Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 6. Januar 2006
Aktenzeichen: 13 K 4421/03

(VG Düsseldorf: Beschluss v. 06.01.2006, Az.: 13 K 4421/03)

Tenor

Die Kostenerinnerung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

Die nach §§ 165, 151 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Erinnerung hat keinen Erfolg.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Recht bei der Ermittlung der vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten im Vor- und im Klageverfahren weder die geltend gemachte Erhöhung der Geschäfts- und Prozessgebühren um 3/10 noch die Erledigungsgebühr als erstattungs- und ausgleichsfähige Kosten des Klägers berücksichtigt.

Zunächst ist in Bezug auf das Klageverfahren keine Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) angefallen.

Wird ein Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, kann er nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO die nach den Vorschriften der BRAGO entstehenden Gebühren nur einmal fordern. Betrifft die anwaltliche Tätigkeit für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit auch denselben Gegenstand, erhöhen sich gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO Geschäfts- und Prozessgebühr durch jeden weiteren Auftraggeber um 3/10.

Eine Erhöhung der Prozessgebühr für das Klageverfahren ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Klageverfahren nicht für mehrere Auftraggeber tätig waren. Der angegriffene Bescheid vom 15. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2003 war zwar an den Kläger und seine verstorbene Ehefrau - die frühere Klägerin - gerichtet. Die Klage ist jedoch nur im Namen der Ehefrau des Klägers erhoben worden; in Bezug auf den Kläger selbst wurden diese Bescheide bestandskräftig. Dass der Kläger nach dem Tod seiner Ehefrau in das Verfahren aufgrund Rechtsnachfolge eintrat, führt nicht dazu, dass die Prozessbevollmächtigten „für mehrere Auftraggeber" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO tätig waren. Sie haben das Verfahren vielmehr immer nur für einen Auftraggeber geführt, wobei aufgrund Erbgangs lediglich die Person des Auftraggebers wechselte.

Auch in Bezug auf das Vorverfahren ist eine durch das Gericht gemäß § 164 VwGO festzusetzende und vom Beklagten zu erstattende Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht entstanden. Denn die Kostenfestsetzung in Bezug auf das Vorverfahren kann nicht weiter gehen als diejenige für das Klageverfahren. Das Klageverfahren bezieht sich aber lediglich auf einen Auftraggeber (die verstorbene Klägerin, deren prozessuale Stellung der Kläger als ihr Rechtsnachfolger eingenommen hat).

Dieses Ergebnis ergibt sich aus § 164 VwGO in Verbindung mit § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Hiernach gilt, dass Gebühren und Auslagen erstattungsfähig sind, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt, soweit ein Vorverfahren geschwebt hat. Dem mit „soweit" eingeleiteten Halbsatz entnimmt die Rechtsprechung den Grundsatz, dass nur die Gebühren aus einem Vorverfahren nach §§ 162 Abs. 2 Satz 2, 164 VwGO erstattungsfähig sind, die sich auf einen Gegenstand beziehen, der nach dem Vorverfahren Gegenstand des nachfolgenden Klageverfahrens geworden ist,

vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. September 1994 - 12 C 93.2442 -, BayVBl. 1995, 599 f.

Da dieses Klageverfahren - und damit auch die Kostenfestsetzung gemäß § 164 VwGO -die angegriffenen Bescheide lediglich insofern zum Gegenstand hat, soweit sie sich auf die verstorbene Klägerin beziehen, kann die Kostenfestsetzung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO auch nur die Kosten des hierauf bezogenen Vorverfahrens erfassen. Gegenstand dieser gerichtlichen Kostenfestsetzung können danach nur die Gebühren und Auslagen sein, die durch das Widerspruchsverfahren der Klägerin gegen den angegriffenen Ausgangsbescheid ausgelöst worden sind. Dass die Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren tatsächlich für beide Eheleute tätig geworden sind, ist insofern ohne Bedeutung. Der zivilrechtliche Honoraranspruch der Prozessbevollmächtigten gegen den Kläger, der eventuell auch eine Erhöhungsgebühr umfasst, bleibt davon unberührt.

Ist aber nur das Vorverfahren der Klägerin gegen den Bescheid vom 15. März 2002, soweit dieser sich auf sie bezog, möglicher Gegenstand der gerichtlichen Kostenfestsetzung, so handelt es sich bei der hierauf bezogenen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten nicht um ein Tätigwerden „für mehrere Auftraggeber" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Darauf, ob es sich beim Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten für die Eheleute im Vorverfahren um „denselben Gegenstand" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO handelt, kommt es hiernach nicht an.

Auch die beantragten Erledigungsgebühren sowohl im Hinblick auf das Vorverfahren als auch bezüglich des Klageverfahrens sind nicht angefallen. Sie ergeben sich nicht aus dem allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 24 BRAGO.

Nach dieser Vorschrift erhält der Rechtsanwalt eine volle Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes erledigt und der Rechtsanwalt bei dieser Erledigung mitgewirkt hat.

Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf das Klageverfahren nicht vor. Es fehlt an einer Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten des Klägers an der - unproblematisch vorliegenden - Erledigung der Rechtssache.

Insofern verlangt § 24 BRAGO entsprechend der in dieser Vorschrift vorausgesetzten besonderen Erledigungsart eine besondere, über die bereits mit der Prozess- oder Verhandlungsgebühr (§ 31 BRAGO) bzw. im Fall eines Vorverfahrens mit der Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) abgegoltene Einlegung und (die Behörde möglicherweise überzeugende) Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehende, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung „auf sonstige Weise" gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zu dieser Art der Erledigung nicht nur unwesentlich beigetragen hat. Hierfür reicht deshalb weder möglichst überzeugendes Vorbringen aller rechtlichen Gründe, die dem Rechtsbehelf des Mandanten zum Erfolg verhelfen können, noch das Einwirken auf die Partei, von einem Übergang auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage abzusehen. Eine Mitwirkung im Sinne des § 24 BRAGO liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die beklagte Behörde den angegriffenen Verwaltungsakt aufgrund der Ausführungen des Gerichts zur Sach- und Rechtslage aufhebt oder ändert und der Rechtsanwalt daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache im Umfang der Aufhebung oder Änderung für erledigt erklärt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Oktober 1985 - 8 C 68/83 -, BayVBl. 1986, 158, und vom 21. August 1981 - 4 C 60/79 -, NVwZ 1982, 36; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. August 1999 - 3 E 514/99 -, AnwBl 2000, 376 f., vom 31. Oktober 1995 - 25 E 1092/95 -, Juris, vom 25. Mai 1992 - 19 E 510/92 -, NVwZ-RR 1993, 111 f., und vom 28. Januar 1975 - III B 972/74 -, DÖV 1976, 607.

Nach diesen Grundsätzen haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers an der Erledigung der Rechtssache nicht im Sinne von § 24 BRAGO mitgewirkt. Die Klageerhebung, Klagebegründung, weiterer schriftsätzlicher Vortrag während des Klageverfahrens sowie die Abgabe der Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2005 reichen insofern nicht aus. Anders als die Prozessbevollmächtigten des Klägers meinen, haben sie auch durch ihre übrigen Beiträge in der mündlichen Verhandlung nicht zu der Erledigung wesentlich beigetragen. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung und auch nach der Erinnerung des Einzelrichters, an die die Prozessbevollmächtigten des Klägers appellieren, ergibt sich nichts anderes. Der Beklagte hat die angegriffenen Bescheide aufgehoben, nachdem das Gericht auf seine erheblichen Zweifel an deren Rechtmäßigkeit in Bezug auf die Bestimmtheit gemäß § 33 Abs. 1 SGB X, in Bezug auf die Vollstreckbarkeit sowie hinsichtlich des Umstands, dass die verstorbene Klägerin über kein Einkommen verfügte und zudem die Zahlung des Kostenbeitrags an die Einrichtung verlangt wurde, hingewiesen hatte. Diese möglichen Fehler hatten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bzw. des Klägers bisher zu keinem Zeitpunkt gerügt. Dass sie sich diesen Standpunkt sodann zu eigen machten, versteht sich von selbst. Die Erledigung des Rechtsstreits in der von § 24 BRAGO geforderten Weise - hier durch Aufhebung der angegriffenen Verwaltungsakte - war jedoch im Wesentlichen Folge der Hinweise des Gerichts. Die früheren Bemühungen der Prozessbevollmächtigten des Klägers um eine nichtstreitige Beendigung des Rechtsstreits, die sich der Akte entnehmen lassen und die das Gericht würdigt, haben hingegen nicht zum Erfolg geführt. Zugleich haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers einen vom Beklagten unterbreiteten Vergleichsvorschlag sogar abgelehnt. Soweit die Prozessbevollmächtigten des Klägers nach der Erledigung dieses Rechtsstreits den fortbestehenden Streit um einen Kostenbeitrag gemäß §§ 84 ff. des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) einvernehmlich mit dem Beklagten geregelt und damit erledigt haben, mag ihnen hierfür gegenüber ihrem Auftraggeber eine Erledigungs- oder eine sonstige Gebühr zustehen. Eine solche Gebühr ist jedoch nicht Gegenstand dieser Kostenfestsetzung gemäß § 164 VwGO, weil dies nicht Streitgegenstand in diesem Verfahren ist/war. Gegenstand waren hier allein die angegriffenen Bescheide.

Auch die geltend gemachte Erledigungsgebühr im Vorverfahren ist nicht entstanden.

Es fehlt insofern bereits an der ersten Voraussetzung des Entstehens einer Erledigungsgebühr, nämlich der Erledigung der Rechtssache nach Zurücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Das Gesetz hebt mit dieser Formulierung auf eine besondere Erledigungsart ab, die sich von einer streitigen Entscheidung durch die angerufene Instanz dadurch unterscheidet, dass der Streit - in der Regel nach vollem oder teilweisem Einlenken der Behörde - beigelegt wird, so dass eine streitige Entscheidung entbehrlich wird. Nicht, dass der Betroffene mit überzeugenden Rechtsgründen ein Ergebnis zu seinen Gunsten herbeigeführt hat, ist mithin das charakteristische Merkmal dieser Erledigungsart, sondern die ohne streitige Entscheidung erzielte „Erledigung auf sonstige Weise".

Vgl. hierzu und zum nachfolgenden BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 60/79 -, NVwZ 1982, 36.

Dementsprechend ist für den Fall, dass eine überzeugende Klagebegründung zur gerichtlichen Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes geführt hat, anerkannt, dass eine Erledigungsgebühr nicht entsteht. Kommt es im Einzelfall nicht zu einem gerichtlichen Verfahren, sondern entscheidet die Widerspruchsbehörde in einem streitigen Verwaltungsvorverfahren zugunsten des Widerspruchsführers, weil dessen rechtliche Argumente sie überzeugen, kann es letztlich nicht anders sein. Der in der Sache streitentscheidende Widerspruchsbescheid führt nicht zu einer Beilegung der Rechtssache auf sonstige Weise und folgt auch nicht der Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes. Nur ausnahmsweise ist in Betracht zu ziehen, dass ein Widerspruchsbescheid lediglich der äußeren Form nach eine streitige Entscheidung darstellt, in Wirklichkeit jedoch, z. B. nach Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes, die ohne streitige Entscheidung eingetretene Erledigung der Rechtssache förmlich zum Ausdruck bringt und über die Kostenfrage befindet.

Hier ist nach diesen Grundsätzen für eine Erledigungsgebühr im Vorverfahren kein Raum. Ursprünglich hatte der Beklagte mit dem Ausgangsbescheid vom 15. März 2002 für die Zeit ab Januar 2000 bis Dezember 2001 einen Kostenbeitrag von insgesamt 4035,01 Euro festgesetzt. Auf den Widerspruch der Kläger vom 22. März 2002 hin, hat nicht etwa der Beklagte als Ausgangsbehörde aufgrund der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten Bemühungen dem Widerspruch teilweise abgeholfen, sondern er hat diesen an die Widerspruchsbehörde (LVR) zur - streitigen - Entscheidung abgegeben (vgl. Abgabenachricht vom 15. Mai 2002). Im Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2003 hat dann der LVR als streitentscheidende Instanz dem Widerspruch teilweise stattgegeben. Es handelt sich um den klassischen Fall, dass ein Rechtsbehelf (teilweise) Erfolg hat. Die hierauf bezogene Tätigkeit des Rechtsanwalts ist mit der Geschäftsgebühr abgegolten. Dass der Erfolg des Rechtsbehelfs durch außergewöhnlichen Aufwand des Rechtsanwalts zu dessen Begründung oder in Gestalt von persönlichen Kontaktaufnahmen zur Erörterung der Streitsache begründet liegen mag, rechtfertigt nicht die Zuerkennung einer besonderen Erledigungsgebühr, sondern ist Ausdruck der guten, zum Erfolg führenden anwaltlichen Tätigkeit. Es mag sein, dass aus Sicht des Rechtsanwalts die nach Gebührenordnung berechneten Gebühren den tatsächlichen Zeit- oder sonstigen Aufwand nicht angemessen abzugelten scheinen. Dies liegt jedoch im Wesen der streitwertabhängigen Pauschalgebühren nach der BRAGO. Soweit die Prozessbevollmächtigten des Klägers zu ihren Bemühungen um eine nichtstreitige Erledigung im Vorverfahren auf Telefonate mit dem Sachbearbeiter, Herrn C1, und mit Herrn Kreisrechtsdirektor S verweisen, sind dies zudem keine Tätigkeiten, die als „Mitwirken an der Erledigung" im Sinne von § 24 BRAGO in Bezug auf die Teilerledigung im Vorverfahren in Betracht kommen. Denn diese erfolgte durch den Widerspruchsbescheid, den der LVR erließ. Da die genannten Telefonate hingegen mit Mitarbeitern des beklagten Landrats L geführt worden sind, ist nicht ersichtlich, wie diese ein nicht unwesentlicher Beitrag zur teilweise stattgebenden Entscheidung durch den LVR gewesen sein sollen. Soweit diese Telefonate darauf gerichtet waren, den Beklagten zu einer vom Widerspruchsbescheid unabhängigen einvernehmlichen Regelung zu bewegen, hatten sie keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO.






VG Düsseldorf:
Beschluss v. 06.01.2006
Az: 13 K 4421/03


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