Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. August 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 315/03

(BPatG: Beschluss v. 17.08.2004, Az.: 27 W (pat) 315/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Juli 2003 in Ziffer 1 und 2 aufgehoben und die Erinnerung des Inhabers der angegriffenen Marke gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Dezember 2001 zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortmarke Sashafür "Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, Ton- und Bildtonträger; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, Druckerzeugnisse, Photographien; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke; Spiele, Spielzeug; Telekommunikation; Betrieb von Datenbanken, insbesondere OnlineÜbermittlung von Video-, Ton- und Textdaten (Download-Dienste, Audio On Demand-, Video On Demand-Dienste) sowie Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten; Produktion und Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, Rundfunk- und TV-Unterhaltung; künstlerische Darbietungen" hat die Widersprechende Widerspruch eingelegt aus ihrer prioritätsälteren international registrierten Wortmarke Nr. IR 697 574 SASCH die in der Bundesrepublik Deutschland für die Waren

"Classe 16: Papier et articles en papier, carton et articles en carton; imprimes; journaux et periodiques; livres; articles pour reliures; articles de papeterie; matières collantes pour la papeterie; materiel pour artistes; pinceaux pour peintres; machines à ecrire et articles de bureau (à l'exception des meubles); materiel d'instruction et d'enseignement (à l'exception des appareils); cartes à jouer; caractères d'imprimerie; moules typographiques;

Classe 18: Musettes, sacs à dos pour l'ecole; sacs, sacs à main pour homme, grands sacs, sacs de voyage, valises, mallettes, portefeuilles, portemonnaie; parapluies ;

Classe 25 : Articles d'habillement confectionnes pour hommes, femmes, garons, fillettes; articles de bonneterie de corps et de bonneterie exterieure, bas et chaussettes, gants, foulards, echarpes, chapeaux, ceintures, chaussures"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 5. Dezember 2001 unter Zurückweisung des Widerspruchs im übrigen die Löschung der angegriffenen Marke für "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, Druckerzeugnisse, Photographien; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bekleidungsstücke" angeordnet. Auf die Erinnerung des Markeninhabers hat die Markenstelle mit Beschluss vom 11. Juli 2003 den angefochtenen Beschluss aufgehoben und den Widerspruch insgesamt zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Trotz teilweiser Warenidentität bestehe keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, weil die Vergleichsmarken weder schriftbildlich noch klanglich ähnlich seien. Wegen des zusätzlichen Vokals "a" am Wortende der angegriffenen Marke änderten sich nämlich die Vokalfolge, die Silbengliederung und die Silbenzahl; hierdurch erhalte die angegriffene Marke einen völlig anderen Sprechrhythmus und verliere der in beiden Zeichen vorhandene Zischlaut "sch" in der jüngeren Marke an Härte, so dass diese wesentlich weicher klinge als das Widerspruchszeichen. Da es sich um sehr kurze Wörter handele, bleibe die zweite Silbe der angegriffenen Marke nicht unbeachtet. In schriftbildlicher Hinsicht unterscheide sich die angegriffene Marke zudem durch die abweichende Schreibung des Lautes "sch" mit "sh".

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Die Widersprechende trägt vor: Die für die jüngere Marke geschützten Waren, deren Löschung der Erstbeschluss angeordnet habe, seien mit den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren identisch, zumindest hochgradig ähnlich. Die ältere Marke besitze zudem normale Kennzeichnungskraft. Soweit der Markeninhaber ausgeführt habe, sie sei an den bekannten Vornamen Sascha angelehnt, treffe dies nicht zu; vielmehr handele es sich bei der Widerspruchsmarke um eine reine Fantasiebezeichnung. Zudem sei der Vorname Sascha in der Bundesrepublik Deutschland nicht so geläufig, dass hieraus eine Kennzeichenschwäche gefolgert werden könne. Hinsichtlich der Frage der Zeichenähnlichkeit widerspreche die Erinnerungsentscheidung der Markenstelle anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen; danach könne nämlich ähnlich wie in den vergleichbaren Fällen "dipa/dib" (BGH GRUR1992, 110), "Asid Bonz/BONZO" (BPatG GRUR 1984, 819), "DAN/DANNE" (OLG Köln GRUR 1999, 66) der zusätzliche Vokal am Wortende der jüngeren Marke eine Verwechslungsgefahr weder klanglich noch schriftbildlich ausschließen.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Juli 2003 die Eintragung der Marke 398 51 779 zu löschen, und zwar für die Waren "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, Druckerzeugnisse, Photographien; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bekleidungsstücke".

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Markeninhaber trägt vor: Die Unterschiede in beiden Marken seien ausreichend gross, um Verwechslungen in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht auszuschließen; während es sich bei der Widerspruchsmarke um den geläufigen Namen Sascha in englischer Schreibweise handelt, ziehe die angegriffene Marke ihre Unterscheidungskraft vor allem aus der Verkürzung dieses Namens auf dessen erste Hälfte. Zudem sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als gering einzustufen, weil sie sich aus einem geläufigen Vornamen ableite. Die von der Widersprechenden genannten angeblichen Vergleichsfälle seien schon deshalb nicht aussagekräftig, weil es sich bei den dortigen Marken anders als vorliegend um bloße Fantasiebezeichnungen handele.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kann im Ergebnis für die mit der Beschwerde angegriffenen Waren der jüngeren Marke nicht verneint werden.

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur älteren Marke für die mit der Beschwerde angegriffenen Waren nicht ein.

Wie die Markenstelle in beiden Beschlüssen zutreffend ausgeführt hat und was auch der Markeninhaber nicht bestreitet, besteht zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, Druckerzeugnisse; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke" und den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren "Papier et articles en papier, carton et articles en carton; imprimes; journaux et periodiques; livres; Articles d'habillement confectionnes pour hommes, femmes, garons, fillettes; articles de bonneterie de corps et de bonneterie exterieure" Warenidentität. Entgegen der Auffassung des Markeninhabers ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als normal anzusehen. Denn die vom Markeninhaber behauptete originäre oder nachträgliche Kennzeichnungsschwäche könnte nur angenommen werden, wenn das ältere Zeichen an ein für die beanspruchten Waren beschreibendes Wort angelehnt wäre oder es sich bei ihm um ein infolge häufiger Verwendung in der Alltags- oder Werbesprache oder in zahlreichen Drittzeichen verbrauchte Kennzeichnung handeln würde (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn 343; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 311). Anhaltspunkte dafür, dass eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist, sind weder ersichtlich noch vom Markeninhaber vorgetragen. Dabei kann dahinstehen, ob die Widerspruchsmarke, wie der Markeninhaber behauptet hat, an den in englischer Schreibweise wiedergegebenen Vornamen Sascha angelehnt ist. Selbst wenn dies unterstellt würde, könnte dies nicht zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens führen. Denn zum einen handelt es sich bei dem Vornamen Sascha nicht um einen "Allerweltsnamen", bei dem eine originäre Kennzeichenschwäche angenommen werden kann (vgl. BGH GRUR 1970, 552 - Felina/Britta; BPatG GRUR 1997, 54, 57 - S. OLIVER), und zum anderen kann auch nicht festgestellt werden, dass er infolge häufiger Verwendung in Drittzeichen verbraucht wäre, da sich das Wort Sascha in Alleinstellung oder mit weiteren Angaben lediglich in 11 eingetragenen nationalen Marken findet, deren tatsächliche Benutzung unbekannt ist, wobei hiervon wiederum nur zwei für die hier in Rede stehenden Waren geschützt sind.

Wegen der Warenidentität und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hat die jüngere Marke zur Widerspruchsmarke einen nach strengen Maßstäben zu bewertenden Abstand einzuhalten. Diesen Anforderungen wird sie jedenfalls in klanglicher Hinsicht, die für sich Grundlage der Verwechslungsgefahr sein kann (vgl. BGH GRUR 99, 241, 243 - Lions), nicht gerecht. Klanglich wirkt sich die besondere Schreibweise des Zischlauts "sch" in der angegriffenen Marke nicht aus. Der zusätzliche Vokal "a" am Wortende der jüngeren Marke lässt zwar ein - gegenüber der einsilbigen Widerspruchsmarke - zweisilbiges Wort entstehen. Gerade wegen der Bekanntheit des männlichen Vornamens "Sascha" kann dieser Unterschied aber leicht überhört werden, weil viele Verbraucher bereits bei der Buchstabenfolge "SASCH" ohne weiteres an den Vornamen denken und daher das fehlende "A" unwillkürlich ergänzen werden. Beachtet man zudem die anerkannten Grundsätze, dass der Verkehr beiden Marken in der Regel nicht gleichzeitig begegnet, sondern seine Auffassung nur aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken gewinnt (vgl. EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 [Rn. 26] - Lloyd; BGH GRUR 1993, 972, 974 f. - Sana/Schosana), wobei die übereinstimmenden Merkmale stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone) und er den Wortanfängen besondere Beachtung schenkt (vgl. BGH GRUR 1992, 110, 112 - dipa/dib), ist in Wechselwirkung mit der Warenidentität und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243) eine Verwechslungsgefahr nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Aus diesem Grund war der Beschluss der Markenstelle vom 5. Dezember 2001, mit dem die teilweise Löschung der angegriffenen Marke in dem von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Umfang angeordnet worden war, zu bestätigen, indem unter Aufhebung des Erinnerungsbeschlusses die Erinnerung des Markeninhabers gegen den erstgenannten Beschluss zurückgewiesen wird.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

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BPatG:
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Az: 27 W (pat) 315/03


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