Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 5. Dezember 2013
Aktenzeichen: I-2 U 68/12

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 05.12.2013, Az.: I-2 U 68/12)

Tenor

I Das Verfahren wird ausgesetzt.

II Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EU Nr. L 311 vom 28.11.2001, S. 67) in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EU Nr. L 136 vom 30.04.2004) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1 Ist Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG dahin auszulegen, dass der Ausschluss vom Patentschutz auch für solche Bereitstellungshandlungen gilt, mit denen ein Dritter aus rein kommerziellen Gründen einem Generikahersteller einen patentgeschützten Wirkstoff anbietet oder liefert, den das Generikaunternehmen dazu vorgesehen hat, mit ihm Studien oder Versuche für eine arzneimittelrechtliche Vertriebsgenehmigung oder Zulassung im Sinne von Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG durchzuführen€

2 Falls die erste Frage zu bejahen ist:

a) Hängt die Privilegierung des Dritten davon ab, dass der von ihm belieferte Generikahersteller den bereitgestellten Wirkstoff tatsächlich zu privilegierten Studien oder Versuchen im Sinne von Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG einsetzt€ Greift der Ausschluss vom Patentschutz in einem solchen Fall auch dann, wenn der Dritte keine Kenntnis von den privilegierten Verwendungsabsichten seines Abnehmers besitzt und er sich diesbezüglich auch nicht vergewissert hat€

Oder kommt es für die Privilegierung des Dritten allein darauf an, dass er im Zeitpunkt seiner Bereitstellungshandlung nach den gesamten Umständen (z. B. der Ausrichtung des belieferten Unternehmens, der geringen Menge des bereitgestellten Wirkstoffs, dem alsbald bevorstehenden Ablauf des Patentschutzes für den fraglichen Wirkstoff, Erfahrungen mit der Verlässlichkeit des Abnehmers) berechtigterweise davon ausgehen darf, dass das belieferte Generikaunternehmen den bereitgestellten Wirkstoff ausschließlich für privilegierte Versuche oder Studien im Rahmen einer Marktzulassung benutzen wird€

b) Hat der Dritte im Zusammenhang mit der Vornahme seiner Bereitstellungshandlung eigene Vorkehrungen dafür zu treffen, dass der Wirkstoff von seinem Abnehmer tatsächlich nur für privilegierte Versuche oder Studien eingesetzt wird und sind die von ihm zu treffenden Vorkehrungen unterschiedlich, je nach dem, ob der patentgeschützte Wirkstoff lediglich angeboten oder aber geliefert wird€

Gründe

I.

Die Klägerin, ein in Japan ansässiges pharmazeutisches Unternehmen, das eigene Arzneimittel entwickelt, ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents (Klagepatent, Anlage HE 1; deutsche Übersetzung DE T2, Anlage HE 1a). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung und Rückruf der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 27.12.1995 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 28.12.1994 angemeldet, der Hinweis auf seine Erteilung am 05.03.2003 veröffentlicht. Seit dem 01.02.2006 ist die Klägerin mit ihrer jetzigen, geänderten Firma als Inhaberin des Klagepatents in der Patentrolle eingetragen. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE geführt (vgl. Anlage HE 1a und 2). Das Klagepatent steht in Kraft. Es betrifft neue C.-D. und diese enthaltende pharmazeutische Präparate. Der von der Klägerin im Rechtsstreit geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:

Verbindung, die ein C.-D. ist, das durch die folgende Formel (I) repräsentiert wird:

(die Symbole in der Formel haben die folgende Bedeutung: ...

oder ein Salz davon oder ein quartäres Ammoniumsalz davon, an deren quartärem Stickstoffatom eine Gruppe gebunden ist, die ausgewählt ist aus einer C1-C6 Alkylgruppe, einer C2-C6 Alkenylgruppe und einer C2-C6 Alkynylgruppe, und die ein Gegenion hat, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Halogenid-, Triflat-, Tosylat-, Mesylat-, Nitrat-, Sulfat-, Phosphat-, Carbonat-, Formiat-, Acetat-, Propionat-, Oxalat-, Malonat- und Glutamat-Anionen.

Die in Polen geschäftsansässige Beklagte stellt her und vertreibt weltweit eigene Arzneimittel sowie generische pharmazeutische Wirkstoffe (= "A. P. I." [API]). Sie bereitet darüber hinaus die Zulassungsverfahren in den maßgeblichen Ländern vor. Unter anderem hält die Beklagte für den Wirkstoff S. eine EU D. M. F. (DMF), die es ihr erlaubt, ihren Kunden den Wirkstoff anzubieten und die Marktzulassung zu ermöglichen, ohne den Kunden vertrauliche Informationen offenbaren zu müssen. Das DMF ist ein regulatorisches Dokument, in dem die pharmazeutische Herstellung und Qualitätssicherung von Arzneistoffen gegenüber den Arzneimittelbehörden (z.B. der E.) zum Zwecke der Arzneimittelzulassung dokumentiert wird (vgl. Anlage TWA 9). Es kommt zum Einsatz, wenn das wirkstoffproduzierende Unternehmen und dasjenige Unternehmen, welches den Wirkstoff in Verkehr bringen will, verschieden sind. Das DMF besteht aus einem zugänglichen und einem vertraulichen Teil. In dem vertraulichen Teil, der lediglich für die Arzneimittelbehörden einsehbar ist, sind Betriebsgeheimnisse des wirkstoffproduzierenden Unternehmens enthalten, wie z.B. Synthesewege und Herstellungsprozesse für den Wirkstoff. Für die Zulassung eines auf der Grundlage des gelieferten Wirkstoffes entwickelten Arzneimittels (Generikums) kann das Generika-Unternehmen die Arzneimittelbehörde für die Daten zum Wirkstoff auf das DMF verweisen, muss aber in Bezug auf den vertraulichen Teil eine Zugangsbewilligung (sog. acess letter) des Wirkstoffherstellers vorlegen.

Die Beklagte bewarb in verschiedenen Ausgaben der Fachzeitschriften "S." und "G. B." sowie seit März 2010 auch auf ihrer Website den Wirkstoff S. Unter anderem schaltete sie in der "S." vom 24.09.2010 eine in englischer Sprache verfasste Anzeige (Anlage HE 6), in der es auszugsweise in deutscher Übersetzung heißt:

Wir bieten an: eine große Bandbreite kommerziell verfügbarer pharmazeutischer Wirkstoffe: (S., ...).

Die "S." ist eine weltweit erhältliche Fachzeitschrift für die pharmazeutische Industrie mit Informationen und Analysen zu den wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen der pharmazeutischen Branche. Das Magazin hat 13.500 registrierte Abonnenten weltweit und eine Leserschaft von über 100.000 Personen. 45 % der Abonnenten sind in der Bundesrepublik Deutschland ansässig. Zu ihnen gehören fast alle großen deutschen Arzneimittelkonzerne.

Bei dem von der Beklagten beworbenen S. (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) handelt es sich um ein pharmazeutisch verträgliches Salz von S., einem C.-D. mit der im Patentanspruch 1 des Klagepatents bezeichneten Formel, wobei der Ring A eine C6-Arylgruppe - nämlich eine Phenylgruppe - und X eine Einfachbindung und l = m = 0 und n = 2 ist. S. wird in der Urologie und hier insbesondere zur Behandlung der überaktiven Blase eingesetzt. In pharmazeutischen Zusammensetzungen wird S. als pharmazeutisch verträgliches Salz, nämlich als S., verwendet.

Die Beklagte lieferte eine Gesamtmenge von 30,5 kg S. an die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige H. A., bei der es sich um einen Generikahersteller handelt. Die Menge wurde in vier aufeinanderfolgenden Chargen geliefert, und zwar 1 kg am 30.09.2009, 1 kg am 03.03.2010, 3,5 kg am 23.05.2010 und 25 kg am 06.10.2010. Der Verkaufspreis betrug rund 127.000,-- €.

Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine Verletzung des Klagepatents. Für die von ihr erhobene Patentverletzungsklage hat sie sich zunächst allein auf die von der Beklagten in der Fachzeitschrift "S." geschaltete Werbung berufen. Nachdem sie im Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz durch die Angaben der Beklagten Kenntnis von den Lieferungen an die H. A. erlangte, hat sie ihre Klage auch hierauf gestützt.

Die Beklagte hat auf die ihr zugestellte Klage hin mit Schreiben vom 22.06.2011 gegenüber der Klägerin eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, mit der sie sich verpflichtet hat, es zu unterlassen, den Wirkstoff S. in Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen. In dem Schreiben wies sie klarstellend darauf hin, dass die Unterlassungserklärung bestimmte Handlungen in Deutschland in Bezug auf den Wirkstoff S. nicht erfasse, darunter Angebote, wenn diese durch einen entsprechenden Hinweis auf ein Anbieten zu Versuchszwecken in Ländern mit Patentschutz beschränkt seien, Verkäufe, wenn sich der Käufer durch eine strafbewehrte Verpflichtungserklärung zu einer ausschließlichen Verwendung von S. zu Versuchszwecken verpflichte, und Lieferungen, wenn die Abnehmer darauf hingewiesen werden, den Wirkstoff S. ohne Zustimmung der Klägerin nicht für andere als zu Versuchszwecken verwenden zu dürfen. Wegen der Einzelheiten des Schreibens der Beklagten vom 22.06.2011 wird auf die Anlage TW 3 Bezug genommen. Außerdem hat die Beklagte erklärt, den Auskunfts- und Rechnungslegungsantrag sowie den Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht unter Verwahrung gegen die Kostenlast anzuerkennen, soweit diese Anträge die Bewerbung des angegriffenen Erzeugnisses betreffen.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht: Die Beklagte habe das Klagepatent sowohl durch ihre Werbung als auch durch die Lieferungen an die H. A. verletzt. Durch die von der Beklagten abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung sei die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nicht entfallen, weil der von der Beklagten aufgenommene Vorbehalt Handlungen betreffe, die ebenfalls patentverletzend seien. Die Beklagte könne sich für solche Angebots- und Lieferhandlungen nicht mit Erfolg auf das Versuchs- oder Marktzulassungsprivileg aus § 11 Nr. 2 und 2b PatG berufen, selbst wenn sie den angegriffenen Wirkstoff nur Personen anbiete und liefere, die sich ihrerseits zu Recht auf das Forschungs- und Marktzulassungsprivileg berufen könnten. Die Privilegierung komme nämlich nur demjenigen zugute, der die Studien oder Versuche selbst vornehme. Selbst wenn Bereitstellungshandlungen Dritter von der Privilegierung erfasst werden könnten, habe die Beklagte in jedem Fall nicht dargelegt, dass die Lieferungen an die H. A. tatsächlich zur Durchführung von Studien und Versuchen zur Marktzulassung gedient hätten. Ein solcher Verwendungszweck könne auch aufgrund der sonstigen Umstände der Lieferungen nicht angenommen werden.

Die Beklagte hat, soweit sie die geltend gemachten Klageansprüche nicht anerkannt hat, um Klageabweisung gebeten. Sie hat eine Verletzung des Klagepatents durch die Lieferungen der angegriffenen Ausführungsform an die H. A. in Abrede gestellt und geltend gemacht: Bei den jeweiligen Geschäftsabschlüssen sei sie sich mit der H. A. einig gewesen, dass die Verwendung der angegriffenen Ausführungsform allein auf Studien und Versuche beschränkt sein solle, die auf die Herstellung eines generischen Medikaments auf der Basis von S. und die Erlangung einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Genehmigung abzielten. Die Lieferungen hätten unter der Bedingung gestanden, dass die H. A. den Wirkstoff ausschließlich zur Durchführung der genannten Studien benutze. Tatsächlich habe sich die H. A. in der praktischen Durchführung und im Umgang mit der angegriffenen Ausführungsform auch stets an diese Bedingung gehalten. Letztlich sei die gesamte von ihr an die H. A. gelieferte Menge S. im Rahmen der Studien und Versuche für die Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung verbraucht worden. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei unter diesen Umständen unbegründet, da aufgrund der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung eine etwaige Wiederholungsgefahr entfallen sei. Ihren Abnehmern sei es erlaubt, die angegriffene Ausführungsform für Versuchszwecke zu nutzen und solche Benutzungshandlungen durchzuführen, die für eine arzneimittelrechtliche Zulassung erforderlich seien. Dieses Privileg erfasse auch sie, soweit sie die angegriffene Ausführungsform für eine solche privilegierte Verwendung anbiete und liefere und durch entsprechende Maßnahmen einen patentverletzenden Gebrauch durch ihre Abnehmer ausschließe.

Durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 26.07.2012 (veröffentlicht in BeckRS 2013, 01711) hat das Landgericht dem Klagebegehren überwiegend entsprochen, wobei es in der Sache wie folgt erkannt hat:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es ... zu unterlassen,

den Wirkstoff S.

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

2. der Klägerin ... Auskunft zu erteilen und darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 05.04.2003 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses, unter Angabe ...

3. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 01.09.2008 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern ... zurückzurufen, indem die Abnehmer ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse zur Abholung beim Abnehmer bereitzustellen, verbunden mit der verbindlichen Zusage, ihnen etwaige Entgelte zu erstatten, und diese Abholung durchzuführen oder durchführen zu lassen;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr entstanden ist und noch entstehen wird aufgrund der seit dem 05.04.2003 begangenen Handlungen gemäß Ziffer I.1.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Soweit die Beklagte die auf ihre Werbung gestützten Klageansprüche anerkannt habe, sei sie gemäß ihrem Anerkenntnis zu verurteilen. Die weitergehende an die Belieferung der H. A. anknüpfende Klage sei bis auf den Vernichtungsantrag begründet. Bei der angegriffenen Ausführungsform handele es sich unstreitig um ein Erzeugnis, das Gegenstand des Klagepatents sei. Die Beklagte habe die Erfindung auch gemäß § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG benutzt, indem sie die angegriffene Ausführungsform an die H. A. geliefert habe. Die diesbezüglichen Benutzungshandlungen seien nicht gemäß § 11 Nr. 2 oder 2b PatG von den Schutzwirkungen des Klagepatents ausgenommen. Zwar schließe der Wortlaut der Vorschrift Bereitstellungshandlungen Dritter für Versuche der Abnehmer nicht aus. Aus der Systematik des Patentgesetzes und einer richtlinienkonformen Gesetzesauslegung anhand von Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG ergebe sich jedoch, dass solche Bereitstellungshandlungen Dritter nur unter engen Voraussetzungen als zulässig erachtet werden könnten. Notwendig für eine Privilegierung Dritter sei, dass sie mit der Lieferung patentgemäßer Erzeugnisse oder Stoffe in eigener Person den Zweck verfolgten, Versuche oder Studien durchzuführen. Dafür genüge es noch nicht, wenn der Dritte lediglich Kenntnis davon habe, dass sein Abnehmer beabsichtige, entsprechend zu verfahren. Ebenso wenig reiche es aus, wenn dem Dritten die Privilegierung des Abnehmers wünschenswert sei oder als vorteilhaft erscheine. Es genüge daher für eine Anwendung von § 11 PatG auch nicht, dass der Dritte durch Hinweise oder vertragsstrafenbewehrte Verpflichtungserklärungen des Abnehmers dafür Sorge trage, dass der Abnehmer die gelieferten Erzeugnisse oder Stoffe tatsächlich im Sinne von § 11 PatG verwende. Für die Annahme eines eigenen Versuchszwecks komme es vielmehr darauf an, dass der Dritte über das wirtschaftliche Interesse an der Belieferung seines Abnehmers hinaus ein eigenes Interesse an der Durchführung der Versuche oder Studien habe. Der Dritte müsse in diesem Sinne als Mitveranstalter angesehen werden können, wobei das eigene Interesse des Dritten an den Versuchen oder Studien objektiv zutage zu treten habe. Vor diesem Hintergrund könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf eine Privilegierung berufen, da sie nach ihrem Vortrag nicht als (Mit-)Veranstalterin der von ihr behaupteten Studien und Versuche der H. A. angesehen werden könne. Aus der damit vorliegenden Verletzung des Klagepatents ergäben sich die zuerkannten Klageansprüche.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung, soweit diese über das abgegebene Teilanerkenntnis hinausgeht. Sie hält daran fest, dass die Auslegung des § 11 Nr. 2 und 2b PatG durch das Landgericht unzutreffend sei. Sie führe in der Praxis dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen Unternehmen gehindert seien, die vom Patentgesetz vorgesehenen Privilegien zu nutzen, da sie die erforderlichen Mittel/Wirkstoffe nicht selbst produzieren könnten. Dies gelte insbesondere für kleine Unternehmen und für Unternehmen, die (wie z. B. Generikahersteller) eine große Produktpalette mit mehreren hundert Artikeln im Sortiment hätten und unmöglich alle für diese Produkte erforderlichen Wirkstoffe selber herstellen könnten. Die Auslegung des Landgerichts habe außerdem zur Konsequenz, dass zwar die Eigenherstellung und der Import der patentgeschützten Grundstoffe zulässig sei, nicht aber deren Zulieferung durch in Deutschland oder im EU-Raum ansässige Dritte, was eine Diskriminierung der im EU-Raum ansässigen Zulieferer darstelle. Diese Konsequenzen stünden weder im Einklang mit dem Sinn und Zweck des Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG noch mit deren Implementierung in Deutschland durch § 11 Nr. 2 und 2b PatG. Die Regelungen privilegierten vielmehr im Allgemeininteresse bestimmte Versuche und/oder Studien und die darauf objektiv ausgerichteten Handlungen. Eine über das Erfordernis der Zweckausrichtung hinausgehende Einschränkung von Bereitstellungshandlungen Dritter dahingehend, dass diese ein eigenes Interesse an den privilegierten Versuchen und/oder der sich daran anschließenden Zulassung haben müssten, ergebe sich weder aus dem Wortlaut oder der Gesetzessystematik noch aus Sinn und Zweck der Regelung. Hiervon ausgehend unterfalle das Angebot und die Lieferung der angegriffenen Ausführungsform an die H. A. dem Privileg des § 11 Nr. 2 bzw. 2b PatG. Vertragsschluss und Lieferung seien objektiv auf die Verwendung der angegriffenen Ausführungsform für die Entwicklung und die Zulassung eines Generikums ausgerichtet gewesen, wofür die angegriffene Ausführungsform von der H. A. auch tatsächlich verwandt worden sei. Bei Zugrundelegung der zutreffenden Gesetzesauslegung sei auch die von ihr abgegebene Unterlassungserklärung ausreichend, um eine etwaige das Klagepatent verletzende Handlung auszuschließen. Der in die Erklärung aufgenommene "D." betreffe lediglich Handlungen, die objektiv auch durch § 11 Nr. 2, 2b PatG für privilegierte Zwecke ausgerichtet seien, deren Verwirklichung durch den Abnehmer zusätzlich durch eine ihm auferlegte Vertragsstrafe sichergestellt werde.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen, soweit sie über das Teilanerkenntnis hinausgeht.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und

auf ihre eigene Berufung unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts die Beklagte weiterhin zu verurteilen, die unter Ziffer I. 1. des Urteils bezeichneten, seit dem 01.09.2008 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse, die sich in der Bundesrepublik Deutschland im Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse der Beklagten befinden, zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre - der Beklagten - Kosten herauszugeben.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend und tritt den Erwägungen der Beklagten im Einzelnen entgegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

II.

Der Erfolg der von der Beklagten eingelegten Berufung hängt maßgeblich von der Auslegung des Art. 10 Abs. 6 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b) und Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Fragen einzuholen. Die Berufung der Klägerin hat nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg. Für den Erlass eines entsprechenden Teilurteils, das im Ermessen des Gerichts liegt (§ 301 Abs. 2 ZPO), besteht kein Anlass, nachdem das Klagebegehren bereits vom Landgericht zutreffend abgewiesen worden ist.

1.Die Klägerin ist nach den unangefochtenen und auch zutreffenden Feststellungen des Landgerichts als Inhaberin des Klagepatents hinsichtlich des gesamten von den Klageanträgen erfassten Zeitraums aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien steht des weiteren außer Streit, dass das angegriffene S. ein C.-D. im Sinne von Patentanspruch 1 des Klagepatents ist, weshalb die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht. Die Beklagte hat die patentierte Erfindung auch benutzt. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG bestimmt, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen. Benutzungshandlungen dieser Art hat die Beklagte in mehrfacher Hinsicht vorgenommen. Durch ihre Werbeanzeige in der Fachzeitschrift "S.", die auch von in Deutschland ansässigen Abonnenten bezogen wird, hat sie die patentierte Erfindung "angeboten". Indem die Beklagte die angegriffene Ausführungsform an die H. A. geliefert hat, hat sie einen erfindungsgemäßen Gegenstand "in den Verkehr gebracht" und ihn zu diesem Zweck in die Bundesrepublik Deutschland "eingeführt".

2.

Bei der gegebenen Sachlage wäre die Beklagte nur dann nicht wegen Patentverletzung zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung und zum Schadenersatz zu verurteilen, wenn sie sich für ihr Handeln, d.h. für die gesamte Liefermenge, auf eine Ausnahme vom gesetzlichen Patentschutz berufen könnte. Das PatG sieht solche Privilegierungen in § 11 Nr. 1 bis 6 vor. Nach Nr. 2 sind "Handlungen zu Versuchszwecken" vom Patentschutz freigestellt, "die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen", nach Nr. 2b ferner "Studien und Versuche und die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen, die für die Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union oder einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Drittstaaten erforderlich sind". Im Streitfall ist in Bezug auf die Benutzungshandlungen der Beklagten zu differenzieren:

a) S.-Anzeige

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte durch ihre vorbehaltlose Werbung das Klagepatent verletzt hat, weil sie sich wegen der pauschalen Adressierung ihres Angebotes insoweit auf keinen Privilegierungstatbestand nach § 11 PatG berufen kann. Diesbezüglich hat die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachten Klageansprüche folgerichtig anerkannt. Sie sind dementsprechend nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

b) Wirkstofflieferungen an H.

Etwas anderes gilt in Bezug auf die Lieferungen der angegriffenen Ausführungsform an die H. A, die nach dem Vorbringen der Beklagten zum Zwecke der Entwicklung und arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Generikums durch H. erfolgt sind.

aa) § 11 Nr. 2 PatG (Versuchsprivileg)

Zwar kommt der Beklagten nicht das Versuchsprivileg gemäß § 11 Nr. 2 PatG zugute, weil von H. - wie die Erörterungen im Verhandlungstermin vom 05.12.2013 ergeben haben - im Wesentlichen Bioäquivalenzstudien durchgeführt worden sind, wie sie bei auf das Originalpräparat des Erstanbieters bezugnehmenden Arzneimittelzulassungen für Generika üblich sind.

Ziel solcher Studien ist der Nachweis, dass zwei wirkstoffgleiche Arzneimittel, die sich im Herstellungsprozess und/oder bei den enthaltenen Hilfsstoffen unterscheiden (scil.: das bereits zugelassene Originalpräparat einerseits und das noch zuzulassende Generikum andererseits), ohne Gefahr für den Patienten gegeneinander ausgetauscht werden können. Zwei Arzneimittel werden als bioäquivalent bezeichnet, wenn innerhalb eines 90 %-Konfidenzintervalls die Bioverfügbarkeit einen Wert von 80 bis 125 % erreicht. Um dies festzustellen, werden das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Arzneistoffresorption verglichen, indem zwei Gruppen freiwilliger Probanden unter streng standardisierten Bedingungen eine gleiche Dosis des Testarzneimittels (Generikum) oder des Referenzproduktes (Originalpräparat) erhalten. In bestimmten Zeitabständen werden Blutproben entnommen und auf die Arzneistoffkonzentration hin analysiert. Der Nachweis einer Bioäquivalenz mit dem Originalprodukt ist geführt, wenn der 90 %-Vertrauensbereich (Konfidenzintervall) des Quotienten der für die zu vergleichenden Kenngrößen ermittelten durchschnittlichen Werte für Testprodukt und Referenzprodukt innerhalb fest definierter Grenzen (80-125 %) liegt. Die Auswahl der Kenngrößen und das Studiendesign hängen unter anderem von der Indikation und der Darreichungsform des Arzneimittels ab.

Untersuchungen solcher Art stellen keine auf den Erfindungsgegenstand bezogenen Versuche dar. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1996, 109 = GRUR Int. 1996, 58 - Klinische Versuche I; NJW 1997, 3092 - Klinische Versuche II), dass als "Versuch" jedes (planmäßige) Vorgehen zur Gewinnung von Erkenntnissen angesehen werden kann, unabhängig davon, welchem (wissenschaftlichen oder gewerblichen) Zweck die gewonnenen Erkenntnisse letztendlich zu dienen bestimmt sind. Um das Versuchsprivileg nicht uferlos auszudehnen, muss sich der Versuch "auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen", womit gemeint ist, dass der Erfindungsgegenstand als solcher das Objekt der Versuchshandlung zur Erlangung von Erkenntnissen ist (BGH, GRUR 1996, 109, 112/113 - Klinische Versuche I). Eine auf die Erfindung bezogene und deshalb rechtmäßige Versuchshandlung liegt dementsprechend vor, wenn durch planmäßiges Vorgehen Erkenntnisse gewonnen werden sollen, um eine bestehende Unsicherheit über die arzneilichen Wirkungen, die Verträglichkeit oder die therapeutischen Verwendungsmöglichkeiten des patentierten Arzneimittelwirkstoffs zu beseitigen. Klinische Versuche, bei denen die Wirksamkeit oder die Verträglichkeit eines den geschützten Wirkstoff enthaltenden Arzneimittels an Menschen geprüft wird, sind demzufolge zulässig, selbst wenn die Erprobungen letztlich (auch) mit dem Ziel vorgenommen werden, Daten für die arzneimittelrechtliche Zulassung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zu gewinnen. Hat der Versuch keinen Bezug zur technischen Lehre des Patents, so liegen - umgekehrt - keine zulässigen Versuchshandlungen im Sinne des § 11 Nr. 2 PatG vor (BGH, NJW 1997, 3092 - Klinische Versuche II).

Genauso verhält es sich im Streitfall mit den Bioäquivalenzstudien der H. A. Sie sind nicht auf die Beseitigung irgendeiner Unsicherheit oder auf die Gewinnung von irgendwelchen Erkenntnissen über den patentierten Gegenstand ausgerichtet, sondern sie dienen ausschließlich dem Zweck zu erfahren, ob das generische Präparat, was das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Arzneistoffresorption betrifft, verlässlich dasselbe Wirkungsprofil aufweist, das für das als Referenz herangezogene patentgemäße Originalarzneimittel bekannt ist. Bioäquivalenzstudien dieses Inhalts unterfallen, weil ihnen der Erkenntnisbezug zum Erfindungsgegenstand fehlt, nicht dem Versuchsprivileg nach § 11 Nr. 2 PatG (Epping/Gerstberger, PhamR 2003, 257, 259; Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Aufl., § 11 Rdnr. 13; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdnr. 1639). Das gleiche gilt mit Blick auf diejenige Wirkstoffverwendung, die dem Finden einer tauglichen Tablettenformulierung gedient haben soll. Auch die Beklagte hat nicht aufzeigen können, welche konkreten Erkenntnisse betreffend den Erfindungsgegenstand des Klagepatents mit den von H. in diesem Zusammenhang vorgenommenen Handlungen verbunden gewesen sein sollen. Letztlich kommt es hierauf aber nicht einmal an, weil im Hinblick auf die Bioäquivalenzstudie in jedem Fall von der Beklagten bereitgestellte Wirkstoffmengen gegeben sind, die nicht an der Privilegierung nach § 11 Nr. 2 PatG teilhaben und deren Lieferung deshalb patentverletzend ist.

bb) § 11 Nr. 2b PatG (Marktzulassungsprivileg)

Zugunsten der Beklagten kommt jedoch der Privilegierungstatbestand nach § 11 Nr. 2b PatG in Betracht. Er geht insofern über das Versuchsprivileg des § 11 Nr. 2 PatG hinaus, als die auf neue Erkenntnisse gerichteten Versuche nicht unbedingt die patentierte Erfindung zum Gegenstand haben müssen (Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 11 Rdnr. 10; Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Aufl., § 11 Rdnr. 17; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdnr. 1642; Fitzner/Lutz/Bodewig/Ensthaler, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 11 Rdnr. 16; Chrocziel/Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 61; Worm/Guski, Mitt. 2011, 265 f.), so dass - im Gegensatz zum Privilegierungstatbestand nach § 11 Nr. 2 PatG - auch herkömmliche Bioäquivalenzstudien tatbestandsrelevant sind (vgl. Langfinger, VPP-Rundbrief 2011, 53, 55; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdnr. 1643; Hufnagel, PharmR 2006, 209, 211).

(1) Notwendigkeit richtlinienkonformer Gesetzesauslegung

§ 11 Nr. 2b PatG ist im Zuge der Umsetzung der revidierten europäischen Pharmaziegesetzgebung (Richtlinien 2004/27/EG und 2004/24/EG, ABl. EG Nr. l 136 vom 30.04.2004, S. 34, 58, 85; vgl. Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 11 PatG Rdnr. 10) in das Patentgesetz eingefügt worden. Die so genannte R.-B.-Regelung soll es Herstellern von Generika ermöglichen, bereits vor Ablauf eines Patents eine arzneimittelrechtliche Genehmigung oder Zulassung zu betreiben, um unmittelbar nach Auslaufen des Patentschutzes mit ihrem generischen Arzneimittel auf den Markt treten zu können (vgl. BT-Drucks. 15/5316 S. 1, 31; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 11 PatG Rdnr. 10; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., S. 790; Gassner, GRUR Int. 2004, 983, 989 ff.; Worm/Guski, Mitt. 2011, 265, 266 und 267). Mit § 11 Nr. 2b PatG werden insoweit Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG und Art. 13 Abs. 6 der geänderten Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 in nationales Recht umgesetzt (vgl. BT-Drucks. 15/5316 S. 1, 31; Begründung zu Art. 3 des 14. AMGÄndG, BR-Drucks. 237/05 S. 111; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 11 PatG Rdnr. 10; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl., § 11 Rdnr. 23; Langfinger, VPP-Rundbrief 2011, 53, 54/55; Worm/Guski, Mitt. 2011, 265).

Geht eine nationale Vorschrift - wie hier § 11 Nr. 2b PatG - auf eine europäische Richtlinie zurück, sind die nationalen Gerichte auf Grund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV (zuvor Art. 249 Abs. 3 EG) und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV (zuvor Art. 10 EG) verpflichtet, zur Durchführung einer europäischen Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (vgl. nur EuGH, Slg. 1984, 1891 = ZIP 1984, 1386, 1388 - von Colson und Kamann/Nordrhein-Westfalen; Slg. 1994, I-3325 = NJW 1994, 2473 - Faccini Dori; Slg. 2004, I-8835 = NJW 2004, 3547 - Pfeiffer u. a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e. V.; vgl. ferner BVerfG, NJW 2012, 669; BGH, NJW 2002, 1881, 1882; NJW 2013, 2674, 2678). § 11 Nr. 2b PatG ist dementsprechend konform zu Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG zu interpretieren.

Der Senat erachtet zu diesem Zweck ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union für erforderlich, weil der Wortlaut der gesetzlichen Regelung (§ 11 Nr. 2b PatG, Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG) nicht eindeutig ist, für einen kundigen Juristen mehrere gleichermaßen in Betracht kommende Auslegungen möglich sind [vgl. nachfolgend zu (2)], die entscheidungserheblichen Fragen nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof waren und deren Beantwortung über den Entscheidungsfall hinaus Bedeutung hat. Auf die Vorlagefragen kommt es selbst dann an, wenn die Beklagte mit der Lieferung an die H. A. (wegen des Lieferumfangs) das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben sollte, weil eine Verurteilung zur Unterlassung dennoch auszuscheiden hätte, wenn die Beklagte am 22.06.2011 eine hinreichende Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hätte. Ob durch sie die Wiederholungsgefahr ausgeräumt worden ist, hängt davon ab, ob und ggf. welche Vorkehrungen ein Dritter bei seiner Bereitstellungshandlung dafür treffen muss, dass es mit dem von ihm zur Verfügung gestellten Wirkstoff nur zu privilegierten Versuchen oder Studien kommt.

(2) Streitstand bei der Auslegung von § 11 Nr. 2b PatG

Im deutschen Schrifttum ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen Bereitstellungshandlungen Dritter, die der Empfänger für privilegierte Marktzulassungsstudien nutzt, dem Anwendungsbereich des § 11 Nr. 2b PatG unterfallen können.

Nach einer ersten Auffassung sollen solche Bereitstellungshandlungen jedenfalls dann vom Privileg umfasst sein, wenn das Verhalten des Lieferanten aufgrund objektiver Umstände darauf schließen lässt, dass er Kenntnis davon hat, dass die Bereitstellungshandlungen zur Vorbereitung bzw. Durchführung von Versuchen im Sinne des § 11 Nr. 2b PatG erfolgen (Stjerna, Mitt. 2004, 343, 347; Fähndrich/Tilmann, GRUR 2001, 901, 904 f., jeweils zu § 11 Nr. 2 PatG). Es wird hierbei als ausreichend angesehen, wenn sich der Lieferant in hinreichender Form und mit hinreichender Klarheit über den Zweck, den Inhalt und das Ausmaß der geplanten Versuche durch den Belieferten informiert (Stjerna, Mitt. 2004, 343, 347).

Teilweise wird stattdessen auf die Art des Auftrags bzw. die zugrundeliegende vertragliche Gestaltung zwischen Lieferant und Empfänger abgestellt. Soweit der Lieferant mit der Bereitstellung des patentgeschützten Gegenstandes ein eigenes kommerzielles Interesse verfolgt (z. B. die Erzielung von Einnahmen aus dem Verkauf an denjenigen, der die Versuche durchführen will) und nicht nur im Auftrag des Empfängers agiert, soll von einer Patentverletzung auszugehen sein. Anders zu beurteilen sei die Frage, wenn Lieferant und Empfänger in einem solchen Verhältnis zueinander stehen, dass der Empfänger sich das Handeln des Lieferanten als eigenes zurechnen lassen muss oder wenn der Lieferant selbst ein Interesse an den Erkenntnissen der Versuche hat, was gegeben sein soll, wenn der Lieferant auf einen spezifischen Auftrag des Empfängers mit der Zusicherung handelt, das Gelieferte nur für zulässige Zwecke nach § 11 Nr. 2b PatG zu nutzen (Langfinger, VPP-Rundbrief 2011, 53, 55). Nicht erlaubt sei es hingegen, dass ein Dritter einen patentgeschützten Gegenstand für die Durchführung von an sich zulässigen Versuchen ohne Aufforderung oder Auftrag von dem die Versuche Planenden anbietet (Langfinger, VPP-Rundbrief 2011, 53, 57).

Andere wiederum nehmen an, es reiche jedenfalls nicht aus, dass ein Lieferant seinen Abnehmer seinerseits zum Zwecke der Versuchsdurchführung beliefere (Hufnagel in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 1. Aufl., § 14 Rdnr. 144); vielmehr sei die R.-B.-Regelung nach § 11 Nr. 2b PatG grundsätzlich auf das eigene Herstellen der notwendigen Versuchs- oder Studienmaterialien durch ein Generikaunternehmen zu beschränken (Hufnagel in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 1. Aufl., § 14 Rdnr. 146; Chrocziel/Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 63).

Nach Ansicht des Landgerichts ist eine Anwendung des § 11 Nr. 2b PatG zugunsten eines Lieferanten abzulehnen, wenn es lediglich dem Empfänger darum geht, mit dem gelieferten Gegenstand privilegierte Versuche durchzuführen. Erforderlich für eine Einbeziehung des Lieferanten in den Ausschluss des Patentschutzes sei, dass der Lieferant als "Mitveranstalter" der Versuche betrachtet werden könne, was noch nicht deswegen angenommen werden könne, weil der Lieferant um die privilegierten Verwendungsabsichten seines Abnehmers wisse oder von diesem spezifisch und mit der Zusicherung beauftragt sei, mit dem Liefergegenstand nur Versuche durchzuführen.

(3) Auffassung des vorlegenden Gerichts

Der vorlegende Senat befürwortet folgende Handhabung: Grundsätzlich unterfallen auch kommerzielle Bereitstellungshandlungen Dritter dem Marktzulassungsprivileg nach § 11 Nr. 2b PatG, Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG. Erforderlich ist aber, dass der Dritte in dem Augenblick, in dem er die Bereitstellungshandlung vornimmt, nach den gesamten Umständen davon ausgehen kann, dass der von ihm zur Verfügung gestellte Wirkstoff tatsächlich ausschließlich für privilegierte Zulassungsversuche und -studien verwendet werden wird. Relevant können in diesem Zusammenhang z.B. die Ausrichtung des belieferten Unternehmens, die geringe Menge des bereitgestellten Wirkstoffs, der alsbald bevorstehende Ablauf des Patentschutzes für den fraglichen Wirkstoff und aus der Vergangenheit bereits vorliegende Erfahrungen mit der Verlässlichkeit des Abnehmers sein. Darüber hinaus hat der Dritte eigene Vorkehrungen dafür zu treffen, dass eine nicht privilegierte Verwendung des zugelieferten Wirkstoffs unterbleibt, wobei die zu treffenden Maßnahmen verschieden sind, je nach dem, ob der Dritte den patentgeschützten Wirkstoff bloß anbietet oder aber liefert. Beim Anbieten wird im Allgemeinen ein deutlicher Hinweis darauf genügen, dass eine Lieferbereitschaft nur für geringe Mengen und nur für die Zwecke von Marktzulassungsstudien besteht. Im Falle der Lieferung wird es regelmäßig einer mit hinreichender Vertragsstrafe gesicherten Verwendungsvereinbarung mit dem Abnehmer bedürfen. Liegen die Verhältnisse im Einzelfall besonders, können auch andere Maßnahmen anzuordnen sein.

Der Senat hat sich dabei von folgenden Überlegungen leiten lassen:

(a) Rechtlicher Rahmen

Den gesetzlichen Rahmen für die Entscheidung der Streitfrage bilden § 11 Nr. 2b PatG und Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG.

§ 11 Nr. 2b PatG lautet:

Die Wirkung eines Patents erstreckt sich nicht auf

...

2b Studien und Versuche und die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen, die für die Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union oder einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Drittstaaten erforderlich sind; ... .

Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG lautet:

Die Durchführung der für die Anwendung der Absätze 1, 2, 3 und 4 erforderlichen Studien und Versuche und die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen sind als nicht im Widerspruch zu den sich aus Patenten oder aus ergänzenden Schutzzertifikaten für Arzneimittel ergebenden Rechten stehend anzusehen.

Die im Absatz 6 in Bezug genommenen Absätze 1 bis 4 haben folgenden Wortlaut:

(1) Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe i) und unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Artikel 6 seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft genehmigt ist oder wurde.

Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung genehmigt wurde, wird erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der Erstgenehmigung für das Referenzarzneimittel in Verkehr gebracht.

Unterabsatz 1 gilt auch dann, wenn das Referenzarzneimittel nicht in dem Mitgliedstaat genehmigt wurde, in dem der Antrag für das Generikum eingereicht wird. In diesem Fall gibt der Antragsteller im Antragsformular den Namen des Mitgliedstaats an, in dem das Referenzarzneimittel genehmigt ist oder wurde. Auf Ersuchen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Antrag eingereicht wird, übermittelt die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaats binnen eines Monats eine Bestätigung darüber, dass das Referenzarzneimittel genehmigt ist oder wurde, sowie die vollständige Zusammensetzung des Referenzarzneimittels und erforderlichenfalls andere relevante Unterlagen.

Der in Unterabsatz 2 vorgesehene Zeitraum von zehn Jahren wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden.

(2) Im Sinne dieses Artikels bedeutet:

a) ,Referenzarzneimittel‘: ein gemäß Artikel 6 in Übereinstimmung mit Artikel 8 genehmigtes Arzneimittel;

b) ,G.‘: ein Arzneimittel, das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. Die verschiedenen Salze, E.r, E., I., Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffs gelten als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Sicherheit und/oder Wirksamkeit. In diesem Fall müssen vom Antragsteller ergänzende Daten vorgelegt werden, die die Sicherheit und/oder Wirksamkeit der verschiedenen Salze, Ester oder Derivate eines zugelassenen Wirkstoffs belegen. Die verschiedenen oralen Darreichungsformen mit sofortiger Wirkstofffreigabe gelten als ein und dieselbe Darreichungsform. Dem Antragsteller können die Bioverfügbarkeitsstudien erlassen werden, wenn er nachweisen kann, dass das Generikum die relevanten Kriterien erfüllt, die in den entsprechenden ausführlichen Leitlinien festgelegt sind.

(3) In den Fällen, in denen das Arzneimittel nicht unter die Definition eines G. im Sinne des Absatzes 2 Buchstabe b) fällt oder in denen die Bioäquivalenz nicht durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen werden kann, oder bei einer Änderung des Wirkstoffes oder der Wirkstoffe, der Anwendungsgebiete, der Stärke, der Darreichungsform oder des Verabreichungsweges gegenüber dem Referenzarzneimittel sind die Ergebnisse der entsprechenden vorklinischen oder klinischen Versuche vorzulegen.

(4) Erfüllt ein biologisches Arzneimittel, das einem biologischen Referenzarzneimittel ähnlich ist, die in der Definition von G. enthaltenen Bedingungen nicht, weil insbesondere die Rohstoffe oder der Herstellungsprozess des biologischen Arzneimittels sich von dem des biologischen Referenzarzneimittels unterscheiden, so sind die Ergebnisse geeigneter vorklinischer oder klinischer Versuche hinsichtlich dieser Bedingungen vorzulegen. Die Art und Anzahl der vorzulegenden zusätzlichen Daten müssen den relevanten Kriterien des Anhangs I und den diesbezüglichen detaillierten Leitlinien entsprechen. Die Ergebnisse anderer Versuche aus dem Dossier des Referenzarzneimittels sind nicht vorzulegen.

(b) Auslegungserwägungen im Hinblick auf § 11 Nr. 2b PatG

Freigestellt sind hiernach "Studien" (insbesondere klinische oder vorklinische Studien), "Versuche" (d.h.planmäßige Vorgehensweisen zur Erzielung von Erkenntnissen für das Zulassungsverfahren)sowie die sich "aus Studien oder Versuchen ergebenden praktischen Anforderungen". Mit Letzterem ist jede Benutzung der patentierten Lehre gemeint, mit der die Voraussetzungen für die Durchführung einer privilegierten Studie oder eines privilegierten Versuchs geschaffen werden. Es handelt sich um Bereitstellungshandlungen wie die Produktionoder der Import des für den Versuch oder die Studie benötigtenpatentgeschützten Wirkstoffs, die Produktion von Versuchsmustern z.B. zur Tablettenformulierung und dergleichen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdnr. 1643). In den patentrechtlichen Kategorien des § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG erfassen die Tatbestandsalternativen "Studien" und "Versuche" damit das Gebrauchen sowie das Besitzen des patentgemäßen Wirkstoffs, während alle anderen dem Patentinhaber durch § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG vorbehaltenen Handlungen (Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen, Einführen) regelmäßig Bereitstellungshandlungen im Vorfeld einer Studie oder eines Versuchs sind (Chrocziel/Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 61). Dass vom Marktzulassungsprivileg - jedenfalls prinzipiell - auch Bereitstellungsakte umfasst werden, die erst die sachlichen Voraussetzungen für eine Versuchs- oder Studienanordnung schaffen, wird durch die Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 11 Nr. 2b PatG gestützt. Ihr ist zu entnehmen, dass der Vorschrift auch die Herstellung von Arzneimitteln unterfallen soll, soweit sie für die Durchführung der Studien und Versuche erforderlich ist (BT-Drucks. 15/5316 S. 48; Chrocziel/ Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 61; Langfinger, VPP-Rundbrief 1/2011, 53, 57; Fitzner/Lutz/Bodewig/Ensthaler, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 11 Rdnr. 16). Derjenige, der die erlaubten Studien und Versuche nach § 11 Nr. 2b PatG durchführt, soll damit auch patentgeschützte Arzneimittel bzw. Wirkstoffe für die Durchführung eben dieser Studien und Versuche herstellen dürfen. Die Tatsache, dass in der Gesetzesbegründung somit zwar eigene Bereitstellungshandlungen des Versuchsbenutzers angesprochen werden, fremde Bereitstellungshandlungen Dritter jedoch unerwähnt bleiben, besagt noch nicht zwingend, dass der Kreis der zulässigen Vorbereitungshandlungen auf das eigene Herstellen durch den Versuchsbenutzer beschränkt und die Bereitstellung durch Dritte nicht umfasst ist. Der Wortlaut des § 11 Nr. 2b PatG schließt die Einbeziehung von Fremdlieferungen nicht aus, weil die Vorschrift nicht an die Person dessen anknüpft, der den Zulassungsantrag stellt, sondern nur an die Zweckbestimmung der durchgeführten Studien und Versuche (vgl. Chrocziel/Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 63). Auch gibt die Öffnung des Tatbestands auf "die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen" prinzipiell Raum für eine Einbeziehung der Tätigkeit von Dritten für das die arzneimittelrechtliche Zulassung anstrebende Unternehmen (vgl. Hufnagel, PharmR 2006, 209, 213 f.; Chrocziel/Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 63). Unter rein sprachlichen Gesichtspunkten kann § 11 Nr. 2b PatG daher ohne weiteres als nicht bloß persönlicher, sondern als sachlicher Privilegierungstatbestand aufgefasst werden, für dessen Anwendung es entscheidend nur darauf ankommt, dass die Versuche und Studien sowie die hierfür notwendigen Bereitstellungen ("praktische Anforderungen"), wer immer sie beigesteuert haben mag, dem Zweck einer Arzneimittelzulassung dienen.

Ein solches Auslegungsergebnis verbietet sich - anders als das Landgericht im angefochtenen Urteil meint - nicht aus systematischen Erwägungen. Richtig ist allerdings, dass ein Dritter, der zum Zwecke der Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung oder Zulassung einzelne notwendige Komponenten oder Vorprodukte liefert, die zur Herstellung eines patentgeschützten Versuchs-Arzneimittels notwendig sind, regelmäßig den Tatbestand einer mittelbaren Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG erfüllt. § 10 Abs. 3 PatG bestimmt nun, dass Personen (hier: G.unternehmen), die mit dem zugelieferten Mittel eine der in § 11 Nr. 1 bis 3 PatG genannten privilegierten Handlungen vornehmen, nicht als Personen gelten, die im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind. Dies bedeutet, dass auch dann, wenn der Abnehmer nach § 11 Nr. 2b PatG berechtigt ist, mit dem bereitgestellten Wirkstoff den Versuch oder die Studie durchzuführen, seine kommerzielle Belieferung durch den Dritten als mittelbare Patentverletzung sanktioniert bleibt. Das Generikaunternehmen agiert folglich wegen § 11 Nr. 2b PatG im patentfreien Raum, während der dritte Lieferant den Verbietungsrechten aus dem Patent ausgesetzt bleibt. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass dieselbe Rechtslage (Freistellung vom Patentschutz für den Belieferten und Durchsetzung der Patentrechte gegen den Lieferanten) erst recht für den Fall zu gelten hat, dass der Dritte den Versuchsausführenden nicht nur mit einem wesentlichen Element der Erfindung, sondern - wie hier - sogar mit dem patentgeschützten Erzeugnis als Ganzem unterstützt. Wie weiter unten noch im Einzelnen ausgeführt werden wird, hält es der Senat für geboten, die Einbeziehung des kommerziell handelnden Zulieferers in das Marktzulassungsprivileg davon abhängig zu machen, dass er bei seinen Bereitstellungshandlungen die erforderlichen Vorkehrungen gegen eine widerrechtliche, nämlich außerhalb des Marktzulassungsprivilegs bleibende Verwendung des von ihm angebotenen oder zur Verfügung gestellten Wirkstoffs trifft. Die Pflicht zu den besagten Vorkehrungen folgt unmittelbar aus dem Marktzulassungsprivileg, das dem Lieferanten bei seiner Bereitstellungshandlung zugutekommt. Keine andere Rechtslage wird durch § 10 Abs. 3 PatG hervorgerufen. Ohne die genannte Vorschrift wäre derjenige, der für privilegierte Studien Erfindungsmittel bereitstellt, in der Lage, diese ohne jeden Vorbehalt anzubieten und zu liefern, weil er sich gänzlich außerhalb eines patentrechtlich relevanten Benutzungstatbestandes bewegen würde. Erst dadurch, dass es § 10 Abs. 3 PatG bei dem Vorliegen einer mittelbaren Patentverletzung belässt, ist es überhaupt möglich, den Liefernden in den Fällen des § 10 PatG - genauso wie bei der Bereitstellung eines unmittelbar patentbenutzenden Gegenstandes - dazu anzuhalten, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass es unter Verwendung des bereitgestellten Mittels nicht zu widerrechtlichen (weil außerhalb des Marktzulassungsprivilegs liegenden) Benutzungshandlungen kommt. Eine in diesem Sinne eingeschränkte Unterlassungsverurteilung wäre selbst dann angebracht, wenn wegen des ausschließlich patentgemäß möglichen Gebrauchs des bereitgestellten Mittels an sich ein Schlechthinverbot in Betracht kommen würde. Beide Fälle - die Bereitstellung eines bloß mittelbar benutzenden Wirkstoffs und die Lieferung eines unmittelbar patentbenutzenden Wirkstoffs - werden damit gleich behandelt, was auch sachlich geboten ist. Denn es kann reinen Zufälligkeiten geschuldet sein, ob das Klagepatent nur einen auf das formulierte Arzneimittel gerichteten Patentanspruch enthält (so dass die Lieferung des Wirkstoffs als nur mittelbare Patentbenutzung zu behandeln ist) oder ob das Klagepatent auch einen den wirksamen Arzneibestandteil als solches betreffenden Anspruch umfasst (der durch die Lieferung des Wirkstoffs unmittelbar benutzt wird).

(c) Auslegungserwägungen im Hinblick auf Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2011/83/EG

Was zunächst den Wortlaut der Regelung in Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG betrifft, gilt das zu § 11 Nr. 2b PatG Ausgeführte hier sinngemäß in gleicher Weise. Die Formulierungen der Vorschriften unterscheiden sich nicht erheblich voneinander, weil auch Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG vom Patentschutz nicht nur Versuche und Studien zur Arzneimittelzulassung ausnimmt, sondern weiterhin die sich aus den Versuchen und Studien ergebenden praktischen Anforderungen. Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG schließt damit die Einbeziehung von Bereitstellungshandlungen Dritter sprachlich ebenso wenig aus wie § 11 Nr. 2b PatG, weil auch Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG nicht an die Person des Zulassungsantragstellers anknüpft, sondern die Zweckbestimmung der durchgeführten Studien und Versuche zu dem über die Privilegierung entscheidenden Kriterium erhebt.

Der Sinn und Zweck der Regelung gibt gleichfalls keinen Anlass, dritte Bereitstellungshandlungen als nicht privilegiert anzusehen. Bei Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG handelt es sich um eine Regelung des B.-Typs nach amerikanischem Vorbild, für das ein Gerichtsverfahren zwischen R. P. I.. und B. P. C.. I.. (GRUR Int. 1984, 769 - Dalmane) namensgebend ist, welches 1984 vor dem United States Court of Appeals for the Federal Circuit stattgefunden hat und zum Nachteil des G.herstellers ausgegangen ist. Der Rechtsstreit war Anlass für den amerikanischen Gesetzgeber, eine Regelung zu schaffen, die es Generikaherstellern erlauben sollte, schon vor der Marktzulassung eine begrenzte Anzahl von Versuchen durchzuführen, um die Bioäquivalenz eines Nachahmerpräparats nachzuweisen (Gassner, GRUR Int. 2004, 983, 989). Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass die Patentschutzfrist nur deshalb de facto verlängert wird, weil G. ihr Produkt nicht ohne Zulassung vertreiben dürfen, diese aber erst nach dem Ende der Patentlaufzeit in Angriff genommen werden können. Der US-Gesetzgeber hat aus diesem Grund mit dem "D. P. C. a. P. T. R. A." (H.-W. A.) von 1984 ausdrücklich klargestellt, dass es keine Patentverletzung ist, "eine patentierte Erfindung herzustellen, zu benutzen, zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen, ... nur für Benutzungen, die in angemessener Weise mit der Entwicklung und Einreichung von Informationen gemäß einem Bundesgesetz in Verbindung stehen, das Herstellung, Benutzung und Verkauf von Arzneimitteln regelt (Gassner, GRUR Int. 2004, 983, 989; Gerstberger/Greifeneder, PharmR 2005, 297, 309). Zusammen mit dem gleichzeitig eingeführten abgekürzten Zulassungsverfahren hat die B.-Klausel maßgeblich zum Aufschwung des Generikamarktes in den USA beigetragen (Epping/Gerstberger, PharmR 2003, 257, 262; Gassner, GRUR Int. 2004, 983, 989/990). Die EU-Kommission hat mit ihrem der späteren B.-Klausel zugrunde liegenden Vorschlag im Ausgangspunkt dasselbe Anliegen wie der US-Gesetzgeber verfolgt (Gassner, GRUR Int. 2004, 983, 990). Es sollte auch im europäischen Wirtschaftsraum durch ein bereits während der Patentlaufzeit gestattetes Arzneimittelzulassungsverfahren erreicht werden, dass die Markteinführung von Generika unmittelbar nach Ablauf des Patentschutzes stattfinden kann (KOM(2003) 383 endg., S. 20). Außerdem ging es der Kommission darum, dass die wissenschaftlichen Tests, die zur Vorbereitung eines G.-Antrages notwendig sind, nicht weiterhin aus rein rechtlichen Gründen außerhalb der Gemeinschaft durchgeführt werden (KOM(2001) 606 endg., S. 21; KOM(2001) 404 endg., S. 90). Reagieren wollte die Kommission damit auf eine Situation, die sich aufgrund einer engen Auslegung des Versuchsprivilegs in den EG-Mitgliedstaaten eingestellt hatte (Gassner GRUR Int. 2004, 983, 990). Die dortige Rechtsprechung tendierte vielfach dazu, Versuche mit patentierten Wirkstoffen zu überwiegend administrativen Zwecken, d.h. namentlich zur Vorbereitung von (Zweit-) Zulassungsanträgen, allenfalls dann für zulässig zu halten, wenn sie darüber hinaus auch auf einen medizinischen Erkenntnisgewinn gerichtet sind. Reine Wiederholungsstudien, wie insbesondere Bioäquivalenzprüfungen im Vorfeld eines Zulassungsantrages im abgekürzten Verfahren, wurden demgegenüber nicht privilegiert (vgl. Epping/Gerstberger, PharmR 2003, 257, 261; Gassner, GRUR Int. 2004, 983, 990). Erwägungsgrund (14) der Richtlinie 2004/27/EG greift diese Zielsetzung auf, indem er die Notwendigkeit einer Begünstigung von Generikaunternehmen betont. Es heißt dort: "Da G. einen bedeutenden Anteil des Arzneimittelmarktes ausmachen, sollte ihr Zugang zum Gemeinschaftsmarkt auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen vereinfacht werden.”

Bei der Bewertung dieses mit Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2001/83/EG verfolgten Anliegens ist zu berücksichtigen, dass Zulassungsversuche und -studien ohne kommerzielle Bereitstellungshandlungen Dritter, die den patentgeschützten Arzneimittelwirkstoff zuliefern, vielfach nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen durchführbar wären. Zwar existiert eine namhafte Zahl von Generikaherstellern mit eigener Wirkstoffproduktion. Für andere - große, aber insbesondere auch kleinere oder mittelständische - Generikahersteller trifft dies jedoch nicht zu. Sie haben ihren Geschäftsbetrieb - aus welchen Gründen auch immer - so organisiert, dass eine eigene Wirkstoffherstellung nicht erfolgt oder (bei großen Generikafirmen) jedenfalls nicht alle Wirkstoffe ihres umfangreichen Sortiments in Eigenproduktion gefertigt werden. Solche Unternehmen sind darauf verwiesen, ihre Wirkstoffe entweder im patentfreien Ausland zu beziehen oder aber sogar das fertige Arzneimittel von einem spezialisierten Hersteller zu erwerben, der nicht nur den Wirkstoff synthetisiert und das Arzneimittel formuliert, sondern darüber hinaus auch die erforderlichen Studien und Versuche durchführt und Marktzulassungen beschafft und alles im Paket zum Kauf anbietet. Bei dieser faktischen Ausgangslage wird das Ziel einer Verbesserung des Marktzugangs für Generikaunternehmen alsbald nach Auslaufen des Patentschutzes vollständig nur dann erreicht, wenn nicht nur diejenigen Firmen mit einem Ausschluss des Patentschutzes privilegiert werden, die ihre für die Zulassungsstudien benötigten Wirkstoffe selbst herstellen können, sondern wenn mit ihnen auch diejenigen G.unternehmen gleich behandelt werden, die tatsächlich nicht über eine solche Eigenproduktion verfügen und deshalb auf einen Fremdbezug angewiesen sind. Dieser darf ihnen nicht unnötig erschwert werden, sondern muss prinzipiell genauso einfach zu bewerkstelligen sein wie die Beschaffung entsprechender Wirkstoffmengen bei Bedarf für ein mit eigener Produktion ausgerüstetes G.-Konkurrenzunternehmen ist. Das verlangt eine Bezugsmöglichkeit von für die Arzneimittelzulassung benötigten Materialien vor Ort und nicht nur irgendwo im patentfreien Ausland (sofern dort überhaupt geeignete Bezugsquellen existieren).

Stellt das G.unternehmen den benötigten Wirkstoff für seine Zulassungsversuche und -studien selbst her, so ist richtig, dass damit der (patentbenutzende) Herstellungsakt unmittelbar mit dem (privilegierten) Zweck der Versuchs- und Studiendurchführung verknüpft bleibt, wohingegen die Belieferung durch Dritte und noch mehr das auf eine solche Belieferung gerichtete Angebot einen entsprechenden unmittelbaren Bezug zur privilegierten Verwendung nicht aufweist (Hufnagel in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 1. Aufl., § 14 Rdnr. 146; Chrocziel/Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 65). Anders als die eigene Herstellung durch das die Zulassung betreibende Unternehmen hat die kommerzielle Bereitstellung des patentgeschützten Wirkstoffes durch einen Dritten ein mit einem Umsatzgeschäft verbundenes Inverkehrbringen des patentgeschützten Wirkstoffs durch den Benutzer zur Folge. Die Bereitstellung dient damit bereits der eigenen wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung durch den Lieferanten (vgl. Hufnagel in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 1. Aufl., § 14 Rdnr. 146; Chrocziel/Hufnagel in Festschrift für Mes, S. 59, 65; vgl. ferner Straus, GRUR 1993, 308, 311; vgl. auch Worm/Guski, Mitt. 2011, 265, 270), wobei dieser mit der Bereitstellung für Zulassungszwecke typischerweise bereits den Grundstein dafür legt, später auch mit der Belieferung für den kommerziellen Arzneimittelvertrieb betraut zu werden, weil ein Wechsel des Wirkstofflieferanten mit regulatorischem Aufwand und Zusatzkosten verbunden ist. Aus patentrechtlicher Sicht sind alle diese Erwägungen jedoch unbeachtlich. Dass ein Wirkstoff verlässlich nur für privilegierte Zulassungszwecke verwendet wird, lässt sich auch in den Fällen des Fremdbezuges durch geeignete Maßnahmen sicherstellen. Sie sind oben bereits angesprochen worden und auf sie ist sogleich näher einzugehen. Es mag sein, dass durch die Auswahl eines bestimmten Wirkstofflieferanten für die Zulassungsphase faktisch bereits die Entscheidung über künftige weitere, umfangreiche Bereitstellungslieferungen nach erfolgter Markteinführung gefallen ist, für die konkurrierende Wirkstoffproduzenten nicht mehr ernstlich infrage kommen. Dieser Umstand liefert jedoch keinen Grund, das G.unternehmen von der für privilegierte Zulassungsstudien benötigten Bezugsquellen abzuschneiden. Dass von mehreren nur ein einziger Wirkstofflieferant zum Zuge kommen kann, liegt in der Natur der Sache und ist Ausdruck des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt.

(d) Anforderungen an die Bereitstellungshandlung

Bei der Auslegung von § 11 Nr. 2b PatG und Art. 10 Abs. 6 der Richtlinie 2011/83/EG müssen allerdings die Belange des Patentinhabers gewahrt bleiben. Die vorzunehmende Gesetzesinterpretation hat deshalb das berechtigte Interesse des Patentinhabers an einem angemessenen Patentschutz für seine Erfindung und das (gegenläufige) Interesse des Generikaunternehmens an einer reibungslosen Durchführung des Marktzulassungsverfahrens für sein G. während der Patentlaufzeit zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Dies erfordert auf der einen Seite, dass auch für ein G.unternehmen, welches über keine eigene Wirkstoffproduktion verfügt, fremde Bezugsquellen verfügbar bleiben, ohne dass die Drittbeschaffung des für das Zulassungsverfahren notwendigen Versuchs- oder Studiengegenstandes unnötig erschwert ist. Auf der anderen Seite muss zum Schutz des Patentinhabers sichergestellt sein, dass unter der Geltung seines Patents tatsächlich nur solche Benutzungshandlungen stattfinden, die dem privilegierten Zweck einer arzneimittelrechtlichen Zulassung dienen. Dazu kann und muss auch derjenige nach Kräften beitragen, der Zutaten für die Studien bereitstellt. Er hat sich deshalb vor einer Bereitstellungshandlung zunächst zu vergewissern, dass nach den gesamten (von ihm notfalls zu erfragenden) Umständen kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass der von ihm zur Verfügung gestellte Wirkstoff ausschließlich für privilegierte Zulassungsstudien eingesetzt werden wird. Maßgeblich können in diesem Zusammenhang beispielsweise die Ausrichtung des Belieferten als G.unternehmen, die geringe Menge des bereitgestellten Wirkstoffs oder der zeitnahe Ablauf des Patentschutzes sein, der eine generische Zulassung für ein Arzneimittel gerade mit dem zugelieferten Wirkstoff plausibel macht. Eine bedeutsame Rolle kann ferner spielen, ob der Lieferant bereits - positive oder negative - Erfahrungen hinsichtlich der Verlässlichkeit seines Abnehmers gemacht hat oder solche im Markt bekannt sind. Der Dritte hat darüber hinaus Vorkehrungen zu treffen, die effektiv einer widerrechtlichen Benutzung des bereitgestellten Wirkstoffs außerhalb eines privilegierten Zulassungsverfahrens entgegenwirken. In Betracht kommen z.B. eine Verwendungsvereinbarung, die das G.unternehmen verpflichtet, den bereitgestellten Wirkstoff nur für Zulassungszwecke zu gebrauchen, und die für den Fall einer Zuwiderhandlung ggf. sogar die Zahlung einer empfindlichen Vertragsstrafe an den Patentinhaber vorsieht. Welche konkreten Maßnahmen eine privilegierte Verwendung des kommerziell zugelieferten Wirkstoffs in ähnlicher Weise wie bei einer Eigenproduktion gewährleisten, ist eine Frage der Verhältnisse des Einzelfalles. Sie können von Fall zu Fall unterschiedlich sein und müssen jeweils bei objektiver Betrachtung vernünftigerweise erwarten lassen, dass es mit dem bereitgestellten Wirkstoff zu keiner anderen Verwendung als der im Rahmen von Zulassungsstudien kommt. Bei reinen Angebotshandlungen sind in der Regel unübersehbare Hinweise darauf ausreichend, dass in Ländern und für Länder mit Patentschutz eine Lieferbereitschaft nur für Mengen und Zwecke von Zulassungsstudien besteht; bei Lieferungen wird im Zweifel eine mit einer ausreichenden Vertragsstrafe bewehrte Verwendungsvereinbarung mit dem Abnehmer nötig sein.

(e) Akzessorietät der Privilegierung des Lieferanten

Im Zeitpunkt der kommerziellen Bereitstellungshandlung muss feststehen, ob das Angebot/die Lieferung des Wirkstoffs patentverletzend ist oder nicht. Ob zugunsten des Lieferanten das Marktzulassungsprivileg eingreift, kann deshalb nicht von der späteren tatsächlichen Verwendung des bereitgestellten Wirkstoffs durch den Abnehmer abhängen. Stattdessen muss maßgeblich sein, ob der Lieferant bei Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise zu der Auffassung gelangen durfte, dass sein Abnehmer den bereitgestellten Wirkstoff lediglich für privilegierte Zulassungszwecke gebrauchen wird. Darüber hinaus muss der Umfang der Bereitstellungshandlung (Menge des gelieferten Wirkstoffs) mit Versuchen und Studien im Rahmen eines Arzneimittelzulassungsverfahrens kompatibel sein.

Dr. K. F. Dr. R.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 05.12.2013
Az: I-2 U 68/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bebf257a82fd/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_5-Dezember-2013_Az_I-2-U-68-12




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