Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Februar 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 182/03

(BPatG: Beschluss v. 02.02.2005, Az.: 32 W (pat) 182/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 2. Februar 2005 (Aktenzeichen 32 W (pat) 182/03) zwei Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - aufgehoben. In der Sache ging es um die Anmeldung einer Marke, die für verschiedene Lebensmittel und Süßigkeiten, wie Speiseeis, Schokolade und Gebäck, erfolgte. Das Markenamt hatte die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt.

Die Anmelderin legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und verwies darauf, dass es ähnliche und vergleichbare eingetragene Wort- und Bildmarken gebe. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Anmelderin zudem, dass die Waren "Speiseeis" und "Eiswaffeln" nicht mehr beansprucht werden.

Das Bundespatentgericht entschied nun, dass die Beschwerde zulässig und in Bezug auf die verbleibenden Erzeugnisse begründet sei. Es gebe keine Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Markengesetzes. Die angemeldete Marke habe ausreichend Unterscheidungskraft, da sie nicht nur beschreibende Begriffe enthalte und auch nicht als gebräuchlicher Begriff der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache verstanden werde.

Das Gericht stellte fest, dass der Wortbestandteil "GELATERIA" in der angemeldeten Marke dominiere und dass dieser Begriff in Deutschland für italienische Eisdielen stehe. Es sei jedoch zweifelhaft, ob alle beanspruchten Produkte tatsächlich in einer Eisdiele erhältlich seien. Ein Kunde, der in einer Eiscafe zum Beispiel Kakaotrockenpulver, Tortenböden oder Zwieback kaufen wolle, würde wahrscheinlich irritiert reagieren. Daher sei es entscheidend zu betrachten, wie die angemeldete Marke wahrgenommen werde, wenn sie auf oder in Verbindung mit den Waren in üblichen Verkaufsstätten wie Lebensmittelgeschäften oder Bäckereien auftauche. Der Verkehr werde dann nicht davon ausgehen, dass die Waren aus einer Gelateria stammten oder nur für den Verkauf in italienischen Eiscafes bestimmt seien. Die Verwendung des Markenworts GELATERIA solle den Erzeugnissen lediglich ein italienisches Flair verleihen, ohne die Eigenschaften direkt zu beschreiben.

Das Bundespatentgericht entschied daher, dass die angemeldete Marke ausreichend Unterscheidungskraft habe und nicht glatt beschreibend sei. Das Gericht verwies auf die HOUSE OF BLUES-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Freihaltebedürfnis an einer Betriebsbezeichnung nicht zwangsläufig auf die gehandelten Produkte ausgedehnt werden müsse. Die Anmelderin könne daher keine Verbietungsrechte aus der Marke gegen einen beschreibenden Gebrauch des Wortes Gelateria ableiten.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 02.02.2005, Az: 32 W (pat) 182/03


Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 3. Februar 2003 und vom 9. April 2003 aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 14. August 2002 als Marke angemeldete Darstellungwar zunächst für folgende Waren bestimmt:

Speiseeis; Kakao, insbesondere Kakaotrockenpulver; Schokolade und Schokoladewaren, insbesondere Schokoladen-Riegel; Zuckerwaren, insbesondere Bonbons; Hefe; Back- und Konditorwaren, insbesondere Gebäck- und Waffelmischungen, Schokoladewaffeln, Rum-Cremewaffeln, Eiswaffeln, Schokolade-Doppelkekse, Eierplätzchen, Butterkekse, Schokolade-Butterkekse, Fertigkuchen, Tortenböden, Zwieback, Vollkorn-Gebäck, Löffelbiskuits, Torteletts.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen der letztere im Erinnerungsverfahren durch einen Beamten des höheren Dienstes ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. GELATERIA sei der dem inländischen Verkehr bekannte italienische Begriff für Eisdiele. Die beanspruchten Produkte könnten dort erworben werden, die Herstellung der Waren könne nach italienischen Rezepten erfolgen. Die grafisch einfache bildliche Gestaltung vermöge die Schutzfähigkeit nicht zu begründen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Eintragungsbegehren weiterverfolgt. Sie verweist auf ihrer Ansicht nach ähnliche bzw. vergleichbare eingetragene Wort- und Bildmarken.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin erklärt, dass aus dem Warenverzeichnis die Waren Speiseeis; Eiswaffelngestrichen werden.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und - nachdem die Waren "Speiseeis" und "Eiswaffeln" nicht mehr beansprucht werden - für die verbleibenden Erzeugnisse auch begründet. Hinsichtlich dieser liegen keine Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG vor.

Die angemeldete Marke entbehrt in ihrer Gesamtheit nicht jeglicher Unterscheidungskraft. Unter dieser versteht man die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion einer Marke ist es, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren (und Dienstleistungen) zu gewährleisten. Zur Beurteilung der Unterscheidungskraft ist eine auf den Einzelfall bezogene sorgfältige und gründliche Prüfung - seitens der Markenstelle ebenso wie in der Beschwerdeinstanz - erforderlich (EuGH GRUR 2003, 604 - Libertel, Rdn. 59; GRUR 2004, 674 - KPN Postkantoor, Rdn. 123). Kann einer Marke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und/oder handelt es sich hinsichtlich des Wortbestandteils nicht um einen gebräuchlichen Begriff der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, der vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; vgl. BGH BlPMZ 2002, 85 - INDIVIDUELLE; 2004, 30 - Cityservice).

Die angemeldete Wort-Bild-Marke wird vom Wortbestandteil GELATERIA dominiert. Die Bedeutung dieses aus der italienischen Sprache stammenden Begriffs (Eiscafe, Eisdiele) hat die Markenstelle zutreffend aufgezeigt. Auch kann nicht zweifelhaft sein, dass italienische Eisdielen in Deutschland sich häufig als Gelateria (regelmäßig zusammen mit einem individualisierenden Zusatz, z.B. einem Vornamen oder dem Namen einer Stadt) bezeichnen.

Ob es sich aber bei sämtlichen jetzt noch beanspruchten Produkten um solche handelt, die - wie die Markenstelle angenommen hat - regelmäßig in einer Eisdiele zu kaufen sind, erscheint dem Senat sehr zweifelhaft. Ein Kunde, der in einem Eiscafe etwa Kakaotrockenpulver, Hefe, Tortenböden, Zwieback oder Vollkorngebäck erwerben wollte, würde wohl auf Unverständnis stoßen. Neben Eis dürften zum Mitnehmen - also nicht zum Verzehr an Ort und Stelle - wohl meist nur (bestimmte) Back- und Konditorwaren in Betracht kommen.

Es ist daher nicht maßgeblich auf die (eher theoretische) Möglichkeit des Vertriebs der beanspruchten Waren in einem italienischen Eiscafe abzustellen, sondern zu fragen, wie die angemeldete Marke wirkt und vom Publikum aufgenommen wird, wenn sie diesem auf oder in Verbindung mit den Waren an deren üblichen Verkaufsstätten (Lebensmittelgeschäft, Supermarkt, Bäckerladen usw.) begegnet. Der Verkehr wird dann aber nicht - in einem noch entscheidungserheblichen Umfang - annehmen, die betreffenden Waren stammten aus einer Gelateria (d.h. dort handwerklich hergestellt) oder seien nur für das Angebot oder die Weiterverarbeitung in italienischen Eiscafes bestimmt. Vielmehr wird unschwer erkannt werden, dass die Verwendung des Markenworts GELATERIA den Erzeugnissen in werbewirksamer Weise ein italienisches Flair verschaffen soll, nicht aber Eigenschaften unmittelbar beschreiben.

Selbst soweit teilweise auf italienische Geschmacksrichtungen (= Herstellung nach Rezepten, wie sie in italienischen Eisdielen Verwendung finden) geschlossen werden sollte, käme der Darstellung jedenfalls in ihrer Gesamtheit, d.h. unter Mitberücksichtigung der grafischen und bildlichen Ausgestaltung, für maßgebliche Teile des Verkehrs ein herkunftshinweisender Charakter zu. Die bildlichen Gestaltungsmittel (der bogenförmige Verlauf der Schrift, die Abwechslung von schwarzen und grauen Buchstaben und die etwas abgesetzte Unterstreichungslinie) sind zwar - jedes für sich - einfach, ergeben in der Zusammenfassung aber doch einen typisch markenmäßigen Gesamteindruck.

Die angemeldete Marke ist auch nicht glatt beschreibend i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und unterliegt in der konkreten grafischen Gestaltung keinem Allgemeininteresse der Freihaltung von Monopolrechten. Die Marke wird nicht für die typischen Dienstleistungen eines italienischen Eiscafes (Verpflegung von Gästen mit Speiseeis, bestimmten Backwaren, Kaffee und sonstigen Getränken) beansprucht, sondern ausschließlich für Waren. Die Grundsätze der HOUSE OF BLUES-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1999, 988) sind deshalb zu beachten, wonach sich ein Freihaltebedürfnis an einer Betriebsbezeichnung nicht notwendig auf die dort gehandelten und angebotenen Produkte erstreckt. Bei einer Schutzgewährung für die jetzt noch beanspruchten Waren kann die Anmelderin zudem keine Verbietungsrechte aus der Marke gegen einen beschreibenden Gebrauch des Wortes Gelateria herleiten.

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BPatG:
Beschluss v. 02.02.2005
Az: 32 W (pat) 182/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c0a0349832e4/BPatG_Beschluss_vom_2-Februar-2005_Az_32-W-pat-182-03




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