Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Januar 2011
Aktenzeichen: 26 W (pat) 5/10

(BPatG: Beschluss v. 19.01.2011, Az.: 26 W (pat) 5/10)

Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 vom 7. September 2007 und 11. November 2009 aufgehoben.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung der für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 bestimmten Bildmarke 306 22 198.5 mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, gemäß § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Verkehr verstehe das angemeldete Zeichen bei einer Verwendung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als Sachhinweis darauf, dass die Anmelderin die Nummer 1 auf dem Erotiksektor im Internet sei bzw. dass es sich um das erste von beliebig vielen Erotikangeboten im Internet handele. Die aus der Einmaligkeit der Registrierung der Internetadresse "erotik1.de" resultierende technische Adressfunktion gebe, wie der Bundesgerichtshof in seiner den Domainnamen "Mitwohnzentrale.de" betreffenden Entscheidung (MarkenR 2001, 475, 478) bereits festgestellt habe, für sich genommen keinen Aufschluss über deren markenrechtliche Unterscheidungskraft. Auch die farbige grafische Ausgestaltung der angemeldeten Marke könne dieser nicht zur Unterscheidungskraft verhelfen, weil es sich um in der Werbung übliche Gestaltungsmittel handele, die in einer ebenfalls üblichen Weise angeordnet seien. Insbesondere handele es sich bei der schwarzen etikettenartigen Unterlegung der Wortbestandteile sowie der roten Hinterlegung der Zahl 1 um allgemein übliche, rein dekorative Elemente, denen der Verkehr keinen Herkunftshinweis entnehmen werde. Darüber hinausgehende charakteristische Elemente, die vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen der Anmelderin gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst werden könnten, fehlten der angemeldeten Marke. Von der Anmelderin als vergleichbar erachtete Voreintragungen seien nicht geeignet, einen Anspruch auf Eintragung der angemeldeten Marke zu begründen.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, der angemeldeten Marke fehle nicht jegliche Unterscheidungskraft und ihrer Eintragung stünden auch keine anderen Schutzhindernisse entgegen. Die Markenstelle habe die angegriffene Marke nicht in ihrer Gesamtheit, sondern zergliedernd und analysierend betrachtet. Bereits die farbige Ausgestaltung der angemeldeten Marke in den Farben schwarz, weiß und rot, die täglich von der "BILD"-Zeitung verwendet werde und im Verkehr eine große Bekanntheit genieße, sei geeignet, die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke zu begründen, denn die Herausgeberin der "BILD"-Zeitung, die A... AG, sei auch an der Anmelderin gesellschaftsrechtlich beteiligt. Der Verkehr sei mit der angemeldeten farbigen Gestaltung vertraut, weshalb ihm die betriebliche Zuordnung der angemeldeten Marke ohne weiteres gelinge. Auch der Wortbestandteil "erotik1.de" sei nicht für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen gleichermaßen beschreibend. Insoweit fehle es in den angegriffenen Beschlüssen an der erforderlichen differenzierten Betrachtungsweise.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Anmelderin nach Erörterung der Sachund Rechtslage das Warenund Dienstleistungsverzeichnis unter Streichung der übrigen Waren und Dienstleistungen auf die folgenden Dienstleistungen beschränkt:

"Klasse 35: Öffentlichkeitsarbeit (public relations), Sponsoring in Form von Werbung;

Klasse 42: Dienstleistungen eines EDV-Programmierers , Entwurfund Entwicklung von Computerhardware".

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde erweist sich nach der im Beschwerdeverfahren erklärten Einschränkung des Warenund Dienstleistungsverzeichnisses als begründet. Der Eintragung der angemeldeten Bildmarke stehen für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen keine Schutzhindernisse entgegen.

Der angemeldeten Marke fehlt für diese Dienstleistungen insbesondere nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne der vorgenannten Bestimmung bedeutet die Eignung einer Marke, die Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter ihrer betrieblichen Herkunft nach unterscheidbar zu machen (EuGH GRUR 2003, 604, 608, Nr. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. Nr. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006 m. w. N.). Da die Frage der Unterscheidungskraft konkret für die jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen ist, vermag eine Ware für bestimmte Waren und Dienstleistungen unterscheidungskräftig zu sein, während ihr für andere die Unterscheidungskraft fehlt (EuGH GRUR 2004, 674, 677, Nr. 73 bis 78 - Postkantoor; GRUR 2007, 425, 436, Nr. 32 - MT&C/BMW).

Die Unterscheidungskraft fehlt in erster Linie Angaben und Zeichen, die die in der Anmeldung angegebenen Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreiben oder die einen engen sachlichen beschreibenden Bezug zu diesen Waren und Dienstleistungen aufweisen (BGH a. a. O. Rdn. 19 und 28 -FUSSBALL WM 2006), aber auch gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, wenn sie stets nur als solche in ihrer ursprünglichen, nicht markenmäßigen Bedeutung und deshalb nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdn. 19 und 45 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2007, 1071, 1072, Rdn. 25 - Kinder II).

Hiervon ausgehend kann der angemeldeten Marke für die nunmehr allein noch beanspruchten Dienstleistungen "Öffentlichkeitsarbeit (public relations), Sponsoring in Form von Werbung; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers, Entwurf und Entwicklung von Computerhardware" das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Bereits der in der Marke enthaltene Wortbestandteil "erotik1.de" ist nicht geeignet, diese Dienstleistungen ihrer Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstigen Merkmalen nach unmittelbar zu beschreiben noch weist er einen engen sachlichen beschreibenden Bezug zu ihnen auf.

Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung werden nicht inhaltsbezogen beschrieben. Üblich ist zur Beschreibung dieser Dienstleistung nur eine Bezeichnung nach der Art des Mediums oder der Branchen, auf die die Leistungen bezogen sind (BGH GRUR 2009, 949, 952, Rdn. 24 - My World). Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Bezeichnungsgewohnheit sind nicht erkennbar. Gleiches gilt entsprechend für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Verkehr die angemeldete Marke bereits wegen ihres Wortbestandteils nicht als Beschreibung von Merkmalen der Dienstleistungen "Öffentlichkeitsarbeit (public relations), Sponsoring in Form von Werbung" versteht. Auch ein enger beschreibender Bezug der angemeldeten Marke zu diesen Dienstleistungen ist weder von der Markenstelle dargelegt worden noch sonst feststellbar.

Die technischen Dienstleistungen der Klasse 42 "Dienstleistungen eines EDV-Programmierers, Entwurf und Entwicklung von Computerhardware" können zwar zur Einrichtung eines Internetportals mit dem Titel "erotik1.de", zugleich aber auch bei der Errichtung eines jeden anderen Portals in Anspruch genommen werden. Auch auf diesem technischen Dienstleistungssektor ist es unüblich, inhaltsbeschreibende Angaben zur Beschreibung der technischen Dienstleistungen zu verwenden. Deshalb kann auch insoweit nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr die Anmeldung als beschreibende Angabe für die vorgenannten technischen Dienstleistungen auffasst.

Da es sich bei dem aus drei Einzelelementen zusammengesetzten Wortbestandteil "erotik1.de" insgesamt auch nicht um eine in der deutschen Sprache gebräuchliche Bezeichnung handelt, kann der angemeldeten Marke für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

In Ermangelung eines unmittelbar beschreibenden Begriffsgehalts kann die angemeldete Marke für die noch beanspruchten Dienstleistungen auch nicht zur Bezeichnung von deren Eigenschaften gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen. Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Dr. Fuchs-Wissemann Dr. Schnurr Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 19.01.2011
Az: 26 W (pat) 5/10


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