Namens - Aktionäre der Beklagten. Das Grundkapital der Beklagten von 9 Mio. DM bestand zur Hälfte aus Namens - Stammaktien Buchstabe ..., die sämtlich im Eigentum der Stadt K. standen, und zur Hälfte aus zum geregelten Freiverkehr an der Börse zu D. zugelassenen stimmberechtigten Namens - Vorzugsaktien Buchstabe .... Dazu gehören die Aktien der Kläger. Nominal 1,6 Mio. DM Vorzugsaktien sind sog. Treuhandaktien, die auf Mieter der Gesellschaft eingetragen sind, aus denen die Aktionärsrechte aber durch einen Treuhänder ausgeübt werden.

In der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.8.1997 wurde zu T. ... neben einer Satzungsänderung eine Erhöhung des Grundkapitals der Beklagten um 9 Mio. DM auf 18 Mio. DM durch Ausgabe von 90.000 Stück vinkulierter Namensaktien zum Ausgabebetrag von 3.400,-- DM je Aktie, je zur Hälfte Aktien Buchstabe ... und ..., beschlossen. Das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre wurde ausgeschlossen. Die neuen Aktien wurden von der Stadt K. gezeichnet. Als Gegenleistung erbrachte die Stadt K. als Sacheinlage 51% der Geschäftsanteile an der G. und B. GmbH K. (G.) im Wert von 304.470.000,-- DM in die Beklagte. Der Spitzenbetrag von 1.530.000,-- DM wurde bar bezahlt. Bei Behandlung des T. ... lag der Bericht des Vorstands der Beklagten gem. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG vor, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. U.a. für den Kläger zu 1) wurden Fragen gestellt. Wegen des Inhalts und des Inhalts der Beantwortung wird auf die notarielle Niederschrift Bezug genommen. Bei einer Präsenz von 82.459 Stimmen, abzüglich 649 Stimmen, für die der Treuhänder das Stimmrecht nicht ausübte, wurde der Beschluß bei 1147 Gegenstimmen und 21 Enthaltungen mit allen übrigen Stimmen gefaßt. Die Kläger erklärten Widerspruch zu Protokoll. Anschließend wurden zu T. ... und T. ... Sonderbeschlüsse der Inhaber der Aktien Buchstabe ... und Buchstabe ... gefaßt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Mit der am 24.9.1997 bei Gericht eingegangenen Klage haben die Kläger beantragt, den Beschluß zu T. ... der Hauptversammlung vom 25.8.1997 für nichtig zu erklären.

Die Kläger haben vorgetragen, der angefochtene Beschluß sei mit den Stimmen des Großaktionärs, der Stadt K., gefaßt worden. Deren Kapital- und Stimmrechtsanteil habe 57,79% betragen. Vom 20.12.1995 bis 27.6.1997 seien die Gesellschaftsanteile der Stadt K. an der Beklagten und an der Gr. in die Wohnungs- H. der Stadt K. eingebracht gewesen. Das und die Rückübertragung an die Stadt hätten gem. § 20 AktG ordnungsgemäß angezeigt werden müssen. Erst am 15.10.1997 habe der Vorstand der Beklagten angezeigt, daß die Stadt K. die Mehrheitsbeteiligung an der Beklagten hielt. Es sei zu vermuten, daß schon die Anwesenheit des Großaktionärs in der Hauptversammlung das Stimmverhalten der übrigen Aktionäre beeinflußt haben könnte.

Mit Schriftsatz vom 26.2.1998 haben die Kläger die Unwirksamkeit des Beschlusses zu T. ... zusätzlich damit begründet, daß wegen des Stimmverbots für die Stadt K. auch kein wirksamer Sonderbeschluß zu T. ... gefaßt worden sei. Auch die Treuhandaktien hätten nicht mitstimmen dürfen, weil es sich tatsächlich um eigene Aktien der Beklagten handele. Die Hauptversammlung sei über wesentliche tatsächliche Grundlagen der Beschlußfassung getäuscht worden. So sei die Hauptversammlung nicht über die Einbringung der Beteiligungen der Stadt K. an der Beklagten und Gr. in die Wohnungs- H. und deren spätere Auflösung unterrichtet worden. Vorrangige Aktionärsfragen seien nicht oder nur unzureichend beantwortet worden. Der Beschluß verstoße auch gegen die Rechtsprechungsgrundsätze für Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen unter Bezugsrechtsausschluß der Aktionäre. Aus dem Vorstandsbericht ergebe sich kein dringendes Interesse am Erwerb der Sacheinlage, bei dem der angestrebte Nutzen der Gesellschaft den Beteiligungs- und Stimmrechtsausschluß der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre übersteigen müsse. Vor allem verstoße der Beschluß gegen §§ 243 Abs.2, 255 Abs. 2 Satz 2 AktG. Als Großaktionär sei die Stadt K. nicht Dritter. Während die Beklagte erheblich unterbewertet werde, werde die G. überbewertet. Während die Beklagte den Unternehmenswert der G. durch Gutachten der deutschen Baurevision habe feststellen lassen, fehle eine entsprechende Bewertung für die Beklagte. Die Verwässerung des Wertes der Aktien der freien Aktionäre werde durch das außerhalb des Beschlusses vereinbarte Kaufangebot der Stadt K. zum Preis von 3.400,-- DM nicht aufgehoben. Angesichts der für den Großaktionär gegebenen Möglichkeit, die Auflösung der Beklagten gem. § 21 der Satzung herbeizuführen, laufe das Angebot auf einen faktischen Bezugsrechtsausschluß hinaus. Die Überbewertung der G. zeige sich in einer Kapitalisierung der zu erwartenden Mietsteigerungen der Jahre 1997 bis 2006 bei gleichzeitiger Annahme eines Kapitalisierungszinssatzes von 5,5%. Die angenommene Reinvestitionsrate von 8,-- DM je qm Wohnfläche sei viel zu gering. Die von dem Sachverständigen Ba. vorgenommene Bewertung der G. mit 741 Mio. DM führe zu einer Einschätzung des Wohnungsbestandes der G. mit 1.875,-- DM/qm, was angesichts der Marktpreise für größere gemischte Wohnungsbestände von höchstens 1.200,-- DM/qm völlig abwegig sei.

Die Kläger haben beantragt,

den Beschluß zu T. ... der Hauptversammlung der

Beklagten vom 25.8.1997 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Unwirksamkeit des Beschlusses zu T. ... der Hauptversammlung vom 25.8.1997 ergebe sich nicht daraus, daß die Stadt K. mitgestimmt habe. Selbst wenn ein Stimmverbot wegen fehlender Anzeige gem. § 20 Abs. 1 AktG bestanden habe, habe sich dies angesichts des mit sehr großer Mehrheit gefaßten Beschlusses auf das Ergebnis nicht ausgewirkt. Für die Treuhandaktien habe allein der Treuhandaktionär ohne ihre Weisungen das Stimmrecht ausgeübt. Soweit die Aktien von ihrer treuhänderischen Bindung frei geworden seien, habe der Aktionär das Stimmrecht nicht ausgeübt. Die sachliche Begründung für den Bezugsrechtsausschluß ergebe sich aus dem Vorstandsbericht. Daraus ergebe sich das dringende Interesse an der Einbringung der Beteiligung von 51 % an der G. durch die Stadt K., das den Bezugsrechtsausschluß der Aktionäre rechtfertige. Auf anderem Wege sei das angestrebte Ziel, breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu sozial angemessenen Bedingungen zu versorgen, nicht besser zu verwirklichen gewesen. Eine vergleichende Bewertung der Beklagten mit der G. sei nicht erforderlich gewesen. Da die Aktionäre zum Ausgabekurs an der Kapitalerhöhung teilnehmen könnten, bestehe keine Verwässerungsgefahr des Aktienbesitzes. Der Ausgabekurs der jungen Aktien spiele dabei keine Rolle. Der tatsächliche Wert der G. sei durch das Bewertungsgutachten der De. Ba.revision AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zutreffend festgestellt worden. Nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Ba. sei der Wert der G. sogar noch höher anzusetzen. Die Hauptversammlung sei über alle wesentlichen Umstände der Kapitalerhöhung zutreffend unterrichtet worden. Die Aktionärsfragen seien zutreffend beantwortet worden.

Das Landgericht hat gem. Beweisbeschluß vom 22.12.1997 zum Unternehmenswert der G. und B. GmbH Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Ba. vom 2.7.1998 und auf die ergänzenden Erläuterungen, die der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vom 4.11.1998 gegeben hat, Bezug genommen.

Durch Urteil vom 25.11.1998 - 91 O 192/97 - hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der angefochtene Beschluß sei auch dann, wenn die Stadt K. an der Ausübung des Stimmrechts nach § 20 Abs. 7 AktG gehindert gewesen sei, nicht gem. § 243 Abs. 1 AktG unwirksam, da die Annahme des Beschlusses nicht auf der Stimmabgabe der Stadt K. beruhe, vielmehr die nach § 186 Abs. 3 AktG erforderliche Mehrheit auch bei Nichtberücksichtigung der Stimmen der Stadt K. erreicht worden sei. Auf die Unwirksamkeit des Beschlusses zu T. ... wegen eines fehlenden wirksamen Sonderbeschlusses gem. § 138 AktG zu T. ... könnten die Kläger sich schon deswegen nicht berufen, weil sie diesen AnfechtungsG. erst mit Schriftsatz vom 10.12.1997 nachgeschoben hätten. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für einen Bezugsrechtsausschluß gem. § 186 Abs. 3 und 4 AktG seien beachtet worden. Da die Stadt K. sich verpflichtet habe, die von ihr bezogenen Namens-Vorzugsaktien zu 84,82 % der Stadtsparkasse K. treuhänderisch zur Verfügung zu stellen, und die Stadtsparkasse K. ihrerseits verpflichtet sei, diese Aktien den anderen Aktionären in einem Verfahren, welches nach Regeln, Formen und Fristen jenem des gesetzlichen Bezugsrechts nachgebildet sei, kostenfrei zum Erwerb anzubieten, sei ein von § 186 Abs. 5 AktG nicht erfaßtes mittelbares Bezugsrecht gegeben, auf das § 255 Abs. 2 Satz 2 AktG Anwendung finde. Die Kläger könnten daher nicht geltend machen, daß der Emmissionskurs von 3.400,-- DM unangemessen niedrig angesetzt worden sei. Für eine Verwässerungsgefahr der Aktien der übrigen Aktionäre sei nichts ersichtlich. Daß die Beklagte sich bei Festlegung des Emissionskurses an den Kassakursen von Januar bis Juni 1997 orientiert habe, sei zumal auch deshalb nicht zu beanstanden, weil die von den übrigen Aktionären nicht abgenommenen neuen Aktien über die Börse veräußert werden sollen, wobei der Stadt nur der Emmissionskurs verbleiben solle und ein etwaiger Mehrerlös an die Beklagte abgeführt werden müsse. Die von der Stadt K. eingebrachten 51 % der Geschäftsanteile an der G. hätten zumindest den zu zugrundegelegten Wert der Sacheinlage von 304,5 Mio. DM, wie durch das Gutachten der D. Tr. Baurevison belegt sei, wonach der wahre Wert der Gr. 597 Mio. DM betrage. Der gerichtliche Sachverständige Ba. komme bei seiner Begutachtung sogar zu einem Wert der G. von 741 Mio. DM. Soweit das von den Klägern vorgelegte Gutachten des Architekten Bo. niedrigere Werte ausweise, sei dies schon deshalb unerheblich, weil es vorliegend um Unternehmensbewertung, nicht um die Bewertung des Wohnungsbestandes gehe. Daß die Aktionäre bei der Beschlußfassung über T. ... in der Hauptversammlung über wesentliche Umstände getäuscht worden seien, sei nicht festzustellen. Soweit die Aktionärsfragen für die Beschlußfassung erheblich gewesen seien, seien sie nach der notariellen Niederschrift vollständig beantwortet worden.

Wegen aller weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihnen am 30.12.1998 zugestellte Urteil haben die Kläger zu 1., 2., 4., 5. und 6. mit am Montag, dem 1.2.1999 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1.4.1999 mit am 26.3.1999 eingegangenem Schriftsatz begründet haben.

Mit der Berufung verfolgen die Kläger zu 1., 2., 4., 5. und 6. ihr Klageziel unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter.

Sie beantragen,

1.

Das angefochtene Urteil des LG Köln vom 25.11.1998 wird

abgeändert.

Der Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten

vom 25.08.1997 zu Punkt ... der Tagesordnung, der wie folgt

zur Beschlußfassung angekündigt war:

"6. Erhöhung des Grundkapitals unter Ausschluß des gesetz-

lichen Bezugsrechts mit Anpassung der Satzung und Erhöhung

des Dividendenvorrechts durch Satzungsänderung

Vorstand und Ausfsichtsrat schlagen vor, folgenden Beschluß

zu fassen:

a) Das Grundkapital der Gesellschaft von DM 9.000.000,-

wird um DM 9.000.000,- erhöht auf DM 18.000.000,- durch

Ausgabe von 90.000 Stück neuer vinkulierter Namensaktien

im Nennbetrag von je DM 100,- DM mit Gewinnberechtigung

ab 1. Januar 1997 zum Ausgabebetrag von DM 3.400,-- je

Aktie, also zum Gesamtausgabebetrag von DM 306.000.000,-.

Ausgegeben werden 45.000 Stück neue vinkulierte Namens-

Stammaktien (Aktien Buchstabe ...) im Nennbetrag von je

DM 100,-- und 45.000 neue vinkulierte Namens-Vorzugsak-

tien mit Stimmrecht (Aktien Buchstabe ...) im Nennbetrag

von je DM 100,--.

Das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre wird ausge-

schlossen. Die neuen Aktien werden von der Stadt K.

gezeichnet. Die Stadt K. überträgt gegen Gewährung von

45.000 Aktien Buchstabe ... im Gesamtnennbetrag von DM

4.500.000,- und 44.500 Aktien Buchstabe ... im Gesamtnenn-

betrag von DM 4.455.000,-- mit Wirkung zum 31.August 1997

24.00 Uhr/01. September 1997 0.00 Uhr als Sacheinlage

51% der Geschäftsanteile an der im Handelregister des

Amtsgerichts K. unter HRB ... eingetragenen G. und

B. GmbH, K., im Nominalbetrag von DM 91.494.000,-

und im Wert von DM 304.470.000,- auf unsere Gesellschaft.

Der Spitzenbetrag für 450 neue Aktien in Höhe von DM

1.530.000,-- wird in bar geleistet.

b) § 3 der Satzung wird geändert und mit Wirkung vom Tage

der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung wie

folgt neu gefaßt:

(1) Das G.kapital der Gesellschaft beträgt DM

18.000.000,-. Es ist in 90.000 Stück Aktien Buch-

stabe ... über je DM 100,- eingeteilt. Alle Aktien

lauten auf den Namen.

(2) Die Aktien Buchstabe ... sind Vorzugsaktien. Sie ge-

währen ein Vorrecht auf eine Dividende von 6%. Aus

dem alsdann für die Dividendenverteilung verbleiben-

den Bilanzgewinn erhalten die Aktien Buchstabe ... eine

Dividende bis zur gleichen Höhe. Verbleibt alsdann

ein weiterer Bilanzgewinn, so erhöht sich die Divi-

dende um je 1%, wobei die Vorzugsaktien Buchstabe ...

für jedes Prozent zunächst das Vorrecht haben."

und den die Hauptversammlung gegen 1.147 Stimmen be-

schloß, wird für nichtig erklärt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der Kläger zu 1), 2), 4), 5) und 6) hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage aus den zutreffenden und überzeugenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die der Sach- und Rechtslage entsprechen und die der Senat sich im vollen Umfange zu eigen macht, zu Recht abgewiesen. Auch das Berufungsvorbringen vermag eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Da es sich im wesentlichen auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Sachvortrags der Kläger beschränkt und neue entscheidungserhebliche Angriffsmittel nicht enthält, wird in Anwendung der Bestimmung des § 543 Abs. 1, 2 ZPO zur Meidung unnötiger Wiederholungen auch insoweit auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Ergänzend ist aus Sicht des Senats lediglich folgendes auszuführen:

1.

Zu Unrecht halten die Berufungskläger daran fest, daß der Beschluß der Hauptversammlung zu T. ... anfechtbar sei, weil es für die Anfechtbarkeit ausreiche, wenn der Fehler für das Beschlußergebnis nur potentiell kausal bzw. relevant erscheine.

a)

Für ihre gegenteilige Auffassung können die Berufungkläger sich zunächst nicht auf die von ihnen in der Berufungsbegründung wörtlich zitierte Literaturstelle stützen. Wenn es bei Koppensteiner (K.er Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rz.53 zu § 20) unter Hinweis auf weitere Quellen heißt, die Ausübung des Stimmrechts entgegen § 20 Abs. 7 AktG mache den Hauptversammlungsbeschluß nach einhelliger und zutreffender Ansicht anfechtbar, "...sofern das Stimmgewicht des ausgeschlossenen Aktionärs für den Beschluß erheblich war", so liegt darin nur eine Bestätigung der vom Landgericht vertretenen Rechtsauffassung. Denn im vorliegenden Fall fehlt es danach an der Anfechtbarkeit, weil die Ausübung des Stimmrechts durch die Stadt K. aus den im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführten Gründen für den Beschluß unerheblich war.

b)

Ob, wie die Berufungskläger meinen, im Rahmen der Anwendung des § 243 Abs. 1 AktG die schon potentielle Kausalität des Verfahrensfehlers für das Beschlußergebnis als AnfechtungsG. in jedem Fall ausreicht (zum Meinungsstand vgl. Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 243, Rn. 12 f m.w.N.), kann hier letztlich dahingestellt bleiben. Denn die potentielle Kausalität fehlt offenkundig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die fehlerhafte Feststellung des Abstimmungsergebnisses auf das Beschlußergebnis selbst ohne Einfluß geblieben ist, also insbesondere dann, wenn die erforderliche Mehrheit auch nach Abzug fälschlich mitgezählter Stimmen verbleibt (vgl. Hüffer a.a.O. § 243 Rn. 19 m.w.N.). Dann stellt sich nämlich erst gar nicht die Frage, ob der Fehler das Beschlußergebnis beeinflußt haben könnte, sondern es steht von vorneherein fest, daß der Fehler keinen Einfluß auf das Beschlußergebnis hatte.

c)

Für eine Anfechtbarkeit des in Rede stehenden Beschlusses läßt sich auch nicht die von den Berufungsklägern in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung BGHZ 83, 1 (3) ins Feld führen. Diese Entscheidung betrifft nicht die Problematik des § 20 Abs. 7 AktG, sondern den Fall, daß der Vorstand in der Hauptversammlung eine Auskunft zu Unrecht verweigert hat. In diesem Fall kann die Anfechtbarkeit des davon betroffenen Beschlusses unter der Voraussetzung gegeben sein, daß ordnungsmäßig erteilte Auskünfte bei objektiver Beurteilung geeignet gewesen wären, ein anderes Abstimmungsergebnis herbeizuführen (BGH a.a.O.). Es ist dann gemäß § 243 Abs. 4 AktG unerheblich, daß die Hauptversammlung oder Aktionäre erklärt haben oder erklären, die Verweigerung der Auskunft habe ihre Beschlußfassung nicht beeinflußt.

Mit der in § 243 Abs. 4 AktG für den Fall der Auskunftsverweigerung getroffenen Sonderregelung ist es aber ersichtlich nicht vergleichbar, wenn - wie die Kläger hier behaupten und für die Entscheidung des Rechtsstreits letztlich dahingestellt bleiben kann - die Kleinaktionäre möglicherweise anders abgestimmt hätten, wenn sie gewußt hätten, daß der Mehrheitsaktionär gar nicht stimmberechtigt war. Die Berufungskläger halten es nach ihrem Vorbringen für denkbar, daß die Kleinaktionäre wegen der Stimmen-Übermacht des Mehrheitsaktionärs jede Opposition als von vorneherein aussichtslos angesehen und sich dementsprechend verhalten hätten. Derartige Erwägungen bieten aber nach Auffassung des Senats keine hinreichende Grundlage für eine analoge Anwendung der §§ 243 Abs. 1, 131 Abs. 1 AktG. Zum einen entzieht sich die Behauptung eines solchen sachfremden Stimmverhaltens von Kleinaktionären im Einzelfall jeder objektiven Nachprüfung und zum anderen ließe sich auch keine rational begründete Feststellung treffen, daß eine Ausschließung des Mehrheitsaktionärs von der Stimmabgabe geeignet gewesen wäre, ein anderes Abstimmungsergebnis herbeizuführen.

2.

Auch die behauptete Benachteiligung der Minderheitsaktionäre haben die Berufungskläger weiterhin nicht überzeugend dargetan. Zu Recht weist die Beklagte im Einklang mit dem Gutachten der D. Ba.revision und dem Gutachten des Sachverständigen Ba. darauf hin, daß der Wert eines Unternehmens regelmäßig über die Summe der in ihm enthaltenen Einzelvermögenswerte hinausgeht, weil dabei auch stille Reserven und ein innerer Geschäftswert zu berücksichtigen sind. Die Summe der Verkehrswerte des vorhandenen Wohnungsbestandes, auf die die Berufungskläger allein abstellen wollen, stellt daher keine ausreichende Bewertungsgrundlage dar.

Zweifel daran, daß die Geschäftsanteile der Stadt K. an der G. bei Einbringung in die Beklagte mindestens einen Wert von 304,5 Mio. DM hatten, ergeben sich auch nicht im Zusammenhang mit dem für die G. bei ihrer Einbringung in die Wohnungsh. der Stadt K. (WHK) erstellten Wertgutachten. Nach Darstellung der Beklagten heißt es in dem betreffenden Sachwertgutachten des Wirtschaftsprüfers Kl.:

"Grundlage für die Bewertung ist der Verkehrswert der

einzubringenden Beteiligungen. Dieser muß insgesamt den

Betrag der Stammeinlage erreichen. (...) Für die

Beteiligung an der G. und B. GmbH in K. kann ich

bestätigen, daß deren Verkehrswerte mindestens ihrem

Buchwert per 31.12.1994 entsprechen"

Die Beklagte hat dazu unwidersprochen ausgeführt, da die von der Stadt K. anläßlich der seinerzeitigen Einbringung von 90% der G.-Beteiligung übernommene Stammeinlage bei der W. wertmäßig bereits durch den Buchwert erreicht worden sei, habe die Feststellung genügt, daß der Verkehrswert der G.-Geschäftsanteile "mindestens" deren Buchwert zum 31.12.94 entsprach. Eine Ausssage darüber, wie hoch der Verkehrswert tstsächlich sei, sei daher seinerzeit mangels Notwendigkeit gerade nicht getroffen worden.

3.

Für eine Anfechtung des Beschlusses zu T. ... nach § 243 Abs. 2 S. 1 AktG wegen unzulässiger Verfolgung von Sondervorteilen fehlt es, wie die Beklagte zutreffend geltend macht, schon an der schlüssigen Darlegung der subjektiven Voraussetzungen.

§ 243 Abs. 2 S. 1 AktG setzt voraus, daß der Aktionär den Sondervorteil "zu erlangen suchte". Darin liegt ein auf den Erwerb des Sonderrechts beschränktes Vorsatzerfordernis. Erforderlich sind deshalb das Bewußtsein, daß der Beschluß als Grundlage für den Erwerb eines besonderen Vorteils dienen kann, und der Wille des Aktionärs, diesen Vorteil für sich oder andere zu erlangen (Hüffer, a.a.O., § 243 Rn 34 m.w.N.). Da aber nach den vom Landgericht eingeholten Gutachten die G. nicht zu hoch, sondern allenfalls zu niedrig bewertet worden ist, besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Mehrheitsaktionärin in der Absicht handelte, sich einen Sondervorteil zu verschaffen.

4.

Zu Unrecht beanstanden die Berufungskläger auch, daß das Landgericht sich nicht hinreichend mit den behaupteten Verletzungen ihres Auskunftsrechts auseinandergesetzt habe.

Bei Prüfung der Frage, ob eine in der Hauptversammlung verlangte Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands von Tagesordnungspunkten erforderlich ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Ein Auskunftsanspruch besteht nur, wenn die Auskunft ein für die Entscheidungsfindung eines objektiv denkenden Aktionärs wesentliches Element bildet (LG Fft./M. WM 1994, 1929). Die Berufungskläger haben indessen auch im Berufungsverfahren nicht nachvollziehbar dargetan, welche - ihrem Gegenstand nach vom Vorstand a. h. erteilbare - Auskunft mit welchem konkreten Inhalt ihnen zu Unrecht vorenthalten worden sein soll, die im Falle ihrer Erteilung einen vernünftig urteilenden Aktionär bewegt habe könnte, gegen anstatt für die Beschlußvorlage zu T. ... zu stimmen. Insbesondere soweit die Fragen den Wert der G. betreffen, ist angesichts des Inhalts der Sachverständigengutachten nicht erkennbar, welche davon im Ergebnis abweichende und den Klägern günstige Auskunft der Vorstand auf der Hauptversammlung hätte erteilen können oder gar müssen.

5.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Kosten beider Instanzen tragen die Kläger bzw. die Berufungskläger gemäß § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen und nicht als Gesamtschuldner. § 100 Abs. 4 ZPO ist nicht anzuwenden, so daß die Kostenentscheidung des Landgerichts entsprechend zu berichtigen war.

6.

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung der Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil auf 600.000,-- DM festgesetzt (je Kläger 100.000,-- DM).

Streitwert für das Berufungverfahren: 500.000,-- DM (je Berufungskläger 100.000,-- DM).

Wert der Beschwer für die Berufungskläger: jeweils 100.000,-- DM






OLG Köln:
Urteil v. 29.06.1999
Az: 22 U 32/99


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