Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. November 2003
Aktenzeichen: 6 W (pat) 1/02

(BPatG: Beschluss v. 06.11.2003, Az.: 6 W (pat) 1/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 03 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. August 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Selbsttätig wirkende Stoßentleerungsvorrichtung Anmeldetag: 3. Februar 1998 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2003, Beschreibung Seiten 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2003, 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 lt. Offenlegungsschrift.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 03 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. August 2001 gerichtet, mit dem die vorliegende Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen worden war, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht patentfähig sei, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

D1: deutsche Offenlegungsschrift DE 42 12 708 A1 D2: deutsche Patentschrift DE 41 37 768 C1 D3: deutsche Patentschrift DE-PS 357 503 D4: deutsches Gebrauchsmuster DE 83 14 215 U1 D5: deutsche Offenlegungsschrift DE 28 37 858 A1 D6: deutsche Offenlegungsschrift DE 26 57 488 A1 D7: deutsche Auslegeschrift DE-AS 11 48 201.

Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom 10. Oktober 2001, eingegangen am gleichen Tage, Beschwerde eingelegt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 5 sowie neue Beschreibungsseiten 1 bis 8 vorgelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung (Seiten 1 bis 8) überreicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Blatt Zeichnungen (Fig. 1 bis 3) lt. Offenlegungsschrift.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"Selbsttätig wirkende Stoßentleerungsvorrichtung für reine und verschmutzte Flüssigkeiten mit folgenden Merkmalen:

- am oberen Ende der Stoßentleerungsvorrichtung (1) befindet sich ein oben offenes Schwimmergefäß (2),

- in das Schwimmergefäß (2) ragt ein starrer Abschnitt (5) eines Abflußrohres (3) hinein, der mit dem Schwimmergefäß (2) fest und dicht verbunden ist,

- über dem starren Abschnitt (5) des Abflußrohres (3) ist eine Heberglocke (6) angeordnet, die sich innerhalb des Schwimmergefäßes (2) befindet,

- die Heberglocke (6) ist mit dem Schwimmergefäß (2) fest, aber durchströmbar verbunden,

- das Abflußrohr (3) besitzt unterhalb des starren Abschnittes (5) und außerhalb des Schwimmergefäßes (2) einen elastisch verformbaren Abschnitt (4), der durch die von ihm auf das Schwimmergefäß (2) einwirkende Kraft das Aufschwimmen des Schwimmergefäßes (2) begrenzt,

- das untere Ende des Abflußrohres (3) ist in Form eines Siphons (7) ausgebildet und fest mit dem Entleerungsbehälter (9) verbunden."

Laut Beschreibung (S. 3, Abs. 3) soll die Aufgabe gelöst werden, eine Stoßentleerungsvorrichtung zu schaffen, mit deren Hilfe auch bei geringsten Zulaufmengen eine Stoßentleerung mit sofortiger, voller Leistung erreicht wird. Es soll ein sicherer Betrieb auch für verschmutzte Wässer, die häufig Verstopfungen bewirken, gewährleistet werden.

Hinsichtlich der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und im Hinblick auf die geltenden Unterlagen auch begründet.

1. Die Gegenstände der geltenden Patentansprüche sind in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart, die Patentansprüche sind somit zulässig. Der Patentanspruch 1 geht auf den ursprünglichen Patentanspruch 1 i. V. m. S. 4, Z. 5 bis 9 der ursprünglichen Beschreibung zurück. Der Patentanspruch 2 ergibt sich aus dem ursprünglichen Patentanspruch 2 i. V. m. S. 5, Z. 1 bis 5 der ursprünglichen Beschreibung. Die Patentansprüche 3 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 3 bis 5.

2. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis 5 dar.

a. Die Stoßentleerungsvorrichtung nach Patentanspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu. Denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften zeigt eine Stoßentleerungsvorrichtung mit sämtlichen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.

b. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Die deutsche Offenlegungsschrift DE 42 12 708 A1 (D1) und die deutsche Patentschrift DE 41 37 768 C1 (D2) beschreiben beide selbsttätig wirkende Stoßentleerungsvorrichtungen, bei denen sich am oberen Ende der Stoßentleerungsvorrichtung 2 ein oben offenes Schwimmergefäß 6 befindet. In das Schwimmergefäß 6 ragt ein starrer Abschnitt eines Abflussrohres 4 hinein, der mit dem Schwimmergefäß 6 fest und dicht verbunden ist. Das Schwimmergefäß 6 ist frei beweglich innerhalb einer Heberglocke 7 angeordnet. Das Abflussrohr 4 besitzt unterhalb seines starren Abschnittes und außerhalb des Schwimmergefäßes 6 einen elastisch verformbaren Abschnitt 5.

Diese beiden bekannten Stoßentleerungsvorrichtungen wirken wie folgt (vgl. auch Fig. 1 bis 4 in der deutschen Patentschrift DE 41 37 768 C1): Entsprechend dem Flüssigkeitsniveau in einer Speicherkammer stellt sich ein Flüssigkeitsstand im Inneren der Heberglocke 7 ein, wodurch der Schwimmertopf 6 in der Heberglocke 7 aufschwimmt. Dabei zieht sich der elastisch verformbare Abschnitt 5 auseinander (vgl. Fig. 1). Bei einem weiteren Anstieg des Flüssigkeitsniveaus wird das Schwimmergefäß 6 weiter angehoben, bis es mit seinem oberen Rand gegen den Deckel der Heberglocke 7 stößt (vgl. Fig. 2). Jetzt kann Flüssigkeit in das Schwimmergefäß 6 hineinlaufen, wodurch das Schwimmergefäß 6 schwerer wird und nach unten sinkt. In diesem Zustand kann die Flüssigkeit in das Abflussrohr 4 eindringen und ablaufen (vgl. Fig. 3 und 4).

Bei diesen beiden bekannten Stoßentleerungsvorrichtungen umgibt somit die Heberglocke das Schwimmergefäß, welches in der Heberglocke frei beweglich ist, und die Aufwärtsbewegung des Schwimmergefäßes ist durch den Deckel der Heberglocke begrenzt.

Im Gegensatz dazu umgibt bei der erfindungsgemäßen Stoßentleerungsvorrichtung das Schwimmergefäß die Heberglocke, welche fest mit dem Schwimmergefäß verbunden ist, und die Aufwärtsbewegung des Schwimmergefäßes ist durch die von dem elastisch verformbaren Abschnitt auf das Schwimmergefäß einwirkende Kraft begrenzt. Auch der erfindungsgemäß vorgesehene Siphon ist bei den Stoßentleerungsvorrichtungen nach der deutschen Offenlegungsschrift DE 42 12 708 A1 (D1) oder der deutschen Patentschrift DE 41 37 768 C1 (D2) nicht vorhanden.

Eine weitere Stoßentleerungsvorrichtung ist aus der deutschen Patentschrift DE-PS 357 503 (D3) bekannt. Bei dieser Stoßentleerungsvorrichtung befindet sich am oberen Ende der Stoßentleerungsvorrichtung ein oben offenes Schwimmergefäß E, in das ein starrer Abschnitt eines Abflussrohres d hineinragt, der mit dem Schwimmergefäß E fest und dicht verbunden ist. An dem starren Abschnitt des Abflussrohres d ist ein ringförmiger Heber f vorgesehen, welcher eine Restentleerung des Schwimmergefäßes E bewirkt. Weiterhin besitzt das Abflussrohr d unterhalb des starren Abschnittes und außerhalb des Schwimmergefäßes E einen elastisch verformbaren Abschnitt c. Die Aufwärtsbewegung des Schwimmergefäßes E ist durch einen oberen Anschlag g begrenzt.

Im Gegensatz zu diesem Stand der Technik ist bei der erfindungsgemäßen Stoßentleerungsvorrichtung die Aufwärtsbewegung des Schwimmergefäßes durch die von dem elastisch verformbaren Abschnitt auf das Schwimmergefäß einwirkende Kraft begrenzt und auch der erfindungsgemäß vorgesehene Siphon ist bei der Stoßentleerungsvorrichtung nach der deutschen Patentschrift DE-PS 357 503 (D3) nicht vorhanden.

Somit ermag schon allein aufgrund der funktionellen wie auch der strukturellen Unterschiede von den vorstehend genannten Druckschriften keine Anregung in Richtung auf den Patentgegenstand auszugehen.

Der übrige Stand der Technik liegt erkennbar weiter von der erfindungsgemäßen Stoßentleerungsvorrichtung ab als die vorstehend abgehandelten Druckschriften, da das deutsches Gebrauchsmuster DE 83 14 215 U1 (D4), die deutschen Offenlegungsschriften DE 28 37 858 A1 (D5) und DE 26 57 488 A1 (D6) sowie die deutsche Auslegeschrift DE-AS 11 48 201 (D7) allesamt keine Stoßentleerungsvorrichtungen, sondern Auslaufvorrichtungen oder Flüssigkeitsabscheider zeigen, die eine andere Wirkungsweise haben und die auch in ihrem konstruktiven Aufbau allenfalls Teilmerkmale der erfindungsgemäßen Lehre, wie z. B. einen Siphon, erkennen lassen. Folglich konnte von diesem Stand der Technik ebenfalls keine Anregung in Richtung auf den Patentgegenstand ausgehen, so dass der nachgewiesene Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau zur erfindungsgemäßen Lehre anregen konnte.

Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar. Das gleiche gilt für die auf diesen Patentanspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Stoßentleerungsvorrichtung nach Patentanspruch 1 gerichtet sind.

Lischke Heyne Riegler Schneider Cl






BPatG:
Beschluss v. 06.11.2003
Az: 6 W (pat) 1/02


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