Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2005
Aktenzeichen: 7 W (pat) 4/03

(BPatG: Beschluss v. 27.04.2005, Az.: 7 W (pat) 4/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 16 K des Deutschen Patentund Markenamts vom 9. März 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bez eichnung: Sanitäres Mischventil Anmeldetag: 16. März 1995 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 3 und Beschreibung Seiten 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2005, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, eingegangen am 16. März 1995.

Gründe

I Die Patentanmeldung 195 09 530.8-12 mit der Bezeichnung "Sanitäres Mischventil" ist am 16. März 1995 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen.

In einem Prüfungsbescheid vom 12. Juli 2000 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 16 K des Deutschen Patentund Markenamts der Anmelderin mitgeteilt, daß eine Patenterteilung mit den geltenden Unterlagen nicht möglich sei, weil der Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 im Hinblick auf den Stand der Technik nach deutschen Offenlegungsschrift 24 44 723 nicht neu sei. Ein um erfindungswesentliche Merkmale ergänzter Hauptanspruch könne jedoch - auch gegenüber dem im vorangegangenen Rechercheverfahren nach § 43 PatG ermittelten Stand der Technik -Aussicht auf Gewährbarkeit haben.

Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2001 hat die Anmelderin der Auffassung der Prüfungsstelle widersprochen und sinngemäß zum Ausdruck gebracht, daß sie an dem geltenden Hauptanspruch festhalte, weil seine Lehre gegenüber der entgegengehaltenen Druckschrift neu und durch diese auch nicht nahegelegt sei.

Durch Beschluß vom 9. März 2001 hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung mangels Patentfähigkeit ihres Gegenstandes zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Auf die fernmündliche Mitteilung des Berichterstatters vom 8. Dezember 2004, daß die Beschwerde in Bearbeitung genommen worden sei und noch Bedenken gegen eine Patenterteilung im Hinblick auf den im Prüfungsverfahren nicht erörterten aber in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung gewürdigten Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 41 16 954 bestünden, hat die Anmelderin mit ihrer Beschwerdebegründung vom 20. Dezember 2004 neue Patentansprüche 1 bis 7 sowie eine neue vollständige Beschreibung (Seiten 1 bis 7) eingereicht.

Zur Vorbereitung der vom Senat anberaumten, hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin am 24. April 2005 erneut geänderte Patentansprüche und Beschreibungsseiten vorgelegt.

Nach Erörterung des Anmeldungsgegenstandes in der mündlichen Verhandlung im Lichte des Standes der Technik nach der in der Anmeldungsbeschreibung genannten deutschen Offenlegungsschrift 41 16 954 und der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen deutschen Offenlegungsschrift 24 44 723 überreicht sie neue Patentansprüche 1 bis 3 sowie eine daran angepaßte neue Beschreibung, Seiten 1 bis 7. Sie führt aus, daß der insgesamt entgegengehaltene Stand der Technik die Lehre des Anspruchs 1 weder vorwegnehme noch sie nahelege.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den jeweils am 27. April 2004 überreichten Patentansprüchen 1 bis 3 und 7 Seiten Beschreibung und dem ursprünglichen Blatt Zeichnungen (Figuren 1 und 2).

Der Patentanspruch 1 lautet:

1. Sanitäres Mischventil, mit 1.1 einem Armaturengehäuse, das 1.1.1 einen Einlass für kaltes Wasser, 1.1.2 einen Einlass für warmes Wasser und 1.1.3 einen Auslass für Mischwasser aufweist, 1.2 einem Einstellelement zum Einstellen einer Mischtemperatur, 1.3 einem um eine Achse verdrehbaren Betätigungselement zum Öffnen und Schließen des Auslasses aus dem Armaturengehäuse, 1.4 einem Thermostatgehäuse, das 1.4.1 in das Armaturengehäuse einsetzbar ist und 1.4.2 einen mit dem Einstellelement verbundenen Thermostaten aufweist, sowie mit 1.5 einem Absperrventil, das 1.5.1 in dem Thermostatgehäuse in axialer Verlängerung des Thermostaten angebracht und 1.5.2 mit dem Betätigungselement über ein Getriebeelement verbunden ist, wobei 1.5.3 das Thermostatgehäuse mit dem Absperrventil eine Baueinheit bildet, 1.6 das Getriebeelement eine Stange aufweist oder von dieser gebildet wird, die auf einen Betätigungsansatz des Absperrventils aufsteckbar ist, und dass 1.7 das dem Absperrventil zugeordnete Ende des Getriebeelements eine Sacklochbohrung aufweist, die eine der axialen Länge des Betätigungsansatzes des Absperrventils entsprechende Tiefe aufweist.

Die Patentansprüche 2 und 3 betreffen Weiterbildungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, ein sanitäres Thermostatmischventil zu schaffen, das dem Konstrukteur eine größere Freiheit bei der Verwendung im Zusammenhang mit unterschiedlichen Gehäusen ermöglicht und bei dem leicht eine Anpassung an unterschiedlich lange Armaturengehäuse erfolgen kann (geltende Beschreibung Seite 2 Absatz 3).

II Die fristund formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet.

Der Gegenstand der Anmeldung in der geltenden Fassung der Patentansprüche stellt eine patentfähige Erfindung iSd § 1 bis § 5 PatG dar.

Die Patentansprüche sind zulässig. Ihre Merkmale sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Das sanitäre Mischventil nach Patentanspruch 1 ist neu. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften zeigt ein Mischventil mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1. Insbesondere ist bei den bekannten Mischventilen kein Absperrventil für den Mischwasserauslaß vorgesehen, das mittels einer auf einen Betätigungsansatz des Absperrventils aufsteckbaren und mit einem Betätigungselement verbundenen Stange betätigbar ist.

Der Senat konnte auch nicht feststellen, daß die Lehre des Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch den aufgezeigten Stand der Technik nahegelegt worden wäre.

Nach der geltenden Beschreibung geht der Anmeldungsgegenstand aus von einer Mischbatterie wie sie aus der deutschen Offenlegungsschrift 41 16 954 bekannt ist (S 1 Abs 2). Diese Mischbatterie (vgl Fig 1 und zugehörige Beschreibungsteile) umfaßt die Merkmale 1. bis 1.5.2 gemäß Patentanspruch 1 der vorliegenden Anmeldung. Das Gehäuse des Thermostaten (3) ist an dem dem Einstelldrehgriff (21) für die Temperatur abgewandten Ende rohrartig bis kurz vor das gegenüberliegende Ende des Armaturengehäuses verlängert (Mischrohr 4), wobei das freie Rohrende den Ventilsitz (41) für das stirnseitig im Armaturengehäuse (1) eingesetzte Absperrventiloberteil (s. Mengenregulierventil 5) mit Ventilschließelement bildet. Bekanntermaßen und funktionsnotwendig werden Ventilschließelemente über ein mit einem Betätigungselement (hier Drehgriff 51) verbundenes Getriebelement hin zum und weg vom Ventilsitz verschoben.

Gemäß den Ausführungen der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung sei diese Anordnung nachteilig, wenn es darum gehe, eine Anpassung an unterschiedlich lange Armaturengehäuse unter Beibehaltung des Thermostatventils und des Mengenregulierventils vorzunehmen. Zwar könne das Mischrohr bei der bekannten Anordnung zwecks Längenanpassung kürzer oder länger ausgebildet werden, wegen der Verwendung des Endes als Ventilsitz seien aber hohe Anforderungen an die Herstellgenauigkeit und die Montagegenauigkeit dieses Bauteiles zu stellen. Mit den Merkmalen 1.5.3, 1.6 und 1.7 gemäß Patentanspruch 1 werde demgegenüber ein Weg aufgezeigt, durch den die Anpassung an unterschiedliche lange Armaturengehäuse mit geringerem baulichen Aufwand erreicht werde. Durch die Bildung einer Baueinheit von Thermostatgehäuse und Absperrventil und die Verwendung einer auf den Betätigungsansatz des Ventils aufsteckbaren Stange als Getriebeelement zwischen dem Ventil-Betätigungselement und dem Ventilschließkörper könnten sich die Maßnahmen zur Anpassung an unterschiedliche Armaturgehäuselängen auf die Gestaltung der Stange beschränken, für die keine mit dem bekannten Mischrohr vergleichbaren Genauigkeitsanforderungen nötig seien, weil sie lediglich kraftübertragendes Element sei und nicht zugleich Dichtungsaufgaben erfüllen müsse. Eine einfache Längenanpassung ergebe sich auch aufgrund der anspruchsgemäßen Steckverbindung mit einer Sacklochbohrung (Merkmal 1.7), deren Tiefe bereits eine Längenvarianz in einem gewissen Umfang zulasse.

Der Senat vermochte nicht zu erkennen, daß die weiteren im Rechercheund Prüfungsverfahren genannten Entgegenhaltungen dem Fachmann eine Anregung zur diesbezüglichen Lehre des Patentanspruchs 1 hätten geben können.

Die in der mündlichen Verhandlung kurz angesprochenen deutschen Offenlegungsschriften 28 39 326 und 42 37 435 offenbaren Mischbatterien, bei denen in gleicher Weise wie bei der Mischbatterie nach der vorstehend gewürdigten deutschen Offenlegungsschrift 41 16 954 ein Mischrohr verwendet wird, dessen freitragendes Ende als Ventilsitz für das Mischwasser-Absperrventil ausgebildet ist. Sie gehen somit nicht über den Ausgangspunkt der Lehre nach Patentanspruch 1 hinaus.

Die deutsche Offenlegungsschrift 24 44 723, die ebenfalls eine thermostatische Mischbatterie beschreibt, führt den Fachmann nicht näher zum Gegenstand des Patentanspruchs 1. Zwar ist dort das Mischwasser-Zapfventil (10), das dem Absperrventil beim Anmeldungsgegenstand entspricht, im Thermostatgehäuse (oberer Grundkörper 43) angeordnet, jedoch nicht in axialer Verlängerung des Thermostaten. Das Zapfventil samt Betätigungselement ist in üblicher kompakter Bauweise gestaltet und geneigt zur Thermostatachse (Rohre 31, 25) eingebaut. Aufgrund des völlig anderen Aufbaus dieser Mischbatterie ergibt sich überhaupt kein Anhaltspunkt für den der Anmeldung zugrundeliegenden Gedanken, eine Anpassung an unterschiedliche Armaturengehäuselängen durch bauliche Maßnahmen am Mischwasser-Zapfventil anzustreben. Diese Entgegenhaltung liegt ersichtlich weiter ab vom Anmeldungsgegenstand als die vorstehend gewürdigten Druckschriften.

Die im Rechercheverfahren darüberhinaus genannten Druckschriften liegen ebenfalls weiter ab vom Anmeldungsgegenstand. Sie haben im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht keine Rolle gespielt.

Der Patentanspruch 1 ist nach alledem gewährbar.

Die Patentansprüche 2 und 3 betreffen Weiterbildungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1. Sie sind ebenfalls gewährbar.

Tödte Eberhard Köhn FrühaufÖz/Hu






BPatG:
Beschluss v. 27.04.2005
Az: 7 W (pat) 4/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bb1b5d8a9121/BPatG_Beschluss_vom_27-April-2005_Az_7-W-pat-4-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share