Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 17. Januar 2012
Aktenzeichen: 22 Sa 7/11

(LAG Baden-Württemberg: Urteil v. 17.01.2012, Az.: 22 Sa 7/11)

1.Im Mitarbeiterbeteiligungsmodell der Kombination von Virtual Stock Options und Phantom Stocks verfallen erdiente Gewinnbezugsrechte beim vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers nur, wenn dies ausgehandelt und ausdrücklich vereinbart ist.

2.Erfolgsbeteiligungen aus früheren Teilverkäufen sind bei einer derartigen Gestaltung in die Berechnung einer Karenzentschädigung nicht einzurechnen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23.12.2010, Az. 1 Ca 502/09 in Nummer 1 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 46.541,76 EUR brutto nebst

5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz- 2 -

aus einem Betrag in Höhe von 7.756,96 EUR seit dem 31.01.2009,

aus weiteren 7.756,96 EUR seit dem 28.02.2009,

aus weiteren 7.756,96 EUR seit dem 31.03.2009,

aus weiteren 7.756,96 EUR seit dem 30.04.2009,

aus weiteren 7.756,96 EUR seit dem 31.05.2009 sowie

aus weiteren 7.756,96 EUR seit dem 30.06.2009

zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft über die in der Zeit vom 01.10.2009 bis 30.04.2011 erfolgten Anteilsveräußerungen an der Beklagten zu erteilen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

5. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechnung einer Karenzentschädigung und im Wege der Stufenklage über die Erteilung von Auskünften.

Der am 0.0.1973 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Berufungsbeklagte (fortan Kläger) ist von Beruf Diplomkaufmann und war bei der Berufungsklägerin (fortan Beklagte) aufgrund Arbeitsvertrages vom Januar 2004 vom 8.3.2004 - 16.1.2009, zunächst als Key-Account-Manager und später als Vertriebsleiter, zuletzt gegen ein durchschnittliches Monatsbruttoentgelt in Höhe von 23.553,41 EUR (Jahresverdienst vom 1.4.2007 bis 31.3.2008 = Euro 282.640,98, bestehend aus Fixgehalt, Vorauszahlung für variable Vergütungsansprüche, Provisionsansprüchen, Sonderzahlungen und geldwerter Vorteil des Dienst-Pkws) beschäftigt. Eine Zusatzvereinbarung vom 31.1.2005 weist jährlich Euro 150.000,00 als Zielgehalt und monatlich Euro 7500,00 Fixgehalt aus (auf den Wortlaut wird verwiesen). Zum 16.1.2009 endete das Arbeitsverhältnis aufgrund Eigenkündigung des Klägers vom 7.10.2008. Der Kläger befand sich vom 1.4.2008 bis einschließlich 16.1.2009 in genehmigter Elternzeit ohne Vergütungsanspruch.

Die Beklagte ist der führende europäische Hersteller und Anbieter von Webkonferenz-Lösungen. Gegründet 2001 in K (damals noch als s.-u.-GmbH), beschäftigt das Unternehmen heute (2004: rd. 15, 2009: rd. 180) über 220 Mitarbeiter. Mit der Software N. können sich Internetnutzer live gegenseitig die Bildschirmansicht teilen, um Texte, Kalkulationen, Grafiken und sonstige Dokumente gemeinsam zu bearbeiten. Seit Herbst 2007 wird die Beklagte als AG betrieben; Herr G. ist seit Februar 2008 Vorstandssprecher der Beklagten, die zum 15.2.2011 (lt. informatorischer Parteianhörung gegen ca. 100 Mio. Euro) von einem amerikanischen Konzern übernommen wurde.

In § 2 des Arbeitsvertrages ist (auszugsweise) vereinbart:

1. Das Gehalt des Angestellten besteht aus einem fixen Gehaltsanteil sowie aus variablen Gehaltsanteilen.

2. Das jährliche Zielgehalt, definiert als Summe aus fixer und variabler Vergütung, beträgt 96.000,-- EUR.

3. Als fixe Vergütung erhält der Angestellte monatlich rückwirkend zum Ersten eines jeden Monats ein Grundgehalt in Höhe von EUR 4.000,00 (in Worten: viertausend Euro). Der Angestellte erhält 12 Monatsgehälter.

4. Die variable Vergütung beträgt bei 100%-iger Erreichung aller vereinbarten Ziele jährlich 48.000,00 Euro. Die Ziele für das Jahr 2004 werden wie folgt festgelegt:...

5. Der Angestellte erhält monatlich eine Vorauszahlung auf die variable Vergütung von 2.500,00 Euro. Zum Ende eines jeden Quartals wird eine vorläufige Berechnung der variablen Vergütung vorgenommen. Der Anteil der variablen Vergütung , der noch nicht durch die Vorauszahlungen abgedeckt ist, wird entsprechend ausbezahlt. Die endgültige Berechnung der variablen Vergütung erfolgt am Ende eines jeden Kalenderjahres und wird im ersten Quartal des Folgejahres gehaltswirksam. Übersteigt die Summe der Vorauszahlungen die dem Angestellten zustehende variable Vergütung muss die Vorauszahlung vom Angestellten zurückerstattet werden.

6. Bei Erreichen des jährlich vereinbarten Individualziels, d.h. der Summe aus den einzelnen Individualzielen, erhält der Angestellte zusätzlich eine Erfolgsbeteiligung gemäß den folgenden Bedingungen:

a. Der Angestellte erhält jeweils bei Erreichen des jährlich vereinbarten Zielumsatzes von der N.GmbH ein bedingtes Bezugsrecht auf einen- Anteil am Veräußerungserlös der Anteile der N.GmbH eingeräumt.

b. Das Bezugsrecht ist beschränkt auf den Anteil am Veräußerungserlös, der eine Unternehmensbewertung der N. GmbH von fünf Millionen Euro übersteigt.

c. Bei Erreichen des vereinbarten Zielumsatzes entspricht das eingeräumte Bezugsrecht einem virtuellen Anteil von 173,20 Euro am Stammkapital der N. GmbH. (Stammkapital z.Zt.: 43.300 Euro). Bei unverändertem Stammkapital entspricht dies einem virtuellen Anteil von 0,4 %.

d. Übertrifft der Angestellte den vereinbarten Zielumsatz in einem Jahr erhöht sich das erworbene Gewinnbezugsrecht proportional bis zu einer maximalen Gesamthöhe von 346,40 Euro virtuellem Anteil in einem Jahr. Im Jahr 2004 ist die maximale Gesamthöhe erreicht, wenn die Summe der beiden Individualziele zu 100% übertroffen wird. In den folgenden Jahren wird das Individualziel, um die jährliche maximale Gesamthöhe an virtuellen Anteilen zu erreichen, am Anfang des Jahres neu definiert.

e. Wird der vereinbarte Zielumsatz in einem Jahr nicht erreicht mindert sich das erworbene Bezugsrecht linear proportional. Werden weniger als 70% des Individualziels erreicht wird für das jeweilige Jahr kein Bezugsrecht übertragen.

f. Das Bezugsrecht beinhaltet kein Eigentumsrecht am Stammkapital der N. GmbH und kein Stimmrecht.

g. Das Bezugsrecht am Veräußerungserlös wird unter der Bedingung gewährt, dass, der Angestellte mindestens noch 12 Monate nach Veräußerung nicht kündigt.

h. 1/3 des Bezugsrechts werden bei Veräußerung ausbezahlt, 2/3 des Bezugsrechts 12 Monate nach Veräußerung der Anteile.

i. Der Veräußerungserlös versteht sich als Nettoverkaufserlös (nach Abzug aller direkten Nebenkosten und Verkaufsprovisionen).

j. Erfolgt nur eine teilweise Veräußerung, erfolgt eine anteilige (pro rata) Beteiligung am Verkaufserlös.

k. Erfolgt kein Barverkauf, sondern eine Bezahlung in Aktien, Anteilen oder - Zahlung. mit Zahlungsplan, wird diese Zahlungskondition entsprechend auf den Angestellten angewandt.

I. Erfolgt eine Kapitalerhöhung aus Fremdmitteln entspricht das Bezugsrecht des Angestellten weiterhin dem nominellen Wert der virtuellen Beteiligung .am Startkapital in Euro, das heißt die Anteile verwässern umgekehrt proportional zur Kapitalerhöhung.

m .Im Falle einer Kapitalerhöhung aus Eigenmitteln (Umwandlung von Rücklagen) bleibt das Bezugsrecht prozentual unverändert. Dem Bezugsrecht wird dann wieder ein virtueller Anteil am Stammkapital in Euro zugeordnet, der der prozentualen Kapitalerhöhung entspricht.

n. Im Falle einer Kapitalerhöhung aus Eigen- bzw. Fremdmitteln erhöht sich der Nennbetrag der virtuellen Beteiligung in Euro der Absätze 6c. und 6d. entsprechend.

o. Sollte innerhalb von 3 Jahren nach Vertragsbeginn kein Börsengang bzw. Trade Sales stattgefunden haben, erweitert sich das Bezugsrecht der im Rahmen der Erfolgsbeteiligung entstandenen virtuellen Beteiligung auf Dividendenzahlungen der N. ,Angestellte erhält ab dann bei allen Dividendenzahlungen der N. GmbH eine Vergütung, die sich prozentual proportional zu den bis dahin kumulierten Bezugsrechten verhält.

p. .Der kumulierte Wert der virtuellen Bezugsrechte, die der Angestellte. nach dieser Regelung erwerben kann, ist auf 4% des Stammkapitals der N. GmbH beschränkt.

q. Bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses innerhalb von 2 Jahren nach Vertragsbeginn sowie bei Kündigung durch den Arbeitgeber aus wichtigem Grund erlöschen alle Rechte aus der Erfolgsbeteiligung.

r. Bei Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Angestellten nach mehr als zwei 'Jahren nach Vertragsbeginn erlöschen nur jene Bezugsrechte, die zum Zeitpunkt der Kündigung vor weniger als 12 Monate an den Angestellten übertragen wurden. Bei Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach mehr als zwei Jahren nach Vertragsbeginn erlöschen nur jene Bezugsrechte, die zum Zeitpunkt der Kündigung vor weniger als 6 Monate an den Angestellten übertragen wurden.

s. Bei Kündigung des Vertragsverhältnisses hat der Arbeitgeber das Recht die verbleibenden Bezugsrechte des Angestellten auszulösen. Dazu wird zunächst eine Unternehmensbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren vorgenommen. Ist der Angestellte mit dem Ergebnis dieser Bewertungsmethode nicht einverstanden hat er die Möglichkeit, die Industrie- und Handelskammer Karlsruhe anzurufen, um eine marktübliche Bewertung der Anteile vorzunehmen. Das Bewertungsverfahren wird dann von der IHK Karlsruhe bestimmt. Der Angestellte kann entscheiden, zu welchem der beiden Bewertungen das Bezugsrecht ausgelöst wird. Die Kosten für die Bewertung durch die IHK werden von den Vertragsparteien jeweils hälftig getragen.

In § 7 des Arbeitsvertrages heißt es u. a.:

1. Dem Angestellten ist es untersagt, während der auf die Beendigung seiner Tätigkeit folgenden 6 Monate selbständig oder unselbständig in einem Betrieb tätig zu werden oder sich an einem solchen zu beteiligen, der im unmittelbaren Wettbewerb zu der Gesellschaft steht oder in unmittelbarem Wettbewerb treten könnte. Als Gegenleistung dafür erhält der Angestellte während dieser Zeit monatlich eine Entschädigung in Höhe von 50 % des durchschnittlichen Monatsgehalts, das sich aus den vorangegangenen 12 Monatsgehältern berechnet. ...

Das Wettbewerbsverbot galt nach dieser Vertragsabrede vom 17.1.2009 bis 16.7.2009. Es wurde vom Kläger eingehalten; als Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Firma V. GmbH soll er laut vorgelegter Lohnsteuerbescheinigung seit Januar 2009 monatlich 2500 EUR brutto erzielt haben. Diese GmbH steht/stand in keinem mittelbaren oder unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zur Beklagten. Die Tätigkeit als Geschäftsführer der V. GmbH hat der Kläger bereits während seiner Elternzeit als Nebentätigkeit begonnen, was er am 7.10.2008 gegenüber der Beklagten anzeigte.

Mit der am 30.9.2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrte der Kläger basierend auf den eingereichten Lohnabrechnungen April 2007 - März 2008 (auf die, zusammengestellt im Schreiben vom 15.02.2009, Bezug genommen wird) Karenzentschädigung in Höhe von Euro 70.660,24 (282.046,98 :12 = 23.553,43, davon 50 % = 11.776,71 × 6 Monate).

Zusammenstellung des Klägers, Entgelt April 2007 - März 2008

Datum Gehalt01.04.07 51.178,71 EUR mit NZ 23.284,0501.05.07 10.159,86 EUR01.06.07 10.295,80 EUR01.07.07 22.144,60 EUR01.08.07 10.295,80 EUR01.09.07 10.295,80 EUR01.10.07 28.135,82 EUR01.11.07 10.295,80 EUR01.12.07 10.295,80 EUR01.01.08 39.396,12 EUR mit EB 24.387,9301.02.08 10.670,80 EUR01.03.08 69.476,07 EUR mit EB 48.775,85Summe 282.640,98 EURPro Monat 23.553,42 EUR

Daneben verlangte er als Teil der Karenzentschädigung nach § 2 Nr. 6 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 74 b Abs. 2 Satz 1 HGB (analog) die Übertragung weiterer Gewinnbezugsrechte im Wert von 48,92 - basierend auf folgenden Werten (auf den Wortlaut der jeweiligen Zusatzvereinbarungen wird verwiesen):

Zusatzvereinbarung 2005erworben 225,59, Bestand gesamt 571,99Zusatzvereinbarung 2006erworben 174,71, Bestand gesamt 746,70Zusatzvereinbarung 2007Verminderung durch Teilveräußerung vom 30.08.2007,auf die Abrechnung 13.03.2008, Anlage 45,wird Bezug genommenerworben 186,67, Bestand gesamt 753,70

sowie schließlich als erste Stufe der Geltendmachung weiterer Gewinnbezugsrechte Auskunft über die Anteilsveräußerungen ab 2008.

Der Kläger beantragte beim Arbeitsgericht

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 70.660,26 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz

aus einem Betrag in Höhe von11.776,71 EURseit dem 31.01.2009,aus weiteren11.776,71 EURseit dem 28.02.2009,aus weiteren11.776,71 EURseit dem 31.03.2009,aus weiteren11.776,71 EURseit dem 30.04.2009,aus weiteren11.776,71 EURseit dem 31.05.2009 sowieaus weiteren11.776,71 EURseit dem 30.06.2009

zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Gewinnbezugsrecht dergestalt einzuräumen, dass dem Kläger ein virtueller Anteil am Kapital der Beklagten in Höhe von 48,92 EUR übertragen wird.

3. Die Beklagte wird verurteilt,

a) dem Kläger Auskunft über die in der Zeit vom 01.01.2008 bis einschließlich 30.09.2009 erfolgten Anteilsveräußerungen an der Beklagten zu erteilen;

b) dem Kläger über die diesem zustehende Veräußerungsbeteiligung eine Abrechnung zu erteilen;

c) dem Kläger die sich nach der Auskunft und Abrechnung gemäß vorstehend a) und b) ergebenden Nettobeträge auszubezahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen

und widerklagend der Kläger/Widerbeklagte wird verurteilt:

1. Der Beklagten/Widerklägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe seines Erwerbs in der Zeit vom 17.01.2009 bis 16.07.2009,

2. diese Auskunft durch Unterlagen wie Lohnabrechnungen, Umsatzsteuervoranmeldungen. sowie durch Gewinn-/Verlustrechnungen zu belegen

oder

3. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt, zu versichern.

Die Beklagte meinte, das Wettbewerbsverbot gemäß § 7 des Arbeitsvertrages sei zu unbestimmt und daher unverbindlich. Wegen der Höhe der Karenzentschädigung sieht sich die Beklagte lediglich an die vertragliche Regelung gebunden, womit die Elternzeit in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen sei. Der Begriff des Monatsgehaltes umfasse zudem nicht die variablen Bestandteile, was sich aus der Vertragsergänzung vom 31.1.2005 ergebe. Nachberechnungen und Sonderzahlungen seien in die Berechnung der Karenzentschädigung nicht mit einzubeziehen.

Schließlich lägen die tatsächlichen Voraussetzungen für Bezugsrechte nicht vor, weshalb auch Auskunftsansprüche nicht bestünden.

Die Widerklage sei nach § 74 c HGB begründet, weil der Kläger seiner Auskunftspflicht bislang unzureichend nachgekommen sei. Er müsse eine Gewinn- und Verlustrechnung einreichen. Zudem sei vom Kläger böswillig nicht erzieltes Einkommen anzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in der ersten Stufe weitgehend stattgegeben. Der Kläger habe Anspruch auf Karenzentschädigung, bei deren Berechnung neben dem Fixgehalt die variablen Bestandteile und Sonderzahlungen gemäß der Abrechnung vom 13.3.2008 (ausbezahlt mit der Januar- und März- Abrechnung) einzubeziehen seien. Die Zuteilung neuer Bezugsrechte könne als Karenzentschädigung nicht verlangt werden. Allerdings habe der Kläger aus dem zugewiesenen Altbestand der Bezugsrechte (§ 2 Nr. 6 lit. r) einen Auskunftsanspruch über Veräußerungserlöse nach dem 30. 8. 2007. Die Widerklage wurde abgewiesen, da der Kläger über seine Einkünfte während des Karenzzeitraums Auskünfte erteilt und diese auch hinreichend nachgewiesen habe.

Das Teilurteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23.2.2010 - 1Ca 502/09 wurde der Beklagten am 3.1.2011 zugestellt. Die Berufung der Beklagten ging am 1.2.2011 beim Landesarbeitsgericht Außenkammern Mannheim ein und wurde nach Fristverlängerung bis zum 3.4.2011 mit Fax vom 4.4.2011 (Montag) begründet. Die Berufung und deren Begründung sind mithin rechtzeitig.

Im Berufungsrechtszug beruft sich die Beklagte zunächst auf die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes. Die Karenzentschädigung des § 7 Nr. 1 Satz 2 des Anstellungsvertrages widerspreche in der Berechnungsmethode der Regelung in § 74 Abs. 2 HGB. Das Wettbewerbsverbot sei danach nur verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber verpflichte, für jedes Jahr des Verbots eine Entschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen zu zahlen. Wechselnde Bezüge seien nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Beide Voraussetzungen seien mit der streitgegenständlichen Regelung nicht erfüllt. Darüber hinaus habe der Kläger auch durch die unbestimmte Formulierung nicht wissen können, welche Tätigkeiten er konkret zu unterlassen hatte. Der Arbeitnehmer habe im Fall eines unverbindlichen Wettbewerbsverbots die Wahl, ob er sich von dem Wettbewerbsverbot lösen oder vielmehr an der unverbindlichen Regelung festhalten möchte. Da sich der Kläger an das Wettbewerbsverbot gehalten und die im Vertrag vorgesehene Karenzentschädigung gefordert habe, habe er die Rechtswahl getroffen, an dem unverbindlichen Wettbewerbsverbot festzuhalten. In diesem Fall könne der Kläger auch nur die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung, nicht jedoch die gesetzliche Karenzentschädigung der §§ 74 ff. HGB verlangen.

Es habe übereinstimmendem Parteiwillen entsprochen, eine Regelung der Karenzentschädigung, die sich abweichend vom Gesetz ausschließlich am durchschnittlichen Monatsgehalt orientierte, zu finden. Das habe einerseits zur Folge, dass der Kläger Entschädigung allein nach den vertraglichen Abreden, nicht jedoch Entschädigung nach den gesetzlichen Vorschriften verlangen könne. Dadurch seien jährliche Sonderzahlungen ausgeklammert, was zur Unverbindlichkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes führe. Andererseits sei damit auch klargestellt, dass es sich bei der Klausel um eine individualvertraglich ausgehandelte Bestimmung handele, auf die § 305 ff. BGB nicht anwendbar seien: Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Vertrag des Klägers in allen Einzelheiten lange und hart verhandelt worden und damit hoch individuell sei. Entgegen der Angaben des Zeugen M. habe die Beklagte eine derartige Klausel weder gestellt noch mit anderen Arbeitnehmern (auf die vorgelegten Arbeitsverträge Anl. B4 wird Bezug genommen) vorformuliert vereinbart.

Der Kläger bekomme lediglich ein halbes Monatsgehalt. Dieser Ausdruck beziehe sich nach den vertraglichen Grundlagen allein auf das monatliche Fixgehalt in Höhe von zuletzt Euro 7500,00. Kein Monatsgehalt in diesem Sinne sei die in § 2 Nr. 4 vereinbarte variable Vergütung, die Provisionen, die geldwerten Vorteile des Dienstwagens und schließlich die Sonderzahlungen. § 7 Nr. 1 Satz 2 des Anstellungsvertrages lege den Zeitraum für die Berechnung des Durchschnittsgehaltes ausdrücklich auf die vorangegangenen zwölf Monatsgehälter fest. Folglich sei der Zeitraum vom 16.1.2008 bis 15.1.2009 maßgeblich. Berücksichtige man die Elternzeit, ergebe sich nach dieser Maßgabe eine Entschädigung in Höhe von Euro 5625,--.

Die Beklagte habe keine Auskünfte über die Anteilsveräußerungen in der Zeit vom 1.1.2008 bis 30.9.2009 und erst recht nicht für die Zeit vom 1.10.2009 bis 30.5.2011 zu erteilen. Nach § 2 Nr. 6 des Anstellungsvertrages entstehe ein Anspruch auf Teilhabe an einem Veräußerungserlös nur, wenn kumulativ mehrere Tatbestandsmerkmale erfüllt seien: Zuteilung der Bezugsrechte, Erfüllung von Erfolgskriterien, Vorliegen einer Veräußerung, keine Kündigung innerhalb von zwölf Monaten nach der Veräußerung. Die vierte dieser Voraussetzungen (die sich nach Wortlaut, teleologischer und systematischer sowie historischer Auslegung in § 2 Nr. 6 lit. g des Anstellungsvertrages finde) sei nicht erfüllt. § 2 Nr. 6 lit. g stelle die allgemeine Regel auf, dass der Kläger nur an solchen Veräußerungen teilhaben solle, die während seiner Beschäftigung und zwar mindestens zwölf Monate vor seiner Kündigung erfolgt sind. Bei allen weiteren Veräußerungen, also insbesondere auch solchen, die erst nach dem Ausscheiden stattfänden, habe der Kläger kein Recht auf Teilhabe. Eine Motivation des Klägers zu weiteren Leistungen sei nicht mehr möglich, wenn er bereits ausgeschieden sei. Auch könne der Kläger nach seinem Ausscheiden nicht mehr zu Erfolgen des Unternehmens beitragen, so dass kein Anlass bestehe, ihn in einem Solchen weiterhin zu beteiligen. Das entspreche gängiger Praxis. Nahezu alle Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sähen vor, dass sämtliche noch nicht ausgeübten Optionen im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen.

§ 2 Nr. 6 habe dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, sogenannte virtuelle Bezugsrechte zu erwerben. Durch diese virtuellen Bezugsrechte sollten ihm jedoch nicht - wie er meine - bezüglich der Gewinnbezugsrechte im Fall einer Anteilsveräußerung dieselben Rechte wie die eines Gesellschafters eingeräumt werden. Es sei keineswegs beabsichtigt gewesen, eine Beteiligung nachzubilden. Nach dem Ausscheiden sei eine Ausübung der virtuellen Bezugsrechte des Klägers hiernach nicht mehr möglich. Vielmehr sollte der Kläger durch die Einräumung virtueller Bezugsrechte an einem Veräußerungserlös gerade nur dann beteiligt werden, wenn bestimmte Bedingungen sowohl bezüglich des Erwerbs als auch bezüglich der Ausübung von Bezugsrechten eingetreten seien. Entscheidend für das Verständnis der Systematik des § 2 Nr. 6 des Anstellungsvertrages sei die Unterscheidung zwischen der Zuteilung des Bezugsrechts und der Teilhabe am Erlös im Veräußerungsfall. Die Bezugsrechte seien jeweils nur aufschiebend bedingt gewährt. Eine der entscheidenden Bedingungen (§ 2 Nr. 6 lit. g) sei, dass der Angestellte mindestens zwölf Monate nach dem Veräußerungsfall nicht kündige. Darin enthalten sei nach übereinstimmendem Parteiwillen selbstverständlich - wie der Zeuge S. (der, wenn überhaupt, nur ein wirtschaftlich geringfügiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe) mehr als verdeutlichte - die Bedingung, dass der Angestellte im Zeitpunkt der Veräußerung noch im Unternehmen beschäftigt sei. Sei das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt, könne hiernach auch keine Teilhabe am Veräußerungserlös mehr entstehen. Im Ergebnis könne eine Teilhabe des Klägers am Veräußerungserlös überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer zwölf Monate nach der Veräußerung nicht kündigt. Kündige der Arbeitnehmer innerhalb der Periode von zwölf Monaten nach einer Veräußerung, sei die aufschiebende Bedingung für eine Teilnahme am Veräußerungserlös nicht eingetreten - selbst wenn Bezugsrechte zunächst erteilt worden seien. Gleiches habe zu gelten, wenn das Arbeitsverhältnis im Veräußerungszeitpunkt bereits beendet sei. Es handelte sich bei den Bezugsrechten eben nur um bedingte Bezugsrechte.

Die Regelung in § 2 Nr. 6 lit. g füge sich nahtlos in die übrigen Bestimmungen des Vertrages ein. Während die Teilhabe am Veräußerungserlös unter der klaren Bedingung gestanden habe, dass der Kläger im Zeitpunkt der Veräußerung und bis zu zwölf Monate danach noch im Unternehmen sei, gebe es im Dividendenrecht des Klägers nach § 2 Nr. 6 lit. o diese Bedingung bewusst nicht. Danach sei mit dem Ablöserecht in § 2 Nr. 6 lit. s ausschließlich die Dividende für den Fall des ausgebliebenen Börsengangs gemeint.

Die in § 2 Nr. 6 lit. r des Anstellungsvertrages enthaltene Regelung stehe zum vorangegangenen nicht in Widerspruch und enthalte einen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Bezugsrechte am Veräußerungserlös könnten - wie der Zeuge S. plausibel ausgeführt habe - von vorneherein nicht entstehen und damit auch nicht verfallen, wenn der Angestellte gar nicht mehr im Unternehmen beschäftigt sei. Anderes gelte für die Bezugsrechte auf den Dividendenerlös, die § 2 Nr. 6 lit. r allein meine. Zu Unrecht folgere das Arbeitsgericht aus § 2 Nr. 6 lit. r des Anstellungsvertrages, dass dem Kläger auch nach seiner Kündigung noch eine Teilhabe zustehe. Dies entspreche weder dem Wortlaut noch der teleologischen Auslegung oder der Systematik der Regelung. Die in § 2 Nr. 6 lit. g enthaltene Regelung stelle eine Spezialregelung für die Teilhabe am Veräußerungserlös dar, die beim weitergehenden Verständnis des Arbeitsgerichts in Bezug auf lit. r ohne Bedeutung und damit sinnlos sei.

Der Kläger sei dadurch nicht unangemessen benachteiligt. In einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.5.2008 sei klargestellt worden, dass ein Verfall der Ausübung bei Aktienoptionen selbst dann den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteilige, wenn dieser während seiner Beschäftigungszeit keine Möglichkeit gehabt habe, seine Aktienoptionen auszuüben. Dem Arbeitnehmer werde in diesem Fall keine bereits erdiente Vergütung, sondern lediglich eine Verdienstchance entzogen. Die Situation des Klägers sei vergleichbar. Die Bezugsrechte seien hier lediglich bedingt erteilt worden. Sie könnten nach dem Ausscheiden des Klägers nicht mehr ausgeübt werden. Der Kläger habe die Bezugsrechte nur nutzen können, wenn Anteile an der Beklagten während der Dauer seiner Anstellung veräußert worden seien.

Die Beklagte beantragt im Berufungsrechtszug:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23. Dezember 2010, Az. 1 Ca 502/09, in Ziffer 1. des Tenors abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat und soweit die Beklagte und Berufungsklägerin zur Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von mehr als EUR 5.625,-- verurteilt worden ist, und die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem vorstehenden Antrag, der Widerklage der Beklagten stattzugeben,

3. das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23. Dezember 2010, Az. 1 Ca 502/09, in Ziffer 2. des Tenors abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die in der Zeit vom 01.10.2009 bis 30.05.2011 erfolgten Anteilsveräußerungen an der Beklagten zu erteilen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil ausführlich. Die Angriffe der Beklagten gegen dieses Urteil seien nicht überzeugend.

Die Wortwahl § 7 Nr. 1 S. 2 des Anstellungsvertrages spreche eine deutliche Sprache. Gerade weil die Beklagte bei Abfassung des Arbeitsvertrages die Formulierung "durchschnittliches Monatsgehalt" genommen habe und die Vergütung des Klägers von Beginn an maßgeblich durch unterschiedliche variable Vergütungsanteile geprägt gewesen sei (der Kläger nimmt Bezug auf die in § 2 Nr. 1 aufgelisteten Vergütungsbestandteile), sei zur Berechnung eines Durchschnitts" die Einbeziehung variabler Gehaltsbestandteile in verschiedenen Bestimmungen des Arbeitsvertrages geregelt und logisch. Die Festlegung des Referenzzeitraumes mache nur unabhängig vom Fixgehalt Sinn. Dies entspreche der Stellung des Klägers im Unternehmen und dem Interesse der Beklagten an der Einhaltung des Wettbewerbsverbotes.

Besonders überraschend sei die Behauptung der Beklagten, die Regelung sei mit dem ihrerseits behaupteten Inhalt zwischen den Parteien gewollt und abgesprochen gewesen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass bereits der originäre Arbeitsvertrag wesentliche Vergütungskomponenten als variabel ausgestaltet habe, wäre der Kläger niemals mit einer Schlechterstellung für den Fall der Einhaltung des Wettbewerbsverbots einverstanden gewesen.

Selbst wenn man jedoch der Auffassung der Beklagten folge und den Begriff des durchschnittlichen Monatsgehaltes nicht mit dem Begriff der vertragsgemäßen Leistungen gleichsetzen wolle, führe dies keinesfalls automatisch zu der von der Beklagten gewünschten Auslegung. Vielmehr bliebe insoweit eine Unklarheit dahingehend, welche in der maßgeblichen Arbeitsvertragsregelung genannten Bestandteile in die Berechnung der Karenzentschädigung einfließen sollten. Diese Unklarheit gehe nach § 307 Satz 2, 305 c Abs. 2 BGB zu lasten der Beklagten, so dass anzunehmen sei, die Parteien wollten eine am Gesetz orientierte, rechtswirksame Wettbewerbsabrede treffen. § 7 des Arbeitsvertrages sei nach der eindeutigen Aussage des entscheidenden Verhandlungsführers, des Zeugen M., als vorformulierte Standardklausel anderen Vertragsmustern für Vertriebsmitarbeiter des (auf den vorgelegten Vertrag N. wird verwiesen) entnommen und nicht gesondert verhandelt worden.

Soweit die Beklagte die Elternzeit des Klägers mindernd berücksichtigen wolle, stehe dies im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung und diskriminiere Elternzeit.

Zum Bestehen des Auskunftsanspruchs müsse die Tatsache berücksichtigt werden, dass sich bereits im Rahmen einer Gesamtschau der Regelungen in § 2 Nr. 6 lit. r und Nr. 6 lit. s des Anstellungsvertrages ergebe, dass der Kläger bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach mehr als zwei Jahren nach Vertragsbeginn alle bereits fest zugeteilten Bezugsrechte behalten sollte, sofern diese nicht innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwölf Monaten an den Kläger übertragen worden waren. Hinsichtlich der sodann beim Kläger verbliebenen "Alt -Bezugsrechte" sollte der Beklagten sodann in logischer Folge das in § 2 Nr. 6 lit. s geregelte Ablöserecht zustehen. Die Regelung erfülle den alleinigen Zweck, dass der Kläger bei einer Gesamtveräußerung des Unternehmens während seiner Beschäftigungszeit bei der Beklagten eine gewisse Treuezeit einhalten solle. Nach seiner Kündigung sei der Kläger unter Beibehaltung seiner bis dahin fest erworbenen Bezugsrechte bei der Beklagten ausgeschieden und halte diese Bezugsrechte bis heute. Exakt dieses Verständnis habe der seinerzeitigen Intention entsprochen (wird unter Bezugnahme auf die Zeugenaussagen M. und S. detailliert ausgeführt). Anderenfalls enthalte die Regelung einen faktischen Kündigungsausschluss für den Kläger, die unwirksam sei.

Dem Kläger sollten auch nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten diejenigen Bezugsrechte erhalten bleiben, die nicht nach § 2 Nr. 6 lit. o und r des Arbeitsvertrages verfallen waren. Da es während der Beschäftigungszeit des Klägers nicht zu einer Gesamtveräußerung des Unternehmens gekommen sei, habe die in § 2 Nr. 6 lit. g des Arbeitsvertrages normierte Treuepflicht keine Relevanz erlangt und dem Kläger stünden die bis heute erdienten Bezugsrechte zu. Der fortwährende Vergleich der Beklagten mit Aktienoptionen gehe fehl. Bei Aktienoptionen werde den Berechtigten lediglich das Recht zum Erwerb von Aktien eines Unternehmens eingeräumt. Beim vorliegenden Gewinnbezugsrecht sei dem Kläger - wie einem Gesellschafter - ein Anteil am Veräußerungserlös seiner Gesellschaft zugestanden. Bei Aktienoptionsprogrammen könne der Berechtigte an Verlusten teilnehmen, der Kläger hingegen habe in Folge der ihm eingeräumten Bezugsrechte am Unternehmensverkauf nur profitieren können.

Die Regelung in § 2 Nr. 6 lit. g betreffe, wie der Zeuge M. überzeugend dargestellt habe, als Topspielerklausel den Kläger bereits nach ihrem Wortlaut nicht. Nach dieser Regelung sei eine Einschränkung des Bezugsrechts des Klägers nur dann gegeben, wenn dieser mindestens zwölf Monate nach dem Veräußerungsfall nicht kündige. Vorliegend habe aber der Kläger vor dem Veräußerungsfall gekündigt, so dass selbst nach dem eigenen Vortrag der Beklagten diese Klausel bereits nach dem Wortlaut keine Anwendung finden könne. Das vom Zeugen S. dargestellte weitergehende Auslegungsverständnis der Beklagten habe nicht dem Parteiwillen entsprochen. Es komme auf Herrn M. an, Herr S. sei in dieser Sache als persönlich betroffener Zeuge nicht glaubwürdig. Das Klauselverständnis der Beklagten führe zum entschädigungslosen Verlust erdienter Vermögenswerte unabhängig von der Betriebszugehörigkeitsdauer, was nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Anlehnung an § 624 BGB maximal für fünf Jahre zulässig sei.

Schließlich führe der weitere Vortrag der Beklagten, wonach die Regelungen in § 2 Nr. 6 lit. r und lit. s lediglich die Frage des Bestandes der Bezugsrechte, nicht jedoch die daraus zwangsläufig resultierende Beteiligung an einem Veräußerungserlös regeln sollten, zu absurden Ergebnissen. In diesem Fall würde der Kläger zwar weiterhin über die ihm eingeräumten Bezugsrechte verfügen, wäre jedoch gleichsam von der Partizipation am Veräußerungserlös ausgeschlossen. Der Kläger würde dann über die eingeräumten Gewinnbezugsrechte verfügen, nicht jedoch an den Veräußerungserlösen. Ein derartiges Ergebnis sei in sich widersinnig und von den Parteien nie beabsichtigt gewesen.

Insoweit sei eine Klageerweiterung gerechtfertigt. Der Kläger könne aufgrund der erdienten Alt-Bezugsrechte die Auskunftserstreckung auf die Zeiträume ab dem 1.10.2009 verlangen. Diese Klageerweiterung sei sachdienlich und zulässig, zumal das Unternehmen der Beklagten nach Kenntnis des Klägers zwischenzeitlich im Dezember 2010/Januar 2011 an eine andere Unternehmensgruppe veräußert worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen bzw. Bezugnahmen und die Sitzungsprotokolle verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M. und Dr. S.. Die Beweisthemen und das Ergebnis ergeben sich aus den Sitzungsprotokollen, auf die Bezug genommen wird.

Gründe

I.

Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

Die mit der Anschlussberufung beantragte Klageerweiterung ist gemäß § 533 Nr. 1 und 2 ZPO zulässig und nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO fristgerecht eingelegt. Unschädlich ist, dass die Anschlussberufung zunächst nicht als solche bezeichnet worden ist, denn eine solche Bezeichnung ist unnötig, solange sich aus dem angekündigten Antrag eindeutig ergibt, dass eine Abänderung des angefochtenen Urteils begehrt wird (siehe BGH Urteil vom 03.11.1989 - V ZR 143/87-, NJW 1990, Seite 447 ff., 449). Eine Anschlussberufung ist auch, wie im vorliegenden Fall zulässig, wenn sie nur zum Zwecke der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz eingelegt wird (siehe BAG Urteil vom 29.09.1993 - 4 AZR 693/92-, NZA 1994, Seite 761). Die Beklagte hat der Klageerweiterung nicht widersprochen, sie ist zudem sachdienlich, weil der Anspruch aus der Klageerweiterung auf dieselbe Tatsachengrundlage gestützt wird, die auch für den mit der ursprünglichen Klage verfolgten Anspruch maßgebend ist.

II.

Die Berufung hat in der Sache lediglich bezüglich der Höhe der Karenzentschädigung einen Teilerfolg und die vom Kläger geltend gemachte Ausweitung des Auskunftszeitraumes ist begründet.

Der Kläger hat nach § 7 des Anstellungsvertrages Anspruch auf Karenzentschädigung in Höhe von EUR 46.541,76 brutto (1), die Berufung gegen die Zurückweisung der Hilfswiderklage ist mangels Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil unzulässig (2). Dem Kläger steht während der Elternzeit und auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die vertraglich zugesagte Erfolgsbeteiligung des § 2 Nr. 6 im Umfang des § 2 Nr. 6 lit. r des Arbeitsvertrages zu (3).

1. Der Kläger hat aufgrund der Vereinbarung in § 7 des Arbeitsvertrages Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung für die Zeit vom 17.1.2009 bis 16.7.2009 in Höhe von Euro 46.541,76 nebst Zinsen im tenorierten Umfang.

a. Die Höhe der Karenzentschädigung richtet sich nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien.

Die Berufung weist zu Recht darauf hin, dass die in § 7 Nr. 1 Satz 2 des Vertrages enthaltene ausdrückliche Orientierung am "durchschnittlichen Monatsgehalt" (und nicht - wie in § 74 Abs. 2 HGB vorgesehen - an den "vertragsgemäßen Leistungen") sowie der Referenzzeitraum von zwölf Monaten (und nicht - wie in § 74 b Abs. 2 Satz 1 HGB vorgesehen - drei Jahre) gegen die Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB verstößt und damit nach § 75 d HGB zur Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes führt. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG hat der Arbeitnehmer im Fall eines unverbindlichen Wettbewerbsverbotes die Wahl, ob er sich von dem Wettbewerbsverbot lösen oder vielmehr an der Regelung festhalten möchte (zuletzt BAG 14. Juli 2010, 10 AZR 291/09 = NZA 2011,413). Trifft der Arbeitnehmer die Entscheidung, an einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot festzuhalten, kann er auch nur die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung verlangen. Ein Anspruch auf die in den §§ 74 ff. HGB normierte gesetzliche Karenzentschädigung steht ihm nicht zu.

Hiernach ist für die Berechnung der Karenzentschädigung des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum allein § 7 Nr. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages maßgeblich.

b. Der Berufung ist auch zuzugeben, dass § 7 Nr. 1 des Arbeitsvertrages wegen der konkreten Einflussnahmemöglichkeit des Klägers nach § 305 Abs. 1 S. 2 BGB, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht der AGB-Kontrolle unterliegt und sich der Kläger insbesondere nicht auf die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB berufen kann - selbst wenn es sich um eine von der Beklagten gestellte und vorformulierte Vertragsbedingung handeln dürfte.

aa. Die Wettbewerbsklausel wurde von der Beklagten gestellt. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB gelten bei Verbraucherverträgen, zu denen Arbeitsverträge gehören (vgl. BAG, 25. Mai 2005, 5 AZR 572/05, NZA 2005, 1111, 1115; 18. März 2008, 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004, 1006; 18. Dezember 2008, 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, 521), allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Arbeitgeber gestellt, es sei denn, dass sie durch den Arbeitnehmer in den Vertrag eingeführt worden sind. Der Zeuge M. hat insoweit unwidersprochen dargestellt, dass die Formulierung von § 7 des Arbeitsvertrages aus der Feder der Beklagten stammt.

bb. Die Wettbewerbsklausel war vorformuliert. Vorformuliert ist eine Vertragsbedingung, wenn sie zeitlich vor dem Vertragsschluss vorliegt, sei es schriftlich oder elektronisch fixiert oder im Gedächtnis gespeichert (vgl. BAG, 18. Dezember 2008, 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, 521; HKArbR/Boemke/Ulrici, a.a.O., § 305 BGB Rn. 8). Nach dem Vortrag beider Parteien hat die Beklagte den Vertrag insgesamt vorformuliert. Soweit die Beklagte eine Einflussnahme des Klägers auf die Vertragsbedingungen geltend macht, ändert dies nichts an der Vorformulierung durch den von ihr beauftragten Verhandlungsführer (vgl. BAG, 18. Dezember 2008, a.a.O.).

cc. Zweifelhaft ist allenfalls, ob die Wettbewerbsklausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert war. Für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist eine Vertragsbestimmung, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist (vgl. BAG 1. März 2006, 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746, 747; 18. Dezember 2008, 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, 520). Dies kann angenommen werden, wenn aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergibt, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind und der Anschein nicht widerlegt worden ist. Der Anschein eines zur Mehrfachverwendung entwickelten Vertrages wird nicht dadurch widerlegt, dass er in Teilen individuelle Vereinbarungen enthält (vgl. BAG, 1. März 2006, a.a.O.; 18. Dezember 2008, a.a.O., 520 f.).

Hinsichtlich der Verwendungsabsicht kommt es vorliegend nach § 166 BGB analog auf die Motivation und den Kenntnisstand des Zeugen Merta an, der (näher unter 3.b.cc) Verhandlungsbevollmächtigter der Beklagten war. Ob die Beklagte die Wettbewerbsklausel - nach den Behauptungen des Klägers jedenfalls im Vertriebsbereich - mehrfach verwenden wollte, kann indes offen bleiben.

dd. Der Kläger hat nach dem von den Zeugen übereinstimmend dargestellten Ablauf der Vertragsverhandlungen Einfluss auf deren Inhalt, auch auf den Inhalt der streitigen Wettbewerbsklausel, nehmen können.

Nach zutreffender Ansicht entspricht Einfluss nehmen iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB dem Aushandeln iSd. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB (ErfK/Preis 9. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 23; Palandt/Grüneberg 67. Aufl. § 310 BGB Rn. 17 mwN). Auch das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass die Möglichkeit der Einflussnahme gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB inhaltlich einem Aushandeln entspricht und damit voraussetzt, dass der Verwender die Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt hat (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - mwN, BAGE 115, 19 = AP BGB § 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3). Die Möglichkeit der Einflussnahme ist nicht bereits deshalb auszuschließen, weil der vorformulierte Text bestehen blieb. Sie ist auch bei einem Belassen des vorformulierten Textes anzunehmen, wenn der Text zwischen den Vertragsparteien erörtert worden ist und der Verwender grundsätzlich zu einer Abänderung der Klausel bereit war und dies dem anderen bei Abschluss des Vertrages bewusst gewesen ist (BGH 3. April 1998 - V ZR 6/97 - mwN, NJW 1998, 2600, 2601). Die Beweislast dafür, dass bei einer Vertragsklausel, die nur zu einer einmaligen Verwendung bestimmt war, für den Verbraucher keine Möglichkeit der Einflussnahme bestanden hat, trägt letztlich der Verbraucher, wenn sich der Unternehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast auf eine entsprechende Behauptung des Verbrauchers konkret eingelassen hat (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - aaO).

Der Kläger konnte hiernach auf die Gestaltung des § 7 des Anstellungsvertrages Einfluss nehmen. Das bestätigen die Zeugenaussagen sowohl von Herrn Dr. S. als auch von Herrn M.. Letztlich sieht dies der Kläger auch selbst so, wenn er vorträgt, er hätte die Klausel niemals angenommen, wenn sie den von der Beklagten behaupteten Auslegungsinhalt hätte. Das zeigt, dass er auch nach seiner eigenen Einschätzung der Vertragsverhandlungen durchaus die prinzipielle Möglichkeit hatte, entsprechend zu intervenieren. Der gesamte Vertrag lag im Entwurf vor und der Kläger konnte mit Herrn M. an den Stellen verhandeln, die ihm auffielen.

c. Die fehlende AGB-Kontrolle bringt die Berufung indessen nicht zum Erfolg. Die Auslegung von § 7 Nr. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages ergibt, dass sich das durchschnittliche Monatsgehalt der vorangegangenen zwölf Monatsgehälter auf sämtliche Einkünfte in der Zeit von April 2007 bis März 2008 - mit Ausnahme der Einmalzahlungen -bezieht.

aa. Der Referenzzeitraum hat die Elternzeit des Klägers unberücksichtigt zu lassen.

Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich direkt aus dem Wortlaut von § 7 Nr. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages. Die Inanspruchnahme von Elternzeit führt aufgrund des dem Arbeitnehmer eingeräumten Gestaltungsrechts unmittelbar zum Ruhen der wechselseitigen Hauptpflichten (vgl. BAG 19. April 2005 - 9 AZR 233/04 - BAGE 114, 206). In dieser Zeit ist der Arbeitsvertrag mit seinen sämtlichen Rechten und Pflichten suspendiert. Der Kläger hat hiernach während der Elternzeit keine "Monatsgehälter" bezogen, die den Referenzzeitraum der vereinbarten Karenzentschädigung definieren könnten. Für die von der Berufung angenommene Umdeutung der streitigen Passage im Sinne der "vorangegangenen zwölf Monate gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Im Übrigen wäre der von der Beklagten angenommene Referenzzeitraum europarechtswidrig (EuGH 22.10.2009 - C 116/08).

bb. Das Monatsgehalt umfasst neben dem Fixgehalt auch die variablen Gehaltsbestandteile einschließlich der Privatnutzung des Dienst-Pkws, nicht jedoch die Erfolgsbeteiligung gemäß § 2 Nr. 6 des Arbeitsvertrages.

Gem. § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von dem Empfänger zu verstehen war (vgl. BAG vom 29.06.2002 - 6 AZR 434/00 = AP Nr. 10 zu § 10 BBiG). Auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände sind einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BAG vom 18.04.2007 - 4 AZR 652/05). In die Auslegung ist schließlich der mit dem Vertrag verfolgte Zweck mit einzubeziehen, soweit er sich auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele bezieht. (vgl. BAG, Urteil vom 20.01.2010 - 10 AZR 914/08 - aaO).

Der Begriff "durchschnittlich hat mehrere Wortbedeutungen: normal, im Mittel, leidlich, gewöhnlich, erwartungsgemäß, der Gewohnheit entsprechend, herkömmlich, ausreichend, nicht extrem, irrelevant - und dürftig (auf die Internetseite mit den entsprechenden Synonymbedeutungen = http://synonyme.woxikon.de-/synonyme/durchschnittlich.php. wird Bezug genommen). Allein die Wortanalyse hilft demnach nicht weiter, da die Wortbedeutung "im Mittel" die Lesart des Klägers und des Arbeitsgerichts stützt, hingegen die Wortbedeutung "gewöhnlich dafür spricht, zumindest Einmalzahlungen außen vor zu lassen. Geht man allerdings davon aus, dass die Parteien im Zweifel mit Blick auf die herausgehobene Stellung des Klägers und das - wie der Zeuge Dr. S. es ausdrückte - gegenseitige unternehmerische Verständnis ein verbindliches Wettbewerbsverbot vereinbaren wollten, muss man mangels anderer Anhaltspunkte wie das Arbeitsgericht § 74 Abs. 2 HGB heranziehen. Allein diese Auslegung entspricht dem Klauselzweck, soweit er sich auf die typische Gestaltung von Karenzentschädigungen bei redlichen Geschäftspartnern bezieht.

Hiernach umfasst das durchschnittliche Monatsgehalt neben dem Fixgehalt auch die variablen Gehaltsbestandteile einschließlich der Privatnutzung des Dienst-Pkws. Herauszurechnen sind die Nachzahlung der Aprilabrechnung 2007 (Euro 23.284,05), da diese sich auf ältere Zeiträume bezieht. Herauszurechnen sind weiterhin die Sonderzahlungen von Januar 2008 und März 2008 in Höhe von Euro 24.387,93 bzw. Euro 48.775,85. Diese Zahlungen sind aufgrund der Erfolgsbeteiligung des § 2 Nr. 6 des Anstellungsvertrages geleistet worden. Sie können in die Karenzentschädigung nicht einfließen, wenn der Kläger gleichzeitig die Fortgeltung der unverfallbaren Ansprüche auf Erfolgsbeteiligung auch für den Karenzzeitraum geltend macht. Die Erfolgsbeteiligung wäre auf diese Weise im Karenzzeitraum doppelt berücksichtigt, was ihrem Zweck widerspricht. Die danach im Referenzzeitraum geleisteten anrechenbaren Bezüge belaufen sich in der Summe auf Euro 186.167,15. Hieraus ergibt sich der Anspruch auf eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von Euro 7756,96 (186.167,15 : 12 = 15.513,92, hiervon 50 % = 7756,96 x 6 = Euro 46.541,76.

2. Mit der Zurückweisung der Berufung zur Karenzentschädigung fällt die Widerklage zur Entscheidung an. Diese Berufung gegen die Abweisung der Hilfswiderklage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 19.10.2010, 6 AZR 118/10 = NZA 2011, 62) als unzulässig zu verwerfen. Die Berufung setzt sich mit den Urteilsgründen des Arbeitsgerichts in diesem Punkt nicht auseinander.

3. Der Kläger kann im Wege der Stufenklage Auskunft über die in der Zeit vom 1.1.2008 bis einschließlich 30.05.2011 erfolgten Anteilsveräußerung an der Beklagten verlangen.

a. Die Voraussetzungen der Stufenklage gemäß §§ 254, 260 ZPO liegen vor. Ein bezifferter Klageantrag war für den Kläger nicht möglich, da es einer vorherigen Auskunft bzw. Abrechnung - orientiert an der Abrechnung vom 13.03.2008, Anlage 45 - durch die Beklagte bedarf.

Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut sowie aus der systematischen Einordnung dieser Bestimmung unmittelbar hinter § 253 ZPO wird deutlich, daß die Besonderheit der Stufenklage nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage liegt, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Lent, Anmerkung zu LG Essen NJW 1954, 1289; OLG Zweibrücken, NJW 1986, 939; MünchKomm/Lüke, ZPO § 254 Rn. 6; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 254 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 57. Aufl. § 254 Rn. 1). Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 254 Rn. 4; (BGH 2.3.2000 - III ZR 65/99). Auch bei einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO ist es demnach rechtlich nicht ausgeschlossen, dass die maßgeblichen Vorfragen im weiteren Verfahren über den Zahlungsanspruch anders als im Teilurteil beurteilt werden (BGH, Urteile vom 26. April 1989 - IVb ZR 48/88, aaO S. 242 f. und vom 19. Dezember 1969 - V ZR 114/66, WM 1970, 405, 406; Beschluss vom 10. Juni 1999 - VII ZB 17/98, NJW 1999, 3049; BGH 29.3.2011 - VI ZR117/10).

Der Kläger benötigt vorliegend zur bezifferten Geltendmachung der Erfolgsbeteiligung (bezogen auf den jeweiligen Veräußerungszeitpunkt) Angaben zur Unternehmensbewertung, Angaben zum aktuellen Stammkapital und Angaben zu den verkauften Anteilen.

b. Der Kläger hat bis zum 31.3.2008 regulär nach dem Anstellungsvertrag, vom 1.4.2008 bis 16.1.2009 während der Elternzeit und ab 17.1.2009 nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Erfolgsbeteiligung nach den Bedingungen von § 2 Nr. 6 des Arbeitsvertrages.

aa. § 2 Nr. 6 des Anstellungsvertrages regelt ein für Venture Capital finanzierte Gesellschaften entwickeltes Mitarbeiterbeteiligungsmodell in Gestalt der Kombination von Virtual Stock Options und Phantom Stocks (die Darstellung folgt Schiemzik, NWB 2011, 798 ff; ähnlich MK/AktG/Spindler § 87 Rn. 59 und Fuchs, aaO AktG § 192 Rn. 87 ff; MK/HGB/Kessler/Freisleben § 277 Rn. 86). Eingesetzt wird die Beteiligungsform der Virtual Stock Options (fortan VSO) typischerweise in Start-up Gesellschaften. Die Risikokapitalgeber der Start-ups verfolgen eine möglichst schnelle Wertsteigerung des Unternehmens, um ihre Beteiligung mit einem hohen Gewinn zu verkaufen (wesentliches Unternehmensziel ist damit der sog. Exit). Mit den VSO werden qualifizierte Mitarbeiter gewonnen, um zügig eine Unternehmenswertsteigerung und einen Exit zu erreichen. Wenn der gewinnträchtige Unternehmensverkauf gelingt, werden die beteiligten Mitarbeiter über die VSO-Klausel des Arbeitsvertrages (die Fixierung im Arbeitsvertrag wird von Schiemzik, NWB 2011, 798, 799 empfohlen) am Kaufpreis wirtschaftlich beteiligt. Der Mitarbeiter bekommt für den Fall des Unternehmensverkaufs einen Anspruch auf Prämienzahlung. Die Praxis spricht davon, dass der Mitarbeiter durch die Beteiligungsklausel virtueller Gesellschafter" wird. Gemeint ist, dass der Mitarbeiter im Fall des Unternehmensverkaufs ähnlich einem Gesellschafter wirtschaftlich am Exit-Erlös beteiligt wird. Er erhält keine echte Kapitalbeteiligung, sondern eine rein virtuelle Beteiligung an der Unternehmenswertsteigerung in Form von Bucheinheiten, deren Wert sich in der Kaufpreishöhe beim realisierten Unternehmensverkauf widerspiegelt. Mitarbeiter sollen durch diese Form der Beteiligung zu engagierten "Mit-Unternehmern" werden, ohne dass ihnen die starke Stellung eines "Mit-Gesellschafters" mit entsprechenden Verwaltungs- und Informationsrechten eingeräumt wird. In vielen Beteiligungsverträgen sind Unverfallbarkeitsregelungen (Vesting) vorgesehen, gemäß derer sich der Mitarbeiter nach festgelegten Fristen sukzessiv Beteiligungen erdienen kann. Üblicherweise verfügen die Ansparprogramme über (Gesellschafterverträgen nachgebildete) Ausscheidensklauseln (wird dem Mitarbeiter nach 1,5 Jahren wegen schwerer Verfehlungen außerordentlich gekündigt, werden alle Optionen kassiert und der Mitarbeiter verliert seinen Bonusanspruch - trennt sich der Mitarbeiter vom Unternehmen auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Kündigung, behält er seine sukzessiv erdienten Optionen, die auch nach der Kündigung nicht verfallen).

Die Mitarbeiterbeteiligungspraxis kennt als Alternative zu den klassischen Beteiligungsmodellen (etwa stille Beteiligungen, Tantiemen) zudem die Phantom Stocks (fortan PS). Diese virtuellen Kapitalbeteiligungen stellen - anders als die VSO - rechtlich gesehen echte gewinnabhängige Gehaltszahlungen dar. Sie unterscheiden sich von den VSO dadurch, dass die PS regelmäßig eine laufende, wiederkehrende Gewinnbeteiligung vermitteln. Die VSO hingegen beteiligen zum Zwecke der Liquiditätssicherung nicht am laufenden Gewinn sondern entfalten ihre Partizipation am Unternehmenswert in aller Regel nur im Fall des erfolgreichen Unternehmensverkaufs.

bb. In § 2 Nr. 6 des vorliegend maßgeblichen Anstellungsvertrages sind in Ansehung des typischen Geschäftszwecks (vgl. oben 1.c.bb.) Virtual Stock Options mit Phantom Stocks kombiniert. Diese Auslegung folgt aus Wortlaut und Systematik der Vereinbarung: § 2 Nr. 6 beschreibt in der Einleitung und in lit. a. - f. die Bedingungen einer klassischen Erfolgsbeteiligung (VSO) in Gestalt eines bedingten Bezugsrechts auf einen Anteil am Veräußerungserlös. § 2 Nr. 6 lit. a.- h. regeln dabei die Einzelheiten zur Ausübung bzw. Realisierung der VSO, lit. h - n. befassen sich mit Berechnungsdetails, wie der Ermittlung des maßgeblichen Nettoverkaufserlöses und mit der näheren Bestimmung des klägerischen Anteils. Lit. o. und p. gewähren dem Kläger unter bestimmten Bedingungen eine echte laufende Gewinnbeteiligung als Recht auf Dividendenzahlung und damit Phantom Stocks. Lit. q.-s. enthalten Ausscheidensklauseln. Nach dieser Systematik hat lit. g. entgegen der Berufung mit dem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers nichts zu tun. Es handelt sich um eine Klausel zur Mitarbeiterbindung, die den Fall des erfolgreichen Exit der Gesellschafter flankiert und sicherstellen soll, dass der erfolgreiche Verkauf dem VSO-Mitarbeiter seinerseits den sofortigen Weggang gerade nicht gestatten soll.

Die Lesart der Beklagten folgt dem erst recht Schluß (argumentum a fortiori), der vorliegend eine Analogie in Gestalt des Schlusses vom Kleineren auf das Größere (argumentum a minus ad maiorem) darstellt: Wenn das Bezugsrecht des Klägers unter der Bedingung steht, dass er mindestens noch zwölf Monate nach Veräußerung nicht kündigt, muss es erst recht unter der Bedingung stehen, dass der Kläger im Veräußerungszeitpunkt noch Mitarbeiter der Beklagten ist. Diese Analogie ist unzulässig. Sie widerspricht der Vertragssystematik und dem dargestellten Geschäftszweck des gängigen Mitarbeiterbeteiligungsmodells. Sie kollidiert zudem mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit einer gesellschaftsvertraglichen Pflicht des ausscheidenden Arbeitnehmers zur Rückübertragung seiner Geschäftsanteile an Mehrheitsgesellschafter (BGH 19.09.2005 - II ZR 342/03, BHGZ 164, 107 ff; dazu für VSO und PS-Beteiligungen Martinius/Stubert BB 2006, 1977 ff). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Aktienoptionen (BAG 28.05.2008 - 10 AZR 351/07) ausgeschiedener Mitarbeiter kann die Beklagte für ihre Interpretation nicht nutzbar machen, da sich die entsprechenden Entscheidungen mit der Wirksamkeit von Formular-Verfallklauseln beschäftigen (die vorliegend ja gerade fehlt).

cc. Die von der Kammer zu Grunde gelegte Auslegung des Anstellungsvertrages wird nicht zuletzt durch das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt. Es ist der Berufung nicht gelungen, die Behauptung zu belegen, die Parteien hätten übereinstimmend für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers den Verfall bereits erdienter Bezugsrechte vereinbart. Der Zeuge M. war nach insoweit übereinstimmender Aussage des Zeugen Dr. S. Verhandlungsbevollmächtigter des Geschäftsführers der Beklagten zum Abschluss des Anstellungsvertrages. Somit ist vorrangig der Erklärungswille des Abschlussgehilfen analog § 166 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen (MK/BGB/Schramm § 166 Rn. 40). Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Person ähnlich wie ein Vertreter erkennbar als für den Geschäftsherrn handelnd in Erscheinung getreten ist. Wer von einem anderen mit selbstständigen Verhandlungen betraut wird, ist im Sinne des § 166 Abs. 1 BGB einem Vertreter gleichgestellt. Die Zurechnung ist allerdings nur möglich, wenn - wie hier - der Verhandlungsgehilfe mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn nicht nur eine untergeordnete, etwa auf mechanische Hilfsdienste beschränkende Rolle, sondern mit einer gewissen Selbstständigkeit eingeschaltet worden ist. Der Zeuge Dr. S. legte dar, dass er Vorverhandlungen führte und sich im Zuge der eigentlichen Vertragsverhandlungen lediglich gelegentlich telefonisch vergewisserte, wie die Parteien vorankommen. Er hat insofern den jeweils vorbereiteten Text unter Verwendung des vorliegenden Verhandlungsergebnisses gesichtet und ggf. kommentiert, agierte mithin klassisch als Geschäftsherr.

Nach alledem ist die auf § 2 Nr. 6 lit. g. bezogene Vertragsinterpretation von Dr. S., der im Übrigen eine ausdrückliche Verfallsvereinbarung für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens auch gar nicht behauptete, unabhängig von seiner Glaubwürdigkeit unerheblich. Der Zeuge M. hat auf intensive Befragung des Gerichts nachvollziehbar ausgeführt, aus welchen Gründen letztlich der Kläger auch bei einem Ausscheiden vor einem Verkauf des Unternehmens seine bis dahin bereits fest erdienten virtuellen Gewinnbezugsrechte behalten sollte. Der Zeuge illustrierte, dass nach langwierigen Verhandlungen mit dem Kläger feststand, dass der Kläger beispielsweise auch bei einer nur dreijährigen Betriebszugehörigkeit an einer erst nach zehn Jahren stattfindenden Veräußerung partizipieren sollte. Der Zeuge beschrieb plausibel, dass dem Kläger daran gelegen war, auch für den Kündigungsfall dahingehend abgesichert zu sein, dass eine Veräußerungsbeteiligung für die erdienten Gewinnbezugsrechte sichergestellt sei. Auf Vorhalt der Beklagten blieb der Zeuge dabei, dass § 2 Nr. 6 lit. g. des Anstellungsvertrages nach seiner systematischen Stellung im Vertrag allein die Bedeutung einer Top-Spieler-Klausel haben sollte.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 92 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Nach § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO waren die Kosten des Berufungsverfahrens dem Beklagten in vollem Umfang aufzuerlegen, weil die Zuvielforderung des Klägers (Karenzentschädigung auch aus Einmalzahlungen) angesichts seines Obsiegens mit der Anschlussberufung verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten verursacht hat.

Die Zulassung der Revision rechtfertigt sich nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.






LAG Baden-Württemberg:
Urteil v. 17.01.2012
Az: 22 Sa 7/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bf38a5ce1841/LAG-Baden-Wuerttemberg_Urteil_vom_17-Januar-2012_Az_22-Sa-7-11




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