Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 10. Februar 2005
Aktenzeichen: I-2 U 155/00

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 10.02.2005, Az.: I-2 U 155/00)

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. Oktober 2000 verkündete Ur-teil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 2/3 und die Beklagten 1/3 zu tragen; dies gilt nicht für die Urteilsgebühr; diese wird in vollem Umfang der Klägerin auferlegt.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000,-- Euro abzuwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,-- Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch selbstschuldnerische Bürg-schaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank o-der öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zum 30. November 2003 102.258,38 Euro (200.000,-- DM), seit dem 1. Dezember 2003 153.387,56 Euro (300.000,-- DM) und seit dem 16. Dezember 2004 102.258,38 Euro (200.000,-- DM).

Gründe

Die Berufung der Klägerin gegen das angefochtene Urteil ist zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dass es eine Übereinstimmung der angegriffenen Schalungsteile der Ausführungsformen I und II mit der Lehre der Klageschutzrechte verneint und die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Leistung einer angemessenen Entschädigung nicht für gegeben erachtet hat, ist nicht zu beanstanden.

I.

Die Erfindung nach den Klageschutzrechten betrifft Schalungsteile aus feinkörnigem Material mit Faserverstärkung, die - als sog. verlorene Schalungsteile - in Betonfertigteile wie z.B. Balkonplatten integriert werden und wegen ihrer geschlossenen und sauberen Oberfläche die Sichtfläche des Fertigteils bilden.

Die Klageschutzrechte (Klagegebrauchsmuster: S. 3, Zeilen 12 bis 21; Klagepatent: Spalte 1, Zeilen 5 bis 15) bezeichnen derartige Schalungsteile als bekannt und führen in diesem Zusammenhang aus, Betonfertigteile würden üblicherweise mit einer Wassernase versehen, um das Kriechen von Regenwasser - nämlich an der Unterseite des Betonfertigteils entlang zur Hauswand hin - zu unterbinden. Die Klagepatentschrift (Spalte 2, Zeilen 16 bis 20) nennt in diesem Zusammenhang die französische Patentanmeldung 2 645 565 (Anlage K 4) und die US-Patentschrift 4 222 503 (Anlage K 5), die derartige Schalungselemente und ihre Herstellung betreffen; sie kritisiert an diesem Stand der Technik, dort müsse die Wassernase nachträglich hergestellt werden (Spalte 2, Zeilen 16 bis 20). Hierzu muss die Wassernase beispielsweise nach dem Aushärten des Betons ausgestemmt oder -gefräst werden; in der - auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift erwähnten - französischen Patentanmeldung 2 643 010 (Anl. NK 1 zu Anl. CCP 2) wird vorgeschlagen, in die noch nicht ausgehärtete Oberfläche des Fertigteils einen länglichen Stab einzudrücken (Anl. NK 1, Fig. 1 - 3; vgl. a. BPatG, Anl. K 17, S. 9, Abs. 2). In der US-Patentschrift 4 223 502 wird vorgeschlagen, zur Herstellung eines Betonkörpers zwischen einzelne plattenförmige Schalungselemente Gummidichtungen einzulegen, um ein Verlaufen der Gießmasse auf die Vorderseite des Bauteils zu verhindern (Anl. K 5, Fig. 7 u. Spalte 3, Zeilen 60 bis 65; vgl.a. BPatG, a.a.O., S. 9, Abs. 3).

Beide Klageschutzrechte bezeichnen es als Aufgabe der Erfindung, bei Verwendung der genannten Schalungsteile die Wassernase in kostengünstiger Weise herzustellen. Da Anspruch 1 ein Sachanspruch und kein Verfahrensanspruch ist, wird der angesprochene Durchschnittsfachmann - als den das Bundespatentgericht zutreffend den Meister oder Fachhochschulingenieur mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Herstellung von Betonfertigteilen ansieht (vgl. a.a.O., S. 8, Abs. 2) - die von der in Anspruch 1 beschriebenen Vorrichtung objektiv gelöste Aufgabe darin sehen, das Schalungsteil so auszubilden, dass die Wassernase bei seiner Verwendung, d.h. bei der Herstellung des Betonfertigteils unter Verwendung des Schalungsteils (die nicht gleichzusetzen ist mit der vorausgehenden Herstellung des Schalungsteils selbst) in kostengünstiger Weise hergestellt werden kann.

Das so bezeichnete technische Problem soll nach Anspruch 1 beider Klageschutzrechte durch eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen gelöst werden:

1. Es handelt sich um ein Schalungsteil, das

a) aus faserverstärktem, feinkörnigem Material besteht,

b) in ein Betonfertigteil eingegossen wird und

c) die Sichtfläche des Betonfertigteils bildet.

2. An der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton wird an der Unterseite eine Wassernase ausgespart.

3. Zu diesem Zweck weist das Schalungsteil an der Nahtstelle zum Beton an seiner Unterseite ein der Form der Wassernase entsprechendes Profil auf.

4. Das Profil besteht aus gummielastischem, an dem Schalungsteil haftendem Material.

Nach der Beschreibung der Klageschutzrechte (Klagepatentschrift: Spalte 1, Zeile 52 bis Spalte 2, Zeile 9; Klagegebrauchsmusterschrift: S. 4, Zeilen 12 bis 23) wird das in Figur 1 gezeigte Schalungsteil in der Weise hergestellt, dass in die Form (4) mit den oberen und unteren Begrenzungsteilen (5, 6) das Profil (2) eingelegt wird und dass sodann zunächst Feinzement und anschließend faserverstärktes Material in die Form eingespritzt und verdichtet werden.

Die Vorgabe der Merkmale 2 und 3, die Wassernase an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem anzugießenden Beton auszusparen und hierzu das Schalungsteil an ebendieser Nahtstelle mit einem der Form der Wassernase entsprechenden Profil zu versehen, ist aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns wörtlich zu nehmen. Schon nach dem allgemeinen und von den Klageschutzrechten insoweit übernommenen Sprachgebrauch soll die Aussparung bzw. Wassernase dort liegen, wo das Material des Schalungsteils und der angegossene Beton des Betonfertigteils aufeinander treffen und so eine Naht bilden. Diese Naht soll innerhalb der Aussparung zwischen Schalungsteil und Betonfertigteil liegen (vgl. Anl. K 15.2 - NB 1 zur Erwiderung auf die Nichtigkeitsklage) und nicht seitlich versetzt dazu. Das ergibt sich schon daraus, dass die schutzrechtsgemäße Lösung mit den vorstehenden Merkmalen ein "fertiges" Schalungsteil betrifft, ohne dass es darauf ankommt, nach welchem Verfahren das Schalungsteil hergestellt wird, und es dem Durchschnittsfachmann überlassen bleibt, ob er bei der Herstellung des Schalungsteils so verfährt, wie es die vorstehend wiedergegebene Beschreibung der Klageschutzrechte hinsichtlich des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 darstellt und das Schalungsteil im Guss- oder Spritzverfahren produziert und das in den Merkmalen 3 und 4 genannte Profil schon vor der Herstellung des Schalungsteils in die dafür bestimmte Form einlegt oder ob er ein anderes Herstellungsverfahren wählt. Anspruch 1 beider Klageschutzrechte beschreibt das erfindungsgemäße Schalungsteil in demjenigen Zustand, in dem es auf dem Schalungstisch mit dem anzugießenden Beton des nunmehr herzustellenden Betonfertigteils verbunden wird. Die kostengünstige Herstellbarkeit der Wassernase unter Verwendung des erfindungsgemäßen Schalungsteils ergibt sich daraus, dass der Aufwand für die Formgebung der Wassernase minimiert wird. Es braucht nur am betonseitigen Rand des Schalungsteils eine Aussparung vorgesehen zu werden, die auf die zum Festhalten des Profils notwendige Größe begrenzt werden kann. Aufwändige Maßnahmen wie das Eindrücken eines Stabes in den noch weichen Beton oder das Ausstemmen oder Ausfräsen aus dem schon ausgehärteten Beton werden dadurch vermieden. Die Wassernase entsteht im wesentlichen durch Arbeitsschritte, die bei der Verbindung des Schalungsteils mit dem anzugießenden Beton des Fertigteils ohnehin anfallen.

Da das - aus dem (allein) geschützten Schalungsteil und dem daran angegossenen Beton bestehende - Betonfertigteil als Ganzes erst hergestellt werden kann, wenn das erfindungsgemäße Schalungsteil bereits vollständig fertig ist, an welches nämlich anschließend der Beton angegossen wird, erkennt der Durchschnittsfachmann ohne weiteres, dass das zur Herstellung der Wassernase an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton dienende Profil eine - der Form der Wassernase entsprechende (so Merkmal 3) - Gestaltung auch in dem Bereich aufweisen muss, der auf der Seite des anzugießenden Betons liegt und die Ausformung des vom Beton gebildeten Teiles der Wassernase bewirkt.

Bestätigt in dieser Einschätzung wird der Durchschnittsfachmann durch die bereits erwähnte Darstellung in Figur 1 und die Beschreibung des Ausführungsbeispiels (Klagepatentschrift Spalte 1, Zeile 46 bis Spalte 2, Zeile 37; Klagegebrauchsmusterschrift S. 4, Zeile 4 bis S. 5, Zeile 20). Zwar ist die dort beschriebene Herstellung des Schalungsteils selbst eine Besonderheit des Ausführungsbeispiels, auf die sich die allgemeinere Lehre des Anspruches 1 nicht beschränkt. Die dort erörterte Einbeziehung des Schalungsteils mitsamt seinem Profil in die Schalung des dann herzustellenden Betonfertigteils und das Integrieren des Schalungsteils beim Gießen des Fertigteils bringen jedoch auch den Kern der Erfindung zum Ausdruck, die Wassernase und das Profil in den Rand des Schalungsteils zu integrieren, damit die Wassernase beim Angießen des Fertigteilbetons vervollständigt wird, so dass die Nahtstelle in dieser Wassernase zu liegen kommt und so "unsichtbar gemacht" wird. Nicht zuletzt weil ein allgemeiner Teil der Beschreibung fehlt, wird der Durchschnittsfachmann diesen Ausführungen den Kern der Erfindung entnehmen.

Der Durchschnittsfachmann erkennt weiterhin, dass auch die in der Klagepatentschrift (Spalte 1, Zeilen 16 bis 20) am Stand der Technik geübte Kritik, bei den bekannten Schalungsteilen müsse die Wassernase nachträglich angebracht werden, noch nicht vollständig ausgeräumt ist, wenn bei der Herstellung des Schalungsteils seitlich zur späteren Nahtstelle eine Aussparung für die Wassernase mittels Einlegen eines Profils vorgesehen wird. In Kenntnis der auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift angegebenen französischen Patentanmeldung 2 643 010 hat es für ihn nahe gelegen, eine Wassernase schon vor der Verbindung des Schalungsteils mit dem Betonfertigteil am Schalungsteil vorzusehen. Zwar ist dort kein gummielastisches Profil als Platzhalter für eine Aussparung vorgesehen, das dort gelehrte Eindrücken der Wassernase mittels eines Stabes in den noch weichen Beton ist aber derart umständlich, dass sich das Vorsehen einer Aussparung unter Verwendung eines Platzhalters schon bei der Herstellung des Schalungsteils geradezu aufdrängte. In dieser Maßnahme erschöpft sich die Lehre des Anspruches 1 jedoch nicht. Für sie ist wesentlich, dass das gummielastische Profil erst und gerade bei der Verbindung des Schalungsteils mit dem anzugießenden Beton des Betonfertigteils besondere Funktionen zu erfüllen hat. Es soll verhindern, dass bei der Herstellung des Fertigteils Beton oder Flüssigbeton in die Aussparung eindringt, die nach dem Entfernen des Profils als Wassernase dienen soll. Das ist dem Durchschnittsfachmann ohne weiteres klar und wird ihm auch in der Beschreibung vor Augen geführt (Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 9 bis 17; Klagegebrauchsmusterschrift, S. 4, Zeilen 29 bis 37).

Zwar gehört es nicht zu den Vorteilen der in Anspruch 1 der Klageschutzrechte beschriebenen Lösung - und dementsprechend auch nicht zur Funktion des zum Freihalten der Wassernase verwendeten Profils - eine absolut zuverlässige Abdichtung zur Oberfläche des Schalungstisches hin zu bewirken, damit beim Angießen des Betons keinerlei "Kriechen des Zements in den Sichtbereich des Schalungsteils" (vgl. Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 21 bis 24; Klagegebrauchsmusterschrift, S. 5, Zeilen 4 bis 7) hinein stattfindet. Eine besondere Ausgestaltung des Profils, die das vermeidet, ist nicht Inhalt des Anspruches 1 der beiden Klageschutzrechte, sondern erst des Unteranspruches 2 und des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 2, wo gelehrt wird, das Profil an seiner Unterseite mit Stegen auszustatten, die geringfügig über die Unterseite des Schalungsteiles vorstehen. Auch wenn die Beschreibung (Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 17 bis 29; Klagegebrauchsmusterschrift, S. 5, Zeilen 1 bis 11) zunächst auf diese Besonderheit abstellt, hat der Durchschnittsfachmann jedoch keinen Anlass zu der Annahme, im Rahmen des Anspruches 1 sei das Problem des kriechenden Zements und die Abhilfe mittels einer Dichtung ohne Relevanz. Er wird die in Anspruch 2 beschriebenen und in Figur 2 gezeigten Stege vielmehr als besonders geeignetes Mittel ansehen, um Unebenheiten auf dem Schalungstisch für das Betonfertigteil auszugleichen. Selbstverständlich ist für ihn aber, dass diese Beschreibungsstelle im Übrigen allgemein die Funktion des gummielastischen Profils erläutert; sie ist das einzige Mittel, das ein Kriechen des Zements in den Sichtbereich des Schalungsteils vermeiden kann und muss. Ein Kriechen des Zements in den Sichtbereich des Schalungsteils kann aber nur dadurch vermieden werden, dass das Profil, wie es in Figur 1 dargestellt wird, genau an der Nahtstelle angebracht wird und nicht seitlich versetzt an der Unterseite des Schalungsteils in dessen Sichtbereich.

Berücksichtigt der Durchschnittsfachmann, dass einerseits Anspruch 1 beider Klageschutzrechte das Verfahren zur Herstellung des erfindungsgemäßen Schalungsteils nicht vorschreibt und auch zulässt, extrudierte Schalungsteile zu verwenden, bei deren Herstellung das Profilteil nicht als Platzhalter zum Aussparen der Wassernase dient, andererseits aber Merkmal 3 zusammen mit Merkmal 4 die Anweisung gibt, ein solches Profil noch an dem fertigen Schalungsteil an der Nahtstelle zum Beton vorzusehen, so bedeutet das zwangsläufig, dass das Profil in jedem Fall und in erster Linie beim Angießen des Betons an das zuvor hergestellte erfindungsgemäße Schalungsteil benötigt wird, indem es nämlich gerade bei diesem Schritt zur Herstellung des Betonfertigteils als Platzhalter für die Wassernase dient, die nach der Herstellung des Schalungsteils nur zum Teil fertiggestellt ist, nämlich dort, wo das in Merkmal 3 vorgegebene Profil eingelegt ist, und die erst nach dem Angießen des Fertigteilbetons an das Schalungsteil vollständig hergestellt worden ist. Dementsprechend bezeichnen es sowohl die Klagegebrauchsmuster- (S. 3, Zeilen 23 bis 25) als auch die Klagepatentschrift (Spalte 1, Zeilen 24 bis 26) als Problemstellung der Erfindung, die Wassernase in kostengünstiger Weise bei Verwendung der genannten Schalungsteile - nämlich zum anschließenden Gießen des Betonfertigteils - herzustellen. Auch damit ist für den Durchschnittsfachmann klar gesagt, dass die komplette Wassernase erst mit der Herstellung des gesamten Betonfertigteils, in das das erfindungsgemäße Schalungsteil integriert wird, aber noch nicht während der vorausgehenden Fertigung des erfindungsgemäßen Schalungsteils erzeugt werden soll. Der in der Klagepatent- und in der Klagegebrauchsmusterschrift nicht ausdrücklich angesprochene, aber vom Durchschnittsfachmann dennoch sofort erkannte wesentliche Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass die Stoßstelle, an der der anzugießende Beton auf das Material des schon vorhandenen Schalungsteils trifft, nicht nur in die Wassernase verlegt wird und damit den Blicken des Betrachters in aller Regel entzogen wird, sondern auch, dass das Profil an seiner dem anzugießenden Beton zugewandten Seite für eine im wesentlichen saubere und glattflächige Ausbildung der Naht ohne nennenswerte Überstände und vorquellende Betonreste sorgt, während die Stoßstelle bei einem Angießen außerhalb der Wassernase an der Unterseite des Fertigteils von außen sichtbar bleibt und eine glattflächige Ausbildung durch andere Maßnahmen sichergestellt werden müsste.

Der Durchschnittsfachmann mag sich überlegen, dass der Zement, wenn die Aussparung für das Profil auf der Unterseite des Schalungsteils seitlich versetzt zur Nahtstelle liegt, nur bis zur Kante des Profils über die Sichtfläche des Schalungsteils kriechen kann. Auch wenn dieser Bereich im Einzelfall verhältnismäßig schmal ausfällt, sind für den Durchschnittsfachmann die Nachteile gegenüber der schutzrechtsgemäßen Lösung, bei der die Nahtstelle allein im Erstreckungsbereich der Aussparung liegt, offensichtlich. So bringt eine Nahtstelle außerhalb der Wassernase die Gefahr mit sich, dass der flüssige Zement im Bereich bis zum Profil nicht gleichmäßig am Schalungsteil haftet und der Sichtbereich unsaubere Stellen aufweist, wie sie in Anlage K 7 gezeigt werden; demgemäß sieht der Durchschnittsfachmann auch die Gefahr, dass die Zementschicht an diesen Stellen wieder abplatzen kann. Darüber hinaus ist es unvermeidlich, dass sich am Rand der Wassernase eine durchaus sichtbare Kante oder Nahtstelle zwischen dem Material des Schalungsteils und der Zementschicht bildet, die beim Gießen des Betonfertigteils bis zum Profil vorgedrungen ist. Auch dies gilt es zu vermeiden, was der Durchschnittsfachmann der Beschreibung (Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 24 bis 29; Klagegebrauchsmusterschrift, S. 5, Zeilen 6 bis 11) entnimmt, die aus seiner Sicht auch insoweit nicht nur Besonderheiten des Ausführungsbeispiels, sondern in allgemeiner Form auch dasjenige erläutert, was die technische Lehre der Klageschutzrechte anstrebt.

II.

Die technische Lehre des Anspruches 1 ist bei den noch streitbefangenen Ausführungsformen I und II nicht verwirklicht.

Eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale 2 und 3 scheitert daran, dass die Wassernase nicht an, sondern außerhalb und neben der Nahtstelle zwischen Schalungsteil und anzugießendem Beton angeordnet ist.

Die Merkmale 2 und 3 werden insoweit auch nicht in äquivalenter Form benutzt. Es fehlt ein Ersatzmittel für das nicht verwirklichte Merkmal an der Nahtstelle. Dass die Wassernase außerhalb der Nahtstelle, aber praktisch unmittelbar neben ihr liegt, ist ein solches Ersatzmittel nicht, weil es sowohl an der Gleichwirkung nach Aufgabe und Lösung als auch an der Gleichwertigkeit fehlt. Zwar kann auch ein von der Sichtfläche aus gesehen vor der Nahtstelle zum Fertigteilbeton liegendes Gummiprofil eine Wassernase beim Fertigen des Schalungsteils aussparen, hierauf allein kommt es aber im Rahmen der Lehre des Anspruches 1 nicht an. Wie bereits erwähnt, geht es den Klageschutzrechten gerade darum, die Nahtstelle in der Wassernase unterzubringen und so für den Betrachter unsichtbar zu machen und zu diesem Zweck die bisher nur teilweise vorhandene Wassernase erst dann vollständig herzustellen, wenn das eigentliche Betonfertigteil unter Verwendung des erfindungsgemäßen Schalungsteils mitsamt dem daran anhaftenden Profil auf dem Schalungstisch gegossen wird. Eine solche Herstellung wäre nicht möglich, wenn Wassernase und Naht nicht ineinander integriert sind. Ein Schalungsteil, bei dem das Profil zur Herstellung der Wassernase beim Angießen des Betons nicht mehr benötigt wird, entspricht auch nicht den Vorgaben der Merkmale 3 und 4, die als selbstverständlich voraussetzen, dass das Profil während der Herstellung des Fertigteils noch die ihm in Anspruch 1 zugewiesene Funktion eines Platzhalters für die Wassernase erfüllen muss. Abgesehen davon wäre die Unterfläche des Betonfertigteils neben der Wassernase durch die Nahtstelle ein weiteres Mal unterbrochen, und man müsste, um unsaubere und optisch unbefriedigende Kantenverläufe, wie sie das als Anlage K 20 vorgelegte Musterstück aufweist und wie sie in Anlage K 7, S. 15 auf dem unteren Bild gezeigt werden, zu vermeiden, besondere Maßnahmen treffen, die nach der Lehre der Klageschutzrechte nicht erforderlich sind. In den Ansprüchen und in der zu ihrer Auslegung mit heranzuziehenden Beschreibung findet der Fachmann keine Anhaltspunkte dafür, er könne zur Verwirklichung des erfindungsgemäßen Lösungsgedankens die Wassernase nicht nur an, sondern wie bei den angegriffenen Schalungsteilen der Ausführungsformen I und II auch neben bzw. vor der Nahtstelle zwischen Schalungsteil und anzugießendem Beton vorsehen.

III.

Da die Berufung der Klägerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Soweit die Ausführungsform III betroffen ist, waren die hierauf entfallenden Kosten des Rechtsstreits nach § 91 a ZPO den Beklagten aufzuerlegen, die sich durch die Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung insoweit in die Rolle der unterlegenen Partei begeben haben und im Übrigen auch insoweit antragsgemäß verurteilt worden wären, wenn sie sich nicht unterworfen hätten, denn die angegriffene Ausführungsform III entspricht zweifellos wortsinngemäß der in Anspruch 1 der Klageschutzrechte niedergelegten technischen Lehre.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. ersichtlich nicht vorliegen. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung durch das Revisionsgericht.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 10.02.2005
Az: I-2 U 155/00


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