Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 215/04

(BPatG: Beschluss v. 09.11.2005, Az.: 28 W (pat) 215/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 vom 26. Mai 2004 aufgehoben. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 301 67 104 wird die Löschung der angegriffenen Marke 302 45 056 angeordnet.

Gründe

I Gegen die am 9. Dezember 2002 für die Waren "Milch und Milchprodukte" eingetragene Wortmarke 302 45 056 DOMO CALCIPLUS ist ua Widerspruch eingelegt worden aus der seit dem 17. Januar 2002 ua für "alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte" eingetragenen Marke 301 67 104 CALCI-PLUS Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen und trotz erheblicher Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und eines zu fordernden deutlichen Zeichenabstandes die Gefahr von Verwechslungen verneint, denn die angegriffene Marke werde nicht allein durch den gemeinsamen Bestandteil "calciplus" geprägt, sondern als Gesamtbezeichnung aufgefasst, zumal das Wort "Domo" dem Verkehr nicht bekannt sei und daher nicht zwingend auf einen Namen bzw eine Firmenkennzeichnung hinweise.

Mit der dagegen eingelegten Beschwerde trägt die Widersprechende vor, die Bezeichnung "calciplus" habe innerhalb der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung, hinter der die Firmenkurzbezeichnung "Domo" in den Hintergrund trete. Das führe angesichts hochgradig ähnlicher Waren und quasi identischer Marken zwangsläufig zur Annahme einer Verwechslungsgefahr.

Die Markeninhaberin hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und sich auch nicht zur Sache geäußert. An der mündlichen Verhandlung hat sie nicht teilgenommen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Der Senat hält die Voraussetzungen für die Bejahung einer Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken für gegeben, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, wobei von einer Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist.

Was die Waren betrifft, stehen sich nach der Registerlage "Milch und Milchprodukte" sowie insbes "alkoholfreie Getränke" gegenüber, zwischen denen im Oberbegriff zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit zB als Erfrischungsgetränke bzw als Waren mit engen Berührungspunkten in der stofflichen Beschaffenheit besteht, wobei die Grenzen zwischen diesen Produkten bekanntermaßen eher fließend sind. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist mithin ein strenger Maßstab anzulegen, auch wenn sich kollisionsfördernd der Umstand auswirken kann, dass Produkte der vorliegenden Art als Artikel des täglichen Verbrauchs zumeist von eher flüchtig orientierten Verbrauchern erworben werden. Eine weitere Reduzierung der zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr an den Abstand der beiden Marken zu stellenden Anforderungen unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen Schwächung der Widerspruchsmarke, ist trotz gewisser beschreibender Anklänge an Calcium oder Calcitonin nicht veranlasst, da das Kürzel "calci" als Begriffselement eher auf dem medizinischen und wissenschaftlichen Gebiet anzutreffen ist und sich für den deutschen Verkehr daher mehr als Phantasiebezeichnung darstellt.

Im Ergebnis ist mithin zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr ein deutlicher Abstand zu fordern, den die jüngere Marke von der älteren einhalten muss. Dieser Abstand wird vorliegend nicht mehr gewahrt.

Allerdings werden die Marken in ihrer Gesamtheit wegen der deutlich unterschiedlichen Länge - das am besonders beachteten Beginn der angegriffenen Marke zusätzlich vorhandene Wort "Domo" findet bei der älteren Marke keine Entsprechung - nicht miteinander verwechselt werden, so dass die Gefahr von Verwechslungen, wie die Widersprechende nicht verkennt, allenfalls dann in Betracht kommen kann, wenn der Widerspruchsmarke allein der Bestandteil "calciplus" der angegriffenen Marke gegenübergestellt wird.

Grundsätzlich ist bei der Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken zunächst einmal auf deren Gesamteindruck abzustellen. Denn der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elementes ist dem Markenrecht fremd, so dass es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Kollision lediglich aufgrund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elementes feststellen zu wollen. Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise bei Vergleichszeichen, die nur in einem Bestandteil übereinstimmen, dann gegeben sein, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nach der bisherigen Rechtsprechung sogar als nicht ausreichend angesehen wurde (BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH; differenzierter nunmehr EuGH MarkenR 2005,438 = Mitt 2005,511 "Thomson Life"). Besonderheiten gelten, wenn sich eine Marke - wie vorliegend die angegriffene Marke - ggfls aus einer Herstellerangabe oder Dachmarke, hier "Domo", und einem weiteren Bestandteil zusammensetzt. Hier ist es jeweils eine Frage des Einzelfalls, ob diese Angabe zB deshalb in den Hintergrund tritt, weil die angesprochenen Verkehrskreise sich vorrangig anhand einer in der Marke als Produktkennzeichen auftretenden anderen Bezeichnung orientieren (vgl schon BGH GRUR 1996, 404 - Blendax Pep). Zur Beantwortung dieser Frage ist ferner maßgeblich, ob die Herstellerangabe oder Dachmarke als solche für den Verkehr bekannt oder zumindest erkennbar ist oder nicht. In Einzelfällen hat der BGH bei der Verwendung des Namens des Herstellers eine Prägung des Gesamteindrucks durch den verbleibenden Bestandteil angenommen, weil der Verkehr die Waren oft nicht nach dem Namen der Hersteller unterscheide, sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richte. Andererseits hat der BGH ausgeführt, dass es verfehlt wäre, von einem Regelsatz auszugehen, wonach eine Herstellerangabe als Bezeichnungsbestandteil stets eine (mit-)prägende Bedeutung für den Gesamteindruck abzusprechen wäre (BGH GRUR 1996, 406 - JUWEL). Als maßgebliche Kriterien kommt es nach der Rechtsprechung neben der bereits genannten Bekanntheit oder Erkennbarkeit des Firmennamens auch auf die Kennzeichnungskraft des neben diesem in der Marke enthaltenen Bestandteils sowie die Bezeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor an. Ist der weitere Bestandteil des kombinierten Zeichens zB schutzunfähig, so verbietet es sich bereits aus Rechtsgründen, die Herstellerangabe oder Dachmarke in den Hintergrund treten zu lassen, da aus schutzunfähigen Bestandteilen keine Rechte hergeleitet werden können.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend folgendes Bild:

Da wie ausgeführt nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Bestandteil "calciplus" der angegriffenen Marke jeglicher Kennzeichnungskraft entbehrt oder in sonstiger Weise als unmittelbare oder mittelbare Beschaffenheitsangabe der Waren in Betracht kommt, kommt ihm im Gesamteindruck der angegriffenen Marke bereits eine zumindest mitprägende Bedeutung und selbständig kennzeichnende Stellung zu, die den Verkehr veranlasst, hierin die ihm bekannte Widerspruchsmarke wiederzuerkennen. Hinzukommt, dass sich auch eine Verkürzung der angegriffenen Marke bzw ihre Aufteilung in eine Firmen- und Produktkennzeichnung anbietet, was den Bezeichnungsgewohnheiten auf dem vorliegenden Warengebiet entspricht, bei denen die Herstellerangabe eher untergeordnete Bedeutung hat, was ebenfalls zu einer markenregisterrechtlichen Ähnlichkeit der Marken und damit zu identischen Markenwörtern führt, so dass dann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr auf der Hand liegt (vgl in diesem Sinne auch BPatG 32 W pat) 41/01 "Fuchs Salatfix/Salatfix; BPatG 28 W (pat) 179/02 "Ährenstark/Agrano Ährenstark"; BPatG 28 W pat) 82/01 "Bumi/Müller Bumi"; BPatG 28 W (pat) 213/03 "Hecht-Padma/Padma").

Falls der Verkehr indes das Wort "Domo" nicht bereits als Firmenhinweis bzw Dachmarke vernachlässigt, besteht für den Senat zumindest die Gefahr, dass er die Zeichen gedanklich in Verbindung bringt. Hier gilt zudem die Besonderheit, dass dem Verkehr beide Marken nicht nur aus der Erinnerung heraus, sondern unmittelbar nebeneinander begegnen, so dass er gezwungen ist, Überlegungen anzustellen, ob beide Marken ggfls im Kontext zu ein und demselben Hersteller stehen, was umso näher liegt, je geringer der Abstand der zu vergleichenden Waren ist. In dieser Situation wird der Verkehr mithin die angegriffene Marke nur als das "calciplus von domo" interpretieren, was zwangsläufig die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr impliziert, so dass im Ergebnis die Marken auch unter diesem Gesichtspunkt keinen ausreichenden Abstand zueinander mehr einhalten.

Bei dieser Sachlage war auf die Beschwerde der Widersprechenden der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen. Zu einer Kostenentscheidung bestand keine Veranlassung, MarkenG § 71.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Ju






BPatG:
Beschluss v. 09.11.2005
Az: 28 W (pat) 215/04


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