Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. November 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 301/09

(BPatG: Beschluss v. 19.11.2009, Az.: 15 W (pat) 301/09)

Tenor

Das Patent wird aufrecht erhalten.

Gründe

I.

Auf die am 3. Dezember 2003 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentund Markenamt das Patent 103 56 499 mit der Bezeichnung "Verfahren und Anlage zur unterazeotropen Konzentrierung von NOxhaltigen verdünnten Abfallund Mischsäuren."

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 2. Juni 2005. Die Patentansprüche des Streitpatents lauten wie folgt:

Gegen die Patenterteilung hat die P... GmbH, in H..., mit Schriftsatz vom 11. August 2005, eingegangen am 12. August 2005, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, hilfsweise mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Die Einsprechende gründet ihren Einspruch auf mangelnde erfinderische Tätigkeit und stützt sich dabei auf die Druckschriften

(1)

EP 0415 354 B1

(2)

US 1 772 123

(3)

Stichlmair, J.G., Fair, J.R.: "Distillation, Principles and Practices", Wiley-VCH 1998, S. 118-119

(4)

EP 0155 586 B1

(5)

DE 195 12 114 A1.

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 4. Mai 2006 widersprochen und mit Schriftsatz vom 4. August 2006 beantragt, den Einspruch zurückzuweisen und die Patentfähigkeit der Ansprüche in der erteilten Fassung zu bestätigen, hilfsweise mündliche Verhandlung anzuberaumen. Mit Schriftsatz vom 6. November 2009 hat sie zudem einen Hilfsantrag mit Patentansprüchen 1 bis 11 vorgelegt, der sich vom Hauptantrag im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass die Merkmale aus Anspruch 6 in den Anspruch 1 aufgenommen sind.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2009 wurde mit den Verfahrensbeteiligten die Sachund Rechtslage erörtert. Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen. Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent vollumfänglich aufrecht zu erhalten. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren auf Grund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 78 und § 147 (3) PatG, nachdem die Beteiligten Terminsanträge gestellt haben (vgl. auch BPatG 34. Senat, Mitt. 2002, 417).

Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH GRUR 2007, 859 -Informationsübermittlungsverfahren I und BGH GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; bestätigt durch: BGH GRUR 2009, 184 -Ventilsteuerung).

III.

Der rechtzeitig und formgerecht eingelegte Einspruch genügt den Erfordernissen des § 59 Abs. 1 PatG und ist zulässig. Denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe, hier die angegriffene erfinderische Tätigkeit, ohne eigene Ermittlungen ziehen konnten (§ 59 Abs. 1 PatG).

Der Einspruch führt jedoch nicht zum Erfolg. Das Patent hat in der erteilten Fassung Bestand.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Anlage zur unterazeotropen Konzentrierung von NOxhaltigen verdünnten wässrigen Abfallund Mischsäuren.

Gemäß Patentanspruch 1 weist das Verfahren folgende Merkmale auf: 1) Verfahren zur unterazeotropen Konzentrierung von NOxhaltigen verdünnten wässrigen Abfallsäuren 2) die Abfallsäuren werden aufgetrennt 2.1) in eine aufkonzentrierte unterazeotrope Säure, 2.1.1) gewonnen aus dem Kolonnensumpf, und 2.2) in ein im Wesentlichen aus H2O bestehendes Kondensat (beladen mit HNO3)

2.2.1) erhalten als Kopffraktion, wobei 3) wenigstens ein Teil der NOxhaltigen Abfallsäure in die Rektifikationskolonne eingespeist wird, 3.1) dampfförmig, 4) die Kondensatbildung am Kolonnenkopf zweistufig durchgeführt wird, 4.1) zuerst wird ein Hauptteil des H2O-Dampfes am Kolonnenkopf kondensiert 4.1.1) unter Verwendung eines Dephlegmators 4.1.2) unter Gewinnung einer ersten wässrigen Phase mit einem niedrigen HNO3-Gehalt, 4.2) danach wird der restliche H2O-Dampf kondensiert 4.2.1) in einem nachgeschalteten Kondensator 4.2.2) unter Gewinnung einer zweiten Phase mit einer höheren HNO3-Konzentration.

Gemäß Patentanspruch 12 weist die Anlage folgende Merkmale auf:

A) Anlage zur Durchführung einer unterazeotropen Konzentrierung von NOxhaltigen verdünnten wässrigen Abfallsäurenumfassend B) einen beheizten Verdampfer C) eine Rektifizierkolonne D) eine Kondensationseinrichtung für Wasserdampf am Kopf der Rektifizierkolonne D.1) mit einem ersten Kondensator in Form eines Dephlegmators D1.1) mit einer Ableitung für eine Abwasserphase D.2) mit einem zweiten Kondensator D.2.1) mit einer Rückführung für wenigstens einen Teil des darin gebildeten Kondensats als Rücklauf in die Rektifizierkolonne E) die dazugehörigen Zuleitungen für die Zufuhr der aufzuarbeitenden Produkte in die Rektifizierkolonne und die Ableitungen für die aufkonzentrierte Mischsäure aus dem Verdampfer und für Kondensat aus der Kondensationseinrichtung.

2.

In formaler Hinsicht bestehen gegen die Patentansprüche 1 bis 12 des Streitpatents keine Bedenken, da sie sich unmittelbar aus den ursprünglichen Unterlagen ergeben (vgl. Erstunterlagen Anspr. 1 bis 11 sowie 13).

3.

Was die im Übrigen nicht angegriffene Neuheit anbelangt, so ist bei deren Bewertung zwischen dem Verfahrensanspruch 1 und dem Sachanspruch 12 zu unterscheiden. Denn im Gegensatz zum Verfahrensanspruch 1 ist der Sachanspruch 12 und damit die Anlage mit den gegenständlichen Merkmalen B bis E durch die Zweckangabe "zur Durchführung einer unterazeotropen Konzentrierung von NOxhaltigen verdünnten wässrigen Abfallsäuren" in dem Merkmal A in seinem Schutzbereich nicht auf ein zweckund funktionsgemäßes Verfahren beschränkt, so dass der beanspruchten Anlage allein durch den angegebenen (neuen) Zweck bzw. die (neue) Funktion noch nicht die erforderliche Neuheit verliehen wird (vgl. hierzu Schulte PatG § 1 Rdn. 217 bis 222, sowie BGH Xa ZR 140/05 v. 28. Mai 2009 -Bauschalungsstütze).

a) Die Neuheit des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents ist anzuerkennen. Denn aus keiner der vorgebrachten Druckschriften (1) bis (5) geht ein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen 1 bis 4.2.2 hervor.

b) Aus den vorgebrachten Druckschriften (1) bis (5) ergibt sich auch nicht eine Anlage mit sämtlichen gegenständlichen Merkmalen B bis E, so dass demgegenüber die Neuheit der Anlage gemäß Patentanspruch 12 gegeben ist.

Zwar hat die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung -nach entsprechendem Hinweis des Senats zur patentrechtlichen Bewertung der Neuheit einer Vorrichtung -hierzu vorgetragen, dass eine Anlage mit den gegenständlichen Merkmalen gemäß Patentanspruch 12 üblicherweise bei der Rektifikation von Erdölprodukten eingesetzt werde. Ihr Vorbringen hat sie jedoch nicht anhand druckschriftlicher Unterlagen belegt. Mangels Nachweis sämtlicher gegenständlicher Merkmale B bis E, insbesondere eines Nachweises der Einrichtungen der Anlage für die Zufuhr, Ableitung und Rückführung von Edukten und Produkten, besteht kein Anlass, einer Anlage gemäß Patentanspruch 12 die Neuheit abzusprechen.

4. Das beanspruchte Verfahren und die beanspruchte Anlage beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Streitpatents ist von der Aufgabe auszugehen, die darin besteht, ein Verfahren und eine Anlage zur Aufarbeitung unterazeotroper Mischsäureströme so auszugestalten, dass man -entweder neben dem flüssigen Mischsäurestrom oder auch allein den Organika und nitrose Gase enthaltenden dampfförmigen Strom, beispielsweise das dampfförmige Kopfprodukt einer Stripp-Kolonne der Schwefelsäure-Konzentrierung, direkt ohne vorherige Kondensation in die Rektifikationsund Konzentrierkolonne für unterazeotrope Säure einspeisen und ohne nennenswerten zusätzlichen Energieeinsatz das entfernte Wasser als im wesentlichen salpetersäurefreien Abwasserstrom sammeln und aus dem Verfahren entfernen kann.

Dabei wird unter einem im Wesentlichen säurefreien Abwasserstrom ein solcher mit einem Salpetersäuregehalt von 2 Ma.-% oder weniger, insbesondere von 1 Ma.-% oder weniger, verstanden (vgl. DE 103 56 499 B3 S. 4 [0021], [0022]).

Als Ausgangspunkt für die Erfindung des Streitpatents ist die Druckschrift (1) anzusehen. Aus der Druckschrift (1), die ein Verfahren zur Wiedergewinnung/Aufarbeitung und zur Konzentrierung von Salpetersäure aus der Mischsäure-Nitrierung aromatischer Kohlenwasserstoffe wie Benzol und Toluol (vgl. (1) S. 2 Z. 3 u. 4) und damit ein unter das Merkmal 1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents fallendes, gattungsgemäßes Verfahren betrifft (vgl. DE 103 56 499 B3 z.

B. Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 2 sowie Anspr. 10), ist zwar ein beheizter Verdampfer zu entnehmen (Merkmal B gemäß Anspr. 1 des Streitpatents, vgl. (1) Abb. Bzgz. 4 i.

V. m. S. 3 Z. 8-19), in dem die Abfallsäure auf 120 bis 200 oC erhitzt und dabei mindestens teilweise in den dampfförmigen Zustand übergeht, und die so erhitzte Abfallsäure anschließend in eine "Rektifikationskolonne" eingespeist wird (Merkmale 3, 3.1 sowie Merkmal C, vgl. (1) Abb. Bzgz. 8). In der der Rektifikationskolonne gemäß Merkmal C des Streitpatents entsprechenden "flash drum" werden in einer sogenannten Entspannungsdestillation die Abfallsäuren (Salpetersäure, Schwefelsäure) aufgetrennt (Merkmal 2), und zwar in ein als Kopffraktion erhaltenes, im Wesentlichen aus (mit HNO3) beladenem Wasser bestehendes Kondensat (Merkmale 2.2, 2.2.1) und in eine aufkonzentrierte unterazeotrope Säure, gewonnen aus dem flüssigen Kolonnensumpf am Boden (Merkmale 2.1, 2.1.1, vgl. (1)

S.

2 Z.50bis 53). Eine zweistufige Kondensation entsprechend der Merkmale 4, 4.1, 4.2 nebst dazugehörenden Untermerkmalen des streitpatentgemäßen Verfahrens ist jedoch aus (1) nicht zu entnehmen. Vielmehr wird gemäß (1) -anders als im Streitpatent die Kopffraktion H2O/HNO3 noch einer (weiteren) Destillation unterworfen (vgl. (1)

S.

2 Z. 53 bis 55 i. V. m. Abb. Bzgz. 20 sowie S. 3 Z. 40 bis 42) und dabei eine Auftrennung in eine Wasserphase als Kopffraktion und eine aufkonzentrierte HNO3-Phase als Bodenfraktion erzielt.

Was die in (1) fehlenden Merkmale 4 bis 4.2 nebst dazugehörenden Untermerkmalen anbelangt, so ergeben sich diese für den Fachmann im Zuge der Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe auch nicht auf naheliegende Weise aus den übrigen vorgebrachten Druckschriften.

Die US 1 772 123 (2) betrifft ein Verfahren zum Hochkonzentrieren von Salpetersäure im Zuge der Herstellung von Salpetersäure in Gegenwart von Schwefelsäure als wasserbindendes Mittel (vgl. (2) S. 1 li. Sp. Z. 5 bis 19). Dabei wird, anschließend an die Zugabe von Schwefelsäure als dehydratisierendes Mittel zur verdünnten, aufzukonzentrierenden Salpetersäure, die darauf folgende Abtrennung der konzentrierten Salpetersäure am Kopfende von der nicht vollständig von Salpetersäure befreiten Schwefelsäure am Boden des Entwässerungsturms, sowie nach Abtrennung der mit Dampf versetzten und damit verdünnten Schwefelsäure (vgl. (2) S. 1 li. Sp. Z. 32 bis re. Sp. Z. 87 i. V. m. der Zeichnung),das danach verbleibende Salpetersäure/Wasserdampf-Gemisch in einen Dephlegmator geleitet, davon zunächst ein H2O-Kondensat mit niedriger HNO3-Konzentration abgetrennt und dann in einem nachfolgenden Kondensator weiterer Dampf zu einem Kondensat mit höherem HNO3-Gehalt kondensiert (vgl. (2) S. 1 re. Sp. Z. 88 bis 97). Demnach wird gemäß (2) -ebenso wie in dem streitpatentgemäßen Verfahren eine zweistufige Kondensation durchgeführt und dabei, vergleichbar zu den Merkmalen 4.1.1 und 4.1.2, ein verdünntes Salpetersäure/Wasserdampf-Gemisch in einen Dephlegmator geleitet und davon zunächst ein H2O-Kondensat mit niedriger HNO3-Konzentration abgetrennt, und im Anschluss daran, vergleichbar zu den Merkmalen 4.2.1 und 4.2.2, in einem nachgeschalteten Kondensator weiterer Dampf kondensiert und ein Kondensat mit höherem HNO3-Gehalt erhalten (vgl. (2)

S. 1 re. Sp. Z.88 bis S. 2 li. Sp. Z.13).

Nach Ansicht des Senats bestand kein Anlass, zur Lösung eines Verfahrensproblems bei der Aufarbeitung von Abfallmischsäuren aus der Nitrierung von Aromaten die Druckschrift (2) heranzuziehen und daraus die Teillehre betreffend eine zweistufige Kondensation eines verdünnten Salpetersäure/Wasserdampf-Gemisches in einem Dephlegmator sowie einem nachgeschalteten weiteren Kondensator mit der Teillehre der Druckschrift (1) betreffend die Merkmale 1 bis 3.1 zu kombinieren und im Anschluss an die Rektifikation bzw. Destillation -abweichend von der sich gemäß (1) daran anschließenden Aufarbeitung -am Kopfende der Rektifikationskolonne mit der Kopffraktion eine zweistufige Kondensation durchzuführen. Denn bereits die der Druckschrift (2) zugrundeliegende Aufgabe, ein verbessertes Verfahren für hoch konzentrierte Salpetersäure zur Verfügung zu stellen, unterscheidet sich von der Problemstellung des Streitpatents. Darüber hinaus ist kein Grund erkennbar, den in (1) im Zuge der Aufarbeitung von Abfall-Mischsäuren aus der Aromatennitrierung vorgezeichneten Weg eines Verfahrens nebst Anlage gemäß (1) zu verlassen und am Kopfende der einer Rektifikationskolonne gemäß Streitpatent entsprechenden "flash drum", anstelle einer Abkühlung und Kondensation mit nachfolgender erneuter Destillation (vgl. (1) S. 2 Z. 50 bis 56), einen Dephlegmator mit nachfolgendem zweiten Kondensator anzubringen, um damit eine zweistufige Kondensation durchzuführen. Auch sind aus (2) keinerlei Hinweise oder Anregungen zu entnehmen, die den Fachmann veranlassen könnten, direkt am Kopf der Rektifikationskolonne eine zweistufige Kondensation durchzuführen.

Entsprechendes gilt für die Anlage zur Durchführung des Verfahrens gemäß Anspruch 12.

Sofern die Einsprechende schriftsätzlich ausgeführt hat, der Fachmann werde bei Bedarf die aus (1) bekannte einstufige Kondensation durch die aus (2) bekannte zweistufige Kondensation ersetzen (vgl. Schrifts. v. 11. August 2005 S. 4 vorle. Abs), zumal eine zweistufige Kondensation -wie in der mündlichen Verhandlung ergänzt -eines der ältesten Verfahren der Aufarbeitung chemischer Produkte darstelle, wobei der Fachmann gerade aufgrund der Siedepunkte der Abfall-Mischsäuren zu einer zweistufigen Kondensation hingeführt werde, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Denn im Gegensatz zum Verfahren der Druckschrift (2), die ein Verfahren zur Hochkonzentrierung von Salpetersäure, beispielsgemäß die Konzentrierung von 60 %-iger Salpetersäure, betrifft, werden beim streitpatentgemäßen Verfahren verdünnte Abfall-Mischsäuren mit nur etwa 20 %-iger Salpetersäure aufgearbeitet, wobei zusätzlich als ein der Druckschrift (2) fremdes Problem die Neubildung von verdünnter Salpetersäure aus den anwesenden NOxhaltigen Dämpfen aus den nitroaromatischen Verbindungen auftritt. Es bestand deshalb für den Fachmann kein Grund, zur Lösung eines der Druckschrift (2) fremden Problems eine Teillehre der Druckschrift (2) heranzuziehen.

Dass es sich bei der zweistufigen Kondensation um eines der ältesten Verfahren der Aufarbeitung chemischer Produkte handelt, bedeutet noch nicht, dass der Austausch der einstufigen Kondensation gemäß (1) durch eine zweistufige Kondensation für den Fachmann nahegelegen hat. Denn um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs, hier die Teillehre der Druckschrift (2), nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es -abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist -in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (vgl. BGH GRUR 2009, 746 -Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Außerdem ist das Erfordernis zur Behandlung und Aufarbeitung der Abfall-Mischsäuren aus der Nitrierung aromatischer Verbindungen ein bereits lange bekanntes Problem und es stellt sich die Frage, weshalb in diesem Zusammenhang eine zweistufige Kondensation dann nicht schon längst beschrieben worden ist.

Die Druckschriften (3) bis (5), die von der Einsprechenden ausschließlich unter Bezugnahme auf die Unteransprüche abgehandelt wurden und von dem Gegenstand des Streitpatents ferner ab liegen, vermögen dem Fachmann keinen Hinweis auf die in (1) fehlenden Merkmale zu geben, auch nicht in deren Zusammenschau mit der Druckschrift (2).

5. Die Patentansprüche 1 und 12 in der erteilten Fassung haben deshalb Bestand, damit auch die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 11, die bevorzugte Ausgestaltungen betreffen.

Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Lange Bb






BPatG:
Beschluss v. 19.11.2009
Az: 15 W (pat) 301/09


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