Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 302/04

(BPatG: Beschluss v. 13.12.2005, Az.: 14 W (pat) 302/04)

Tenor

Das Patent 42 43 987 wird widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 42 43 987 mit der Bezeichnung

"Ausweiskarte mit visuell sichtbarem Echtheitsmerkmal"

ist am 9. Oktober 2003 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent ist am 8. Januar 2004 (Einsprechende I) und am 9. Januar 2004 (Einsprechende II) Einspruch erhoben worden. Die Einsprüche sind auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatents sei ua gegenüber dem durch die Entgegenhaltung

(1) EP 0 219 012 B1 belegten Stand der Technik nicht patentfähig.

Die Einsprechenden I und II sind übereinstimmend der Ansicht, der Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents sei durch den Stand der Technik nahe gelegt. Die Entgegenhaltung beschreibe, insbesondere unter Einbezug des Verweises auf die US-PS 4 032 691, weitestgehend eine Ausweiskarte mit den in Anspruch 1 genannten Merkmalen. Ferner vertreten beide Einsprechende die Auffassung, die Ansprüche 6 und 8 seien unzulässig erweitert, da die ursprünglichen Unterlagen keine Hinweise auf unterschiedliche Materialänderungen enthielten.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift, hilfsweisemit den Patentansprüchen 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005, im Übrigen wie Hauptantrag.

Die Patentinhaberin erklärt außerdem die Teilung des Patents.

Sie macht geltend, der entgegengehaltene Stand der Technik könne dem Fachmann die Ausweiskarte nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht nahe legen, weil er sich vorwiegend mit den Materialien für die Lackschichten beschäftige, jedoch keinen Hinweis auf die beanspruchte Schichtdicke enthalte. Vielmehr liefere er dem Fachmann lediglich qualitative Angaben bezüglich der Schichtdicke, wie etwa "besonders dünn" oder "mechanisch stabilisiert". Er führe somit von der patentgemäßen Lösung weg, die sich zudem nicht in der Erfindung dünner Lackschichten erschöpfe, sondern auf deren Beschriftung durch ein Linsenraster in Verbindung mit der besonderen Sensibilisierung der Lackschichten durch geeignete Zusatzstoffe beziehe.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Mehrschichtige Ausweiskarte mit einem Linsenraster, unter dem mindestens eine für die Laserbeschriftung geeignete Schicht angeordnet ist, in die mittels eines Laserstrahls Informationen einbringbar sind, die durch eine Änderung der optischen Eigenschaften der Schicht aufgrund irreversibler, durch den Laserstrahl bewirkter Materialänderungen sichtbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß die mit dem Laserstrahl beschreibbare Schicht eine 11 bis 50 µm dicke Lackschicht ist, die durch speziell eingebrachte Zusatzstoffe lasersensibilisiert ist."

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 und des Anspruchs 8 wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II 1. Die Einsprüche sind frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Sie sind zulässig und führen zum Widerruf des Patents.

2. Gegen die Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag bestehen keine Bedenken. Die Merkmale dieses Anspruchs sind den ursprünglichen (Ansp. 1 und 3 i. V. m. S. 1 Z. 5 bis 11, S. 5 Z. 12 bis 18; S. 7 Z. 20 bis 22 und Fig. 2) sowie den erteilten Unterlagen zu entnehmen (Ansp. 1).

3. Die Ausweiskarte nach dem geltenden Anspruch 1 des Hauptantrags ist neu; dies räumen auch die Einsprechenden ein.

Die Entgegenhaltung (1) beschreibt eine mehrschichtige Ausweiskarte mit einem Linsenraster. Sie enthält mindestens eine unter dem Linsenraster angeordnete, für eine Laserbeschriftung geeignete Datenempfangsschicht, die durch speziell eingebrachte Zusatzstoffe lasersensibilisiert ist (Sp. 1 Z. 11 bis 16 und Sp. 4 Z. 42 bis Sp. 5 Z. 3 i. V. m. Sp. 13 Z. 35 bis 48). Die Datenempfangsschicht kann entweder als Teil einer mechanisch stabilisierend wirkenden Trägerfolie ausgebildet und daher besonders dünn sein (Sp. 14 Z. 3 bis 10). Bezüglich weiterer für die Laseraufzeichnung geeigneter Materialien verweist die Entgegenhaltung (1) in Spalte 13, Zeilen 25 bis 29 ausdrücklich auf die US-PS 4 032 691, die lasersensibilisierbare, mittels Druckverfahren auftragbare Lackschichten in einer Dicke von 0,1 bis 10 µm beschreibt (a. a. O. Sp. 1 Z. 45 bis 54 i. V. m. Sp. 3 Z. 1 bis 20). Diese Merkmale der Datenempfangsschicht gehören damit zum Offenbarungsgehalt der Patentveröffentlichung (1) (Schulte PatG, 7. Aufl., § 3 Rn. 119e und BGH, "Terephthalsäure", GRUR 1980, 283). Einziger Unterschied zwischen der beanspruchten Ausweiskarte und der aus (1) bekannten ist damit die Dicke der Lackschicht von 11 bis 50 µm.

Die übrigen, in der mündlichen Verhandlung erörterten Druckschriften liegen ferner und können die Neuheit des Gegenstandes nach Anspruch 1 des Hauptantrages ebenfalls nicht in Frage stellen.

4. Die Ausweiskarte nach Anspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aufgabe des vorliegenden Patents ist es, Ausweiskarten vorzuschlagen, die flexibler herzustellen sind und die weitere Möglichkeiten bei der Laserbeschriftung eröffnen (Sp. 2 Abs. 0012 der Streit-PS).

Die Entgegenhaltung (1) löst bereits eine vergleichbare Aufgabe (Sp. 4 Z. 26 bis 35 i. V. m. Sp. 1 Z. 16 bis 24). In einer zusammenfassenden Darstellung wird erörtert, wie diese Aufgabe unter Verwendung laserempfindlicher Folien gelöst wird, nämlich indem eine z. B. 100 µm dicke Folie als Datenempfangsschicht in einer bestimmten Kartentiefe unter einem Linsenraster eingelagert und mit einem Laser beschriftet wird (Fig. 4b i. V. m. Sp. 14 Z. 18 bis 41). In einer weiteren möglichen Ausführungsform kann die Ausweiskarte aus einer Kernschicht und einer transparenten, ein Linsenraster tragenden Deckfolie bestehen, zwischen die eine das Laserlicht gut absorbierende Datenempfangsschicht eingebracht ist (Sp. 13 Z. 20 bis 34). Die Datenempfangsschicht kann eine durch ein Druckverfahren aufgebrachte Farblackschicht von 0,1 bis 10 µm Dicke sein, die lasersensibilisiert ist (vgl. US-PS 4 032 691: Sp. 3 Z. 1 bis 20). Somit wird dem Fachmann eine mögliche Bandbreite für die Dicke der Datenempfangsschicht zwischen 0,1 bis 100 µm offenbart.

Der Fachmann, der sich die vorstehend genannte Aufgabe gestellt hat, kann in Kenntnis dieser Angaben in der Entgegenhaltung (1) mittels weniger gezielter Versuche die optimale Schichtdicke einer Lackschicht, die durch speziell eingebrachte Zusatzstoffe lasersensibilisiert ist, ermitteln und ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zu einer Schichtdicke von 11 bis 50 µm gelangen.

Die Patentinhaberin hat hierzu zwar eingewandt, der Fachmann sehe die Dicke der Folie mit 100 µm im Verhältnis zu dem insgesamt 700 µm dicken Schichtaufbau insgesamt schon als dünn an (Fig. 4b); er orientiere sich darüber hinaus nicht an der in (1) enthaltenen Vorgabe "dünn" oder "mechanisch stabilisiert", was ohnehin lediglich als qualitative Angabe zu verstehen sei. Hinweise auf die Ausbildung der Lackschicht in einer Dicke zwischen 11 und 50 µm enthalte die Entgegenhaltung jedenfalls auch in Verbindung mit der zitierten US-PS 4 032 691 nicht. Auch die Einwände der Einsprechenden, wonach es problemlos möglich sei, die Brennweiten und Rasterperiode des Linsenrasters zu variieren (Sp. 9 Z. 28 bis 35), beträfen lediglich das Design des Linsenrasters, lieferten jedoch keine Hinweise auf die beanspruchte Dicke der durch Zusatzstoffe sensibilisierten Lackschicht, die durch ein Linsenraster hindurch beschriftet werde.

Die Einwände der Patentinhaberin können indessen zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Der in der Beschreibung der Figur 4b angegebene Wert für die Foliendicke mit 100 µm ist lediglich als beispielhaft anzusehen und die Lehre der Entgegenhaltung (1) daher nicht auf die Offenbarung dieser konkreten Dickenangabe beschränkt. Dies ist schon daraus ersichtlich, dass die Druckschrift weitere Hinweise für den Fachmann in Richtung auf die Verwendung dünner Datenempfangsschichten enthält (Sp. 14 Z. 8 bis 10). So sind die Zusammenhänge zwischen der Dicke der beschreibbaren, laserempfindlichen Schichten in Verbindung mit den Eigenschaften der das Linsenraster tragenden Deckschicht und der Geometrie der Linsen in der Entgegenhaltung mehrfach erörtert, indem ua festgestellt wird, dass die durch die Lasereinstrahlung bewirkte Veränderung im Kartenmaterial in ihrer Form und Lage durch geeignete Wahl des Kartenaufbaus gezielt beeinflusst werden kann (Sp. 10 Z. 47 bis 52). Der Einfluss der Geometrie des Linsenrasters selbst wird in Spalte 9, Zeilen 23 bis 45 geschildert; auf die Abstimmung zwischen der Dicke der Datenaufzeichnungsschicht und der strahlendurchlässigen Deckschicht wird ebenfalls hingewiesen (Sp. 9 Z. 49 bis 52).

Nach alledem kann der Patentanspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand haben.

5. Die Ansprüche 2 bis 8 teilen das Schicksal des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag (BGH, "Elektrisches Speicherheizgerät", GRUR 1997, 120).

6. Das Gleiche gilt für die Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag, die mit den Ansprüchen 1 bis 5 des Hauptantrags identisch sind.

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BPatG:
Beschluss v. 13.12.2005
Az: 14 W (pat) 302/04


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