Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2002
Aktenzeichen: 23 W (pat) 6/01

(BPatG: Beschluss v. 15.10.2002, Az.: 23 W (pat) 6/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Oktober 2000 aufgehoben.

Die Sache wird auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (Ansprüche 1 bis 3) zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist unter der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eines elektrischen Kontaktes auf einer Halbleiterdiode und Diode mit einem derartigen Kontakt" am 31. März 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Dem ursprünglichen Patentbegehren entsprechend ist die Anmeldung nach der IPC-Klasse H 01 L 21/288 (Ablagerung von Materialien für Elektroden auf Halbleiterkörpern aus der flüssigen Phase, zB elektrolytische Ablagerungen) klassifiziert worden, in der auch die Recherche zum Stand der Technik durchgeführt worden ist.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2000 hat die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung aus den Gründen des (Erst)Bescheides vom 17. November 1999 zurückgewiesen, nachdem die Anmelderin innerhalb der - einmal verlängerten - Äußerungsfrist hierzu sachlich nicht Stellung genommen hat. In dem Bezugsbescheid ist dargelegt, dass sowohl das Verfahren zur Herstellung eines elektrischen Kontaktes auf einem Oberflächenabschnitt einer Halbleiterdiode nach dem ursprünglichen Anspruch 1 als auch die Diode nach dem ursprünglichen nebengeordneten Anspruch 6 im Hinblick auf den zB aus der deutschen Offenlegungsschrift 17 64 758 bekannten Stand der Technik nicht neu seien.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 17. November 2000 neue Ansprüche 1 bis 7 eingereicht und ihr Patentbegehren nunmehr auf ein Verfahren zum gleichzeitigen Herstellen einer Mehrzahl von Leuchtdiodenelementen gerichtet. Die Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes hat die Anmelderin letztlich damit begründet, dass keine der von der Prüfungsstelle ermittelten 8 Druckschriften sich auch nur annähernd auf die Herstellung von Leuchtdiodenelementen beziehe (Beschwerdebegründung vom 17. November 2000, Blatt 2 Abs 4).

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach Erörterung der Sach- und Rechtslage neue Patentansprüche 1 bis 3 vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des neugefassten Patentanspruchs 1 durch den von der Prüfungsstelle nachgewiesenen Stand der Technik, einschließlich der vom Senat genannten Literaturstelle "Electronics Letters", Vol. 33, Nr. 13, 19. Juni 1997, S 1148 bis 1149, nicht patenthindernd getroffen sei.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Oktober 2000 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und noch anzupassende Beschreibung und offengelegte Zeichnung (Figuren 1 bis 4).

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum gleichzeitigen Herstellen einer Mehrzahl von Leuchtdiodenelementen, das folgende Verfahrensschritte aufweist:

a) Befestigen einer Mehrzahl von strahlungsemittierenden Schichtenfolgen (1) aus Halbleiterkristallschichten nebeneinander auf einer Befestigungsfläche (20) eines Trägerkörpers (2) derart, dass - ein für einen Kontakt (10) vorgesehener Oberflächenabschnitt (12) jeder Schichtenfolge (1) von der Befestigungsfläche (20) abgekehrt ist und - jeweils ein Abschnitt (21) der Befestigungsfläche (20) neben jeder der Schichtenfolgen (1) freibleibt, b) Aufbringen einer Ausgleichsschicht (3) auf die freien Abschnitte (21) der Befestigungsfläche (20) derart, dass - jeweils eine von der Befestigungsfläche (20) abgekehrte Oberfläche (30) dieser Schichten (3) im wesentlichen an die Oberflächenabschnitte (12) der Schichtenfolgen (1) grenzt, c) Aufbringen einer Mehrzahl von Metallschichten (113) sowohl - auf zumindest einen Teil jedes Oberflächenabschnitts (12) jeder Schichtenfolge (1) als auch - auf jeweils zumindest einen Teil der Oberfläche (30) der Ausgleichsschicht (3), d) Erzeugen des Kontaktes (10) durch galvanisches Verdicken der Metallschichten (113)

sowohl - auf den Oberflächenabschnitten (12) der Schichtenfolgen (1) als auch - auf der Oberfläche (30) der Ausgleichsschicht (3), e) Selektives Entfernen der Ausgleichsschicht (3), f) Biegen des Kontaktes (10) zur Befestigungsfläche (20) des Trägerkörpers (2) hin und Befestigen des Kontaktes (10) an der Befestigungsfläche (20), undg) Durchtrennen des Trägerkörpers (2) zwischen den Schichtenfolgen (1).

2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem der Trägerkörper (2) elektrische Leitungen aufweist und die Kontakte (10) jeweils mit einer dieser Leitungen verbunden sind.

3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 und 2, bei dem die Metallschichten (113) jeweils auf einer Breite galvanisch verdickt werden, die dem Durchmesser eines Bonddrahtes entspricht, so daß die Kontakte (10) zum Anschließen an nicht in der Ebene der Kontakte (10) liegende elektrische Leitungen wie ein herkömmlicher Bonddraht biegbar sind."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und auch insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neugefassten Patentansprüchen 1 bis 3 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen ist, weil das wesentlich geänderte Patentbegehren noch nicht ausreichend geprüft ist (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

1.) Die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 sind zulässig, denn alle Anspruchsmerkmale sind für den Durchschnittsfachmann aus der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörig offenbart herzuleiten.

So stützt sich der geltende Patentanspruch 1 inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 4 und 5 in Verbindung mit dem beschriebenen Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 1 bis 4, insbesondere ursprüngliche Seite 7 Absatz 1 und Seite 8 vorletzter Absatz Satz 1 (hinsichtlich der Herstellung von Leuchtdiodenelementen) und ursprüngliche Seite 11 vorletzter Absatz zu Figur 4 (hinsichtlich des Biegens und Befestigens des Kontaktes an der Befestigungsfläche des Trägerkörpers gemäß Merkmal f). Der geltende Anspruch 2 stützt sich inhaltlich auf die ursprüngliche Seite 6 vorletzter Absatz und ursprüngliche Seite 11 vorletzter Absatz. Der getende Anspruch 3 stützt sich in seinem technischen Inhalt auf den ursprünglichen Anspruch 2 in Verbindung mit der ursprünglichen Seite 9 Absatz 4.

2.) Aufgrund des geltenden Patentanspruchs 1 ist zwar der dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegende Zurückweisungsgrund der mangelnden Neuheit entfallen. Jedoch beinhaltet der nunmehr auf ein Verfahren zum gleichzeitigen Herstellen einer Mehrzahl von Leuchtdiodenelementen gerichtete Anspruch 1 mit den zugehörigen Verfahrensschritten a) bis g) eine wesentliche Änderung des bisherigen Patentbegehrens, die im Rahmen des Prüfungsverfahrens ersichtlich noch nicht geprüft ist.

Aufgrund dieser wesentlichen Änderung des Patentbegehrens in die Herstellung von Leuchtdiodenelementen ist vielmehr eine Nachrecherche in der hierfür vorgesehenen eigenen IPC-Klasse H 01 L 33/00 (Verfahren zur Herstellung von Halbleiterbauelementen für Lichtemission) erforderlich. So belegt zB die dem Senat aus diesem technischen Sachgebiet bekannte og Literaturstelle "Electronics Letters", 1997, dass am Anmeldetag der vorliegenden Patentanmeldung bereits Verfahren zum gleichzeitigen Herstellen einer Mehrzahl von Leuchtdiodenelementen (Laserdioden-Array) bekannt waren, deren Frontkontakte als galvanisch verdickte Bondkontakte (elektroplattiertes Gold) auf den - auf einem Trägerkörper (Si-Substrat) befestigten - mesaförmigen strahlungsemittierenden Schichtenfolgen und den angrenzend dazu aufgebrachten Ausgleichsschichten (Polyimid) erzeugt werden und die über die Diodenelemente hinausstehen, vergleiche dort insbesondere Figuren 1 bis 3 mit zugehöriger Beschreibung auf Seiten 1148 und 1149.

Die vorliegende Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif. Da der recherchierte Stand der Technik unvollständig ist und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten druckschriftlichen Standes der Technik ergehen kann, wofür in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, ist die Sache im Rahmen der geltenden Patenansprüche 1 bis 3 an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Prüfung und Entscheidung - unter Einbeziehung der og. Druckschrift - zurückzuverweisen (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

Dr. Beyer Dr. Meinel Knoll Lokys Be






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Az: 23 W (pat) 6/01


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