Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. April 2009
Aktenzeichen: 17 W (pat) 38/08

(BPatG: Beschluss v. 30.04.2009, Az.: 17 W (pat) 38/08)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 2. März 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden unter der Bezeichnung:

"Reiseautomat/Travel Automat".

Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 Q des Deutschen Patentund Markenamtes vom 20. Dezember 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, der Reiseautomat gemäß Patentanspruch 1 sei dem Patentschutz gemäß § 1 PatG nicht zugänglich, da der Anmeldungsgegenstand keine Erfindung auf technischem Gebiet darstelle. Der beanspruchte Reiseautomat diene dem bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Computersystems bzw. -netzwerks zur Durchführung eines nichttechnischen Verfahrens.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde des Anmelders gerichtet. Er stellt den Antrag, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen mit Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüchen 2-8 vom 12. März 2008, eingegangen am 13. März 2008, und Beschreibung Seiten 1-5 vom 11. November 2007, eingegangen am 12. November 2007.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Reiseautomat / Travel Automat ist ein elektronisches Gerät zur Verwertung von bereits installierten Videoclips über Hotels, Ausflüge, Urlaubsländer, Fluggesellschaften für autorisierten Reiseanbieter als auch für die Öffentlichkeit wobei ein Massenspeicher für die sämtlichen TV Reisesendungen vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass erstellte und digitalisierte Sendebeiträge und sämtliche Präsentationen in einem Inhaltsverzeichnis gespeichert sind und über eine Auswahltastatur abrufbar und auf einen Datenträger übertragbar sind."

Bezüglich der Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.

Der Anmelder stellte klar, dass die Videoclips über Hotels, Ausflüge, Urlaubsländer und Fluggesellschaften andere Beiträge als die TV Reisesendungen enthielten und ebenfalls im Automaten abgespeichert seien. Die Titel aller Beiträge seien in einem Inhaltsverzeichnis gespeichert, über das die Darstellung der Beiträge am Automaten abrufbar sei. Unter der Auswahltastatur sei eine beliebig ausgestaltete Einrichtung zum Abruf darzustellender Informationen über ein Menü zu verstehen. Die ausgewählten Beiträge könnten auf einen Datenträger übertragen werden. Der Anmelder führte weiter aus, der herkömmliche Verkauf von Reisen mit Hilfe von Reisekatalogen solle abgelöst werden. Zum Ersatz der Kataloge könne eine Reisevorbereitung mithilfe von am beanspruchten Automaten anzeigbarer Videoclips und TV-Reisesendungen vorgenommen werden. Der Kunde könne auch Videoclips z. B. über das Urlaubsland auf einem Datenträger mit nach Hause nehmen. Der Automat stelle ein modernes Mittel zum Ersatz der Reisekataloge dar, was eine schon lange gesuchte Lösung in der Reisebranche darstelle. Der Anmelder vertrat die Auffassung, dass die Lehre des in der Verhandlung eingereichten Anspruchs 1 dem Patentschutz zugänglich sei, da der Reiseautomat eine technische Vorrichtung sei. Die Einsparung der Kataloge führe zudem zu einer Kostenersparnis beim Konsumenten und sei umweltschonender.

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingelegt und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da die Lehre gemäß geltendem Patentanspruch 1 keine dem Patentschutz zugängliche Erfindung i. S. d. § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG ist.

1. Die Anmeldung betrifft einen als Reiseautomat bezeichneten Selbstbedienungsautomat.

In der Patentanmeldung wird einleitend geschildert, dass es bekannt sei, einen PC mit Multimedia-Ausstattung zu nutzen, um die große Vielfalt der im Internet verfügbaren Videoaufzeichnungen von Reiseangeboten zu nutzen. Als nachteilig wird hierbei angesehen, dass der Benutzer die gesamte teuere Geräteausstattung sowie einen Zugang zum Internet anschaffen muss. Es wird weiter angegeben, dass Reisekataloge für die Reisebüros bisher das wichtigste Verkaufsinstrument sind. Der Automat soll in den Reisebüros aufgestellt werden, um die Serviceleistung für den Kunden zu erweitern, neue Kunden zu gewinnen und damit weitere Vertriebsmöglichkeiten zu eröffnen, um den Reisebüros die volle Provision und damit die Konkurrenzfähigkeit gegenüber PCs mit Internetzugang und TV-Reiseanbietern zu gewährleisten.

Entsprechend sei es Aufgabe der beanspruchten Lehre, TV-Reisesendungen und digitalisierte Videobeiträge als Ersatz für die Reisekataloge in der Reiseindustrie anzubieten (Beschwerdeschriftsatz vom 12.3.08, eingegangen am 13.3.08, S. 1 und Ausführungen des Anmelders in der mündlichen Verhandlung).

Mit dem geltenden Anspruch 1 wird zur Lösung dieser Aufgabenstellung ein Automat vorgeschlagen, der offensichtlich eine Speichereinrichtung, die einen Massenspeicher umfasst, eine Auswahltastatur als Eingabeeinheit sowie als Ausgabeeinrichtungen ein Display und eine Einrichtung zum Beschreiben von Datenträgern aufweist. Hinsichtlich der Ausgestaltung der einzelnen Einheiten oder ihres Zusammenwirkens in technischer Hinsicht sind dem Anspruch keine weiteren Angaben entnehmbar. Die weiteren im Anspruch enthaltenen Merkmale beziehen sich darauf, welche Informationen in der Speichereinrichtung gespeichert vorliegen und wie diese abgerufen werden können. Sämtliche gespeichert vorliegenden Informationen, die verfügbaren Sendebeiträge von TV Reisesendern und Videoclips von Reiseanbietern über Hotels, Ausflüge, Urlaubsländer sowie Fluggesellschaften, sind in einem gemeinsamen Inhaltsverzeichnis aufgelistet, auf das der Kunde mit der Auswahltastatur zugreifen kann. Ein Kunde kann die ihn interessierenden Informationen über eine gewünschte und ggf. zu buchende Reise abrufen, indem er selektiv über das Inhaltsverzeichnis aller verfügbaren Beiträge und Videoclips mit Hilfe der Auswahltastatur die hierfür vorhandene Reiseinformationen auswählt und diese bei Bedarf auf einen Datenträger übernimmt. Der Automat bietet dem Kunden durch Verwendung eines gemeinsamen Inhaltsverzeichnisses einen einheitlichen Zugriff auf die gespeicherten Informationen und ermöglicht ihm dadurch eine einfache Auswahl unter den verfügbaren Videoclips und Sendebeiträgen zur Wiedergabe der gewünschten Informationen.

2. Die Lehre des Patentanspruchs 1 ist dem Patentschutz nicht zugänglich.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges eines Programms bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der gewünschte Erfolg erzielt wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich. Da das Gesetz Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche vom Patentschutz ausschließt (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 PatG), muss die beanspruchte Lehre vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (BGH in GRUR 2005, 143 -Rentabilitätsermittlung).

Nichts anderes gilt, wenn in Rede steht, ob eine beanspruchte Lehre als mathematische Methode (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 PatG), als Regel oder Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 PatG) oder als Wiedergabe von Informationen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 PatG) nicht als Erfindung anzusehen ist. Sofern Anweisungen beansprucht werden, mit denen ein konkretes technisches Problem gelöst wird, kommt es nicht darauf an, ob der Patentanspruch auch auf die Verwendung eines Algorithmus, einen im geschäftlichen Bereich liegenden Zweck des Verfahrens oder den Informationscharakter von Verfahrensergebnissen abstellt.

Auch bei einer vorrichtungsmäßigen Einkleidung einer Lehre, die sich der elektronischen Datenverarbeitung bedient, ergibt sich im Ergebnis kein Unterschied, da deren Patentfähigkeit nur dann zu bejahen ist, sofern hierbei die Lösung eines konkreten technischen Problems mit Mitteln gelehrt wird, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (BGH, a. a. O. -Anbieten interaktiver Hilfe). Der Automat bietet dem Kunden durch Verwendung eines gemeinsamen Inhaltsverzeichnisses einen einheitlichen Zugriff auf die gespeicherten Informationen und ermöglicht ihm dadurch eine einfache Auswahl der verfügbaren Videoclips und Sendebeiträge zur Wiedergabe der gewünschten Informationen. Objektive Aufgabe ist damit eine einfache Auswahl der verfügbaren Videoclips und Sendebeiträge zur Wiedergabe der gewünschten Informationen. Dies ist jedoch keine technische Problemstellung. Die Lösung der Aufgabe erfolgt durch die Schaffung eines einheitlichen Zugriffs auf die im Automaten verfügbaren Videoclips und Sendebeiträge über ein einheitliches Inhaltsverzeichnis. Hierfür ist lediglich die Zuordnung der gespeichert vorliegenden Informationen zu einer Liste, dem Inhaltsverzeichnis, erforderlich. Dies erfordert jedoch keinerlei technische Überlegungen.

Eine konkrete technische Problemstellung kann auch nicht in dem vom Anmelder genannten angestrebten Ersatz von Reisekatalogen durch die Ausgabe von Reiseinformation am Automaten erkannt werden. Diese Problemstellung liegt auf informellem oder geschäftlichem, nicht aber auf technischem Gebiet.

Eine konkrete technische Problemstellung ergibt sich auch nicht implizit aus den im Anspruch genannten Lösungsmerkmalen. Die im Anspruch genannten Einheiten sind Bestandteile eines Computersystems und lassen deshalb auf den Einsatz eines Computersystems zur Ausgabe der Reiseinformation schließen. Dieser Umstand kann aber die Zugänglichkeit der Lehre des Anspruchs zum Patentschutz nicht stützen. Denn, wie der Bundesgerichtshof in "Suche fehlerhafter Zeichenketten" ausführt (a. a. O. S. 143, Leitsatz 1 und S. 144 re. Sp.), kann eine beanspruchte Lehre nicht schon deshalb als patentierbar angesehen werden, weil sie bestimmungsgemäß den Einsatz eines Computers erfordert.

Aber auch die im Anspruch im einzelnen genannten Merkmale lassen für sich gesehen keine Eigenheit erkennen, die implizit auf eine konkrete technische Problemstellung hinweist. So verbirgt sich beispielsweise hinter dem Massenspeicher nicht etwa eine Ausbildung eines Speichers mit besonderen technischen Eigenschaften, sondern lediglich ein üblicher Speicher, wie z. B. eine Festplatte, in dem die TV-Reisesendungen gespeichert werden. Ebenso verhält es sich mit der Auswahltastatur. Hierzu finden sich weder im Anspruch noch in der Beschreibung Hinweise auf eine technische Eigenheit und damit auf eine dieser möglicherweise zugrunde liegenden konkreten technischen Problemstellung. Vielmehr verweist der Anmelder in der mündlichen Verhandlung darauf, dass unter der beanspruchten Auswahltastatur eine beliebig ausgestaltete Einrichtung zum Abruf darzustellender Information über ein Menü zu verstehen ist.

Auch das Zusammenwirken der Einheiten erfolgt in bekannter Weise, denn es entspricht dem Zusammenwirken der bekannten Komponenten eines üblichen Computersystems und lässt damit ebenfalls keine Eigenheit erkennen, die auf eine konkrete technische Problemstellung hinweisen könnte. Auch die weiteren vom Anmelder vorgebrachten Argumente, nämlich die Kostenersparnis durch Einsparung der Kataloge, das Schonen der Umwelt, die Möglichkeit einer Reisebuchung mithilfe von am beanspruchten Automaten anzeigbarer Videos sowie dass der Kunde Videos auf einem Datenträger mit nach Hause nehmen könne, stellen außertechnische Vorteile des Automaten dar. Denn es handelt sich dabei um ökologische, informelle sowie wirtschaftliche bzw. geschäftliche Aspekte.

3. Der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Reiseautomat ist somit dem Patentschutz nicht zugänglich.

III.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dr. Fritsch Prasch Eder Wickborn Fa






BPatG:
Beschluss v. 30.04.2009
Az: 17 W (pat) 38/08


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