Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2010
Aktenzeichen: 17 W (pat) 23/06

(BPatG: Beschluss v. 18.05.2010, Az.: 17 W (pat) 23/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 8. Dezember 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Bezeichnung "Betriebsverfahren für einen Rechner und hiermit korrespondierende Einrichtungen"

eingereicht worden. Die Prüfungsstelle für Klasse G06T hat durch Beschluss vom 15. November 2005 die Anmeldung zurückgewiesen, da der Patentanspruch 1 mangels einer klaren, nacharbeitbaren Lehre zum technischen Handeln nicht gewährbar sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1, 13 bis 16 vom 27. Oktober 2005, eingegangen am 7. November 2005, Patentansprüche 2 bis 12 vom 24. Juni 2005, eingegangen am 27. Juni 2005, Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 6, 7, 14 vom 27. Oktober 2005, eingegangen am 7. November 2005, Seiten 3, 4, 10 vom 24. Juni 2005, eingegangen am 27. Juni 2005, Seiten 5, 8, 9, 11 bis 13 vom Anmeldetag, sowie sprachlichen Änderungen gemäß Schriftsätzen vom 24. Juni 2005 (Bl. 25 Amtsakte) und 27. Oktober 2005 (Bl. 48 Amtsakte), Figuren 1 bis 7 vom Anmeldetag, 8 und 9 vom 24. Juni 2005, eingegangen am 27. Juni 2005.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt sind folgende Druckschriften genannt worden:

D1: DE 102 14 763 A1 D2: JP 06125499 A (Abstract).

Vom Senat wurde zusätzlich auf die der Anmelderin bereits bekannte Computerübersetzung der zu D2 gehörigen japanischen Anmeldung Bezug genommen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Betriebsverfahren für einen Rechner (1), -wobei dem Rechner (1) eine erste Sequenz (13) von Datensätzen (14) und eine zweite Sequenz (15) von Datensätzen (16) vorgegeben werden, -wobei die Datensätze (14, 16) Bilder oder Volumendatensätze eines sich zeitlich ändernden Objekts (17) sind,

-wobei jedem Datensatz (14, 16) jeder Sequenz (13, 15) ein Zeitmaß zugeordnet ist, anhand dessen der zeitliche Bezug dieses Datensatzes (14, 16) zu den anderen Datensätzen (14, 16) der jeweiligen Sequenz (13, 15) ermittelbar ist, -wobei der Rechner (1) zunächst durch einen Vergleich des ersten Datensatzes (14) der ersten Sequenz (13) mit den Datensätzen (16) der zweiten Sequenz (15) selbsttätig einen mit einem ersten Datensatz (14) der ersten Sequenz (13) korrespondierenden ersten Datensatz (16) der zweiten Sequenz (15) ermittelt, -wobei der Rechner (1) sodann anhand der korrespondierenden ersten Datensätze (14, 16) der ersten und zweiten Sequenz (13, 15) und der den Datensätzen (14, 16) zugeordneten Zeitmaße für die anderen Datensätze (14) der ersten Sequenz (13) den jeweils korrespondierenden Datensatz (16) der zweiten Sequenz (15) ermittelt."

Der nebengeordnete Patentanspruch 15 lautet:

"15. Datenträger mit einem auf dem Datenträger gespeicherten Computerprogramm (10) zur Durchführung eines Betriebsverfahrens nach einem der obigen Ansprüche."

Der nebengeordnete Patentanspruch 16 lautet:

"16. Rechner mit einem Massenspeicher (7), in dem ein Computerprogramm (10) hinterlegt ist, so dass der Rechner bei Aufruf des Computerprogramms (10) ein Betriebsverfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 14 ausführt."

Gemäß Seite 2 Absatz 2 der geltenden Unterlagen soll die der Anmeldung zugrunde liegende Aufgabe nunmehr sinngemäß darin bestehen, ein Betriebsverfahren für einen Rechner und die hiermit korrespondierenden Gegenstände zu schaffen, mittels derer eine weitere Möglichkeit zur zumindest weitgehend automatischen Ermittlung der korrespondierenden Datensatzpaare angegeben wird, die universeller anwendbar ist.

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und der nebengeordneten Patentansprüche 15 und 16 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).

1. Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren, mit dessen Hilfe zwei Sequenzen von Datensätzen eines sich zeitlich ändernden Objekts einander zugeordnet werden. Es kann sich beispielsweise bei jeder der beiden Sequenzen um aufeinander folgende, mit einem Zeitmaß versehene Bilder eines schlagenden Herzens handeln, wobei die beiden Bildsequenzen zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen wurden. Ziel ist es, korrespondierende Datensätze aus den beiden Sequenzen automatisch einander zuzuordnen, etwa ein Bild einer bestimmten Phase des Herzschlags aus der ersten Sequenz zu einem Bild der zweiten Sequenz, das in der entsprechenden Phase des Herzschlags aufgenommen wurde. Die korrespondierenden Bilder können dann beispielsweise nebeneinander dargestellt werden, um dem behandelnden Arzt einen visuellen Vergleich zu ermöglichen.

Der mit einer möglichen Gliederung versehene Patentanspruch 1 (Bezugszeichen wurden weggelassen) betrifft ein

(a)

Betriebsverfahren für einen Rechner,

(b)

wobei dem Rechner eine erste Sequenz von Datensätzen und eine zweite Sequenz von Datensätzen vorgegeben werden,

(c)

wobei die Datensätze Bilder oder Volumendatensätze eines sich zeitlich ändernden Objekts sind,

(d)

wobei jedem Datensatz jeder Sequenz ein Zeitmaß zugeordnet ist, anhand dessen der zeitliche Bezug dieses Datensatzes zu den anderen Datensätzen der jeweiligen Sequenz ermittelbar ist,

(e)

wobei der Rechner zunächst durch einen Vergleich des ersten Datensatzes der ersten Sequenz mit den Datensätzen der zweiten Sequenz selbsttätig einen mit einem ersten Datensatz der ersten Sequenz korrespondierenden ersten Datensatz der zweiten Sequenz ermittelt,

(f)

wobei der Rechner sodann anhand der korrespondierenden ersten Datensätze der ersten und zweiten Sequenz und der den Datensätzen zugeordneten Zeitmaße für die anderen Datensätze der ersten Sequenz den jeweils korrespondierenden Datensatz der zweiten Sequenz ermittelt.

Die nebengeordneten Ansprüche 15 und 16 sind gerichtet auf einen Datenträger, auf dem ein Computerprogramm zur Durchführung des Betriebsverfahrens gespeichert ist, sowie auf einen Rechner, auf dessen Massenspeicher ein entsprechendes Computerprogramm hinterlegt ist.

Wie aus den Merkmalen des Anspruchs 1 (und ebenso aus der gesamten Patentanmeldung) hervorgeht, ist unter der Bezeichnung "Betriebsverfahren für einen Rechner" ein Verfahren zu verstehen, welches auf einem Rechner ausgeführt wird (Computerprogramm). Mit Hilfe dieses Verfahrens werden aus zwei Sequenzen von Datensätzen eines sich zeitlich ändernden Objekts die jeweils korrespondierenden Datensätze ermittelt. Zunächst wird einem ersten Datensatz (etwa einem Bild in einer bestimmten Phase des Herzschlags) der ersten Sequenz durch Vergleich mit den Datensätzen der zweiten Sequenz ein korrespondierender Datensatz (etwa ein Bild in der entsprechenden Herzschlagphase) zugeordnet (Merkmal e). Die Zuordnung der weiteren Datensätze der beiden Sequenzen erfolgt dann anhand des bereits ermittelten ersten korrespondierenden Datensatzpaares sowie der den Datensätzen zugeordneten Zeitmaße (Merkmal f).

Als Fachmann sieht der Senat hier einen Ingenieur der Fachrichtung Informatik mit Erfahrung in der Verarbeitung medizinischer Daten, insbesondere Bildund Volumendaten an.

2. Die Gegenstände des geltenden Anspruchs 1 und der nebengeordneten Ansprüche 15 und 16 beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie dem Fachmann durch die vorveröffentlichten Druckschriften D1 und D2 nahegelegt waren.

Die Druckschrift D1 betrifft ein Verfahren zur Bestimmung eines Bildes aus einer Bildsequenz, das mit Hilfe eines Rechners durchgeführt werden kann, vgl. die dortigen Ansprüche 1 und 10. Gemäß D1 Abs. [0002] wird von zwei Bildsequenzen eines sich zeitlich ändernden Objekts, insbesondere eines schlagenden Herzens vor und während einer Kontrastmittelgabe ausgegangen. Wie in Abs. [0003] als Stand der Technik beschrieben ist, werden die beiden Sequenzen bildweise voneinander subtrahiert, wodurch in der Differenzsequenz nur noch die mit Kontrastmittel gefüllten Gefäße möglichst ohne Hintergrund dargestellt sind (digitale Subtraktions-Angiographie DSA, vgl. Abs. [0025]). Dazu müssen die beiden Bildsequenzen so gegeneinander ausgerichtet werden, dass aus jeder Bildsequenz jeweils die Bilder voneinander subtrahiert werden, die den gleichen Bewegungszustand darstellen; d. h. es müssen die korrespondierenden Bilder der beiden Sequenzen einander zugeordnet werden. Hierfür wird parallel zur Akquisition der beiden Bildsequenzen jeweils mit Hilfe eines Elektrokardiographen ein elektrokardiographisches Signal (EKG) ermittelt. In beiden EKG werden jeweils aufeinander folgende R-Zacken ermittelt, mit denen die beiden EKG (und damit auch die beiden Bildsequenzen) gegeneinander ausgerichtet werden; d. h. zu einem ersten Datensatz (Bild) der ersten Sequenz wird indirekt über den Vergleich der EKG-Werte ein mit diesem korrespondierender erster Datensatz (Bild) der zweiten Sequenz ermittelt. Unterscheidet sich die Zeit zwischen den beiden R-Zacken der beiden EKG, so wird dieser Zeitunterschied durch lineare Interpolation ausgeglichen, so dass Bilder, die zwischen den R-Zacken der beiden zugehörigen Bildsequenzen akquiriert wurden, zugeordnet werden können; d. h. die Zuordnung der übrigen Bilder (Datensätze) innerhalb der EKG-Periode erfolgt anhand eines den Datensätzen jeder Sequenz zugeordneten Zeitmaßes. Nach D1 Abs. [0004] wird es als Nachteil dieses Verfahrens angesehen, dass (da die Bildsequenzen über die EKG-Signale nur zu einem Zeitpunkt pro Herzschlag gegeneinander ausgerichtet werden) Unterschiede der beiden EKG-Signale einerseits bezüglich der Dauer der gesamten Herzschläge und andererseits bezüglich der Dehnung oder Stauchung einzelner Abschnitte der Herzbewegung nicht berücksichtigt werden. Gemäß Fig. 1 und der Beschreibung in Abs. [0026] können unterschiedlich breite R-Zacken bereits bei der Ermittlung der ersten beiden korrespondierenden Bildpaare zu falschen Ergebnissen führen. Nach der Lehre von D1 soll die Ermittlung korrespondierender Datensatzpaare dadurch verbessert werden, dass aus den Bewegungs-Signalen (z. B. EKG-Signalen), die den Datensätzen der beiden Sequenzen zugeordnet sind, mithilfe eines bestimmten Algorithmus eine Art Verzerrungsfunktion ("Pfad", vgl. die umrandeten Kästchen in Fig. 5 und 6) der Zeitmaße beider Sequenzen bestimmt wird, mit deren Hilfe jedem Zeitpunkt der ersten Sequenz ein korrespondierender Zeitpunkt der zweiten Sequenz zuordenbar ist, vgl. Abs. [0008] sowie S. 5 Z. 30 bis 36. Hieraus wird zu einem Referenzbild der ersten Sequenz ein korrespondierendes Bild der zweiten Sequenz ermittelt, vgl. Abs. [0009]. Liegt eine Bildsequenz mit mehreren Referenzbildern vor, so kann für jedes Referenzbild mit Hilfe des Verfahrens ein Korrespondenzbild bestimmt werden, vgl. Abs. [0041].

D2 betrifft wie D1 die digitale Subtraktions-Angiographie (DSA), siehe Titel. Zu einem gerade aufgenommenen Referenzbild ("live image") wird ein korrespondierendes Bild ("mask image") einer zweiten Bildsequenz durch Berechnung der Ähnlichkeit der Bilder der zweiten Sequenz mit dem Referenzbild ("similarity based on the result of arithmetic operation of the difference between each of plural mask images and the negative live image") ermittelt; hierfür wird ein Rechner verwendet, vgl. die Figur des Abstracts (Fig. 1 der englischen Computerübersetzung). Bei den Bildern (mask images) der zweiten Bildsequenz kann es sich um während eines Herzschlagzyklus ohne Kontrastmittel aufgenommene Bilder handeln, bei den Bildern (live images) der ersten Bildsequenz um entsprechende, mit Kontrastmittel aufgenommene Bilder, vgl. Fig. 2 und die zugehörige Beschreibung in Abs. [0016] bis [0019] der englischen Computerübersetzung. Für jedes Bild der ersten Sequenz wird ein Ähnlichkeitsvergleich mit den Bildern der zweiten Sequenz durchgeführt, um korrespondierende Datensatzpaare zu ermitteln, vgl. Fig. 3 und Abs. [0020] der englischen Computerübersetzung, insbesondere den letzten Satz.

Somit war es dem Fachmann vor dem Anmeldetag der vorliegenden Patentanmeldung bekannt, in der digitalen Subtraktions-Angiographie (DSA) zwei vorgegebene Sequenzen von Bilddatensätzen -Merkmale b), c) -einander paarweise zuzuordnen, vgl. etwa D1 oder D2. Ein solches Zuordnungsverfahren wird mit Hilfe eines Rechners durchgeführt und stellt somit in der Nomenklatur der vorliegenden Anmeldung ein Betriebsverfahren für einen Rechner dar -Merkmal a). Gemäß D2 erfolgt die Zuordnung für jeden Bilddatensatz (einschließlich eines ersten Datensatzes) der ersten Sequenz durch direkten Vergleich mit den Bilddatensätzen der zweiten Sequenz. Für den Fachmann, der stets nach Vereinfachung bestrebt ist, lag der Wunsch nahe, dieses direkte und demzufolge recht genaue, aber relativ aufwändige Verfahren in Richtung auf einfachere Berechnung und damit höhere Geschwindigkeit zu verbessern. Aus dem in D1 beschriebenen Stand der Technik erhielt er die Anregung, für eine (Herzschlag-)Periode zunächst ein erstes korrespondierendes Datensatzpaar zu ermitteln (in D1 indirekt anhand der EKG-Daten) und die übrigen korrespondierenden Datensätze anhand eines den Datensätzen jeder Sequenz zugeordneten Zeitmaßes zuzuordnen. Auch wenn dieses relativ einfache Verfahren wie in D1 erläutert etwaige Verzerrungen einzelner Abschnitte der Herzbewegung nicht berücksichtigt, so lag seine Heranziehung für den Fachmann zumindest dann nahe, wenn es vordringlich auf eine schnelle Zuordnung der Datensatzpaare ankam und/oder wenn es bereits bekannt war, dass die Perioden in den beiden Sequenzen zwar möglicherweise unterschiedlich lang sind, jedoch etwa gleichförmig ohne große Verzerrungen verlaufen. In diesen Fällen bot es sich für den Fachmann an, das aus D2 bekannte Verfahren dahingehend zu vereinfachen, dass ein erstes Datensatzpaar durch direkten (und damit relativ genauen) Vergleich mit den Datensätzen der zweiten Sequenz zugeordnet wird, die weiteren korrespondierenden Datensatzpaare jedoch wie aus D1 bekannt anhand der den Datensätzen zugeordneten Zeitmaße ermittelt werden -Merkmale d), e), f).

Auf diese Weise konnte der Fachmann zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gelangen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

Entsprechendes gilt für die nebengeordneten Ansprüche 15 und 16.

3. Der geltende Anspruch 1 ist somit nicht gewährbar.

Auch die nebengeordneten Ansprüche 15 und 16 sind nicht gewährbar.

Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 14 nicht gewährbar (BGH in GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

Dr. Fritsch Eder Prasch Dr. Thum-Rung Fa






BPatG:
Beschluss v. 18.05.2010
Az: 17 W (pat) 23/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b9f8415b1511/BPatG_Beschluss_vom_18-Mai-2010_Az_17-W-pat-23-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share