Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 316/02

(BPatG: Beschluss v. 29.09.2003, Az.: 20 W (pat) 316/02)

Tenor

Das Patent wird mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung Spalten 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Figur 1 gemäß Patentschrift.

Gründe

I Im Einspruch wird fehlende Patentfähigkeit und unzulässige Erweiterung geltend gemacht.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchsfassung aufrechtzuerhalten.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 lautet:

"Rundfunkempfänger, zum Empfang einer Rundfunksendung in einem Rundfunksystem, bei welchem neben dem eigentlichen Programm zusätzliche Informationen, einschließlich der Bezeichnung des empfangenen Programms, übertragen werden, mit einer Stationsspeichereinheit (4), die mehrere Speicherplätze zum Speichern von Empfangsdaten wie Sendefrequenz oder Programmidentifizierungscode von Rundfunkprogrammen aufweist, mit Stationstasten (6) zum wahlweisen Abrufen der gespeicherten Rundfunkprogramme, mit einer den Stationstasten (6) zugeordneten Wechselanzeigeeinrichtung (5) zum Anzeigen einer für das jeweils gespeicherte Programm charakteristischen Kennung in Form einer Kurzbezeichnung des Programms, mit Mitteln zur Feststellung der Empfangsqualität der gespeicherten Programme, dadurch gekennzeichnet, daß die Kurzbezeichnung individuell durch den Benutzer beim Abspeichern des Programms festlegbar ist und auch automatisch als Abkürzung der Programmbezeichnung nach einem vorgegebenen Abkürzungsschema, das aus mehreren in dem Empfänger abrufbar vorhandenen Schemata auswählbar ist."

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Akte verwiesen.

Folgende Druckschriften wurden in Betracht gezogen:

(1) DE 32 20 428 C2

(2) DE 32 47 710 A1

(3) Elektor 4/89, S 14-17

(4) Funkschau 10/84, S 46-49

(5) Bedienungsanleitung zu Autoradio Blaupunkt, Typ "Berlin RCM 303A", 4/94

(6) Specifications of the radio data system for VHF/FM sound broadcasting; European Broadcasting Union; technical centre Brussels, März 1984.

II Der Einspruch führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

1. Der Patentanspruch 1 ist so zu verstehen, dass der Rundfunkempfänger dem Benutzer zwei Möglichkeiten zur Festlegung der Kurzbezeichnungen anbietet. Zum einen ist die Kurzbezeichnung individuell durch den Benutzer beim Abspeichern des Programms festlegbar. Daneben besteht aber auch die weitere Möglichkeit, die Kurzbezeichnung automatisch als Abkürzung der Programmbezeichnung nach einem vorgegebenen Abkürzungsschema festzulegen, das aus mehreren in dem Empfänger abrufbar vorhandenen Schemata auswählbar ist.

2. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 7 sind zulässig. Die Merkmale des neuen Patentanspruchs 1 ergeben sich aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 4, 5, 7 und 12 sowie aus den erteilten Patentansprüchen 1 und 2. Die individuelle Festlegung der Kurzbezeichnung durch den Benutzer und die automatische Festlegung der Kurzbezeichnung mit Hilfe eines Abkürzungsschemas als weitere im gleichen Gerät verwirklichte Möglichkeit sind aus der Beschreibung entnehmbar (OS Sp 1 Z 54 - Sp 2 Z 15; PS Sp 2 Z 35 - 62). Der erteilte Patentanspruch 2 ist im Hinblick auf die Beschreibung daher nicht, wie von der Einsprechenden vorgetragen, so zu verstehen, dass das in ihm angegebene Merkmal das die individuelle Festlegung der Kurzbezeichnung durch den Benutzer betreffende Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 weiter ausbildet. Vielmehr beschreibt der erteilte Patentanspruch 2 in Verbindung mit dem erteilten Patentanspruch 1 einen Rundfunkempfänger, der neben der individuellen Festlegung der Kurzbezeichnung durch den Benutzer auch noch die Möglichkeit der automatischen Abkürzung der Programmbezeichnung mit Hilfe eines Schemas anbietet.

3. Stand der Technik Aus Druckschrift (1) ist ein Rundfunkempfänger zum Empfang von Rundfunksendungen in einem Rundfunksystem bekannt, bei welchem neben dem eigentlichen Programm auch Zusatzinformationen übertragen werden, die charakteristisch für das empfangene Programm sind (Sp 4 Z 1 - 4). Eine Stationsspeichereinheit 18 weist mehrere Speicherplätze zum Speichern von Empfangsdaten von Rundfunkprogrammen auf. Stationstasten 15 erlauben das wahlweise Abrufen der gespeicherten Rundfunkprogramme. Den Stationstasten ist eine Wechselanzeigeeinrichtung 16 zum Anzeigen einer für das jeweils gespeicherte Programm charakteristischen Kennung in Form einer Kurzbezeichnung des Programms zugeordnet. Weiter sind Mittel 22 zur Feststellung der Empfangsqualität der gespeicherten Programme vorgesehen. Die Programmbezeichnungen sind im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruches 1, bei dem eine individuelle Festlegung der Kurzbezeichnung durch den Benutzer beim Abspeichern des Programms möglich ist, fest in einem Senderspeicher 23 des Rundfunkempfängers gespeichert. Abkürzungsschemata zur Abkürzung der Programmbezeichnungen sind nicht vorgesehen.

Die Druckschrift (2) zeigt einen Rundfunkempfänger zum Empfang von Rundfunksendungen in einem Rundfunksystem, bei welchem neben dem eigentlichen Programm zusätzliche Informationen einschließlich der Bezeichnung des empfangenen Programms übertragen werden (S 7 Abs 2). Eine Stationsspeichereinheit 13 weist mehrere Speicherplätze zum Speichern von Empfangsdaten auf. Stationstasten (Fig 3 Bezugszeichen 18; S 8 Abs 3) dienen zum wahlweisen Abrufen der gespeicherten Rundfunkprogramme. Den Stationstasten ist eine Wechselanzeigeeinrichtung 20 zum Anzeigen einer für das jeweils gespeicherte Programm charakteristischen Kennung in Form einer Kurzbezeichnung des Programms zugeordnet. Weiter sind Mittel zur Feststellung der Empfangsqualität der gespeicherten Programme vorgesehen (S 6 Abs 1). Die angezeigten Kurzbezeichnungen sind in Form von intern festgelegten Bitmustern gespeichert (S 7 Abs 2). Abweichend vom Gegenstand des Patentanspruches 1 ist eine individuelle Festlegung der Kurzbezeichnung durch den Benutzer beim Abspeichern des Programms nicht möglich. Auch ein Abkürzungsschema zur Abkürzung der Programmbezeichnungen ist nicht vorgesehen.

Die Druckschrift (5) war vor dem Anmeldetag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich.

Es handelt sich bei der Druckschrift (5) um die Bedienungsanleitung zu dem Autoradio Blaupunkt Typ "Berlin RCM 303A". Die Bedienungsanleitung trägt auf der letzten Seite das Druckdatum 4/94, das über 16 Monate vor dem Anmeldetag des Streitpatents (7. September 1995) liegt. Die Einsprechende hat außerdem die Kopie einer Rechnung vom 29. Juni 1994 über die Lieferung eines Autoradios Berlin RCM 303A sowie mehrere vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlichte Zeitschriftenartikel, die das Autoradio Berlin RCM 303A beschreiben, vorgelegt. Es ist daher davon auszugehen, dass das Autoradio Berlin RCM 303A vor dem Anmeldetag an beliebige Dritte ausgeliefert wurde.

Die Bedienungsanleitung zu dem Autoradio Berlin RCM 303A hat in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegen. Sie besitzt ein farbiges Titelblatt, besteht aus kräftigem Hochglanzpapier und ist von ihrer Größe her ideal für die Aufbewahrung im Handschuhfach eines Kraftfahrzeugs geeignet. Die einzelnen Blätter sind nicht auswechselbar durch Spiralheftung zusammengehalten, so dass ein einfaches Umblättern möglich ist. Registerartig vorstehende Abschnitte an den der Heftung gegenüber liegenden Kanten der Blätter ermöglichen das schnelle Auffinden der einzelnen Kapitel. Auf Grund dieser aufwendigen Gestaltung bestehen nach der Lebenserfahrung keine Zweifel daran, dass es sich bei der Druckschrift (5) um eine mit dem Autoradio Berlin RCM 303A vorbehaltlos ausgelieferte Bedienungsanleitung und nicht etwa um eine unveröffentlichte Vorversion handelt. Im übrigen hat die Patentinhaberin in Kenntnis des Originals in der mündlichen Verhandlung erklärt, ihre Bedenken zur Vorveröffentlichung der Druckschrift (5) nicht länger aufrechtzuerhalten.

Aus (5) ist ein Rundfunkempfänger zum Empfang einer Rundfunksendung in einem Rundfunksystem bekannt, bei dem neben dem eigentlichen Programm zusätzliche Informationen einschließlich der Bezeichnung des empfangenen Programms übertragen werden (S 17). Eine Stationsspeichereinheit (Speichertabelle S 12) weist mehrere Speicherplätze zum Speichern von Empfangsdaten von Rundfunkprogrammen auf. In einer Wechselanzeigeeinrichtung wird die für das jeweils gespeicherte Programm charakteristische Kennung in Form einer Kurzbezeichnung des Programms angezeigt (S 13), wobei die Kurzbezeichnung auch individuell durch den Benutzer beim Abspeichern des Programms festlegbar ist (S 67). Weiter sind Mittel zur Feststellung der Empfangsqualität der gespeicherten Programme vorgesehen, wobei nicht empfangswürdige Sender auf dem Display in Klammern dargestellt werden (S 13, 17). Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruches 1 geschieht das wahlweise Abrufen der gespeicherten Rundfunkprogramme nicht mit Stationstasten. Stattdessen wird in einem Display die Speichertabelle mit allen gespeicherten Sendern angezeigt (S 12) und der gewünschte Sender durch Verschieben eines Cursors ausgewählt (S 13). Auch ein Abkürzungsschema zur Abkürzung der Programmbezeichnungen ist nicht vorgesehen. Der Benutzer gibt bei individueller Festlegung der Kurzbezeichnung alle Buchstaben nacheinander nach seinem Wunsch ein.

Die Druckschrift (6) beschreibt die Spezifikationen des Radiodatensystems RDS. Ein Rundfunkempfänger mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 ist aus (6) nicht bekannt.

Die Druckschriften (3) und (4) haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

4. Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruches 1 ist neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle seine Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.

5. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruches 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei dem in der Bedienungsanleitung (5) beschriebenen, für den Einbau in Kraftfahrzeugen bestimmten Rundfunkempfänger wird ein Rundfunkprogramm aus der Liste der gespeicherten Programme dadurch ausgewählt, dass ein Cursor mittels einer Wipptaste in einer auf der Anzeigeeinrichtung dargestellten Liste der Programmbezeichnungen bewegt wird. Hierbei muss die Wipptaste unter Umständen mehrfach gedrückt werden, um das gewünschte Programm aufrufen zu können. Da beim Verschieben des Cursors die Anzeigeeinrichtung für einige Zeit beobachtet werden muss, besteht ersichtlich die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit des Fahrers vom Verkehrsgeschehen abgelenkt wird. Der Fachmann, ein Hochschulingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Rundfunkempfängern für Kraftfahrzeuge, ist daher immer bestrebt, für den Einsatz in Kraftfahrzeugen möglichst einfach zu bedienende Geräte zu entwickeln. Es mag daher für ihn naheliegen, das aus den Druckschriften (1) und (2) bekannte Bedienungskonzept, das die Einstellung der Programme durch einen einzigen Tastendruck erlaubt, auch bei dem Rundfunkempfänger nach (5) zu verwirklichen und die gespeicherten Programme mit Hilfe von Stationstasten aufzurufen, wobei den Stationstasten eine Wechselanzeigevorrichtung zugeordnet ist.

Die Zuordnung der Wechselanzeigevorrichtung zu den Stationstasten führt jedoch dazu, dass für die Anzeige der den einzelnen Stationstasten zugeordneten Programme wenig Platz zur Verfügung steht, so dass die übertragenen Programmidentifikationen bei langen Sendernamen nicht vollständig angezeigt werden können. Der Fachmann mag daher zwar noch in Erwägung ziehen, ein Schema zur automatischen Abkürzung der Programmnamen vorzusehen. Er erkennt jedoch, dass bei der automatischen Abkürzung der Programmnamen die Gefahr besteht, dass es zu Mehrdeutigkeiten kommt. Er verfolgt daher diesen Gedanken nicht weiter, denn mit der individuellen Festlegung der Kurzbezeichnungen besteht ja bereits eine Möglichkeit zur Abkürzung der Programmnamen, die auch für den Benutzer zumutbar ist, weil einerseits nicht alle Sender betroffen sind, sondern nur diejenigen, die einen langen Programmnamen übertragen, und andererseits die Festlegung der Kurzbezeichnungen in der Regel nur bei der ersten Einrichtung des Geräts erfolgen muss.

Auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens gelangt der Fachmann daher ausgehend von Druckschrift (5) nicht in naheliegender Weise zu einem Rundfunkempfänger, bei dem die Kurzbezeichnung nicht nur individuell durch den Benutzer beim Abspeichern des Programms festlegbar ist, sondern daneben auch noch automatisch als Abkürzung der Programmbezeichnung nach einem vorgegebenen Abkürzungsschema, das aus mehreren in dem Empfänger abrufbar vorhandenen Schemata auswählbar ist.

Die Druckschriften (1) und (2) können dem Fachmann keinen Hinweis in diese Richtung geben, denn bei den dort beschriebenen Rundfunkempfängern ist der anzuzeigende Programmname im Gerät fest gespeichert und daher von vornherein auf die Größe der Anzeigeeinrichtung abgestimmt. Eine Möglichkeit zur Abkürzung des Programmnamens ist daher nicht vorgesehen. Die weiter abliegende Druckschrift (6) betrifft keinen Rundfunkempfänger, sondern beschreibt lediglich die Spezifikationen des Radiodatensystems RDS.

Auch ausgehend von einer der Druckschriften (1) und (2) gelangt der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruches 1. Bei den dort beschriebenen Rundfunkempfängern besteht in der Praxis der Nachteil, dass die angezeigten Programmbezeichnungen sich teilweise nur in einer Ziffer unterscheiden und daher wenig unterscheidungskräftig sind. Auch könnte bei den Benutzern der Wunsch bestehen, die Programmbezeichnungen nach eigenen Vorlieben zu vergeben, so wie es bei dem in Druckschrift (5) beschriebenen Autoradio bereits verwirklicht ist. Es mag daher für den Fachmann naheliegen, die Rundfunkempfänger nach (1) und (2) so auszugestalten, dass die Programmnamen individuell beim Abspeichern des Programms durch den Benutzer festlegbar sind. Es besteht für ihn jedoch keine Veranlassung, zusätzlich noch ein Abkürzungsschema vorzusehen, das die automatische Abkürzung von Programmbezeichnungen erlaubt. Denn die in den bekannten Rundfunkempfängern gespeicherten Programmbezeichnungen sind auf die Größe der Anzeigeeinrichtungen abgestimmt, so dass eine Abkürzung der Programmnamen nicht erforderlich ist.

6. Auch die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 haben Bestand. Sie betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruches 1.

7. Die Beschreibung genügt den an sie nach Änderung des Patents gemäß §34 PatG zu stellenden Anforderungen.

Dr. Anders Obermayer Martens Dr. Zehendner Be






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Beschluss v. 29.09.2003
Az: 20 W (pat) 316/02


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