Landgericht Dortmund:
Urteil vom 7. Oktober 2009
Aktenzeichen: 20 O 23/09

(LG Dortmund: Urteil v. 07.10.2009, Az.: 20 O 23/09)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist eine Verbraucherorganisation, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung sowie der Schutz der Interessen und Rechte der Verbraucher gehört.

Die Beklagte bietet seit dem 01.09.2008 das Festpreisprodukt "S Erdgas 2011" an. Hierbei handelt es sich um ein Angebot zur Versorgung von Privatkunden mit einer festen Erstlaufzeit bis zum 31.08.2010. Sofern der Kunde den Vertrag nicht mit Wirkung zum 31.08.2010 kündigt, verlängert sich dieser bis zum 30. September 2011 und endet dann automatisch. Für die Beklagte besteht demgegenüber kein vorzeitiges Kündigungsrecht. Kernbestandteil dieses Angebots ist eine Preisgarantie, so dass der Bezugspreis von der allgemeinen Preisentwicklung im Gasbereich abgekoppelt wird und lediglich durch Änderungen der Umsatz- und/oder Erdgassteuer beeinflusst werden kann.

Der Vertragsschluss erfolgte unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. Unter Ziffer 6 des Auftragsformulars befindet sich eine Widerrufsbelehrung, die am Ende des ersten Absatzes folgenden Passus enthält:

"Der Widerruf ist zu richten an: S, Kundenservice, Postfach ......, ......# N".

Im Frühjahr des Jahres 2009 sanken die Gaspreise durch die rückläufige Entwicklung des Heizölpreises, an den der Erdgaspreis gekoppelt ist. Der Kläger machte daraufhin für Kunden der Beklagten, die aus den Verträgen aussteigen wollten, im Internet ein Musterschreiben verfügbar. In diesem Musterschreiben wird die Auffassung vertreten, dass den Kunden der Beklagten ein Widerrufsrecht zustehe, da infolge einer fehlerhaften Belehrung über das Widerrufsrecht der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen habe. Beanstandet wird dabei, dass in der Widerrufsbelehrung entgegen § 1 der BGB-Info-Verordnung für den Widerruf eine Postfachadresse der Beklagten angegeben sei.

Kunden, die von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machten, antwortete die Beklagte mit gleichlautenden Schreiben, die u.a. folgenden Absatz enthalten:

"Im Ergebnis sind wir der Überzeugung, dass die Widerrufsbelehrung auf Ihrem Auftragsformular zum Vertrag "S Erdgas 2011" ordnungsgemäß - auch im Sinne des § 1 BGB-Info-Verordnung - ausgestaltet ist. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir Ihren Widerruf als gegenstandslos betrachten müssen."

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte mit der Zurückweisung des Widerrufs gegen die §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG verstoße. Mit Schreiben vom 09.04.2009 mahnte der Kläger unter Beifügung einer vorbereiteten Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen und Aufwendungsersatzverpflichtung ab. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 20.04.2009, dass sie die verlangte Unterlassungserklärung nicht abgeben werde.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu verhängen gegen den Vorstand der Beklagten, künftig im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern zu unterlassen, die Erklärung des Widerrufs einer auf den Abschluss eines im Fernabsatz abgeschlossenen Gaslieferungsvertrages (hier: S Erdgas 2011) gerichteten Willenserklärung zurückzuweisen und/ oder als gegenstandslos zu bezeichnen, wenn in der Belehrung über das Widerrufsrecht bezüglich des im Fernabsatz geschlossenen Gaslieferungsvertrages als Widerrufsadresse nur eine Postfachanschrift angegeben ist; an den Kläger einen Betrag in Höhe von 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, das Wettbewerbsrecht dürfe nicht dahingehend instrumentalisiert werden, einem Vertragspartner die Möglichkeit abzuschneider, im bilateralen Verhältnis mit seinem Kunden zu einer bestimmten rechtlichen und nicht tatsächlichen Streitfrage einen abweichenden Rechtstandpunkt zu vertreten. Anderenfalls würden Wettbewerbsverfahren zu einem Instrument der zivilrechtlichen Popularklage umgewidmet. Im Übrigen sei immer noch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.04.2002 einschlägig und nicht durch das Inkrafttreten von § 14 BGB Info-Verordnung überholt, wonach die Angabe einer Postfachanschrift in der Widerrufsbelehrung ausreichend sei. Die Beklagte meint darüber hinaus, gemäß § 312 d Abs. 4 BGB bestehe bei Gaslieferungsverträgen überhaupt kein Widerrufsrecht, da dessen primärer Schutzzweck, dem Verbraucher wie bei einem Ladenkauf die Überprüfung der Ware zu ermöglichen, bei einer Gaslieferung nicht erreicht werden könne und zudem ein Widerrufsrecht ausgeschlossen sei, weil Gas auf Grund seiner Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte. Denn die Beklagte hat durch die Zurückweisung der Widerrufserklärungen ihrer Kunden nicht gegen §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG verstoßen.

Dabei kann dahinstehen, ob die Angabe einer Postfachanschrift in der Widerrufsbelehrung der Beklagten den gesetzlichen Bestimmungen genügt. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Widerrufsbelehrung als solche, sondern die Reaktion der Beklagten auf die Widerrufserklä-rungen ihrer Kunden.

Insoweit kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte irreführende Angaben über die ihren Vertragspartnern zustehenden Rechte gemacht hat. Dabei kann wiederum dahinstehen, ob die Kunden der Beklagten berechtigt waren, die abgeschlossenen Gaslieferungsverträge noch zu widerrufen. Zwar können falsche Angaben über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts gegen § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG verstoßen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn den Kunden wider besseren Wissens erklärt wird, dass ein solches Recht nicht bestehe. Ist die Beurteilung zweifelhaft, liegt dagegen kein Wettbewerbsverstoß vor. Vielmehr kommen als irreführende Angaben nur nachprüfbare Behauptungen in Betracht, die sich bei einer Überprüfung als eindeutig richtig oder falsch erweisen, über die man also eigentlich nicht streiten kann. Es kann einem Unternehmen nicht verwehrt werden, im Rahmen der Rechtsverteidigung eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Eine solche geäußerte Rechtsansicht ist als Meinungsäußerung einer innerlichen Überprüfung nicht zugänglich. Ob sie sich als richtig erweist oder nicht, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entscheiden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht (Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bronkamm, UWG 27. Aufl. 2009, § 5 Rdnr. 2.13 und Rdnr. 7.140).

So liegt der Fall hier. Die Rechtslage ist keinesfalls eindeutig. Die Kammer neigt zwar zu der vom Kläger vertretenen Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung nicht nur eine Postfachadresse, sondern eine ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten bezeichnen muss. Der Bundesgerichtshof hat indes bisher nicht entschieden, dass seine Entscheidung vom 11.04.2002 durch die Einführung von § 14 Abs. 1 BGB Info-Verordnung obsolet geworden ist. Darüber hinaus ist äußerst zweifelhaft, ob bei Gaslieferungsverträgen im Hinblick auf die Bestimmung des § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB überhaupt ein Widerrufsrecht besteht.

Die Kammer sieht auch keinen Anlass, von der oben zitierten Auffassung von Bornkamm abzuweichen. Würde die Beklagte antragsgemäß verurteilt, könnte sie sich in einem evtl. Prozess, den ihre Kunden gegen sie anstrengen, nicht mehr darauf berufen, dass sie ihre Widerrufsbelehrung für ordnungsgemäß hält. Es kann nicht Sinn und Zweck von § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG sein, der Beklagten dieses Recht abzuschneiden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 07.10.2009
Az: 20 O 23/09


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