Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 324/04

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2007, Az.: 21 W (pat) 324/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 5. November 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der japanischen Anmeldung mit dem Aktenzeichen JP 9-325272 vom 11. November 1997 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 198 51 044 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Fahrzeugscheinwerfer mit verbesserter Beleuchtungsdichte für das Fernlicht" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am 19. Februar 2004 erfolgt.

Gegen das Patent ist Einspruch wegen fehlender Patentfähigkeit und unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung erhoben worden. Dem Einspruchsvorbringen liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 5 zugrunde.

Die Einsprechende hat zum Stand der Technik u. a. auf die Druckschrift E1 US 2 277 685 verwiesensowie auf die bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene (nachveröffentlichte) Druckschrift E4 US 5 702 174 deren prioritätsbegründende E4* DE 44 45 272 A1 gegenüber dem Prioritätstag des angegriffenen Patents vorveröffentlicht ist.

Die Einsprechende führt zur Begründung ihres Einspruchs aus, dass die Gegenstände der erteilten Patentansprüche über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassungen hinausgingen. Ferner erachtet sie die Gegenstände der erteilten Patentansprüche gegenüber dem Stand der Technik als nicht neu und auch nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Zudem macht sie offenkundige Vorbenutzung geltend.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2007 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 5 sowie mit der Maßgabe, dass der Absatz 8 der Patentschrift die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Fassung erhält, aufrecht zu erhalten.

Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen und führt in der mündlichen Verhandlung aus, dass insbesondere durch die kürzere Brennweite der reflektierende Oberfläche für das Fernlicht im Vergleich zur längeren Brennweite der reflektierenden Oberfläche für das Abblendlicht eine größere Leuchtdichte erzielt wird.

Der danach geltende, mit Gliederungspunkten versehene, ansonsten wörtlich wiedergegebene Patentanspruch 1 lautet:

M1 Fahrzeugscheinwerfer (10)

M2 umfassend einen zweiteiligen Reflektor (18), M2a der eine reflektierende Oberfläche (18Aa) für Abblendlicht mit einer ersten optischen Achse (Axa)

M2b und eine reflektierende Oberfläche (18Ba) für Fernlicht mit einer zur ersten optischen Achse beabstandet verlaufenden zweiten optischen Achse (Axb) umfasst, M2c wobei die reflektierende Oberfläche (18Ba) für das Fernlicht in vertikaler Richtung an die reflektierende Oberfläche (18Aa) für das Abblendlicht angrenzt, M3 wobei eine Brennweite (fb) der reflektierenden Oberfläche (18Ba) für das Fernlicht kleiner ist als eine Brennweite (fa) der reflektierenden Oberfläche (18Aa) für das Abblendlicht, M4 und wobei eine die Lichtquelle für das Abblendlicht bildende Lampe (20A) benachbart zur reflektierenden Oberfläche (18Aa) für das Abblendlicht M5 und eine die Lichtquelle für das Fernlicht bildende Lampe (20B) benachbart zur reflektierenden Oberfläche (18Ba) für das Fernlicht angeordnet sind.

Hinsichtlich der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Akte verwiesen.

II Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung, da vorliegend die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist und das Bundespatentgericht auch nach Ablauf der befristeten Zuständigkeitsregelung des § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG durch das "Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes" vom 26. Juni 2006 (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) mangels einer ausdrücklichen entgegenstehenden Regelung für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum zugewiesenen Einspruchsverfahren nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der fortwirkenden Zuständigkeit "perpetuatio fori" zuständig bleibt (vgl. hierzu ausführlich BPatG Beschl. v. 19. Oktober 2006 - 23 W (pat) 327/04).

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.

Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich auch der Gegenstand des geänderten, in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2007 eingereichten Patentanspruchs 1 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig, so dass das Patent zu widerrufen war (§§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 4 PatG).

In der Patentschrift ist dargelegt, dass zum Verbessern der Sichtverhältnisse bei Nacht insbesondere bei langen Fahrstrecken nicht nur für das Abblendlicht, sondern auch für das Fernlicht eine hohe Beleuchtungsdichte oder Lichtausbeute aus der Lichtenergie erforderlich ist (Abs. [0005]).

Bei konventionellen Fahrzeugscheinwerfern, deren Reflektor vertikal eng übereinanderliegend die reflektierenden Oberflächen für das Fernlicht und das Abblendlicht aufweist, hat sich bei gleicher Brennweite der reflektierenden Oberflächen herausgestellt, dass damit kein ausreichend großer Raumwinkel der reflektierenden Oberfläche für das Fernlicht zu erzielen ist, woraus eine ungenügende Beleuchtungsdichte oder Lichtausbeute der Lichtenergie für das Fernlicht resultiert (Abs. [0006]).

Daran orientiert sich die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, bei einem Fahrzeugscheinwerfer, dessen reflektierende Oberfläche für das Abblendlicht und reflektierende Oberfläche für das Fernlicht eng benachbart zueinander vertikal übereinanderliegen, dennoch eine ausreichend hohe Beleuchtungsdichte für das Fernlicht zu erzielen (Abs. [0007]).

Es bedarf keiner Klärung der Frage, ob der unbestritten gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 neu ist (§ 3 PatG); auch kann es dahinstehen, ob der geltende Patentanspruch 1 auf der ursprünglichen Offenbarung fußt oder unzulässig erweitert und das Patent auch deshalb zu widerrufen war (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Denn er beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmannes, der als ein mit der Konstruktion von Fahrzeugscheinwerfern befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur zu definieren ist.

Den nächstliegenden Stand der Technik repräsentiert die Druckschrift E4*.

Bei der daraus bekannten, in einem Frontteil eines Fahrzeugs angeordneten Beleuchtungseinrichtung umfassen die Fahrzeugscheinwerfer 14 [M1] jeweils einen zweiteiligen Reflektor [M2], der eine reflektierende Oberfläche 30a für das Abblendlicht mit einer ersten optischen Achse (vgl. Sp. 1, Z. 66 bis Sp. 2, Z. 67 und Fig. 2) [M2a] und eine reflektierende Oberfläche 30b für Fernlicht mit einer zur ersten optischen Achse beabstandet verlaufenden zweiten optischen Achse [M2b] umfasst. Wie aus Figur 2 ohne Weiteres ersichtlich, grenzt die reflektierende Oberfläche für das Fernlicht in vertikaler Richtung an die Oberfläche für das Abblendlicht an [M2c]. Notwendigerweise sind eine die Lichtquelle für das Abblendlicht bildende Lampe 32a benachbart zur reflektierenden Oberfläche 30a für das Abblendlicht [M4] und eine die Lichtquelle für das Fernlicht bildende Lampe 32b benachbart zur reflektierenden Oberfläche 30b für das Fernlicht angeordnet [M5] (vgl. dazu auch Sp. 2, insbes. Z. 36 bis 45).

Somit unterscheidet sich der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 von dem aus der Druckschrift E4* bekannten Gegenstand nur noch durch die im Merkmal [M3] angegebene Vorgabe für die unterschiedlichen Brennweiten der beiden reflektierenden Oberflächen. Für diese Vorgabe stehen dem Fachmann drei Möglichkeiten zur Auswahl: Die Brennweiten sind gleich oder die Brennweite der reflektierenden Oberfläche für das Fernlicht ist größer als die der reflektierenden Oberfläche für das Abblendlicht bzw. umgekehrt. Der Fachmann wird daraus ohne erfinderisches Zutun die ihm geeignet erscheinende auswählen, zumal ihm die gemäß [M3] beanspruchte Vorgabe für die Dimensionierung der Brennweiten aus der Druckschrift E1 bereits aufgezeigt ist. Bei dem daraus bekannten Fahrzeugscheinwerfer (headlight) befinden sich die Lichtquellen 13, 14 (source of light) für Fern- (distant illumination) und Abblendlicht (adjacent illumination) jeweils im Brennpunkt der zugehörigen Reflektoren (vgl. S. 1, re. Sp., Z. 36, 37). Die Brennweite für das Fernlicht ist dabei, wie aus Figur 1 ohne Weiteres ersichtlich, kleiner als die für das Abblendlicht. Im Übrigen verkennt die Argumentation der Patentinhaberin, dass zum Erzielen der aufgabengemäß hohen Beleuchtungsdichte für das Fernlicht auch die Lage der Lampen in Bezug auf den Brennpunkt entscheidend ist, wozu der strittige Anspruch 1 keinerlei Angaben macht.

Der Patentanspruch 1 hat infolgedessen wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand. Mit dem nicht gewährbaren Anspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung auch die weiteren untergeordneten Patentansprüche 2 bis 5 (vgl. BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Dr. Winterfeldt Engels Dr. Häußler Bernhart Pr/Pü






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2007
Az: 21 W (pat) 324/04


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