Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. November 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 334/04

(BPatG: Beschluss v. 20.11.2006, Az.: 14 W (pat) 334/04)

Tenor

Der Einspruch gegen das Patent 100 01 211 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 100 01 211 mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Erzeugen von Rasterdaten und Rastererzeugungssystem"

ist am 15. April 2004 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent haben die Einsprechenden I und II am 14. Juli 2004 gemeinsam Einspruch erhoben. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 sei gegenüber dem Stand der Technik gemäß

(1) Auszug aus: Boxboard Containers International, Oct 1, 1997,

(2) Auszug aus: Printweek 11/7/97,

(3) Auszug aus: The Seybold Report on Publishing Systems, Vol :26, No. 20, 21/07/97 und

(4) 74 Karat Imaging System Student Guide, September 1999 bereits nicht mehr neu, zumindest aber beruhe es nicht mehr auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Einsprechenden beantragen, das Patent im Rahmen der Ansprüche 1 bis 8 vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch als unzulässig abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Einsprechenden I und II hätten in ihrem gemeinsamen Schriftsatz die dort geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht ausreichend substantiiert. Es fehlten nämlich Angaben darüber, was denn konkret auf den beiden Messen, nämlich auf der Print 97 in Chicago und auf der Imprinta im selben Jahr auf welche Weise, d. h. wie und durch wen in öffentlich zugänglicher Weise geschehen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben. Er ist jedoch nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet und daher unzulässig.

Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben. Dieses Erfordernis ist nach ständiger Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass eine so vollständige Darlegung der Tatsachen zu erfolgen hat, dass Bundespatentgericht und Patentinhaber daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können. Sie sollen allein an Hand der mitgeteilten Umstände, ohne eigene Ermittlungen, in die Lage versetzt sein, zu prüfen, ob der behauptete Widerrufsgrund gegeben ist. Hierfür muss grundsätzlich eine Auseinandersetzung mit der gesamten patentierten Lehre stattfinden, denn eine Befassung mit nur einem Teilaspekt der Erfindung macht den Einspruch unzulässig (Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59, Rn. 79, 82; Busse, PatG, 6. Aufl., § 59, Rn. 66, 69).

Diesen Anforderungen wird das innerhalb der Einspruchsfrist eingegangene Einspruchsvorbringen nicht gerecht. Die Einsprechenden haben sich zur Begründung des geltend gemachten Widerrufsgrundes der mangelnden Neuheit, zumindest jedoch der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, sowohl auf die offenkundige Vorbenutzung eines derartigen Verfahrens als auch auf die angeblich vorveröffentlichte Beschreibung des Gegenstandes der behaupteten Benutzung in dem von ihnen herausgegebenen "Student Guide" 74 Karat Imaging System Course (4) der Firma A... vom September 1999 gestützt. Zum Gegenstand der Benutzung, dem Verfahren nach Anspruch 1, haben sie unter Bezugnahme auf die Druckschriften (1) bis (3) ausgeführt, dass es in seinen wesentlichen Aspekten bereits durch das 74 Karat Imaging System der Firma A... verwirk- licht gewesen sei. Zum Zeitpunkt der behaupteten Benutzung haben die Einsprechenden auf die Messen Print 97 in Chicago und die Imprinta im selben Jahr hingewiesen.

Der Vortrag der Einsprechenden I und II hinsichtlich beider Sachverhalte lässt jedoch die Angabe von Tatsachen vermissen, aus denen sich nachprüfbar ergibt, dass das angeblich benutzte Verfahren und seine Beschreibung vor dem Anmeldetag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich geworden war und damit bereits zum Stand der Technik gehörte.

Bei ihren Ausführungen zum Gegenstand der Benutzung haben sich die Einsprechenden einerseits auf die pauschale Vorlage der Artikel (1) bis (3) beschränkt, was nicht erkennen lässt, aus welchem Grund sie das in Anspruch 1 unter Schutz gestellte Verfahren in der Gesamtheit seiner Merkmale durch die Entgegenhaltungen als vorweggenommen oder zumindest durch die Kombination dieser Druckschriften als nahe gelegt ansehen. Es ist diesen Entgegenhaltungen jedenfalls nicht zu entnehmen, auf Grund welcher Tatsachen feststellbar gewesen sein soll, dass das ausgestellte 74 Karat Imaging System die Verfahrensschritte des Anspruches 1 des Streitpatents erkennbar ausgeführt haben könnte, zumal die Entgegenhaltungen (2) und (3) ausdrücklich darauf hinweisen, dass das 74 Karat Imaging System auf der Imprinta, ganz abgesehen von der fraglichen öffentlichen Zugänglichkeit, nicht in Betrieb gewesen war (vgl. jeweils S. 1, Abs. 2).

Zum anderen geht aus den Druckschriften (1) bis (3) nicht zweifelsfrei hervor, ob es sich bei dem auf der Imprinta ausgestellten Prototypen (vgl. (2), Abs. 2) des 74 Karat Imaging Systems um das System handelt, welches schließlich in der Druckschrift (4) beschrieben wird. Auch zu dem auf der Print 97 vorgestellten System sind der Druckschrift (1) keinerlei Details zu entnehmen, die eine Zuordnung zu dem in (4) beschriebenen System zwingend ergeben.

Die Einsprechenden haben ferner die öffentliche Zugänglichkeit der Druckschrift (4) nicht nachprüfbar dargelegt. Bei dem vorgelegten "Student Guide" 74 Karat Imaging System Course (4) der Firma A... vom September 1999 handelt es sich inhaltlich um einen Auszug aus einem Handbuch, welches ausschließlich zur Unterstützung ausdrücklich und eigens bevollmächtigter Nutzer vorgesehen ist und nicht weiter verbreitet werden darf (S. 2, Important Notice). Die Einsprechenden haben innerhalb der Einspruchsfrist nicht vorgetragen, dass dieses ausschließlich für autorisierte Nutzer des Systems bestimmte Handbuch vor dem Anmeldetag des Streitpatents zusammen mit dem beschriebenen Gegenstand ausgehändigt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Vielmehr lässt sich der Entgegenhaltung (4) auf Seite 2 über dem letzten Absatz als einzige Datumsangabe für einen möglichen Veröffentlichungszeitpunkt lediglich die Angabe "September 1999" entnehmen. Soweit die Einsprechenden daraus den Schluss ziehen, das Handbuch habe folglich vor dem Anmeldetag dem versierten Fachmann im Druckbereich zur Verfügung gestanden, kann ihnen jedoch nicht gefolgt werden. Dagegen spricht schon, dass mangels weiterer, ausreichender Angaben über die öffentliche Zugänglichkeit nicht nachprüfbar ist, wer, wo und auf welche Weise Kenntnis von dem Betriebshandbuch hätte erlangen können. Es kann sich somit hier auch um eine für betriebsinterne Ausbildungs- und Informationszwecke, im September 1999 gefertigte Broschüre handeln. Die Einsprechenden haben jedenfalls keinen nachprüfbaren Nachweis für die tatsächliche Aushändigung des Handbuches gemeinsam mit dem beschriebenen Gegenstand vor dem Anmeldetag des Streitpatentes an einen oder mehrere Kunden erbracht. Dieser hätte unter den gegebenen Umständen auf jeden Fall fristgemäß vorgelegt müssen (Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rn. 112).

Die bloße Nennung von Messeberichten sowie von Auszügen aus einem Handbuch, das sich ersichtlich an eigens autorisierte Nutzer richtet und dessen öffentliche Zugänglichkeit vor dem Anmeldetag des Streitpatents nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, genügt zur Einspruchsbegründung in der Regel nicht.

Der Senat hat angesichts des Sachverhalts, dass eine Nachholung des versäumten Tatsachenvortrags nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr möglich ist, eine mündliche Verhandlung nicht als sachdienlich erachtet.






BPatG:
Beschluss v. 20.11.2006
Az: 14 W (pat) 334/04


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