Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 17. März 2010
Aktenzeichen: 21 K 7671/09

(VG Köln: Urteil v. 17.03.2010, Az.: 21 K 7671/09)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, die Fa. U. P. GmbH & Co. OHG (P. ), betreibt öffentliche Mobilfunknetze nach dem GSM (Global System for Mobile Communications) und IMT-2000/UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) - Standard und bietet Mobilfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit an. Auf der Basis selbst betriebener Mobilfunknetze sind in der Bundesrepublik Deutschland neben der Klägerin drei weitere Netzbetreiber, die U1. GmbH (U1. ), die W. GmbH (W. ) und die Q. GmbH ( Q. ) tätig. Die Klägerin sowie die Q. werden als sog. E-Netzbetreiber, die U1. und die W. als D- Netzbetreiber bezeichnet.

Die genannten Netzbetreiber verfügen über unterschiedliche Frequenzausstattungen. Im Bereich der Frequenzen unter 1 GHz verfügen die D- Netzbetreiber über jeweils 2 x 12,4 MHz (gepaart) im 900 MHz- Bereich, während den E- Netzbetreibern in diesem Band nur 2 x 5 MHz (gepaart) zugeteilt sind. Im Bereich der Frequenzen über 1 GHz, d.h. im 1800 MHz Spektrum und im 2000 MHz- Spektrum, verfügen demgegenüber die E- Netzbetreiber über gepaartes Spektrum von jeweils 2 x 32,4 MHz, während den D- Netzbetreibern hier nur 2 x 27,4 MHz zugeteilt sind.

Die Frequenzen oberhalb und unterhalb von 1 GHz unterscheiden sich hinsichtlich ihrer physikalischen Ausbreitungseigenschaften. Frequenzen unterhalb von 1 GHz zeichnen sich bei gleichen Sendeparametern durch größere Nutzreichweiten aus. Ferner durchdringen die Funkwellen mit größerer Wellenlänge Gebäudemauern besser. Diese Frequenzen eignen sich daher besonders für die Versorgung in der Fläche. Mit Frequenzen oberhalb von 1 GHz können aufgrund der günstigeren Kanalwiederholungsrate engmaschigere Netze betrieben werden. Dies ermöglicht, insbesondere in dicht bebauten Gebieten, eine größere Übertragungskapazität. Diese Frequenzen eignen sich daher besonders für die Versorgung kleiner Funkzellen mit vielen Teilnehmern.

Die unterschiedliche Frequenzausstattung der im deutschen Markt tätigen Mobilfunknetzbetreiber hat im Wesentlichen historische

Gründe

Mit dem Markteintritt der D- Netzbetreiber im Jahre 1990 wurde diesen zunächst das seinerzeit verfügbare Spektrum aus dem 900 MHz- Bereich zugeteilt. Für die 1993 in den Markt getretene Q. waren daher Frequenzen im Bereich unter 1 GHz zunächst nicht verfügbar, ihr wurden daher zunächst 2 x 15 MHz (gepaart) im 1800 MHz- Bereich zugeteilt, die in der Folgezeit bis 1997 schrittweise auf 2 x 22,4 MHz (gepaart) erweitert wurden. Die Klägerin erhielt im Jahr 1997 als vierter Mobilfunknetzbetreiber ebenfalls ein Frequenzspektrum von 2 x 22,4 MHz (gepaart) im Bereich von 1800 MHz. Im Jahr 1999 kam weiteres Frequenzspektrum aus dem Bereich 1800 MHz im Wege einer Versteigerung zur Vergabe. Dieses Spektrum wurde zu annähernd gleichen Teilen von den D- Netzbetreibern erworben, die seither zusätzlich zu den zugeteilten Frequenzen aus dem 900 MHz- Bereich über 2 x 17,4 MHz (U1. ) und 2 x 17,8 MHz (W. ) im Bereich von 1800 MHz verfügen.

Nachdem im Jahre 2005 das Bundesministerium der Verteidigung auf die militärische Nutzung von Frequenzen im Bereich von 900 MHz verzichtet hatte, stand in den als E-GSM- Bänder bezeichneten Bereichen (880 MHz bis 890 MHz und 925 MHz bis 935 MHz) ein Spektrum von 2 x 10 MHz (gepaart) zur Vergabe zur Verfügung. In dem daraufhin von der Beklagten entwickelten "Konzept zur Vergabe weiteren Spektrums für digitalen öffentlichen zellularen Mobilfunk unterhalb von 1,9 GHz" (sog. GSM-Konzept - Verfügung Nr. 88/2005, Amtsblatt BNetzA Nr. 23/2005) wurde als Ziel u.a. festgehalten, die E-GSM- Frequenzen dem Mobilfunk zur Verfügung zu stellen und diese als Ausgleich für die bestehenden ungleichen Frequenzausstattungen der vier GSM- Netze zu benutzen. Die E-GSM- Frequenzen wurden dementsprechend im Februar 2006 im Wege einer Frequenzverlagerung zu gleichen Teilen (2 x 5 MHz gepaart) den E- Netzbetreibern zur Verfügung gestellt, die in gleichem Umfang auf Frequenzen aus dem Bereich 1800 MHz verzichteten.

Als Folge dieses Verzichts, des Freiwerdens weiterer bislang militärisch genutzter Frequenzen und des Übergangs von analogem auf digitalen Fernsehrundfunk stehen derzeit insgesamt weitere ca. 360 MHz an Frequenzspektrum für eine Vergabe zur Verfügung, von denen auf den Frequenzbereich 790-862 MHz 60 MHz entfallen. Die Beklagte beabsichtigt, diese Frequenzen im Wege eines Versteigerungsverfahrens zu vergeben. Zu diesem Zweck erließ sie die nachfolgend genannten Allgemeinverfügungen:

- Entscheidungen der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 19. Juni 2007 über die Anordnung und die Wahl des Vergabeverfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den digitalen zellularen Mobilfunk nach §§ 55 Abs. 9, 61 Abs. 1 und 2, 132 Abs. 1 und 3 TKG (Verfügung Nr. 34/2007, Az.: BK 1-07/003 - Abl. BNetzA Nr. 14/2007 vom 18. Juli 2007),

- Entscheidungen der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 7. April 2008 über die Anordnung und die Wahl des Vergabeverfahrens sowie über die Festlegungen und Regeln im Einzelnen zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten nach §§ 55 Abs. 9, 61 Abs. 1 und 2, Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2, 132 Abs. 1 und 3 TKG (Verfügung Nr. 34/2008, Az. BK 1 - 07/003 - Abl. BNetzA 7/2008 vom 23. April 2008),

- Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 12. Oktober 2009 über die Verbindung der Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis 862 MHz sowie 1710 bis 1725 MHz und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Zugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten sowie über die Festlegungen und Regelungen für die Durchführung des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 800 MHz, 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten; Entscheidung gemäß §§ 55 Abs. 9, 61 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 und 5, 132 Abs. 1 und 3 TKG (Verfügung Nr. 59/2009 - Az. BK 1a-09/002 - Abl. BNetzA Nr. 20/2009 vom 21. Oktober 2009).

Die letztgenannte Allgemeinverfügung enthält unter Ziffer IV.3. eine Regelung über die "Grundausstattung an Frequenzen und Beschränkung der Bietrechte, §§ 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 TKG, 61 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG". Darin heißt es:

1. Eine Grundausstattung an Frequenzen gemäß § 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 TKG wird nicht festgelegt.

2. Für den Frequenzbereich 790 bis 862 MHz werden die Bietrechte auf eine Frequenzausstattung von höchsten 2 x 20 MHz (gepaart) beschränkt. Hierbei werden im Ergebnis bestehende Frequenzausstattungen im Frequenzbereich 900 MHz (der sog. GSM- Netzbetreiber) berücksichtigt. daraus ergeben sich folgende Beschränkungen der Bietrechte für die GSM-Netzbetreiber:

GSM-Netzbetreiber Beschränkungen der Bietrechte auf

D-Netzbetreiber 2 x 10 MHz (gepaart) im Bereich 800 MHz

E-Netzbetreiber 2 x 15 MHz (gepaart) im Bereich 800 MHz

Weiterhin werden unter Ziffer IV.4 "Frequenznutzungsbedingungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung, § 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 TKG" festgelegt. In Ziffer IV.4.2 Abs. 1 Satz 2 wird hierzu hinsichtlich der Frequenznutzungen im Frequenzbereich 800 MHz zunächst auf die in Anlage 2 enthaltenen vorläufigen Frequenznutzungsbestimmungen hingewiesen, die technische Parameter enthalten. Des weiteren heißt es in Ziffer IV.4.2 Abs. 3:

"Die Frequenznutzungsbestimmungen können nachträglich geändert werden, insbesondere, wenn dies zur Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung oder aufgrund internationaler Harmonisierungsvereinbarungen erforderlich wird. Insbesondere bei den in Anlage 2 beschriebenen Frequenznutzungsbestimmungen im 800-MHz- Bereich sind Änderungen zu erwarten, da hierzu die endgültigen Entscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene noch ausstehen."

Außerdem sind in der Ziffer IV.5 besondere Versorgungsverpflichtungen für die Frequenzen im Bereich von 800 MHz vorgesehen. Danach ist ein Zuteilungsinhaber verpflichtet, bei der Frequenznutzung in allen Bundesländern einen Versorgungsgrad von mindestens 90 % der Bevölkerung der von den einzelnen Bundesländern benannten Städte und Gemeinden ab dem 01. Januar 2016 zu erreichen. Die benannten Städte und Gemeinden sind in anliegenden Listen dokumentiert. Sie betreffen bislang mit Breitbanddiensten unterversorgte - vor allem ländliche - Gebiete.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Allgemeinverfügung und ihre Begründung verwiesen.

Die Klägerin hat am 18. November 2009 gegen die Allgemeinverfügung vom 12. Oktober 2009 Klage erhoben.

Sie trägt vor, die Anordnung des Vergabeverfahrens (Ziffer II), die Wahl des Vergabeverfahrens (Ziffer III), die Festlegung der Regeln des Vergabeverfahrens (Ziffer IV) und die Versteigerungsregeln (Ziffer V) seien rechtswidrig. Da sie die Absicht habe, an der Versteigerung teilzunehmen und zusätzliche Frequenzen zu erwerben, sei sie dadurch in ihren Rechten verletzt.

Zur Begründung trägt sie vor, die Beklagte habe vor der Anordnung des Vergabeverfahrens keine hinreichende Sachverhaltsermittlung durchgeführt und jedenfalls hinsichtlich der Frequenzen unterhalb von 1 GHz keine zutreffende Prognoseentscheidung über die Frequenzknappheit getroffen. Eine Bedarfsabfrage habe es nicht gegeben; vielmehr habe sich die Beklagte nur auf vage Angaben zu Interessenbekundungen im Rahmen einer Anhörung gestützt. Die zuvor erfolgte Bedarfsermittlung für die Frequenzen oberhalb von 1 GHz sei für die Frequenzen unterhalb von 1 GHz nicht aussagekräftig, weil sich die Frequenzbereiche hinsichtlich ihrer technischen Eigenschaften stark unterschieden, was auch in den unterschiedlichen Versorgungsauflagen zum Ausdruck komme.

Auch die Wahl des Vergabeverfahrens sei fehlerhaft. Es seien beide der in § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG genannten Tatbestände erfüllt, was zur Ungeeignetheit des Versteigerungsverfahrens führe. Auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt seien in den 90iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bereits in großem Umfang Frequenzen ohne Versteigerung vergeben worden. Noch im Jahre 2009 seien den D- Netzbetreibern die ihnen zugeteilten Frequenzen im Bereich von 900 MHz ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens verlängert worden. Außerdem bestehe auf der Grundlage des GSM- Konzeptes und auf der Grundlage der "Richtlinie 2009/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind" (geänderte GSM- Richtlinie) eine gesetzlich begründete Präferenz der E- Netzbetreiber für die Frequenzen im Bereich von 800 MHz. Schließlich sei das Versteigerungsverfahren zur Schließung von Versorgungslücken im ländlichen Bereich auch ungeeignet, da das entscheidende Kriterium der Vergabe nicht die Eignung zur Erfüllung der Versorgungsverpflichtung, sondern das Höchstgebot sei. Dies könne bei einem Ausschreibungsverfahren verhindert werden.

Die Festlegung und Regeln des Vergabeverfahrens sowie die Auktionsregeln führten zu Wettbewerbsverzerrungen und zu einer Diskriminierung der E- Netzbetreiber gegenüber den D- Netzbetreibern. Die Beklagte habe es versäumt, die bestehende Marktsituation unter Annahme von erfolgreichen Geboten der D- Netzbetreiber bei den Frequenzen im Bereich von 800 MHz zu würdigen. Sie hätte berücksichtigen müssen, dass der deutsche Mobilfunkmarkt von den D- Netzbetreibern dominiert werde, was auch vom Bundeskartellamt anerkannt sei. Insofern habe sie - die Beklagte - selbst mehrfach festgestellt, dass die ungleiche Frequenzausstattung einen Wettbewerbsnachteil darstelle und ein direkter Zusammenhang zwischen der Frequenzausstattung und der wettbewerblichen Chancengleichheit bestehe. Vor diesem Hintergrund könne es bei einem erfolgreichen Gebot der D- Netzbetreiber auf die 800 MHz- Frequenzen zu einer erheblichen Gefährdung des Wettbewerbs kommen. Bei einem gemeinsamen Erfolg der D- Netzbetreiber ginge nämlich einer der E- Netzbetreiber zwangsläufig leer aus, da nicht mehr für beide mindestens 2 x 10 MHz zur Verfügung stünden. Zudem folge eine sachlich ungerechtfertigte Diskriminierung auch daraus, dass die D- Netzbetreiber nach der Versteigerung insgesamt auf 2 x 22,4 MHz kommen könnten, während die E- Netzbetreiber maximal 2 x 20 MHz erreichen könnten, wodurch die ungleiche Frequenzausstattung im Bereich unterhalb von 1 GHz perpetuiert würde. Diesen Folgen hätte die Beklagte durch eine andere Gestaltung der Bietrechte verhindern können. In diesem Zusammenhang hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass den D- Netzbetreibern durch die vor kurzem erteilte Verlängerung von Frequenzen aus dem Bereich von 900 MHz, die keiner entsprechenden Versorgungsverpflichtung unterliege, ein Vorteil zugeflossen sei, während die nunmehr zu erwerbenden Frequenzen im Bereich unterhalb von 1 GHz mit strengen Auflagen hinsichtlich des zu erreichenden Versorgungsgrades verbunden seien. Dies führe dazu, dass die bereits zugeteilten - und verlängerten - Frequenzen als "wertvoller" als die neu zu erwerbenden anzusehen seien, was das Ungleichgewicht weiter verstärke.

Zudem sei das nach § 61 Abs. 3 i.V.m. § 123 Abs. 1 Satz 1 TKG notwendige Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt von der Beklagten rechtswidrig nicht herbeigeführt worden. Auch die Beschränkung von Bietrechten stelle einen (teilweisen) Ausschluss eines Antragstellers im Sinne von § 61 Abs. 3 TKG dar.

Rechtlich unzulässig sei es schließlich auch, dass die Beklagte die Frequenznutzungsbestimmungen gem. Ziffer IV.4.2 der Allgemeinverfügung nur vorläufig festgelegt habe. Hinsichtlich der technischen Vorgaben für eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung benötigten die Teilnehmer an der Auktion nämlich ausreichende Klarheit und eine verlässliche Kalkulationsgrundlage. Die durch die nur vorläufige Festlegung geschaffene Unsicherheit betreffe daneben z.B. auch die Versorgungsauflagen für die Frequenzbereiche 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz. Auch hier würden nach Ziffer IV 4.4 der Allgemeinverfügung die bei der Versorgungsverpflichtung zu erfüllenden Parameter erst nachträglich festgelegt. Dies führe dazu, dass sie - die Klägerin - gegenwärtig z.B. nicht wisse, ob es zu einer Anrechnung des von ihr derzeit bereits erreichten Versorgungsgrades komme. Gerade dieser Umstand habe aber entscheidenden Einfluss auf ihr Verhalten im Rahmen der Auktion. Zu einer nicht hinnehmbaren Unsicherheit führe es auch, dass im 800 MHz- Bereich einer der Blöcke wegen des absehbaren Erfordernisses von Schutzmaßnahmen für den internationalen Rundfunkkanal 60 konkret, die anderen aber abstrakt vergeben würden. Hier wäre für die Kalkulation des Minderwerts dieses Blocks die Festlegung konkreter Schutzanforderungen notwendig gewesen. Noch unsicherer sei die Situation für zukünftige Bieter auf Frequenzen im Bereich von 2,6 GHz. Hier seien in den Frequenzblöcken 13 und 14 Schutzanforderungen zu Gunsten der Radioastronomie vorgesehen, ohne dass diese Blöcke konkret vergeben würden.

Schließlich seien die Bestimmungen zu den Versorgungsverpflichtungen im Bereich der Frequenzen von 800 MHz auch inhaltlich rechtswidrig. Die Listen der von den Bundesländern benannten Städte und Gemeinden seien nämlich inkonsistent und inhomogen und widersprächen damit dem Ziel der Sicherstellung einer störungsfreien und effizienten Frequenznutzung.

Die Klägerin beantragt,

die Entscheidungen der Präsidentenkammer BK 1a-09/002 der Beklagten vom 12. Oktober 2009 über die Anordnung des Vergabeverfahrens (Ziffer II der Entscheidungen der Präsidentenkammer), die Wahl des Vergabeverfahrens (Ziffer III der Entscheidungen der Präsidentenkammer), die Festlegung und Regeln des Vergabeverfahrens (Ziffer IV der Entscheidungen der Präsidentenkammer) sowie die Versteigerungsregeln (Ziffer V der Entscheidungen der Präsidentenkammer) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, bei der Beurteilung der Frage, ob Frequenzen nicht in ausreichendem Umfang verfügbar seien, nicht auf ein förmliches Verfahren der Bedarfsermittlung festgelegt zu sein. Vielmehr komme ihr hier ein weiter Beurteilungsspielraum zu, den sie im Sinne einer Prognoseentscheidung rechtsfehlerfrei ausgefüllt habe. Es sei zu berücksichtigen, dass sie ab dem Jahr 2005 für die Frequenzen oberhalb von 1 GHz mehrere schriftliche und mündliche Anfragen bei den Marktteilnehmern durchgeführt habe und dabei einen Nachfrageüberhang von mehr als 100 MHz über dem damals verfügbaren Spektrum von 270 MHz festgestellt habe. Daraus ergebe sich, dass auch das jetzt zur Vergabe stehende Spektrum von insgesamt 360 MHz zur Befriedigung dieser Nachfrage nicht ausreiche. Allein von den Mobilfunknetzbetreibern sei daneben ein mittel- bis längerfristiger Frequenzbedarf von 160 MHz unterhalb von 1 GHz geltend gemacht worden, was durch eine von ihr - der Beklagten - in Auftrag gegebene Studie auch bestätigt worden sei. Auch dieser Bedarf übersteige das derzeit zur Verfügung stehende Spektrum bei weitem. Berücksichtige man überdies das stetige Wachstum des Mobilfunksektors und die massive Zunahme der Datendienste, sei offenkundig, dass eine Frequenzknappheit bestehe.

Auch die Wahl des Vergabeverfahrens unterliege einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, wobei jedoch der gesetzlich begründete Vorrang des Versteigerungsverfahrens gegenüber einem Ausschreibungsverfahren als Vorgabe zu berücksichtigen sei. Der Umstand, dass zuvor für GSM- Anwendungen bereits Frequenzen im Bereich von 900 MHz ohne eine Versteigerung vergeben worden seien, stehe der Anordnung einer Versteigerung für die nunmehr zur Vergabe stehenden Frequenzen nicht entgegen, denn bei dem GSM- Markt und dem - hier relevanten - Markt für den drahtlosen Zugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten handele es sich um unterschiedliche Märkte. Zudem sei das Versteigerungsverfahren erst seit dem Jahre 1996 möglich - ein Zeitpunkt, zu dem die Frequenzzuteilungen an die D- Netzbetreiber bereits erfolgt waren. Zu berücksichtigen sei weiter, dass im Jahre 1999 auch das GSM- Erweiterungsspektrum (1800 MHz) und später die UMTS- Frequenzen im Wege einer Versteigerung vergeben worden seien. Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine gesetzliche Präferenz für die zuzuteilenden Frequenzen berufen. Zum einen handele es sich bei der GSM- Richtlinie, auf die die Klägerin sich in diesem Zusammenhang berufe, nicht um ein Gesetz; zum anderen erfasse diese auch nur die Frequenzen im 900 MHz- Band. Auch das GSM- Konzept ziele nicht darauf, den E- Netzbetreibern so lange Spektrum unterhalb von 1 GHz zuzuteilen, bis diese genau so viel hätten wie die D- Netzbetreiber.

Das Versteigerungsverfahren sei auch besonders geeignet, das Ziel, Versorgungslücken im ländlichen Bereich schnell zu schließen, zu erreichen. Es führe dazu, dass derjenige die Frequenzen erhalte, für den sie wirtschaftlich am wertvollsten seien. Dieser habe auch das größte Interesse an einer rechtzeitigen und vollständigen Erfüllung der Versorgungsauflagen, da ihm ansonsten der Entzug der - zum Höchstpreis erworbenen - Frequenzen drohe.

Einen Beurteilungsspielraum habe sie - die Beklagte - auch bei der Festlegung der Regeln des Vergabeverfahrens. Insbesondere die von ihr festgelegten Bietbeschränkungen für die Frequenzen im Bereich von 800 MHz, die sog. "Spektrumskappen", seien nicht zu beanstanden. Sie habe nämlich zugleich sicherstellen müssen, dass nicht ein einziger Betreiber alle Frequenzen in diesem Bereich erwerben könne, dass auch ein Neueinsteiger zum Zuge kommen könne, dass - vor dem Hintergrund der Versorgungsverpflichtung - jeder der etablierten Netzbetreiber ein wirtschaftlich sinnvoll nutzbares Spektrum erhalten könne und dass überdies das Versteigerungsverfahren auch noch praktikabel bleibe. Das werde durch die Spektrumskappen in der bestmöglichen Weise erreicht. Da sie ein Spektrum von 2 x 10 MHz als wirtschaftlich sinnvolle Mindestausstattung für eine effiziente Nutzung erkannt habe, sei die Festlegung auf ersteigerbare 5- MHz- Blöcke, die im Übrigen auch internationalen Harmonisierungsabsprachen entspreche, geeignet. Eine weitere Aufspaltung hätte nicht nur zu einer Ausweitung der Versteigerung geführt, sondern auch die Gefahr begründet, dass ineffiziente Blöcke ersteigert würden. Die Beschränkung der D- Netzbetreiber auf 2 x 10 MHz gäbe diesen die Chance auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Frequenzen. Eine weitere Beschränkung hätte überdies zur Folge gehabt, dass der dem Auswahlverfahren innewohnende Ausleseprozess verfälscht würde. Nähme nämlich neben den etablierten Netzbetreibern kein Neueinsteiger an der Versteigerung teil, hätten die E- Netzbetreiber ihren Bedarf von 2 x 10 MHz decken und die D- Netzbetreiber die übrigen 2 x 5 MHz erhalten können. Die Beschränkung der E- Netzbetreiber auf 2 x 15 MHz sei so gewählt, dass auch diese jeweils nicht das gesamte Spektrum erwerben könnten. Nur so habe sichergestellt werden können, dass auch Neueinsteiger eine Chance erhielten und zugleich die E- Netzbetreiber im Ergebnis mehr Frequenzen unterhalb von 1 GHz erhalten könnten als die D- Netzbetreiber derzeit haben. Das theoretische Ergebnis, dass - unter Berücksichtigung des bereits gehaltenen Bestandes - die D- Netzbetreiber am Ende im Bereich der Frequenzen unterhalb von 1 GHz 22,4 MHz erhalten, während die E- Netzbetreiber nur auf maximal 2 x 20 MHz kommen könnten, sei unvermeidbar. Dem hätte man nur durch eine weitere Verkleinerung der Blöcke begegnen können, die aus den genannten Gründen aber untunlich sei. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass dieser Nachteil für die E- Netzbetreiber durch das von ihnen gehaltene Mehr an Frequenzen im 1,8 GHz- Spektrum ausgeglichen werde.

Dass einige der Frequenznutzungsbestimmungen vorläufiger Natur seien, führe nicht zur Rechtswidrigkeit. Sinn der Festlegung sei es, dass die Bewerber möglichst präzise Informationen über den Inhalt einer Frequenzzuteilung erhielten. Außerhalb der Sphäre der Beklagten bestehende Unsicherheiten, die hier darin begründet lägen, dass internationale und unionsweite Abstimmungen noch nicht vollständig abgeschlossen und Wechselwirkungen mit anderen Frequenznutzungen noch nicht im Detail absehbar seien, erlaubten auch spätere Konkretisierungen. Auch die von den Ländern erstellten Listen der unterversorgten Gebiete erlaubten eine hinreichende Planungssicherheit. Die Versorgungsverpflichtungen seien auch erst ab dem Jahr 2016 zu erfüllen, so dass noch ausreichend Zeit für Detailkonkretisierungen verbleibe. Die Listen der zu versorgenden Städte und Gemeinden seien auch abschließend - weitere würden nicht hinzugefügt. In Zukunft könnten Detailinformationen zu den unterversorgten Gebieten auch dem "Breitbandatlas" entnommen werden. Derzeit sei es ausreichend, dass die Interessenten an den Frequenzen eine interne Bewertung ihrer Ausbauverpflichtungen für ihre Kalkulation und für die Entwicklung einer Bietstrategie vornehmen könnten. Dies sei auch im Hinblick auf die für den Block A im Bereich von 800 MHz ggf. später zu realisierenden Schutzauflagen zu Gunsten des Rundfunkkanals 60 sowie auf die Frequenzblöcke 13 und 14 im 2,6 GHz- Bereich, bei denen spätere Schutzanforderungen zu Gunsten der Radioastronomie denkbar seien, hinreichend möglich. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass etwaige Unsicherheiten alle Bieter in gleicher Weise träfen und sich - soweit sie tatsächlich relevant seien - in niedrigeren Geboten niederschlagen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte, der Akte 21 L 1869/09 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.






VG Köln:
Urteil v. 17.03.2010
Az: 21 K 7671/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b8c216de745c/VG-Koeln_Urteil_vom_17-Maerz-2010_Az_21-K-7671-09




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