Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 30. April 2015
Aktenzeichen: 5 K 143.13

(VG Berlin: Urteil v. 30.04.2015, Az.: 5 K 143.13)

Tenor

Es wird festgestellt, dass

die Anordnungen vom 11. April 2012 und 10. Januar 2013 sowie der Widerspruchsbescheid vom 4. April 2013, die Anordnungen vom 31. Juli 2013 und vom 29. April 2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014,

die Anordnung vom 8. September 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014,

die Anordnung vom 29. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2015

rechtswidrig waren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 3/8, der Beklagte 5/8.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die 1972 geborene Klägerin steht als Polizeiobermeisterin im Dienst des Beklagten. Sie ist seit dem 12. Dezember 2011 dienstunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 11. April 2012 teilte der Polizeipräsident in Berlin der Klägerin mit, dass eine polizeiärztliche Untersuchung veranlasst worden sei, da die Klägerin dem Dienst wegen Erkrankung fern bleibe, und dass sie den vom Referat Ärztlicher Dienst noch mitzuteilenden Untersuchungstermin wahrnehmen müsse. Dem Schreiben war eine Aufstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten ab September 2007 mit einer Anlage beigefügt, die Angaben zu den Ärzten und zu deren Fachrichtungen nebst Anschriften und Telefonnummern enthielt. Unter dem 26. November 2012 bat der Ärztliche Dienst die Klägerin um Vorsprache am 10. Januar 2013.

Gegen die Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung und die Terminsmitteilung legte die Klägerin Widerspruch ein. Außerdem forderte sie den Beklagten auf, die Aufstellung der Namen der Ärzte mit Fachrichtung aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten. Gleichwohl erschien die Klägerin zum Untersuchungstermin und ließ sich untersuchen.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2013 teilte der Polizeipräsident der Klägerin unter anderem mit, dass die Voraussetzung für die Prüfung ihrer Dienstfähigkeit aufgrund der langen Erkrankung erfüllt sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 10. Januar 2013 verwiesen.

Der Polizeipräsident stellte mit Schreiben an die Klägerin vom 16. Januar 2013 fest, dass diese aktuell nicht dienstfähig sei, mit der Dienstaufnahme jedoch innerhalb der folgenden sechs Monate zu rechnen sei. Die Dienstaufnahme sei in stufenweiser Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell durchzuführen, ein entsprechender Wiedereingliederungsplan sei durch den behandelnden Privatarzt auszustellen. Gegen diese Aufforderung legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2013 stellte der Polizeipräsident das Widerspruchsverfahren gegen die Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung vom 11. April 2012 ein und wies im Übrigen die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Bei der Aufforderung zur polizeiärztlichen Untersuchung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Die innerdienstliche Weisung, sich untersuchen zu lassen, habe sich mit der Wahrnehmung des Untersuchungstermins erledigt. Die Rechtsgrundlage für die Erhebung personenbezogener Daten sei § 84 Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz (LBG), die Rechtsgrundlage für die separate Auflistung der in der Krankenakte enthaltenen Daten über die Krankheitszeiten sowie Namen und Fachrichtungen der behandelnden Ärzte zum Zwecke der Übermittlung an den Polizeiärztlichen Dienst sei § 88 Abs. 1 Satz 3 LBG. Der Widerspruch gegen die Auflage, einen Wiedereingliederungsplan durch den behandelnden Privatarzt beizubringen, sei bereits unzulässig, da es sich bei der Aufforderung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine unselbständige Verfahrenshandlung handele. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 4. April 2013 Bezug genommen.

Unter dem 31. Juli 2013 ordnete der Polizeipräsident eine weitere polizeiärztliche Untersuchung der Klägerin an, ohne einen konkreten Termin mitzuteilen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 31. Juli 2013 verwiesen. Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 bat der Ärztliche Dienst die Klägerin um Vor-sprache am 11. April 2014. Die Klägerin nahm den Termin nicht wahr.

Mit Schreiben vom 29. April 2014 ordnete der Polizeipräsident € Bezug nehmend auf die Anordnung vom 31. Juli 2013 € erneut eine polizeiärztliche Untersuchung der Klägerin für den 13. Juni 2014 an. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 29. April 2014 verwiesen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und strengte ein vor der hiesigen Kammer ohne Erfolg gebliebenes gerichtliches Eilverfahren (Beschluss vom 11. Juni 2014 - VG 5 L 135.14 -) an. Den Untersuchungstermin nahm die Klägerin wahr.

Der Ärztliche Dienst stellte als Untersuchungsergebnis fest, dass die Klägerin weiterhin dienstunfähig erkrankt sei und eine achtwöchige Therapie in einer Klinik geplant sei. Im Anschluss daran werde eine Wiederholungsuntersuchung empfohlen.

Mit Schreiben vom 8. September 2014 teilte der Polizeipräsident der Klägerin mit, dass er entsprechend der Empfehlung des Ärztlichen Dienstes eine erneute polizeiärztliche Untersuchung veranlasst habe. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 stellte der Polizeipräsident das Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Widerspruchs gegen die Anordnungen der polizeiärztlichen Untersuchungen im Schreiben vom 31. Juli 2013 in Gestalt des Schreibens vom 29. April 2014 ein und wies den Widerspruch gegen die Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung im Schreiben vom 8. September 2014 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es sei nicht Sache der Verwaltung darüber verbindlich zu entscheiden, ob eine erledigte Weisung rechtswidrig gewesen sei. Die Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung vom 8. September 2014 sei rechtmäßig, da insbesondere die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts eingehalten seien. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 verwiesen.

Der Polizeipräsident forderte die Klägerin sodann mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 erfolglos auf, sich am 5. Dezember 2014 beim Ärztlichen Dienst zur Untersuchung einzufinden. Zudem machte er Ausführungen zu Art und Umfang der Untersuchung und kündigte eine psychiatrische Exploration an. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 29. Oktober 2014 verwiesen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 teilte der Polizeiärztliche Dienst der Klägerin mit, dass eine polizeiärztliche Untersuchung nunmehr am 13. Februar 2015 stattfinde. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und erschien nicht zum Untersuchungstermin.

Den von der Klägerin gegen die Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung vom 29. Oktober 2014 eingelegten Widerspruch stellte der Polizeipräsident mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2015 ein. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Den Widerspruch der Klägerin gegen die Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung vom 18. Dezember 2014 wies der Polizeipräsident mit Bescheid vom 19. Januar 2015 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Weisung sei rechtmäßig. Hinsichtlich Art und Umfang der Untersuchung sei zunächst eine psychiatrische Exploration vorgesehen. Danach werde ggf. eine körperliche Untersuchung und ggf. der Einsatz von Testpsychologie erfolgen. Darüber hinaus wies der Polizeipräsident auf die seit dem 12. Dezember 2011 andauernde erkrankungsbedingte Dienstunfähigkeit hin, die Anlass für die Anordnung sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015 verwiesen.

Schließlich ordnete der Polizeipräsident mit Schreiben vom 16. Februar 2015 eine polizeiärztliche Untersuchung für den 3. März 2015 an, zu welcher die Klägerin nicht erschien. Hinsichtlich der geplanten Untersuchungen führte der Polizeipräsident wie im Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015 entsprechend aus. Das hiergegen von der Klägerin angestrengte Widerspruchsverfahren stellte der Polizeipräsident mit Bescheid vom 24. März 2015, geändert am 30. April 2015, ein. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 16. Februar 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 24. März 2015 verwiesen.

Die Klägerin hat am 30. April 2013 Klage erhoben und diese mehrfach erweitert.

Die Klägerin meint, bei den Anordnungen der polizeiärztlichen Untersuchung handele es sich um Verwaltungsakte. Zwar sei Erledigung eingetreten, jedoch bestehe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit, da mit weiteren Anordnungen zu rechnen sei. Die Anordnungen seien rechtswidrig gewesen, da der Beklagte die Klägerin nicht angehört habe und nicht die Mindesterfordernisse einer Begründung erfüllt habe. Er habe insbesondere nicht ausgeführt, dass aufgrund der Erkenntnisse, welche er aus der Dienstunfallangelegenheit habe, davon auszugehen sei, es könnte Dienstunfähigkeit vorliegen, welche die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit binnen der Prognosefrist nicht rechtfertige. Auch müsse der Dienstherr Art und Umfang der Untersuchungen darlegen und dürfe dies nicht dem untersuchenden Arzt überlassen, damit sich die Beamtin entsprechend darauf einstellen könne bzw. prüfen könne, ob das Ermessen zutreffend ausgeübt worden sei. Die Anlage zur Aufstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten mit Name, Adresse und Telefonnummer der behandelnden Ärzte sei aus der Personalakte zu entfernen, da keine Rechtsvorschrift existiere, welche es dem Beklagten erlauben würde, die aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über Jahre hinweg gesammelten Einzeldaten in einem gesonderten Datenverzeichnis zu sammeln.

Die Klägerin hat ursprünglich unter anderem angekündigt zu beantragen, unter Aufhebung des Bescheids des Polizeipräsidenten in Berlin vom 16. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 4. April 2013 festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, zum Zwecke der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (€Hamburger Modell€), einen Wiedereingliederungsplan durch den behandelnden Privatarzt ausstellen zu lassen. Insoweit haben die Beteiligten im Termin vom 30. April 2015 den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1.den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Polizeipräsidenten in Berlin vom 10. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 4. April 2013 zu verpflichten, die Anlage zur Aufstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten mit Stand 11. April 2012 aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten,2.festzustellen, dassdie Anordnungen vom 11. April 2012 und vom 10. Januar 2013 ein-schließlich des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2013,

die Anordnungen vom 31. Juli 2013 und vom 29. April 2014 einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2014,

die Anordnung vom 8. September 2014 einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2014,

die Anordnung vom 29. Oktober 2014 einschließlich des Widerspruchs-bescheids vom 5. Januar 2015,

die Anordnung vom 18. Dezember 2014 einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 sowie

die Anordnung vom 16. Februar 2015 einschließlich des Widerspruchs-bescheids vom 20. März 2015

rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt auf die Ausführungen in den Widerspruchbescheiden Bezug und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Bei den Daten über die Krankheitszeiträume und die Namen und Fachrichtungen der krankschreibenden Ärzte handele es sich um personenbezogene Daten der Klägerin, deren Verwendung auf der gesetzlichen Grundlage des § 50 Satz 4 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) i.V.m. § 84 Abs. 1 LBG erfolge. Die Auflistung der Facharztrichtungen gehöre zu den Personalaktendaten der Klägerin i.S.d. § 50 Satz 2 BeamtStG.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, den Inhalt der Streitakte, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 30. April 2015 sowie die vom Beklagten im Verfahren eingereichten Vorgänge (Widerspruchsvorgang, Personalakten, Gesundheitsakte) verwiesen, welche vorgelegen haben, und € soweit wesentlich € Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und im Rahmen der Ent-scheidungsfindung berücksichtigt worden sind.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

Die Klage ist insbesondere auch zulässig, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Anordnungen der polizeiärztlichen Untersuchung rechtswidrig waren.

Die statthafte Klageart ist insoweit die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da es sich bei der Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer zur Wahrung der Rechtseinheit folgt, nicht um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 -, juris Rn. 14; Urteil vom 30. Mai 2013, - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 16; Beschluss vom 10. April 2014, - BVerwG 2 B 80.13 -, juris Rn. 17; BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 2000 - BVerwG 1 DB 13.00 -, juris Rn. 21; a.A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2014, - OVG 4 S 13.14 -, unveröffentlicht).

Ungeachtet dessen sind die Anordnungen einer gesonderten Überprüfung zugänglich. Insbesondere kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, den etwaigen Erlass eines Zurruhesetzungsbescheids abzuwarten. Zwar können nach § 44a VwGO Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen in der Regel nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können.

Diese Ausnahme ist hier einschlägig. Bei der behördlichen Anordnung zur polizeiärztlichen Untersuchung handelt es sich um eine vollstreckbare behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO. Als gemischte dienstlich-persönliche Weisung regelt die Untersuchungsanordnung einen einzelnen Schritt in dem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 -, juris Rn. 15). Zwar ist die Anordnung einer polizeiärztlichen Untersuchung nicht mit Zwangsmitteln im engeren Sinne vollstreckbar, da die unvertretbare Handlung, sich vom Polizeiarzt untersuchen zu lassen, mangels Verwaltungsaktsqualität nicht mittels Zwangsgeldes durchgesetzt werden kann. Jedoch ist € jedenfalls bei aktiven Beamten € auch die Möglichkeit einer Sanktionierung mit disziplinarischen Mitteln als Vollstreckung im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO anzusehen (so auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 3 CF 15.172 -, juris Rn. 14; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. Februar 2015 - 2 A 10458/14 -, juris Rn. 26 ff.; VG Berlin, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - VG 26 L 301.14 -, juris Rn. 3; VG Berlin, Beschluss vom 23. Februar 2015, - VG 5 L 52.15 -, unveröffentlicht). Denn auch die drohende Sanktionierung mittels des Disziplinarrechts bewirkt einen ähnlichen Zwang wie ein Zwangsgeld bei unvertretbaren Handlungen: In beiden Fällen soll durch eine drohende Sanktionierung, sei sie finanzieller Art (Zwangsgeld) oder dienstrechtlicher Art (Disziplinarrecht), auf die Willensbildung des Betroffenen eingewirkt werden, um die Befolgung der behördlichen Verfahrenshandlung zu erzwingen.

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes, fortwirkendes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnungen, obgleich sich die jeweiligen Anordnungen durch Verstreichenlassen des Termins bzw. zweimalig durch Befolgung der Anweisung erledigt haben. Das berechtigte Interesse schließt dabei jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 -, juris Rn. 20).

Ein solches Interesse besteht hier jedenfalls im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr, da sich bislang keine gefestigte behördliche Praxis bei der Anordnung einer polizeiärztlichen Untersuchung herausgebildet hat und weitere Weisungen in der hier zu beurteilenden Art konkret zu befürchten sind. Dies hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt.

Soweit zweimalig eine polizeiärztliche Untersuchung € einschließlich einer psychiatrischen Untersuchung € stattgefunden hat, besteht ein Feststellungsinteresse, weil mit einer unfreiwilligen ärztlichen Untersuchung naturgemäß auch eine besonders empfindliche Beeinträchtigung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 22) und des durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dieses Recht schützt vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, auch die seelische Verfassung und den Charakter des Einzelnen (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, zuletzt: Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 1 BvR 1572.10 -, juris Rn. 14 m.w.N.).

Soweit die Klägerin der Aufforderung, sich polizeiärztlich untersuchen zu lassen, nicht nachgekommen ist, ist die gerichtliche Überprüfung der Anordnungen auch im Hinblick auf etwaige Disziplinarmaßnahmen geboten. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die Klägerin bei Nichtbefolgung einer dienstlichen Weisung disziplinarrechtlich belangt wird, grundsätzlich unabhängig davon, ob sich diese Weisung im Nachhinein als rechtmäßig oder rechtswidrig herausstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 2 BvR 1925/06 -, juris Rn. 16).

Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Aktenbereinigung unbegründet (1.), hinsichtlich der Untersuchungsanordnungen im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet (2.).

1. Die mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Personalaktenbereinigung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entfernung der Anlage zur Aufstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten, die Angaben zu den behandelnden Ärzten, deren Fachrichtung, Anschriften und Telefonnummern enthielt. Die Ablehnung der Entfernung der fraglichen Aufstellungen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Kammer verweist insoweit auf die zutreffenden Gründe des Urteils der 26. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin (Urteil vom 26. Juni 2014 - VG 26 K 77.13 -, juris) und macht sich diese zu Eigen. Die Gründe werden nachfolgend wie folgt zusammengefasst wiedergegeben:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Personalaktenbereinigung in Form der Entfernung der streitbefangenen Aufstellung. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 89 Abs. 1 LBG. Nach dieser Vorschrift sind Unterlagen über Beschwerden, Behauptungen und Bewertungen, auf die § 1 i.V.m. § 16 Abs. 4 und 4 Satz 1 des Disziplinargesetzes nicht anzuwenden ist, 1. falls sie sich als unbegründet oder falsch erwiesen haben, mit Zustimmung des Beamten unverzüglich aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten, 2. falls sie für den Beamten ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, auf Antrag nach einem Jahr zu entfernen und zu vernichten (Satz 1). Unterlagen, die nicht Personalaktendaten sind und deren Aufnahme in die Personalakten deshalb unzulässig war, sind mit Zustimmung des Beamten unverzüglich zu entfernen (Satz 4).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Bei der streitbefangenen Aufstellung handelt es sich nicht um eine Unterlage über Beschwerden, Behauptungen oder Bewertungen, die für die Klägerin ungünstig ist oder ihr nachteilig werden könnte. Die Bestimmung erfordert nämlich, dass die Beschwerde, Behauptung oder Bewertung den Vorwurf eines jedenfalls objektiv pflichtwidrigen Verhaltens enthalten muss (vgl. VG Berlin, Urteil vom 26. Juni 2014 - VG 26 K 77.13 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Dies ist bei der Aufstellung von Tatsachen, die sich ärztlichen Attesten entnehmen lassen, wie der Dauer der bescheinigten Dienstunfähigkeit oder der Name des ausstellenden Arztes, aber nicht der Fall.

Dass Unterlagen der hier in Frage stehenden Art nicht unter § 89 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG fallen, wird bestätigt durch den Umstand, dass der Berliner Gesetzgeber mit dem Dienstrechtsänderungsgesetz vom 19. März 2009 Unterlagen über Erkrankungen aus den in § 90 Abs. 2 Satz 1 LBG aufgeführten Unterlagen herausgenommen hat, die (nur) fünf Jahre in der Personalakte aufzubewahren sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Abghs.-Drs. 16/2049 S. 127) erfolgte die Streichung des Begriffs €Erkrankungen€ seinerzeit, €um eine aufwändige Datenbereinigung nach Ablauf des Fünf-Jahreszeitraums zu vermeiden€. Auch der Berliner Gesetzgeber hat demnach keine Bedenken gehabt, derartige Unterlagen aus verwaltungsökonomischen Gründen dauerhaft in der Personalakte zu belassen (VG Berlin, Urteil vom 26. Juni 2014, - VG 26 K 77.13 -, juris Rn. 20).

Ebenso wenig ergibt sich der geltend gemachte Entfernungsanspruch aus § 89 Abs. 1 Satz 4 LBG. Denn bei den in Frage stehenden Daten handelt es sich um Personalaktendaten im Sinne von § 50 Satz 2 BeamtStG. Die den ärztlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin entnommenen Daten stehen mit dem Dienstverhältnis der Klägerin in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang. Denn aus ihnen gehen Zeiträume hervor, in denen die Klägerin wegen einer ärztlich attestierten Erkrankung oder wegen eines Beschäftigungsverbots keine Pflicht zur Dienstleistung traf; Name, Anschrift und Fachrichtung des ausstellenden Arztes stehen einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis, weil diese Daten unerlässlich sind, um den ausstellenden Arzt zu identifizieren und so die seitens des Dienstherrn geforderte Beweisfunktion der Dienstunfähigkeitsbescheinigung zu erfüllen. Die Form, in der diese Daten fixiert sind, ist für die Frage ihres Charakters als Personalaktendaten grundsätzlich unerheblich.

Die Verwendung (s. hierzu Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 17. April 2013 - VG 7 K 7.13 -, juris Rn. 20) der in den ärztlichen Attesten enthaltenen Personalaktendaten bei der Erstellung der streitbefangenen Liste widerspricht auch nicht § 50 Satz 4 BeamtStG, wonach Personalaktendaten nur für Zwecke der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft verwendet werden dürfen, und ist auch nicht aus anderen Gründen unverhältnismäßig. Die Zusammenfassung dient der effizienten und zügigen Vorbereitung und der Durchführung von amtsärztlichen Untersuchungen und damit Zwecken der Personalverwaltung. Die Maßnahme ist auch geeignet, erforderlich und angemessen. Selbst die dauerhafte Aufbewahrung von Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und von Aufstellungen, die den Inhalt der Bescheinigungen zusammenfassen, ist angesichts des nicht tief greifenden Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre der Klägerin sowie des rechtlichen und tatsächlichen Schutzes dieser Daten einerseits sowie ihres Nutzens für eine effektive Personalverwaltung andererseits angemessen.

Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG, wonach Unterlagen, aus denen die Art einer Erkrankung ersichtlich ist, unverzüglich zurückzugeben sind, wenn sie für den Zweck, zu dem sie vorgelegt worden sind, nicht mehr benötigt werden. Bei der streitgegenständlichen Aufstellung handelt es sich nicht um eine Unterlage, die die Klägerin vorgelegt hat und die deshalb wieder an sie €zurückzugeben€ ist.

Weitere Möglichkeiten, die Entfernung von Personalaktendaten aus der Personalakte zu verlangen, eröffnen die Vorschriften des Landesbeamtengesetzes über die Personalakte nicht, denn die bereichsspezifischen Sonderregelungen in den §§ 84 ff. LBG sind abschließend (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 18. September 2008 - BVerwG 2 B 36.08 -, juris Rn. 6). Da die Bestimmungen der §§ 84 ff. LBG abschließend sind, ergibt sich ein Entfernungsanspruch der Klägerin auch nicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 BDSG.

2. Die Untersuchungsanordnungen vom 18. Dezember 2014 einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 sowie vom 16. Februar 2015 sind rechtmäßig, im Übrigen sind die Anordnungen rechtswidrig.

Rechtsgrundlagen für die Aufforderung an einen Beamten, sich polizeiärztlich untersuchen zu lassen sind § 59 Abs. 1 Satz 3, § 39 Abs. 1 Satz 2 LBG.

Gemäß § 59 Abs. 1 LBG dürfen Beamte dem Dienst nicht ohne Genehmigung des Dienstvorgesetzten fernbleiben. Dienstunfähigkeit infolge Krankheit ist unverzüglich anzuzeigen und auf Verlangen nachzuweisen. Auf Aufforderung ist die Dienstunfähigkeit durch einen von der Dienstbehörde bestimmten Arzt bestätigen zu lassen. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LBG ist der Beamte verpflichtet, sich nach Weisung der Dienstbehörde durch einen von dieser bestimmten Arzt untersuchen zu lassen, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit des Beamten bestehen.

Damit ist zwar grundsätzlich eine gesetzliche Ermächtigung des Polizeipräsidenten gegeben, die Klägerin aufgrund ihrer krankheitsbedingten Fehlzeiten und der daraus resultierenden Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen.

Eine Untersuchungsanordnung muss jedoch zusätzlich wegen der mit ihr verbundenen Eingriffe in die grundrechtsbewehrte persönliche Sphäre des Beamten nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmten inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen. So muss aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft sein, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen. Davon ist auszugehen, wenn Umstände vorliegen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte naheliegende Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 -, juris Rn. 19; Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 19; Beschluss vom 10. April 2014, - BVerwG 2 B 80.13 -, juris Rn. 9).

In formeller Hinsicht muss die Anordnung aus sich heraus verständlich sein. Der betroffene Beamte muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 A 4.78 -, juris Rn. 27; Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 -, juris Rn. 20). Insbesondere darf die Behörde nicht nach der Überlegung vorgehen, der Betroffene werde schon wissen, €worum es gehe". Dem Beamten bekannte Umstände müssen in der Anordnung von der zuständigen Stelle zumindest so umschrieben sein, dass für den Betroffenen ohne Weiteres erkennbar wird, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 -, juris Rn. 20). Ferner muss die Aufforderung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Arzt überlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Beamte einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 22). Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, welche ärztlichen Untersuchungen geboten sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 23).

Bei der Prüfung der Begründungsanforderungen ist nur auf die Begründung derjenigen Schreiben abzustellen, die dem Beamten noch vor dem jeweiligen Untersuchungstermin zugegangen sind. Eine nachträgliche Heilung eines Mangels im Behörden- oder Gerichtsverfahren ist nicht möglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 -, juris Rn. 21; Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 21; Beschluss vom 10. April 2014 - BVerwG 2 B 80.13 -, juris Rn. 9).

Gemessen an diesen Maßstäben erfüllen die streitgegenständlichen Untersuchungsanordnungen nur teilweise die Anforderungen.

Die Anordnung im Schreiben vom 11. April 2012 ist nicht hinreichend begründet. Es fehlt jedenfalls an Ausführungen zu Art und Umfang der geplanten Untersuchung. Die ergänzenden Ausführungen im Schreiben vom 10. Januar 2013 und in dem erst nach dem Untersuchungstermin vom 10. Januar 2013 ergangenen Widerspruchsbescheid vom 4. April 2013 sind zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht heranzuziehen, da diese Schreiben erst auf den Tag der Untersuchung bzw. danach datieren.

Entsprechendes gilt für die Anordnungen vom 31. Juli 2013, vom 29. April 2014 und vom 8. September 2014 einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2014. Auch insoweit fehlt es jedenfalls an Ausführungen zu Art und Umfang der geplanten Untersuchungen.

Die Anordnung vom 29. Oktober 2014 betreffend den Untersuchungstermin vom 5. Dezember 2014 einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 5. Januar 2015 ist ebenfalls rechtswidrig. Das Schreiben des Polizeipräsidenten vom 29. Oktober 2014 enthält zwar erstmalig Ausführungen zur geplanten Untersuchungsmethode. Gleichwohl fehlen Ausführungen zum Anlass der erneuten Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung, insbesondere fehlen die Darlegungen der bisherigen Krankheitszeiten und etwaige Folgerungen hieraus. Nicht ausreichend ist die Bezugnahme in der Betreffzeile auf das Schreiben vom 8. September 2014, da dieses ebenso wenig Ausführungen zum Anlass der Anordnung enthält. Zwar war der Klägerin zwischenzeitlich der Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 zugegangen. Jedoch reicht die Vermutung, die Klägerin habe schon gewusst, €worum es gehe€, nicht aus. Unvollständige Bezugnahmen in den Schreiben wirken sich daher im Ergebnis zu Lasten des Beklagten aus. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2015 können nicht herangezogen werden, da der Untersuchungstermin bereits für den 5. Dezember 2014 festgesetzt worden war.

Die Anordnung vom 18. Dezember 2014 betreffend den Untersuchungstermin vom 13. Februar 2015 einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 ist rechtmäßig. Das Schreiben des Polizeiärztlichen Dienstes vom 18. Dezember 2014 genügt zwar für sich genommen nicht den Anforderungen an eine hinreichende Begründung. Da der Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidenten vom 19. Januar 2015 der Klägerin jedoch noch rechtzeitig vor dem Termin am 13. Februar 2015 zugegangen ist, sind auch die darin gemachten Ausführungen zu würdigen. Soweit die Klägerin meint, dass die Anordnung nur dann rechtmäßig sei, wenn Ausführungen zum Anlass der Anordnung und zu Art und Umfang der Untersuchung in einem Schreiben enthalten sind, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Sinn und Zweck der Begründungsanforderungen ist es, dem Beamten zu ermöglichen, anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachzuvollziehen und zu prüfen, ob die angeführten Gründe tragfähig sind (vgl. BVerwG Beschluss vom 10. April 2014 - BVerwG 2 B 80.13 -, juris Rn. 9; Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 -, juris Rn. 20, 21). Dieser Zweck, die hinreichende Transparenz und Verständlichkeit der dienstlichen Weisung für den Beamten, ist auch dann noch erfüllt, wenn der Dienstherr seine Begründung in einem weiteren, dem Beamten rechtzeitig vor dem angesetzten Untersuchungstermin zugegangenen Schreiben ergänzt. In dem Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015 teilte der Polizeipräsident der Klägerin zu Art und Umfang der polizeiärztlichen Untersuchung mit, dass zunächst eine psychiatrische Exploration vorgesehen sei. Diese bestehe in Fragen nach dem Befinden, der Biographie, auch des Suchtmittelverhaltens und anderer körperlicher Beschwerden. Danach werde ggf. eine körperliche Untersuchung und ggf. der Einsatz von Testpsychologie erfolgen. Ob und welche konkreten Verfahren eingesetzt würden, entscheide sich während der psychiatrischen Exploration. Gleiches gelte für eine Blutentnahme oder eine Urinuntersuchung. Teilweise könne dies auch zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden.

Aufgrund dieser Ausführungen war der Klägerin hinreichend deutlich, welche Untersuchungen geplant bzw. möglich waren und was sie im Rahmen dieser Unter-suchungen erwarte. Eine weitere Konkretisierung € über die Grundzüge der ge-planten Untersuchung hinaus € in Gestalt einer Mitteilung über die konkrete Untersuchungsmethode unter Einbeziehung der zu erwartenden Diagnose bzw. in Gestalt des Ausschlusses einiger Untersuchungen kann nicht verlangt werden. Dem Dienstherrn wird es regelmäßig nicht möglich sein, eine Diagnose und die damit einher-gehenden konkreten Untersuchungsmethoden vor der eigentlichen Untersuchung und vor dem ärztlichen Anamnesegespräch festzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 A 4.78 -, juris Rn. 27). Auch liegt kein Sachverhalt vor, in dem der Beamte an mehreren physischen und psychischen Erkrankungen leidet und vom Dienstherrn insoweit eine Konkretisierung hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen werden müsste. Auch der Anlass für die Anordnung der polizeiärztlichen Untersuchung ist im Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015 hinreichend verständlich dargestellt. Der Beklagte führt diesbezüglich insbesondere wie folgt aus: Die Klägerin sei bereits mit früheren Schreiben auf ihre seit dem 12. Dezember 2011 € mithin nunmehr über drei Jahre € andauernde erkrankungs-bedingte Dienstunfähigkeit hingewiesen worden. Dieser Krankheitszeitraum deute auf eine gewisse Schwere und Intensität der Krankheit hin und vermittle so ge-wichtige Indizien, die bei vernünftiger, lebensnaher Einstellung durchaus die erst-hafte Besorgnis als plausibel erscheinen lasse, die Klägerin sei dienstunfähig. Mit diesem Hinweis seien die der Klägerin bekannten Hintergründe in der Weise umschrieben, dass für sie ohne weiteres erkennbar sei, welches Ereignis € hier die nach allen erkennbaren Sachverhaltsumständen allein in Betracht kommende Dauererkrankung € zur Begründung der Aufforderung herangezogen werde.

Diese Ausführungen geben der Klägerin ein hinreichend schlüssiges Bild der Beweggründe des Dienstherrn. Angaben zu den rechtlichen Schlussfolgerungen mit Blick auf ein mögliches Zurruhesetzungsverfahren bedurfte es insoweit nicht. Denn die ärztliche Untersuchung soll es gerade ermöglichen, die mit den rechtlichen Konsequenzen verbundenen Fragestellungen zu klären (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2014 - OVG 4 S 13.14 -, unveröffentlicht, Abdruck S. 5).

Auch die Anordnung vom 16. Februar 2015 ist rechtmäßig, da sie den Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung genügt. Der Klägerin wird der Anlass der Anordnung hinreichend konkret mitgeteilt. Der Polizeipräsident nimmt auf die ununterbrochene Krankheitszeit seit dem 12. Dezember 2011 Bezug und macht damit deutlich, dass er die Dauererkrankung der Klägerin zum Anlass nimmt, deren Dienstfähigkeit ärztlich überprüfen zu lassen. Auch führt der Polizeipräsident hinreichend € entsprechend der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 € zu Art und Umfang der erforderlichen polizeiärztlichen Untersuchung aus. Auf obige Ausführungen wird insoweit verwiesen.

Die Kostenscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dem Beklagten waren insoweit die Kosten aufzuerlegen. Die Klage hätte voraussichtlich Erfolg gehabt, weil es für die Aufforderung, einen Wiedereingliederungsplan für das €Hamburger Modell€ durch den behandelnden Privatarzt auszustellen, keine Rechtsgrundlage gibt. Das ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht (mehr) streitig. Angesichts der unklaren Formulierung im Schreiben vom 16. Januar 2013 und im Widerspruchsbescheid vom 4. April 2013 hatte die Klägerin Anlass zur Klageerhebung.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 Satz 1, 2 ZPO.

Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage des Rechtsschutzes gegen eine Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung war bislang noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Auch wird die Verwaltungsaktsqualität von Obergerichten teilweise bejaht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2014 - OVG 4 S 13.14 -, unveröffentlicht, Abdruck S. 2). Schließlich hat die genaue Bestimmung des Regelungsgehalts der Vorschriften des Landesbeamtengesetzes über die Entfernung von Personalaktendaten grundsätzliche Bedeutung und ist soweit ersichtlich obergerichtlich noch nicht erfolgt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

40.000,00 Euro

festgesetzt.






VG Berlin:
Urteil v. 30.04.2015
Az: 5 K 143.13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bbf5d8b7b053/VG-Berlin_Urteil_vom_30-April-2015_Az_5-K-14313




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