AmtsgerichtH des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 10. März 1999
Aktenzeichen: 1 ZU 47/98

Tenor

Der Bescheid des Vorstands der Antragsgegnerin vom 24. Juli 1998 wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller die Befugnis zu verleihen, die Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" zu führen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert wird auf 25.000,00 DM festgesetzt.

Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

Der seit dem 7. Juli 1992 zur Anwaltschaft zugelassene Antragsteller hat mit Schreiben vom 12. Februar 1998 bei der Antragsgegnerin beantragt, ihm die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" zu gestatten. Er hat ein Zertifikat über die Teilnahme am Fachlehrgang "Strafrecht" der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des DAV im Dezember 1996 und eine Auflistung von Fällen, in denen er verteidigt hat, beigefügt. Auf entsprechende Aufforderung des Vorstands der Antragsgegnerin hat er diese Aufstellung erläutert und ergänzt. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Vorstand sodann den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller habe im maßgeblichen Zeitraum nur 31 Hauptverhandlungstage vor dem Schöffengericht oder einem höherrangigen Gericht nachgewiesen; 9 Sitzungstage im Verfahren "P" könnten nicht mitgezählt werden, da es an einer selbständigen Bearbeitung der Sache i.S.v. § 5 S. 1 FAO fehle.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er seine Tätigkeit in dem genannten Verfahren als selbständige Bearbeitung gewertet wissen will.

Der zulässige Antrag ist begründet. Der Antragsteller hat den Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen i.S.d. § 5 f FAO erbracht. Er hat im maßgeblichen Zeitraum im Sinne der Vorschrift 60 Fälle als Rechtsanwalt selbständig bearbeitet, davon 40 Hauptverhandlungstage vor dem Schöffengericht oder einem übergeordneten Gericht. Denn die Tätigkeit des Antragstellers im Verfahren "P" muß bei der Bewertung nach Auffassung des Senats berücksichtigt werden. Das Gesetz billigt die Wahrnehmung der Rechte eines Angeklagten durch mehrere Verteidiger ausdrücklich (§ 137 Abs. 1 StPO), wobei die Geltung dieser Vorschrift auch für die Hauptverhandlung außer Frage steht. Wenn dann in einer neueren Norm nur von Hauptverhandlungstagen die Rede ist, zwischen Alleinverteidigung und Mitverteidigung dabei nicht unterschieden wird, so ist auch die Tätigkeit des Mitverteidigers eine Bearbeitung im Sinne dieser Norm. Daß sie selbständig sein muß, soll nur gewährleisten, daß sie frei von Weisungen durch Übergeordnete, also anwaltstypisch ausgeübt wird. Das ist bei der Tätigkeit des Mitverteidigers nicht weniger gewährleistet als bei der des Alleinverteidigers. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß eine Tätigkeit als Mitverteidiger stets oder in der Regel weniger praktische Erfahrungen vermittle als eine solche des Alleinverteidigers. Dafür dürften vielmehr Verfahrensgegenstand und -ablauf von wesentlicher Bedeutung sein. Dem Mitverteidiger ist auch nicht der Nachweis eines bestimmten eigenständigen geistigen Anteils an der "Verteidigerleistung" abzuverlangen; es genügt, daß er vom Angeklagten mandatiert worden ist und an der entsprechenden Zahl von Hauptverhandlungstagen teilgenommen hat. Zu einer weitergehenden Prüfung eignet sich gerade die Strafverteidigung, bei der die geistige Leistung des Anwalts nicht notwendig Niederschlag in schriftlichen Ausarbeitungen findet, nicht. Auch gibt es keinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß die geistige Leistung des Mitverteidigers geringer sei als die des Alleinverteidigers; auch das dürfte in hohem Maße vom Verfahrensgegenstand und -ablauf abhängen.

Der Senat verkennt nicht, daß eine solche Normauslegung Mißbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Das rechtfertigt aber keine Auslegung, für die sich sonstige Stützen nicht finden. Vielmehr müßte der Mißbrauch im einzelnen festgestellt werden. Dazu reicht es nicht aus, daß sich ein Antragsteller um ein Mandat als Mitverteidiger bemüht haben mag, sei es auch, um gerade Erfahrungen i.S.d. § 5 FAO zu sammeln. Erforderlich wäre vielmehr die Feststellung, daß sein Bestreben auf eine Betätigung gerichtet war, die besondere praktische Erfahrungen im Sinne der Norm nicht vermitteln konnte.

Ausweislich der Ausführungen der Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof gibt es sonstige Versagungsgründe nicht. Deshalb war die Verpflichtung auszusprechen, dem Antragsteller die Befugnis zu verleihen, die Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" zu führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 223 Abs. 4, 201 analog BRAO.

Der Anwaltsgerichtshof hat die sofortige Beschwerde zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob auch die Tätigkeit als Mitverteidiger in der Hauptverhandlung die Anforderungen des § 5 f BRAO erfüllt, eine solche von grundsätzlicher Bedeutung ist.






AGH des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 10.03.1999
Az: 1 ZU 47/98


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