Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 20. Juni 2002
Aktenzeichen: 23 W 166/02

(OLG Hamm: Beschluss v. 20.06.2002, Az.: 23 W 166/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Dortmund vom 22. Mai 2000 gegenstandslos ist.

Im Wege der Rückfestsetzung wird angeordnet, daß die Beklagte dem Kläger den aufgrund des inzwischen gegenstandslos gewordenen Kostenfestset-zungsbeschlusses vom 22. Mai 2000 vollstreckten Betrag von 2.333,51 Euro (4.563,94 DM) zu erstatten hat.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegen-standswert von 2.333,51 Euro zu tragen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg.

Der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 22. Mai 2000, der auf der im Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. März 2000 getroffenen Kostengrundentscheidung beruht, ist gegenstandslos. Die Kostengrundentscheidung ist nämlich dadurch entfallen, daß das Oberlandesgericht Hamm das landgerichtliche Urteil mit Urteil vom 19. Februar 2001 (Aktenzeichen 17 U 84/00) aufgehoben hat. Fällt die ursprüngliche Kostengrundentscheidung weg, so verlieren ohne weiteres auch auf ihrer Grundlage ergangene Kostenfestsetzungsbeschlüsse ihre Wirkung. Dies ist lediglich aus Gründen der Rechtssicherheit noch einmal deklaratorisch auszusprechen (siehe Senatsbeschluß vom 22.02.1988 - 23 W 702/87 - in JurBüro 1988, 1033 = RPfleger 1988, 279; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 2.1.2.4 zum Stichwort "Kostenfestsetzung").

Zusätzlich ist entsprechend § 717 Abs. 2 ZPO anzuordnen, daß die Beklagte dem Kläger den aufgrund des gegenstandslos gewordenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. Mai 2000 vollstreckten Betrag, der sich unstreitig auf insgesamt 4.563,94 DM beläuft, zu erstatten hat. Eine solche Rückfestsetzung ist im Falle der Aufhebung der Kostengrundentscheidung zulässig, wenn die Höhe der Zahlung auf den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluß feststeht und der Empfänger der Zahlung gegen den Rückerstattungsanspruch keine materiellrechtlichen Einwendungen erhebt (siehe Senatsbeschlüsse vom 22.02.1988, a.a.O. und vom 03.04.1981 - 23 W 9/81 - in JurBüro 1981, 1246, 1247; Göttlich/Mümmler, a.a.O., Anm. 2.2.5 zum Stichwort "Kostenfestsetzung"; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., §§ 103, 104 Rn. 21 zum Stichwort "Rückfestsetzung"; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 104 Rn. 14). Hier wendet die Beklagte zwar ein, die Regelung unter Ziff. 3 des beim Landgericht nach der Zurückverweisung am 15. November 2001 geschlossenen Vergleich schließe einen Rückerstattungsanspruch des Klägers aus. Eine solche Auslegung des Vergleichs ist jedoch unzutreffend. Der Senat ist befugt, diese Frage im Kostenfestsetzungsverfahren zu beurteilen, so daß der Kläger wegen des von ihm geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs nicht auf einen weiteren Rechtsstreit verwiesen werden muß.

Die für die Auslegung maßgeblichen Regelungen des Vergleichs vom 15. November 2001 lauten wie folgt:

3.

Die Parteien sind darüber einig, daß mit diesem Vergleich sämtliche zwischen ihnen bestehende Ansprüche, gleichgültig ob bekannt oder unbekannt, endgültig abgegolten und erledigt sind.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

Aus Nr. 4 folgt, daß die Parteien die Kosten des gesamten Rechtsstreits unter Einschluß der Kosten der Beklagten, die bis zum Erlaß des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 23. März 2000 angefallen und mit dem Kostenfestsetzunsbeschluß vom 22. Mai 2000 zu Gunsten der Beklagten gegen den Kläger festgesetzt worden waren, in der Weise regeln wollten, daß jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst und die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte zu tragen hat (§ 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Beklagte hat dem Kläger also einen gleichwohl erlangten Ausgleich ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Dem entsprechenden Anspruch des Klägers steht Nr. 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 15. November 2001 nicht entgegen, weil er die Zustimmung der Beklagten zum Vergleich vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont her dahin verstehen durfte, daß Nr. 4 des Vergleichs eine abschließende Regelung der Kosten des Rechtsstreits enthalten sollte und sich hieraus evtl. ergebende Erstattungsansprüche dem Anspruchausschluß nach Nr. 3 des Vergleichs nicht unterfallen sollten. Nr. 4 des Vergleichs stellte ersichtlich eine Nr. 3 des Vergleichs vorgehende Regelung dar.

Bei der von der Beklagten geltend gemachten gegenteiligen Ansicht handelt es sich nicht um eine der Beurteilung im Kostenfestsetzungsverfahren entzogene materiellrechtliche Einwendung. Die Auslegung von in Titeln, z. B. in Vergleichen, enthaltenen Kostengrundentscheidungen gehört zu den Aufgaben des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren. Auch im Verfahren über eine Rückfestsetzung, dessen Ergebnis von der Auslegung der Kostenentscheidung eines Vergleichs abhängt, gilt dies zumindest dann, wenn auch ein streitiges Verfahren keine neuen Gesichtspunkte und Erkenntnisse erbringen könnte (Göttlich/Mümmler, a.a.O., Anm. 2.2.5 zum Stichwort "Kostenfestsetzung"). Davon ist hier auszugehen, weil sich auch die Beklagte zur Auslegung des Vergleichs vom 15. November 2001 nur auf dessen Wortlaut beruft, der aber, wie oben ausgeführt, anders verstanden werden muß.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes, der dem Betrag der Rückfestsetzung entspricht, beruht auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.






OLG Hamm:
Beschluss v. 20.06.2002
Az: 23 W 166/02


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