Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juni 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 144/03

(BPatG: Beschluss v. 15.06.2005, Az.: 32 W (pat) 144/03)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Februar 2003 aufgehoben und die Löschung der Marke 399 10 076 angeordnet.

Gründe

I Gegen die am 22. Februar 1999 angemeldete und für "Tee; land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit in Klasse 31 enthalten; alkoholfreie Getränke" eingetragene Wortmarke 399 10 076 VOLLMER'S TEEGARTEN hat die Widersprechende am 7. Dezember 1999 aus ihrer am 9. Mai 1997 angemeldeten und für "medizinische Tees" eingetragenen farbigen Wort-Bild-Marke 397 21 177 siehe Abb. 1 am Ende Widerspruch eingelegt.

Die Markenstelle für Klasse 41 hat den Widerspruch mit Beschluss vom 3. Februar 2003 zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben, obwohl die Waren teilweise im engsten Ähnlichkeitsbereich lägen. Hersteller, Vertriebswege und Verkaufsstätten könnten durchaus übereinstimmen; auch Supermärkte und Lebensmittelabteilungen von Kaufhäusern führten Erkältungstees u.ä. Diese Waren seien in den Regalen in unmittelbarer Nähe zu herkömmlichen Tees. Medizinische Tees seien auch ähnlich zu gartenwirtschaftlichen Erzeugnissen, wie Kräuter, Früchte, Blüten oder Wurzeln, die oft eine medizinische Heilwirkung hätten. Melissen-, Hagebutten-, Lindenblüten- und Ginsengtee enthielten garten- bzw. landwirtschaftliche Erzeugnisse. Medizinische Tees fielen auch unter den Oberbegriff "alkoholfreie Getränke".

Die Widerspruchsmarke unterscheide sich aber durch eine beachtliche graphische Ausgestaltung und zahlreiche Wortbestandteile von der angegriffenen Marke. Diese weise mit dem Bestandteil "Garten" ein Wort auf, das keine Entsprechung in der Widerspruchmarke habe.

Jedenfalls die angegriffene Marke werde nicht durch den Bestandteil VOLLMER'S geprägt. Dies liege an der ungewöhnlichen Wortschöpfung mit dem phantasievollen Anklang, der über eine produktbeschreibende, schutzunfähige Angabe hinausgehe. Der Genitiv in VOLLMER'S verbinde die beiden Zeichenteile zu einer Einheit, so dass keinem eine prägende Funktion zukomme.

Selbst wenn man unterstellen würde, das VOLLMERS-TEE die Widerspruchmarke präge, bestehe keine Verwechslungsgefahr zu VOLLMER'S TEEGARTEN. Klanglich, im Schriftbild und begrifflich unterschieden sich diese Bezeichnungen ausreichend. Durch den Zusatz GARTEN in der angegriffenen Marke ergäben sich ein völlig anderer Sprechrhythmus, eine unterschiedliche Silbenstruktur und ein divergierendes Gesamtklangbild.

Eine begriffliche Verwechslungsgefahr liege nicht vor, da die Wörter nicht ihrem Sinn nach übereinstimmten. TEEGARTEN weise auf einen geographischen Ort hin und besitze keine begriffliche Ähnlichkeit zum Endprodukt Tee.

Es bestünden auch keine Anhaltspunkte, dass sich VOLLMERS als Stammbestandteil von Serienmarken für die Widersprechende durchgesetzt habe.

Dieser Beschluss wurde der Widersprechenden am 11. Februar 2003 zugestellt.

Die Widersprechende hat am 20. März 2003 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, neben dem Firmenschlagwort SALUS sei in ihrer Marke nur noch VOLLMERS-TEE relevant. Nachdem auch TEE eine reine Beschaffenheitsangabe darstelle, bleibe allein VOLLMERS kollisionsbegründend.

Auch in der angegriffenen Marke sei VOLLMER'S in erster Linie relevant, da TEEGARTEN beschreibend sei.

Damit stünden sich VOLLMERS und VOLLMER'S gegenüber, wobei es keinen klanglichen Unterschied mache, dass in der angegriffenen Marke ein Apostroph erscheine.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 25. Februar 2003 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Er war vor der Markenstelle der Ansicht, die Waren seien nicht identisch; die Widerspruchsmarke sei nur für Klasse 5 eingetragen, während die angegriffene Marke Waren der Klassen 30, 31 und 32 beanspruche. Es lägen auch völlig andere Vertriebswege (Apotheken und Drogerien) vor.

Er selbst sei Inhaber der Marke 359 40 860 VOLLMER, angemeldet am 7. Oktober 1995 für "Kaffee, Tee, Kakao"; damit habe er die prioritätsältere Marke. In der angegriffenen Marke sei VOLLMER'S ein Genitiv, VOLLMERS in der Widerspruchsmarke dagegen ein Nominativ.

VOLLMER'S TEEGARTEN habe eine große Kennzeichnungskraft, da diese Bezeichnung phantasievoll sei.

Die Widerspruchmarke bestehe aus zwei kennzeichnungsschwachen Bestandteilen, da VOLLMERS ein geläufiger Eigenname sei und TEE das vertriebene Produkt bezeichne. In der angegriffenen Marke sei VOLLMER'S kennzeichnungskräftiger, weil es auch die Gesellschaft benenne. TEEGARTEN beschreibe nicht das vertriebene Produkt; es handle sich um einen malerischen Begriff, der eine bildhafte Assoziation wecke.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg, weil die Markenstelle die angegriffene Marke nach § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG löschen hätte müssen; es besteht nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 lit. b MarkenRL, die für die Auslegung der in Umsetzung der Richtlinie erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Aufmerksamkeit des Publikums.

Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen diesen Faktoren. So kann ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 2000, 899, 901 [Nr. 40] - MARCA / ADIDAS; BGH GRUR 2003, 332, 334 - ABSCHLUSSSTÜCK).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen gegeben.

a) Die Widerspruchsmarke ist durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Anhaltspunkte für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind ebenso wenig ersichtlich wie für eine Minderung. Familiennamen sind nicht von Haus aus kennzeichnungsschwach, wie der Inhaber der angegriffenen Marke meint. Vorliegend sind auch keine speziellen Gründe für eine Kennzeichnungsschwäche des Zeichenbestandteils VOLLMERS ersichtlich.

b) Ausgehend von der Registerlage stehen sich hinsichtlich der Tees teilweise identische Waren gegenüber, da unter den Oberbegriff "Tee" der angegriffenen Marke auch die von der Widerspruchsmarke umfassten medizinischen Tees fallen.

Ob solche Tees land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sind, kann dahinstehen, da sie dazu jedenfalls ähnlich sind. So können Haferkörner, Kamillenblüten, Salbeiblätter, Tannensprossen u.ä. zur Teebereitung dienen.

Alkoholfreie Getränke sind zu Tee ebenfalls ähnlich, zumal es Mischgetränke aus beiden gibt.

Medizinische Tees sind nicht bloß verschreibungspflichtige Tees, sondern auch solche für Gesundheitszwecke. Sie werden nicht ausschließlich in Drogerien und Apotheken vertrieben, sondern auch dort, wo nichtmedizinische Tees zum Sortiment gehören.

c) Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände sind durchschnittliche Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen. Damit reichen die Übereinstimmungen aus, um eine klangliche Gefahr von Verwechslungen im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG annehmen zu lassen.

Weichen - wie im vorliegenden Fall - die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet voneinander ab, so kann trotzdem eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn übereinstimmende oder ähnliche Markenbestandteile, hier VOLLMERS (mit und ohne Apostroph) jeweils den Gesamteindruck der Marken prägen (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 199 - SPRINGENDE RAUBKATZE; GRUR 1996, 406 - JUWEL; GRUR 1999, 733, 735 - LION DRIVER; MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH).

aa) Der Bestandteil VOLLMER'S dominiert die angegriffene Marke. Er ist leicht auszusprechen sowie zu behalten, während TEEGARTEN eine kaum kennzeichnungskräftige Angabe ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 3. November 1999, Az: 32 W (pat) 116/99 - SANDWICH-GARDEN; vom 13. Januar 1999, Az: 32 W (pat) 152/98 - LANDGARTEN / OBSTGARTEN). Über seinen unmittelbaren Bedeutungsgehalt hinaus bezeichnet das bei Markenbildungen beliebte Element "Garten" Verkaufsorte. Im Kontext mit GARTEN wirkt TEE nur als kurze Angabe der Spezialität, die den Schwerpunkt des Angebots aus einem Garten im allgemeinen oder im übertragenen Sinn bildet. Gerade Früchte und Kräuter, die zur Herstellung von Tees, gartenwirtschaftlichen Erzeugnissen und alkoholfreien Getränke dienen, stammen oft aus Gärten.

Die Genitiv-Form von VOLLMER'S schafft keine so enge Verbindung, dass bei der langen Kombination, die kennzeichnungsschwache Bezeichnung TEEGARTEN in entscheidungserheblichem Umfang weggelassen wird.

bb) Jedenfalls entscheidungserhebliche Teile werden die Widerspruchsmarke als VOLLMERS sprechen.

VOLLMERS hat neben der Warenangabe TEE und den weiteren beschreibenden Angaben eine selbständig kennzeichnende und kollisionsbegründende Bedeutung.

Der Bindestrich und die Genitiv-Form von VOLLMERS-TEE schaffen keine so enge Verbindung, dass die kennzeichnungsschwache Warenbezeichnung TEE immer mitgesprochen wird. Hinzu kommt bei der Widerspruchsmarke, dass in ihr VOLLMERS ein zweites Mal in Alleinstellung auftritt.

Selbst die zusätzliche Verwendung der Marke SALUS ändert daran nichts. In einem zusammengesetzten Zeichen kann der Verbraucher im Einzelfall einen Zeichenbestandteil als ein selbstständig verwendetes Zweitkennzeichen auffassen (vgl. BGH GRUR 2005, 5115, 516 - FERROSIL; GRUR 1991, 613 - SL; GRUR 2002, 171 - MARLBORO-DACH; GRUR 2004, 865, 866 - MUSTANG), denn der Verbraucher ist vielfach an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt (vgl. BGH, GRUR 1993, 972, 974 - SANA / SCHOSANA; GRUR 2000, 510 - CONTURA). Bekannte oder zumindest so erkennbare Herstellerangaben, wie hier SALUS, treten neben der speziellen Produktkennzeichnung, die hier sogar zweimal auftritt (VOLLMERS-TEE und VOLLMERS präparierter GRÜNER HAFERTEE) in den Hintergrund (vgl. BGH GRUR 2001, 164, 166 - WINTERGARTEN).

Damit besteht die Gefahr von klanglichen Verwechslungen in unmittelbarer Hinsicht. Der fehlende Apostroph macht keinen klanglichen Unterschied zur angegriffenen Marke.

cc) Zudem besteht die Gefahr von Verwechslungen unter dem Gesichtspunkt, dass die Verbraucher die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Die Bestandteile VOLLMER'S und VOLLMERS geben Anlass für die Annahme, die fraglichen Waren stammten aus demselben Betrieb oder wenigstens aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.

Ältere Rechte des Inhabers der angegriffenen Marke an VOLLMER haben hierauf keinen Einfluss, da sie den Verbrauchern beim hier allein maßgeblichen Zeichenvergleich nicht bekannt sind. Dass der Inhaber der angegriffenen Marke über eine benutzte und berühmte Marke VOLLMER verfügt, ist bestritten und nicht evident.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Albrecht Kruppa Merzbach Hu Abb. 1 Grafik der Marke 39721177.5






BPatG:
Beschluss v. 15.06.2005
Az: 32 W (pat) 144/03


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