Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2004
Aktenzeichen: 23 W (pat) 15/02

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2004, Az.: 23 W (pat) 15/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberinnen wird der Beschluss der Patentabteilung 31 vom 19. Dezember 2001 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 14, Beschreibungsspalten 1 und 2 mit zwei Einschüben, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2004, Beschreibungsspalten 3 bis 6 gemäß Patentschrift und Zeichnung, Figuren 1 bis 3 gemäß Patentschrift.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse B 60 Q des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 5. Juni 1996 eingereichte Patentanmeldung das am 23. November 2000 veröffentlichte Patent 196 22 493 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Schalteinrichtung für Kraftfahrzeuge" erteilt.

Die Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Streitpatent nach Prüfung zweier für zulässig erklärter Einsprüche mit Beschluss vom 19. Dezember 2001 widerrufen.

Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, der unbestritten neue Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruhe im Hinblick auf den aus den Druckschriften - deutsche Offenlegungsschrift 38 25 301 [= D1] und - Betriebsanleitung für den Golf II, Volkswagen AG 1988, Deckblatt, S. 50 und 52, sowie letztes Blatt [= D2]

bekannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch der Gegenstand des mit Eingabe vom 11. Juli 2001 eingereichten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ergebe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus diesem Stand der Technik.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der beiden Patentinhaberinnen.

Im Einspruchsverfahren ist zum Stand der Technik noch auf die Entgegenhaltungen - deutsche Patentschrift 39 40 284

- deutsche Offenlegungsschrift 36 26 241

- Werkstattzeichnung Schalter HLS, Zeichnungsnummer bzw. Sachnummer 202.356 der SWF Auto-Electric GmbH, 7120 Bietigheim-Bissingen und - Neueinführungsformular für den Schalter HLS 202.356 der SWF Auto-Electric GmbH, 7120 Bietigheim-Bissingen, ausgestellt am 31. Januar 1992 sowie auf die bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Druckschriften - deutsche Patentschrift 30 04 034

- deutsche Offenlegungsschrift 195 25 138

- deutsche Offenlegungsschrift 44 03 937

- deutsche Offenlegungsschrift 43 37 792

- deutsche Offenlegungsschrift 41 11 210

- deutsche Offenlegungsschrift 36 24 616 und - deutsche Offenlegungsschrift 29 13 008 verwiesen worden.

Die Patentinhaberinnen beantragen, den Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2001 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 14, Beschreibungsspalten 1 und 2 mit zwei Einschüben, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2004, Beschreibungsspalten 3 bis 6 gemäß Patentschrift und Zeichnung, Figuren 1 bis 3 gemäß Patentschrift.

Die Einsprechende 1 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die am 17. Dezember 2003 ordnungsgemäß geladene Einsprechende 2 ist zur mündlichen Verhandlung - wie am 6. Februar 2004 telephonisch angekündigt - nicht erschienen.

Die Patentinhaberinnen vertreten die Auffassung, dass der Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Patentanspruchs 1 durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen wird.

Der verteidigte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Schalteinrichtung für Kraftfahrzeuge mit zumindest einem Schalter und einer angeschlossenen Elektronikeinheit, wobei das Betätigungselement des Schalters ausgehend von seiner Neutralstellung tastend in mehrere Funktionsstellungen bringbar ist, wobei mit dem Erreichen jeder Funktionsstellung jeweils eine zugeordnete Funktion geschaltet wird, wobei zumindest eine der eingeschalteten Funktionen durch eine Haltefunktion der Elektronikeinheit auch dann eingeschaltet bleibt, wenn das Betätigungselement in seine Neutralstellung zurückkehrt und wobei die jeweils eingeschaltete Funktion erst dann ausgeschaltet wird, wenn die Elektronikeinheit ein entsprechendes Rücksetzsignal erhält, wobei die Elektronikeinheit mit einer die Außerbetriebnahme des Antriebsmotors des Kraftfahrzeuges erfassenden Einrichtung in Verbindung steht und wobei die Einrichtung ein Signal an die Elektronikeinheit abgibt, durch welches alle bislang eingeschalteten Funktionen zurückgesetzt werden, dadurch gekennzeichnet, dass die die Außerbetriebnahme des Antriebsmotors erfassende Einrichtung eine der Motronik des Antriebsmotors zugeordnete und über eingehende Motorsignale den Betriebszustand des Antriebsmotors erfassende Sensoreinrichtung ist, die bei stillgesetztem Antriebsmotor ein Signal an die Elektronikeinheit abgibt, und dass das Betätigungselement (7,8) des Schalters (1,2) ausgehend von seiner Neutralstellung in zumindest einer seiner Betätigungsrichtungen in zwei hintereinanderliegend angeordnete Funktionsstellungen bringbar ist, dass zum Erreichen der ersten Funktionsstellung eine normale Betätigungskraft erforderlich ist, dass die der ersten Funktionsstellung zugehörige Funktion temporär lediglich so lange eingeschaltet bleibt, bis das Betätigungselement (7,8) aus der ersten Funktionsstellung wieder durch Loslassen in seine Neutralstellung zurückkehrt, dass zum Erreichen der zweiten Funktionsstellung ein deutlich spürbarer Druckpunkt durch eine erhöhte Betätigungskraft zu überwinden ist, und dass die der zweiten Funktionsstellung zugehörige Funktion auch nach Rückkehr des Betätigungselementes (7,8) aus der zweiten Funktionsstellung in seine Neutralstellung durch Loslassen dauerhaft so lange eingeschaltet bleibt, bis von der Sensoreinrichtung bei stillgesetztem Antriebsmotor ein diesbezügliches Rücksetzsignal an die Elektronikeinheit abgegeben worden ist."

Hinsichtlich der geltenden Unteransprüche 2 bis 14 sowie hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberinnen ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents, weil sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als patentfähig erweist.

1.) Die nach ständiger Rechtsprechung (vgl BGH BlPMZ 1972, 173, Ls b, 175, re Sp, Abs 3 - "Sortiergerät"; BGH BlPMZ 1985, 304, re Sp, Abs 6) seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung des Einspruchsvorbringens hat ergeben, dass beide Einsprüche zulässigerweise erhoben worden sind. Denn die auf mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes gestützten Einsprüche sind innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit der beiden Einsprüche ist von den Patentinhaberinnen im übrigen nicht bestritten worden.

2.) Gegen die Zulässigkeit des verteidigten Patentanspruchs 1 (§ 22 Abs 1; § 21 Abs 1 Nr 4 PatG) bestehen keine Bedenken, da dieser seine inhaltliche Stütze sowohl in der Streitpatentschrift als auch in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen findet.

a) So umfasst der verteidigte Patentanspruch 1 die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 und des erteilten Unteranspruchs 4, der nunmehr das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils des verteidigten Patentanspruchs 1 bildet und lediglich durch das Merkmal aus dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 ergänzt worden ist, wonach die Sensoreinrichtung bei stillgesetztem Antriebsmotor ein Signal an die Elektronikeinheit abgibt.

Die Einsprechende 2 hat in ihren Schriftsätzen vom 19. Mai 2003 (S 3, vorle Abs bis S 4, le Abs) und 16. Januar 2004 (S 5, 2. und 3. Abs) den Standpunkt vertreten, die Patentinhaberinnen (vgl die Eingabe vom 21. März 2003, S 5, 1. Abs) würden versuchen, das zuletzt genannte Merkmal in unzulässiger Weise dahingehend auszulegen, dass das von der Elektronikeinheit abgegebene Rücksetzsignal beim Streitpatentgegenstand generiert würde, nachdem der Antriebsmotor stillgesetzt worden ist. Diese Interpretation sei durch den Offenbarungsgehalt des Streitpatents nicht gedeckt. Denn der Fachmann könne der Patentschrift an keiner Stelle entnehmen, dass die Generierung eines Rücksetzsignals nicht beim Abstellvorgang direkt, sondern erst erfolgen soll, nachdem der Abstellvorgang abgeschlossen worden ist.

Entgegen der Auffassung der Einsprechenden 2 vermag der Senat in der Interpretation der Patentinhaberinnen keine unzulässige Erweiterung des erteilten Patents zu sehen. Denn der erteilte Patentanspruch1 umfasst zwei Varianten. Gemäß der ersten Variante nach dem erteilten Unteranspruch 2 wird der Betriebszustand des Antriebsmotors durch die Stellung des Zündschlüssels, gemäß dem auf den erteilten Patentanspruch 1 direkt zurückbezogenen erteilten Unteranspruch 4 jedoch alternativ hierzu mittels einer der Motronik des Antriebsmotors zugeordneten Sensoreinrichtung erfasst. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beschreibung zu dieser Alternative kein Ausführungsbeispiel enthält. Der geltende Patentanspruch 1 ist somit zulässigerweise auf die Variante nach dem erteilten Patentanspruch 4 beschränkt.

b) Der verteidigte Patentanspruch 1 umfasst die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 4 und 6, wobei jedoch das letzte Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 1 weggelassen worden ist. Dieses Merkmal besagt, dass durch das von der Sensoreinrichtung bei stillgesetztem Antriebsmotor an die Elektronikeinheit abgegebene Signal gleichzeitig ein Umsteuern in der Elektronikeinheit initiiert wird, so dass dem Schalter Funktionsbereiche eröffnet werden, die lediglich im Stand des Fahrzeugs bei stillgesetztem Antriebsmotor einschaltbar sind.

Die Einsprechende 2 hat in ihrem Schriftsatz vom 16. Januar 2004 (S 2, 1. Abs bis S 4, 2. Abs) den Standpunkt vertreten, das Weglassen dieses Merkmals stelle eine unzulässige Erweiterung dar. Denn das besagte Merkmal sei ursprünglich als erfindungswesentlich offenbart worden, was man schon daran zu erkennen könne, dass es sich im kennzeichnenden Teil des ursprünglichen Anspruchs 1 befunden habe.

Auch dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn ein Patentanspruch stellt vor der Patenterteilung lediglich einen Formulierungsversuch des Anmelders dar. Im Erteilungsverfahren kann ein solcher Anspruch, wie im vorliegenden Fall geschehen, im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung jederzeit auch erweitert werden (vgl hierzu BGH GRUR 1988, 197, Ls - "Runderneuern"). Im übrigen kann das in Rede stehende Merkmal schon deswegen nicht als erfindungswesentlich angesehen werden, weil es - wie jedem Autofahrer hinlänglich bekannt ist - hierzulande in jedem Kraftfahrzeug seit Jahrzehnten verwirklicht ist und insofern als allgemeiner Stand der Technik zu gelten hat. Lässt man nämlich beispielsweise nach dem Einparken den Blinkerhebel in seiner Funktionsstellung "Blinker links" bzw. "Blinker rechts", dann schaltet sich nach dem Stillsetzen des Antriebsmotors auf der jeweils angezeigten Fahrzeugseite das - nur bei stillgesetztem Antriebsmotor einschaltbare - Standlicht an.

3.) Nach den Angaben in der geltenden Beschreibung (Sp 1, 4. Abs) wird im Oberbegriff des verteidigten Patentanspruchs 1 von einer Schalteinrichtung für Kraftfahrzeuge ausgegangen, wie sie aus der eingangs erwähnten, gattungsbildenden Entgegenhaltung D1 bekannt ist. Denn in dieser Druckschrift wird - ausweislich der Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 2, letzter Absatz bis Spalte 4, 2. Absatz, Spalte 6, letzter Absatz bis Spalte 7, 1. Absatz und Spalte 5, Zeile 35 bis 45 - eine Schalteinrichtung, insbesondere Wischanlage für Kraftfahrzeuge beschrieben, welche zumindest einen Schalter (Betriebsschalter 20) und eine angeschlossene Elektronikeinheit (Wischimpulsgeber 25) aufweist, wobei das Betätigungselement (Hebel 23) des Schalters (20) ausgehend von seiner Neutralstellung (Ausschaltstellung 0) tastend in mehrere Funktionsstellungen (Betriebsschaltstellungen J, I, II) bringbar ist, wobei mit dem Erreichen jeder Funktionsstellung (J, I, II) jeweils eine zugeordnete Funktion (Intervallbetrieb, langsame bzw schnelle Wischgeschwindigkeit) geschaltet wird, wobei zumindest eine der eingeschalteten Funktionen durch eine Haltefunktion der Elektronikeinheit (25) auch dann eingeschaltet bleibt, wenn das Betätigungselement (23) in seine Neutralstellung zurückkehrt, und erst dann ausgeschaltet wird, wenn die Elektronikeinheit (25) ein entsprechendes Rücksetzsignal erhält. Die Elektronikeinheit (25) steht mit einer die Außerbetriebnahme des Antriebsmotors erfassenden Einrichtung (Zündschalter 12) in Verbindung, wobei diese Einrichtung (12) ein Signal an die Elektronikeinheit (25) abgibt, durch welche alle bislang eingeschalteten Funktionen zurückgesetzt werden. Durch diese vorbekannte Schalteinrichtung wird somit verhindert, dass bei einer neuerlichen Inbetriebnahme des Fahrzeugs der zuletzt benutzte Scheibenwischer, obgleich er zwischenzeitlich beispielsweise festgefroren ist, zu arbeiten beginnt, was zu einer erheblichen Beschädigung des Wischblattes oder auch des Wischermotors führen könnte.

Nach ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 21. März 2003 (S 3, vorle und le Abs) sehen es die Patentinhaberinnen beim gattungsbildenden Stand der Technik nach der D1 als nachteilig an, dass sich ein Rücksetzsignal nur dadurch erzeugen lässt, dass aktiv die Zündung des Antriebsmotors ausgeschaltet wird. Hierbei sei es nicht möglich, ein Rücksetzsignal zu generieren, wenn der Antriebsmotor beispielsweise durch Abwürgen beim Anfahren und nicht durch Betätigung des Zündanlassschalters ausgeht bzw. ausgestellt wird. Überdies bestehe das Bedürfnis nach einer Schalteinrichtung mit monostabil gelagertem Betätigungselement, mit der eine höhere Funktionsdichte realisierbar sei.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Schalteinrichtung mit einem tastend zu betätigendem Schalter für Kraftfahrzeuge zu schaffen, bei der eine Zurücksetzung von eingeschalteten Funktionen erst erfolgt, wenn der Antriebsmotor stillgesetzt ist (geltende Beschreibung Sp 2, 3. Abs mit dazugehörigem Einschub).

Gelöst wird diese Aufgabe bei einem Gegenstand mit den Merkmalen des Oberbegriffs des verteidigten Patentanspruchs 1 durch die in seinem kennzeichnenden Teil aufgeführten Merkmale, wobei es insbesondere auf die im ersten Merkmal beschriebene Maßnahme ankommt. Denn dadurch, dass - die die Außerbetriebnahme des Antriebsmotors erfassende Einrichtung eine der Motronik - also der elektronischen Motorsteuerung - zugeordnete und über eingehende Motorsignale den Betriebszustand des Antriebsmotors erfassende Sensoreinrichtung ist, die bei stillgesetztem Antriebsmotor ein Signal an die Elektronikeinheit abgibt, wird erreicht, dass eine Zurücksetzung der eingeschalteten Funktionen nach jedwedem Ereignis erfolgt, das einen Stillstand des Antriebsmotors bewirkt, unabhängig davon, ob dieses Ereignis willentlich, z.B. durch Betätigung des Zündschlosses, oder aber unbeabsichtigt, z.B. durch Abwürgen des Motors oder Versagen der Kraftstoffzufuhr, herbeigeführt worden ist.

Die weiteren, im verteidigten Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale betreffen die verschiedenen Funktionsstellungen des Betätigungselementes und vervollständigen damit die beanspruchte Schalteinrichtung.

4.) Dem Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 stehen Schutzhindernisse nicht entgegen. Denn die beanspruchte - zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - Schalteinrichtung für Kraftfahrzeuge ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung von Schalteinrichtungen für Kraftfahrzeuge befasster, berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik zu definieren ist.

a) Die Neuheit der beanspruchten Schalteinrichtung ergibt sich daraus, dass - wie aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zu ersehen ist - keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine Schalteinrichtung für Kraftfahrzeuge offenbart, bei welcher eine der Motronik des Antriebsmotors zugeordnete und dessen Betriebszustand erfassende Sensoreinrichtung vorgesehen ist.

b) Die Entgegenhaltung D1, von der - wie dargelegt - im Oberbegriff des verteidigten Patentanspruchs 1 ausgegangen wird, vermag dem vorstehend definierten Fachmann den beanspruchten Gegenstand weder für sich, noch in einer Zusammenschau mit den übrigen, eingangs genannten Druckschriften nahezulegen.

In der D1 findet sich nämlich kein Hinweis darauf, dass es von Vorteil sein könnte, die Außerbetriebnahme des Antriebsmotors mittels einer der Motronik des Antriebsmotors zugeordneten und über eingehende Motorsignale den Betriebszustand des Antriebsmotors erfassenden Sensoreinrichtung festzustellen, wie dies insoweit vom verteidigten Patentanspruch 1 gelehrt wird.

Die Einsprechende 1 hat in der mündlichen Verhandlung demgegenüber die Auffassung vertreten, beim Stand der Technik nach der D1 sei bereits ein Sensor zur Erfassung des Betriebszustandes des Antriebsmotors vorhanden. Insofern werde der beanspruchte Gegenstand dem Fachmann durch diese Entgegenhaltung nahegelegt.

Diesem Standpunkt kann nicht beigetreten werden. Denn bei dem vermeintlichen Sensor handelt es sich lediglich um einen Türkontaktschalter (35) (vgl Fig 1 iVm Sp 4, 2. Abs und Sp 5, Z 28 bis 35), dessen Aufgabe im Gegensatz zur Sensoreinrichtung gemäß dem verteidigten Patentanspruch 1 darin besteht, die Rücksetzung der eingeschalteten Scheibenwischerfunktionen (J, I, II) - nachdem der Antriebsmotor abgestellt worden ist - erst dann vorzunehmen, wenn der Fahrer die Fahrzeugtür öffnet. Damit wird bei diesem Stand der Technik dem Gedanken Rechnung getragen, dass ein umweltbewusster Fahrer beispielsweise an der roten Ampel den Motor seines Fahrzeugs abstellen möchte, ohne dabei jedoch die Scheibenwischerfunktionen zurücksetzen zu wollen. Dies soll erst geschehen, wenn der Fahrer die Fahrzeugtür öffnet, also im Begriff ist, das Fahrzeug zu verlassen.

Die Einsprechende 1 hat in der mündlichen Verhandlung ferner geltend gemacht, die von ihr produzierten Dieselmotoren würden seit langem schon über eine Sensorik namens "EDC" verfügen, deren Aufgabe es sei festzustellen, ob der Motor läuft. Auch aufgrund dieses allgemeinen Fachwissens sei der beanspruchte Gegenstand dem Durchschnittsfachmann nahegelegt.

Es kann dahinstehen, ob der von der Einsprechenden 1 insofern behauptete Stand der Technik nachprüfbar ist oder nicht (vgl hierzu BPatGE 30, 250, Ls 1 u 2). Denn selbst wenn eine entsprechende Motorsensorik vor dem für den Zeitrang des Streitpatents maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sein sollte, so reicht dieser Kenntnisstand jedenfalls nicht aus, um den Fachmann - ausgehend vom Stand der Technik nach der D1 - ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 zu führen. Denn ein wesentlicher Gesichtspunkt der beanspruchten Lehre besteht, wie bereits eingehend erörtert worden ist, darin, die Signale der Sensoreinrichtung zum Zurücksetzen sämtlicher eingeschalteter Funktionen zu benutzen. Hinsichtlich dieser speziellen Verwendung der angeblich vorbekannten Motorsensorik hat die Einsprechende 1 jedoch keinerlei Angaben gemacht.

Eine Anregung, die aus der D1 bekannte Schalteinrichtung entsprechend dem kennzeichnenden Teil des verteidigten Patentanspruchs 1 weiterzubilden, erhält der Durchschnittsfachmann auch nicht bei Einbeziehung der Betriebsanleitung D2. Denn dieser Druckschrift lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass die Außerbetriebnahme des Antriebsmotors mit Hilfe einer Sensoreinrichtung festgestellt werden soll, die der Motronik des Antriebsmotors zugeordnet ist und über eingehende Motorsignale dessen Betriebszustand erfasst.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen vom Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ersichtlich noch weiter entfernt und können seine Patentfähigkeit daher nicht in Frage stellen. Sie haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt.

Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ist nach alledem patentfähig.

5.) Die geltenden Unteransprüche 2 bis 14 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Gegenstandes des verteidigten Patentanspruchs 1 und werden von dessen Patentfähigkeit mitgetragen. Die geltende Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen. Die in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiele sind, soweit sie Schalteinrichtungen betreffen, nicht selbst Gegenstand des Patentbegehrens.

Das Patent war somit in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten.

Dr. Tauchert Dr. Gottschalk Knoll Dr. Häußler Be






BPatG:
Beschluss v. 19.02.2004
Az: 23 W (pat) 15/02


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