Sozialgericht Würzburg:
Beschluss vom 2. Februar 2010
Aktenzeichen: S 2 SF 19/09 E

(SG Würzburg: Beschluss v. 02.02.2010, Az.: S 2 SF 19/09 E)

Tenor

I. Auf die Erinnerungen der Beteiligten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.03.2009 abgeändert.

II. Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 659,17 Euro (in Worten: Sechshundertneunundfünfzig 1/10 7/100) festgesetzt.

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der der Klägerin zustehenden Gebühren nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg und das Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht. Der Bevollmächtigte vertrat die Klägerin im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (S 1 U 5030/01) und im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (L 18 U 222/04). Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Beklagte bei der Klägerin wegen eines Arbeitsunfalls von 1997 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 v. H. festzustellen hat. Das Sozialgericht Würzburg wies die Klage vom 28.06.2001 mit Urteil vom 27.04.2004 ab. Im Berufungsverfahren schlossen die Beteiligten am 19.08.2008 einen Vergleich dahingehend, dass sich die Beklagte bereit erklärte, auf den Antrag vom 18.04.2002 den Widerspruchsbescheid zu erlassen und die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu übernehmen. Am 02.09.2008 stellte der Klägerbevollmächtigte einen Kostenerstattungsantrag auf der Basis des Vergleichs vom 19.08.2008. Er machte folgende Kosten geltend:

I. Instanz:

Verfahren vor Sozialgericht § 116(1)1 620,00 EuroPauschale für Post- und Telekom.dienste § 26 20,00 EuroSchreibauslagen / Kopien § 27 102 StückAblichtungen aus Akte der Gegenseite (19.11.2003) 32,80 EuroZwischensumme netto 672,80 EuroMehrwertsteuer 16 % 107,65 EuroRechnungsbetrag 780,45 Eurohiervon ½ gemäß Vergleich 390,23 EuroII. Instanz:

Verfahren vor Landessozialgericht § 116(1)1 1.050,00 EuroPauschale für Post- und Telekom.dienste § 26 20,00 EuroSchreibauslagen / Kopien § 27 193 Stück15 Ablichtungen an Gegenseite (08.07.2004)9 Ablichtungen an Mandant (05.01.2006)6 Ablichtungen ans Gericht (24.02.2006)139 Ablichtungen aus den Gerichtsakten (08.06.2006)16 Ablichtungen ans Gericht (29.01.2007)8 Ablichtungen an Mandant (11.07.2007) 46,45 EuroFahrtkosten § 28 23 km 6.21 EuroAbwesenheitsgeld § 28 7,75 EuroZwischensumme netto 1.130,41 EuroMehrwertsteuer 19 % 214,78 EuroRechnungsbetrag 1.345,19 Eurohiervon ½ gemäß Vergleich 672,60 EuroGleichzeitig beantragte er, diese Beträge ab Antragstellung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Im Rahmen des Verfahrens hätten sich außerordentlich häufige und umfangreiche Besprechungen ergeben, die Klägerin habe, gesundheitlich bedingt, deutliche Probleme gehabt, sich konzentriert auf eine Sache zu beschränken. Dies habe die Abwicklung in enormem Maße kompliziert. Hinzu sei die Betreuerbestellung gekommen, so dass Dinge immer wieder zusätzlich mit dem Betreuer hätten abgesprochen werden müssen und seine Stellungnahme eingeholt werden müssen. Das Verfahren gehöre absolut zu den umfänglichsten. Es sei auch zu vermerken, dass der Unfall bereits zwölf Jahre zurückliege. Ein Gutachten nach § 109 SGG bedeute zusätzlichen Aufwand, was die Auswahl des Gutachters und die entsprechenden Absprachen, auch die Kostendeckung und die vom Gericht gewünschte Bereitschaftserklärung zur Übernahme angehe, schließlich natürlich was die Einbringung dieses Gutachtens und die Auseinandersetzung mit zuvor bestehenden Arztberichten angehe. Die Beklagte teilte dazu mit, dass die Ansetzung der Gebühr nach § 116 BRAGO in beiden Instanzen in der Nähe der Höchstgebühr als unbillig angesehen werde. In dem Verfahren sei es um die Einschätzung der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aus dem Unfall von 1997 gegangen. Während die Beklagte davon ausgegangen sei, dass keine zu entschädigende MdE vorliege, habe die Klägerseite auf die Anerkennung zumindest einer MdE um 10 v. H. gedrängt. In derartigen Streitfällen seien zwangsläufig Gutachten einzuholen und auszuwerten. Sie stellten somit den Durchschnittsfall dar. Besondere Schwierigkeiten würden daraus nicht erwachsen. Aus diesem Grund sei allenfalls die Mittelgebühr, die in der 1. Instanz 355 Euro und in der 2. Instanz 420 Euro betrage, als angemessen anzusehen. Diese Kosten würden im Rahmen des Vergleichs hälftig übernommen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.03.2009 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Betrag auf 852,02 Euro fest. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:

1. Instanz

Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts§ 116 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 4 BRAGO 520,00 EuroAuslagenpauschale - § 26 BRAGO 20,00 EuroFotokopiekosten- § 27 Abs. 2 BRAGO i.V.m.Nr. 9000 der Anlage 1 zum GKG 50 Seite(n) à 0,50 Euro 25,00 Euro52 Seite(n) à 0,15 Euro 7,80 Euro 527,80 Euro16 % Mehrwertsteuer - § 25 Abs. 2 BRAGO 91,65 EuroInsgesamt 644,45 Euro2. Instanz

Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts§ 116 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 4 BRAGO 810,00 EuroAuslagenpauschale - § 26 BRAGO 20,00 EuroFotokopiekosten- § 27 Abs. 2 BRAGO i.V.m.Nr. 9000 der Anlage 1 zum GKG 50 Seite(n) à 0,50 Euro 25,00 Euro143 Seite(n) à 01,5 Euro 21,45 EuroReisekosten- § 28 Abs. 2 BRAGOFahrtauslagen zum Termin am 19.08.200823 km à 0,27 Euro (Hin- und Rückfahrt) 6,21 EuroTage- und Abwesenheitsgeld- § 28 Abs. 3 BRAGO am 19.08.2008 7,75 Euro 890,41 Euro19 % Mehrwertsteuer- § 25 Abs. 2 BRAGO 169,18 EuroInsgesamt 1.059,59 EuroGesamtbetrag 1.704,04 Euro davon 5/10 laut Vergleich vom 19.08.2008 852,02 Euro

Die Gebührenbestimmung durch den klägerischen Bevollmächtigten sei unbillig und deshalb nicht verbindlich. Seine Tätigkeit habe im Verfahren der 1. Instanz aus der Einsichtnahme in die Akte der Beklagten, dem Stellen des Antrags auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG, aus Übersendung dreier verfahrensrelevanter Schriftsätze, Interpretation der sozialmedizinischen Beurteilung des eingeholten Gutachtens und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Würzburg bestanden. Unter Beachtung der Kriterien des § 12 BRAGO sei im Verfahren der 1. Instanz von einem Durchschnittsfall auszugehen. Während der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als überdurchschnittlich zu werten sei, sei bei der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit diese als unterdurchschnittlich zu werten. Gleiches gelte für die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin. Nach der vom Bundessozialgericht entwickelten Kompensationstheorie, bei der die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungsmerkmals durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungsmerkmale kompensiert werden könne, sei die Mittelgebühr für das Verfahren der 1. Instanz als angemessen anzusehen. Im Berufungsverfahren sei nach Beiziehung der Akte des Bayerischen Landessozialgerichts das dort eingeholte sozialmedizinische Gutachten interpretiert, sowie mehrere verfahrensrelevante Schriftsätze übersandt worden. Am 19.08.2008 sei die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung mit Vergleichsabschluss erfolgt. Der Großteil der weiter übersandten Schriftsätze hätte nicht das gegenständliche Verfahren betroffen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse daher als etwas über dem Durchschnitt zu werten. Gegen diesen Beschluss haben beide Beteiligte Erinnerung eingelegt.

Der Klägerbevollmächtigte trug in seiner Erinnerung vom 23.04.2009 vor, die Herabsetzung innerhalb der Bagatellgrenze von 20% sei nicht gerechtfertigt. Bei der Addition sei dem Urkundsbeamten ein Fehler unterlaufen. Die korrekte Addition der Zahlen, die er selber feststelle, laute 572,80 Euro. Die Gesamtsumme aus seinen eigenen Zahlen ergebe somit richtigerweise 664,45 Euro, nicht wie addiert 644,45 Euro. Das Berufungsverfahren habe etwa vier Jahre angedauert. Diese lange Dauer müsse sich gebührenmäßig unbedingt auswirken, weil sie entsprechende Arbeit fordere, nicht nur darin, dass man sich den früheren Vortrag immer wieder vergegenwärtigen müsse und sozusagen neu aufarbeiten müsse. Der Fall sei vom Umfang, von der Schwierigkeit, der Verantwortlichkeit, aber auch von Haftungsrisiken her jedenfalls auch hinsichtlich der Höchstgebühr vertretbar. Die Beklagte begründete ihre am 24.04.2009 eingelegte Erinnerung wie folgt: Es sei in dem Verfahren lediglich um die Anerkennung einer MdE um 10 v. H. gegangen. Der Urkundsbeamte habe im Kostenfestsetzungsbeschluss einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad angenommen. Dem werde zugestimmt. Bei der Berechnung der Verfahrensgebühr für die 1. Instanz habe er eine Aufstockung des Höchstbetrages um 50 v. H. vorgenommen, obwohl hier ein Urteil ergangen sei. Es liege kein den §§ 23, 24 BRA-GO vergleichbarer Umstand vor, der stattdessen eine Erhöhung rechtfertigen würde. In der 2. Instanz sei vom Gericht lediglich ein weiteres Gutachten eingeholt worden, das zu bewerten gewesen sei. Bei Streitigkeiten hinsichtlich der MdE seien zwangsläufig Gutachten auszuwerten. Auch hier seien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als durchschnittlich zu bewerten und die Mittelgebühr anzusetzen. Da sich der Fall über einen so langen Zeitraum hingezogen habe, habe jedenfalls nicht an dem Schwierigkeitsgrad gelegen. Der Urkundsbeamte hat den Erinnerungen nicht abgeholfen und diese dem für die Kostenentscheidungen zuständigen Kostenrichter vorgelegt. Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der genannten Akten und auf den Inhalt der Kostenakte Bezug genommen.

II. Die Erinnerungen sind zulässig. Die Erinnerung der Beklagten ist auch im Wesentlichen begründet. Wie die Beklagte und der Urkundsbeamte geht die Kammer davon aus, dass die Gebüh-renbestimmung des Klägerbevollmächtigten unbillig ist und daher durch eine gerichtliche Entscheidung zu ersetzen ist. Die Kammer folgte auch im Wesentlichen der Beurteilung des Urkundsbeamten, dass das Verfahren vor der 1. und 2. Instanz in der Gesamtschau als durchschnittlich zu bewerten sind. Zwar ist die Dauer des Verfahrens überdurchschnittlich und auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit kann als überdurchschnittlich angenommen werden. Die Bedeutung der Angelegenheit und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin sind jedoch als weit unterdurchschnittlich anzusetzen, so dass nach der vom Bundessozialgericht entwickelten Kompensationstheorie sowohl für die 1. als auch für die 2. Instanz die Mittelgebühr angemessen ist. Die Beklagte hat zu Recht gerügt, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss die Gebühr fälschlicherweise um 50 % erhöht wurde. Dies war nicht zulässig, da die 1. Instanz nicht durch Vergleich, sondern durch ein Urteil beendet wurde. Es ergibt sich somit folgende Berechnung:

1. Instanz

Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwaltes§ 116 Abs. 1 Ziff. 1 BRAGO 355,00 EuroAuslagenpauschale- § 26 BRAGO 20,00 EuroFotokopiekosten- § 27 Abs. 2 BRAGO i.V.m.Nr. 9000 der Anlage 1 zum GKG 32,80 EuroSumme 407,80 Euro16 % Mehrwertsteuer- § 25 Abs. 2 BRAGO 65,25 EuroInsgesamt 473,05 Euro2. Instanz

Gebühr für die Berufstätigkeit des Rechtsanwaltes§ 116 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 4 BRAGO 630,00 EuroAuslagenpauschale- § 26 BRAGO 20,00 EuroFotokopiekosten- § 27 Abs. 2 BRAGO i.V.m.Nr. 9000 der Anlage 1 zum GKG 46,45 EuroReisekosten- § 28 Abs. 2 BRAGO 6,21 EuroTage- und Abwesenheitsgeld- § 28 Abs. 3 BRAGO 7,75 EuroSumme 710,41 Euro19 % Mehrwertsteuer- § 25 Abs. 2 BRAGO 134,88 EuroInsgesamt 845,29 EuroGesamtbetrag 1.318,34 EuroDavon 5/10 laut Vergleich vom 19.08.2008 659,17 Euro

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. Ein Rechtsmittel ist nicht zulässig (§ 197 Abs. 2, Halbs. 2 SGG).






SG Würzburg:
Beschluss v. 02.02.2010
Az: S 2 SF 19/09 E


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