Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. April 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 54/99

(BPatG: Beschluss v. 03.04.2000, Az.: 30 W (pat) 54/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der IR-Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 29. Mai 1998 und 18. Dezember 1998 aufgehoben, soweit der eingetragenen Marke für die Dienstleistung "Transmission de messages et d« images assistee par ordinateur" der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert worden ist.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die IR-Marke 657 068 siehe Abb. 1 am Endebeansprucht Schutz für die Bundesrepublik Deutschland für die Waren und Dienstleistungen:

"9 Logiciels informatiques, peripheriques d'ordinateur; cartes electroniques de communication; logiciels informatiques sur support papier.

38 Transmission de messages et d'images assistee par ordinateur.

42 Programmation sur ordinateur"

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1993 für die Waren

"Kraftfahrzeuge und deren Teile"

eingetragenen Marke 2 034 385 Boxsterund der seit 10. Mai 1995 für die Waren

"Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Parfümzerstäuber, Puderdosen; Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel; photographische, optische Kontrollinstrumente; Brillen; Videospiele, Musikkasetten, Compact Discs, Videofilme; Taschenlampen; Fahrräder; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte Gegenstände, nämlich Modellautos; Juwelierwaren, Uhren und andere Zeitmeßinstrumente; Anstecknadeln und -knöpfe; Bücher, Zeitschriften, Aufkleber, Druckschriften, Schreibwaren, Schreibmappen und -papier, Spielkarten, Büroartikel, nämlich Bürogeräte (ausgenommen Möbel) und Büromaschinen (soweit in Klasse 16 enthalten); Leder und Lederimitationen, soweit in Klasse 18 enthalten, Gürtel, Reise- und Handkoffer, Golfsäcke, Regenschirme, Sonnenschirme, Spazierstöcke; kleine handbetätigte Haus- und Küchengeräte (nicht aus Edelmetall oder plattiert), Kämme, Bürsten, Staubsauger und handbetätigte Reinigungsgeräte für Automobile, Haushaltswaren aus Glas, Porzellan und Steingut; Picknickkörbe; Bett- und Tischdecken, Textilstoffe; Bekleidungsstücke einschließlich Schuhe; Spiele, Spielzeug, Turn-. und Sportartikel (mit Ausnahme von Bekleidungsstücken), soweit in Klasse 28 enthalten; Bonbons und Schokolade; Weine, Spirituosen und Liköre; Aschenbecher, Visitenkarten- und Zigarettenetuis (nicht aus Edelmetall oder plattiert), Feuerzeuge, Tabaksbeutel, Pfeifen, Streichhölzer"

eingetragenen Marke 394 01 738 Boxster.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, der international registrierten Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert. Zur Begründung ist ausgeführt, angesichts der Identität der Vergleichsmarken und zumindest durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken wiesen die sich gegenüberstehenden Waren keinen derartigen Abstand auf, um eine Verwechslung mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen zu können. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke 2 034 385 sei zu berücksichtigen, daß Warenverzeichnisse älterer Marken am technischen Fortschritt teilnehmen müßten und moderne Bordcomputer einschließlich der erforderlichen Software wesensbestimmend für die Sachgesamtheit "Hochleistungskraftfahrzeug" seien. Daher gebe es zwischen den sich insoweit gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen hinreichende technische und wirtschaftliche Berührungspunkte, die der Annahme eines größeren Warenabstands entgegenstünden. Dies gelte auch hinsichtlich der Waren der Widerspruchsmarke 394 01 738.

Die Markeninhaberin hat Beschwerde erhoben. Sie stützt diese darauf, daß die in den angefochtenen Beschlüssen angeführten "Bordcomputer" nicht Waren der Klasse 12, für die allein die Marke 2 034 385 Schutz genieße, seien, sondern grundsätzlich in die Klasse 9 gehörten. Es könnten nicht alle Waren, die in einem modernen Kraftfahrzeug eingebaut sind, als Teile von Kraftfahrzeugen in Klasse 12 angesehen werden. Eine Ähnlichkeit bestehe nicht, jedenfalls nicht hinsichtlich der Dienstleistungen der angegriffenen Marke. Auch die im Widerspruchszeichen 394 01 738 enthaltenen "Videospiele" wiesen keine Berührungspunkte mit den Waren der Klasse 9 der angegriffenen Marke auf, da sie getrennt von den dort aufgeführten Computerprogrammen angeboten würden. Im übrigen werde die Benutzung für "Teile von Kraftfahrzeugen" hinsichtlich der Widerspruchsmarke 2 034 385 bestritten.

Die Markeninhaberin beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Widersprüche zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, die Widerspruchsmarke 2 034 385 werde auch für Kfz-Teile, nämlich zB für Einstiegsblenden benutzt. Die Marke verfüge aufgrund ihrer Bekanntheit über einen erweiterten Schutzumfang. Die vom schutzsuchenden Zeichen in Anspruch genommenen Waren der Klasse 9 seien den Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen ähnlich. Insbesondere Computersoftware sei in einem modernen Kraftfahrzeug ein wesentlicher und den Stand der Technik bestimmender Bestandteil. Nicht anders verhalte es sich mit den Dienstleistungen der Klasse 38, die auf die Waren der Widersprechenden (beispielsweise eines "Navigators" in einem hoch technisierten Kraftfahrzeug) bezogen seien. Auch die Dienstleistung der Klasse 42 werde ohne weiteres der Widersprechenden zugerechnet, da die Erstellung entsprechender Software dem Kraftfahrzeughersteller obliege, in dessen Händen nach der Vorstellung der Verbraucher auch die maßgebliche Qualitätsverantwortung liege. Eine Ähnlichkeit bestehe auch im Verhältnis zur Widerspruchsmarke 394 01 738, da die darin geschützten "Videospiele" nichts anderes seien als Software, für welche die Markeninhaberin in Klasse 9 und der entsprechenden Dienstleistung der Klasse 42 Schutz beanspruche. Gleiches gelte für die geschützten "Videofilme", die ebenfalls Software und gleichzeitig das Ergebnis der in Klassen 38 und 42 geschützten Dienstleistungen seien. Diese Dienstleistungen sowie die in Anspruch genommenen Waren der Klasse 9 seien auf die geschützten Waren der Widersprechenden bezogen und dienten einem identischen Verwendungszweck.

Zur Glaubhaftmachung der Benutzung hat die Widersprechende eidesstattliche Erklärungen vom 10. November 1999 und 24. März 2000 sowie Informationsmaterial vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Es besteht lediglich bezüglich der Waren der Klasse 9 und der Dienstleistung der Klasse 42 des angegriffenen Zeichens Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz. Hinsichtlich der Dienstleistung der Klasse 38 kann demgegenüber eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden.

1. Bezüglich des Widerspruchszeichens 394 01 738 ist Markenidentität gegeben. Zugrunde zu legen ist eine normale Kennzeichnungskraft des Widerspruchszeichens, da Anhaltspunkte, die in eine andere Richtung weisen, nicht ersichtlich sind (eine Steigerung der Kennzeichnungskraft hat die Widersprechende nur bezüglich der Marke 2 034 385 behauptet). Bei dieser Ausgangslage kann eine Verwechslungsgefahr nur verneint werden, wenn die einander gegenüberstehenden Waren/Dienstleistungen untereinander absolut unähnlich sind oder zumindest einen besonders hohen Abstand zueinander aufweisen. Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Waren der Klasse 9 und der Dienstleistungen der Klasse 42 der angegriffenen Marke nicht vor.

Zwischen den Waren "logiciels informatiques" der IR-Marke und den "Videospielen" in der Widerspruchsmarke besteht zumindest eine enge Warenähnlichkeit, da es sich bei derartigen Videospielen im Ergebnis um speziell ausgestaltete Softwareprogramme handelt.

Die weiteren Waren "peripheriques d«ordinateur, cartes electroniques" stehen mit den Waren "Videospiele" ebenfalls in einem Ähnlichkeitsverhältnis. Denn die Anbieter spezieller Hardware für den EDV-Bereich bieten in nicht unbedeutendem Umfang auch entsprechende Computerprogramme separat oder zusammen mit den entsprechenden Geräten im Sinne einer Gesamtlösung an. Eine Differenzierung zwischen Software und Hardware ist damit unter dem Gesichtspunkt der Warenähnlichkeit nicht veranlaßt (BPatG PAVIS PROMA, Knoll, 30 W (pat) 243/93 - SAT MARKT/SAT).

Die Waren logiciels informatiques sur support papier" sind mit den "Druckschriften" in der Widerspruchsmarke identisch.

Zwischen den Dienstleistungen der Klasse 42 in der angegriffenen Marke und "Videospielen" besteht ebenfalls noch eine Ähnlichkeit. Zwar bestehen grundlegende Abweichungen zwischen der Erbringung einer Dienstleistung und der Herstellung bzw dem Vertrieb einer körperlichen Ware. Die Waren "Videospiele" als spezielle Softwareerzeugnisse sind aber der genannten Dienstleistung in der angegriffenen Marke ähnlich, weil in vielen Fällen dasselbe Unternehmen Datenverarbeitungsprogramme erstellt und sie sodann auf Datenträgern festgehalten in den Verkehr bringt. Die beteiligten Verkehrskreise werden daher bei den hier vorliegenden identischen Marken den Eindruck haben, die Programmerstellung und das fertige Programm stammten von demselben Unternehmen (BPatG PAVIS, Knoll, 29 W (pat) 131/94 - MacPrint/MACPAINT).

Demgegenüber sind die Dienstleistungen der Klasse 38 der angegriffenen Marke und die Waren des Widerspruchszeichens 394 01 738 nicht ähnlich. In Betracht kommt wiederum nur eine Ähnlichkeit mit den Waren "Videospiele". Gegen eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit spricht zunächst der - ausgeführte - zwischen der Erbringung einer unkörperlichen Dienstleistung und der Herstellung bzw dem Vertrieb einer körperlichen Ware bestehende Unterschied. Vorliegend stehen die Waren "Videospiele" mit der Dienstleistung der Klasse 38 auch nicht in einem Zusammenhang in der Weise, daß das Produkt "Videospiel" als Ergebnis der Dienstleistung "Datenübermittlung" im angegriffenen Zeichen angesehen werden kann. Vielmehr stehen sich die beiden Bereiche (abgesehen von dem Sonderfall einer Vernetzung der Spieler durch das Internet) weitgehend zusammenhanglos gegenüber. Das einzig verbindende Element, nämlich der Einsatz von Datentechnik, genügt angesichts der Omnipräsenz der elektronischen Datenverarbeitung für die Annahme einer Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne nicht. Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von der Entscheidung des 29. Senats (PAVIS PROMA, Kliems, 29 W (pat) 138/97 - NETline/NETLINE). In dem dort entschiedenen Fall stand die Dienstleistung der "Telekommunikation" elektronischen Geräten der Klasse 9 allgemein gegenüber, deren Anwendungsbereich nicht - wie hier bei den Videospielen - auf einen von der Dienstleistung verschiedenen Bereich beschränkt war, sondern mit dieser auch eine deutliche Verzahnung aufweisen konnte.

2. Hinsichtlich der Waren des Widerspruchszeichens 2 034 385 und der nur noch relevanten Dienstleistung der Klasse 38 in der angegriffenen Marke besteht ebenfalls keine Ähnlichkeit, so daß es auf die Frage, ob dieser Marke gesteigerter Schutz zugebilligt werden kann, nicht ankommt.

Zwar trifft es zu, daß Anlagen der Datenübertragung und mithin die Dienstleistung der Klasse 38 zunehmend auch auf dem Kfz-Sektor von Bedeutung sind. Die Widerspruchsmarke umfaßt jedoch mit den Waren "Kraftfahrzeuge" eine Sachgesamtheit, die nur dann mit den darin eingebauten Einzelteilen ähnlich ist, wenn diese einzelnen Bestandteile nach der Verkehrsauffassung bestimmend für das Wesen der Sachgesamtheit sind und vom Verkehr als selbständige Ware des Herstellers der Sachgesamtheit gewertet werden (BPatG PAVIS PROMA, Knoll, 32 W (pat) 20/96 - ROBOCON/Robostop). Entgegen der Auffassung der Widersprechenden können Datenübertragungseinrichtungen wie entsprechende "Navigatoren" nicht als wesensbestimmend für den Bereich der Kraftfahrzeuge angesehen werden. Vielmehr handelt es sich dabei um Geräte, die zwar in erster Linie auf dem Fahrzeugsektor anzutreffen sind, das entsprechende Kraftfahrzeug aber nicht ausmachen, sondern ein Ausstattungselement neben vielen anderen sind.

Bezüglich der weiteren Widerspruchswaren "Kraftfahrzeugteile" hat die IR-Markeninhaberin in zulässiger Weise die Nichtbenutzungseinrede erhoben. Die Widersprechende hat durch zwei eidesstattliche Erklärungen die Benutzung für "Einstiegsblenden" glaubhaft gemacht. Zwischen diesen damit zugrunde zu legenden Spezialwaren, die im Gegensatz zu elektronischen Geräten der Bordelektronik nicht den Bereich der Klasse 9 berühren, und den Dienstleistungen der Klasse 38 besteht aber ebensowenig wie zu den "Kraftfahrzeugen" eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit.

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin sind daher die angegriffenen Beschlüsse insoweit aufzuheben, als der IR-Marke auch für die Dienstleistungen der Klasse 38 der Schutz verweigert worden ist. Im übrigen ist die Beschwerde ohne Erfolg.

Eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG) ist nicht veranlaßt.

Dr. Buchetmann Sommer Schrammbr/prö

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/30W(pat)54-99.1.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 03.04.2000
Az: 30 W (pat) 54/99


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