Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. November 2003
Aktenzeichen: 34 W (pat) 313/03

(BPatG: Beschluss v. 20.11.2003, Az.: 34 W (pat) 313/03)

Tenor

Das Patent 100 47 265 wird widerrufen.

Gründe

I Gegen das am 24. Oktober 2002 veröffentlichte deutsche Patent 100 47 265 hat die Firma I...-W...-Maschinen KG in L..., Einspruch ein- gelegt.

Das Patent umfasst vier Patentansprüche.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

Verfahren zum Herstellen von Strands, wonach Holzbretter zu einem Schnittholzpaket zusammengelegt und anschließend zu Strands zerspant werden, dadurch gekennzeichnet, dass Holzbretter beliebiger Herkunft und Dicke sowie größerer Länge als Breite unter Bildung eines eng gepackten Schnittholzpaketes gestapelt und dann zu Strands zerspant werden.

Ansprüche 2 und 3 sind auf Anspruch 1 rückbezogen.

Der erteilte Anspruch 4 lautet:

Vorrichtung zum Zerspanen von Schnittholzpaketen zu Strands, mit einem Langholzzerspaner (1), zB Messerringzerspaner, und einer Holzzuführungseinrichtung (2) mit einer Beschickeinrichtung (3) dadurch gekennzeichnet, dass der Beschickeinrichtung (3) eine Stapelstation (4) für Holzbretter vorgeordnet ist.

Im Verfahren sind ua folgende Entgegenhaltungen:

D1 DE 197 27 127 C1 D2 DE 195 04 030 C1.

Die Einsprechende hat vorgetragen, das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4 des Streitpatents seien gegenüber dem Stand der Technik nicht neu bzw beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Merkmale der Unteransprüche seien bekannt oder handwerklicher Art.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten: Ansprüche 1 - 4 vom 20. November 2003, ggfs. mit anzupassender Beschreibung und Zeichnung gemäß Patentschrift.

Die Patentinhaberin sieht die Patentfähigkeit als gegeben an. Die Druckschrift D1 liege weiter ab, da sie Furnierstreifen betreffe. Zwischen Furnierstreifen und Strands bestünden jedoch wesentliche Unterschiede. Der Stand der Technik gebe keine Anregung, Bretter unterschiedlicher Provenienz, also aus verschiedenen Stämmen hergestellte Bretter, zu einem Schnittholzpaket zu stapeln und dann zu zerspanen.

Wegen Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und wegen des Wortlauts der Unteransprüche wird auf die Akte und die Streitpatentschrift verwiesen.

II.

Der Einspruch ist zulässig.

A.

Zum Hauptantrag:

1. Anspruch 1 des Streitpatents lässt sich folgendermaßen gliedern:

a Verfahren zum Herstellen von Strands, b wonach Holzbretter zu einem Schnittholzpaket zusammengelegtc und anschließend zu Strands zerspant werden, dadurch gekennzeichnet, d dass Holzbretter beliebiger Herkunfte und beliebiger Dickef sowie größerer Länge als Breiteg unter Bildung eines eng gepackten Schnittholzpaketes gestapelth und dann zu Strands zerspant werden.

2. Die Streitpatentschrift selbst gibt keine Definition des Begriffs "Strands", sondern stellt dies in das Wissen des Fachmanns. Als zuständiger Fachmann ist hier ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Holztechnik anzusehen, der im Bereich der Holzwerkstoffindustrie arbeitet.

Zum präsenten Wissen dieses Fachmanns gehört, dass "Strands" flache Holzspäne größerer Abmessungen sind, aus denen durch Zusammenfügen unter Zugabe von Leim und anschließendem Verpressen Holzerzeugnisse wie Bretter, Platten oder Balken hergestellt werden können. Derartige Holzerzeugnisse werden unter verschiedenen Bezeichnungen im Handel geführt, wie zB "Strandboards", "Kompositbalken", "Structural Lumber Products" oder "Oriented Strand Boards". Typische Größen der verwendeten flachen Späne bzw. Strands sind: 200 - 350 mm Länge (in Faserrichtung) und quer dazu eine Breite und Dicke zwischen 1 und 15 mm.

Als Beleg für dieses Wissen des Fachmanns wird beispielhaft auf die in der Streitpatentschrift gewürdigte DE 195 04 030 C1 (D2) verwiesen, s insbesondere deren Sp 1 Abs 3. In der Schrift, die im Streitpatent als Ausgangspunkt für die Bildung des Oberbegriffs des Anspruchs 1 genannt ist, ist darüber hinaus auch als bekannt dargestellt, dass Strands mit bestimmter Formgebung, nämlich solche mit definierter Breite, Länge und Dicke, erzeugt und für die Herstellung derartiger Holzerzeugnisse wie Bretter oder Balken eingesetzt werden, s Sp 1 Abs 4 der D2.

3. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist nicht neu. Ein Verfahren mit allen Merkmalen des Anspruchs ist der Druckschrift DE 197 27 127 (D1) zu entnehmen. Die Entgegenhaltung zeigt ein Verfahren zum Herstellen von Strands, vgl Merkmal a. Zwar taucht in der Druckschrift der Begriff "Strands" nicht auf. Jedoch versteht der Fachmann die in der Entgegenhaltung beschriebenen "schmalen Furnierstreifen" als Strands, nämlich als Strands mit bestimmter Formgebung, dh zumindest mit definierter Breite und Länge. Nach der Offenbarung der Schrift werden Holzbretter zu einem Schnittholzpaket zusammengelegt und anschließend zu den Furnierstreifen bzw. Strands zerspant, s Anspruch 1 der D1. Ein Zusammenlegen der Holzbretter zu einem Schnittholzpaket ist zumindest schon dann gegeben, wenn nach der Aufteilung eines Baumstamms durch vertikale Trennschnitte in Bretter das mit den Trennschnitten versehene, in Bretter aufgeteiltes Schnittholzpaket um 90¡ gewendet wird, vgl Ansprüche 6 und 7. Damit liegen die Merkmale b und c des Anspruchs 1 des Streitpatents vor. In Übereinstimmung mit Merkmalen f bis h werden dazu Holzbretter größerer Länge als Breite unter Bildung eines eng gepackten Schnittholzpaketes gestapelt, s Fig 1, und dann zu Furnierstreifen bzw. Strands zerspant, s Anspruch 1 der D1. Hierbei ist schon bei mit ihren Flachseiten aufeinanderliegenden Brettern davon auszugehen, dass diese unter Bildung eines eng gepackten Schnittholzpaketes gestapelt sind, wie in Merkmal g gefordert. Die Holzbretter sollen nach Merkmalen d und e des Anspruchs 1 des Streitpatents ferner von beliebiger Herkunft und Dicke sein, dh sie können auch von einem Stamm und von gleicher Dicke sein, wie in der D1 in Fig 1 gezeigt.

4. Mit Patentanspruch 1 fallen auch Patentansprüche 2 bis 4, vgl BPatGE 16, S 130 f.

B.

Zum Hilfsantrag:

1. Anspruch 1 nach Hilfsantrag lautet (geänderte oder eingefügte Teile sind unterstrichen):

Verfahren zum Herstellen von Strands, wonach Holzbretter zu einem Schnittholzpaket zusammengelegt und anschließend zu Strands zerspant werden, dadurch gekennzeichnet, dass Einzelbretter unterschiedlicher Herkunft und beliebiger Dicke sowie größerer Länge als Breite unter Bildung eines eng gepackten Schnittholzpaketes gestapelt und dann in einem Langholzzerspaner zu Strands zerspant werden.

In Anspruch 2 wurde nach "Zerspanungsraum" die Wortfolge "einer Zerspanungsanlage z.B." gestrichen. In Anspruch 4 wurde nach dem Wort "Strands" die Wortfolge "nach einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3" eingefügt.

2. Bezüglich der Zulässigkeit der Ansprüche 1 bis 4 nach Hilfsantrag bestehen keine Bedenken. Die geänderten oder eingefügten Merkmale sind der Streitpatentschrift entnehmbar. Die Streichung der Wortfolge "einer Zerspanungsanlage z.B." führt zu einer Beschränkung des Anspruchs 2.

Die ursprüngliche Offenbarung ist gegeben.

3. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag ist nicht neu.

Anspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass Merkmal d statt auf Holzbretter beliebiger Herkunft auf "Einzelbretter unterschiedlicher Herkunft" gerichtet ist und in Merkmal h die Angabe "in einem Langholzzerspaner" eingefügt wurde.

In der zum Anspruch 1 nach Hauptantrag schon genannten Druckschrift DE 197 27 127 C1 (D1) ist dargestellt, dass Holz an Trennwerkzeugen vorbeigeführt wird, wodurch Bretter erzeugt werden, s Fig 1 iVm Sp 3 Z 34 bis 44. Die erzeugten Bretter sind offensichtlich Einzelbretter.

Nach der Terminologie der Streitpatentschrift ist eine "unterschiedliche Herkunft" dann gegeben, wenn das zu zerspanende Schnittholzpaket Holz nicht nur von einem bzw nicht nur von demselben Baumstamm enthält, s Streitpatentschrift Abs 0003 und 0004. Ebendies offenbart auch die Druckschrift D1, denn nach ihrer Lehre können zur Bildung eines Schnittholzpaketes auch mehrere Baumstämme gleichzeitig verarbeitet werden, s Anspruch 2 oder Sp 2 Abs 2.

Auch das abgeänderte letzte kennzeichnende Merkmal, wonach die Bretter in einem Langholzzerspaner zerspant werden, ist der D1 zu entnehmen. Die Entgegenhaltung zeigt ua in Fig 1 einen Langholzzerspaner.

4. Mit Patentanspruch 1 fallen auch Patentansprüche 2 bis 4 nach Hilfsantrag.

Dr. Barton Dr. Frowein Ihsen Schwarz Bb






BPatG:
Beschluss v. 20.11.2003
Az: 34 W (pat) 313/03


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