Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Februar 2008
Aktenzeichen: 10 W (pat) 55/05

(BPatG: Beschluss v. 14.02.2008, Az.: 10 W (pat) 55/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf ihre Anmeldung vom 27. Dezember 1993 wurde den Patentinhaberinnen vom Europäischen Patentamt das europäische Patent 0 696 094 mit der Bezeichnung "Laserelektronenstrahlröhre" u. a. mit Wirkung für Deutschland erteilt. Das Patent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 693 26 783.6-08 geführt.

Mit Schreiben des DPMA vom 6. Mai 2003 wurde den Patentinhaberinnen mitgeteilt, dass die zehnte Jahresgebühr nicht innerhalb der zuschlagsfreien Zahlungsfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit gezahlt worden sei und dass das Patent erlösche, wenn nicht die Gebühr mit einem Verspätungszuschlag (insgesamt 400,- €) bis zum 30. Juni 2003 entrichtet werde. Da keine Zahlung erfolgte, stellte das DPMA mit Wirkung vom 1. Juli 2003 das Erlöschen des Patents fest.

Am 9. September 2003 stellten die Patentinhaberinnen - bei gleichzeitiger Nachentrichtung der Gebühr - einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr samt Zuschlag. Zur Begründung führten sie aus:

Nach einer Vereinbarung der beiden Patentinhaberinnen sei für die Jahresgebührenzahlungen intern die Patentinhaberin zu 2) zuständig. Bei dieser handele es sich um eine aus drei Personen bestehenden Firma. Deren gesamtes Patentportfolio werde von dem Firmenpräsidenten, Herrn T..., persönlich ver-

waltet. Allerdings dürfe dieser Kosten verursachende Entscheidungen nur in Absprache mit seinen beiden Partnern treffen. Für die Jahresgebührenzahlungen und die Fristenüberwachung beauftrage Herr T... regelmäßig die Firma C... in V... (USA), was auch in diesem Fall gesche- hen sei. Im Hinblick auf die begrenzten Mittel, die seiner Firma für die laufenden Patente zur Verfügung stünden, habe Herr T... die Frist für die Jahresgebühren- zahlung weitgehend ausschöpfen wollen, um hierüber mit seinen Partnern ausreichend beraten zu können.

Am 23. Juni 2003 sei routinemäßig ein Erinnerungsschreiben von C... bei der Patentinhaberin zu 2) eingegangen. Herr T... habe sich zu diesem Zeitpunkt sowie an den darauf folgenden Tagen allein in seiner Firma befunden. Die Entscheidung, dass das Patent aufrechterhalten werden solle, habe erst nach Rückkehr seiner beiden Partner von einer Geschäftsreise am Vormittag des 30. Juni 2003 getroffen werden können. Unmittelbar im Anschluss an diese Entscheidung habe Herr T... den Auftrag zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr per Fax und zusätzlich telefonisch an C... erteilt. Von dort sei dem Büro der jetzi- gen Verfahrensbevollmächtigten der Patentinhaberinnen (Patentanwälte M..., Partner) per Fax unmittelbar ein entsprechender Zahlungsauftrag über- sandt worden. Das Fax sei dort am 30. Juni 2003 erst nach Büroschluss um 20.54 Uhr eingetroffen, weshalb der Auftrag erst am nächsten Tag, d. h. nach Fristablauf, habe bearbeitet werden können. Mit Schreiben des Büros der Patent anwälte M... & Partner vom 3. Juli 2003 sei die Firma C... über das Erlöschen des Patents informiert worden. Diese habe wiederum die Patentinhaberin zu 2) mit Schreiben vom 10. Juli 2003 darüber unterrichtet.

Die verspätete Zahlung könne der Patentinhaberin zu 2) nicht als Verschulden zugerechnet werden. Bei ihr handele es sich um eine kleine Firma ohne komplexes Überwachungssystem oder eigenes Personal für die Betreuung von Patenten. Herrn T... sei die Zeitzonenverschiebung zwischen Europa und den USA zwar bewusst gewesen, jedoch habe er angenommen, dass trotz der verspäteten Beschlussfassung über die Aufrechterhaltung des Patents die Zahlung der Gebühr in Deutschland noch rechtzeitig bewerkstelligt werden könne. Die Nichtzahlung der Gebühr sei damit auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen. Herr T... betreue das gesamte Patentportfolio seiner Firma seit zehn Jahren selbständig. In dieser Zeit sei ihm nie eine auf mangelnder Sorgfalt beruhende Fristversäumnis unterlaufen. Auch im vorliegenden Fall hätten Umstände, die für Herrn T... nicht vorhersehbar gewesen seien, kumulativ mit der Zeitzonenver- schiebung die Fristversäumnis verursacht.

Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags legten die Patentinhaberinnen eine eidesstattliche Versicherung des Herrn T... vor.

Durch Beschluss der Patentabteilung 1.54 des DPMA vom 16. August 2005 wurde der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist in dem Beschluss - unter Bezugnahme auf einen vorangegangenen Zwischenbescheid - u. a. ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, weil er nicht innerhalb von zwei Monaten nach Erlangung der Kenntnis von der Fristversäumung und somit zu spät gestellt worden sei. Die Patentinhaberinnen müssten sich die in der Kanzlei ihrer jetzigen Vertreter spätestens seit dem 3. Juli 2003 vorhandene Kenntnis von der Versäumung der Jahresgebührenzahlungsfrist zurechnen lassen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberinnen. Sie beantragen,

- den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

- die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr zu gewähren.

Nach Meinung der Patentinhaberinnen müssen sie sich die Kenntnis des Büros M... & Partner nicht zurechnen lassen, weil dieses zum damaligen Zeitpunkt nicht ihr Vertreter gewesen sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei somit zulässig. Da sich das Patentamt noch nicht mit der Begründetheit des Antrags befasst habe, sei es - auch zur Wahrung des rechtlichen Gehörs - angebracht, die Sache an das DPMA zurück zu verweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr ist statthaft. Die Patentinhaberinnen haben die Frist zur Zahlung dieser Gebühr versäumt. Die Gebühr war - ausgehend vom Anmeldetag 27. Dezember 1993 - gem. § 3 Abs. 2 PatKostG am 31. Dezember 2002 fällig geworden und hätte ohne Zuschlag bis Ende Februar 2003, mit einem Verspätungszuschlag bis Ende Juni 2003 gezahlt werden müssen (§ 7 Abs. 1 PatKostG). Die Zahlung am 9. September 2003 war somit verspätet. Das Patent war seit dem 1. Juli 2003 erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG).

2. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist er innerhalb der Zweimonatsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG eingereicht worden. Diese Frist hat mit Wegfall des Hindernisses zu laufen begonnen, d. h. hier in dem Zeitpunkt, in dem die Patentinhaberinnen positive Kenntnis von der Fristversäumnis erhielten. Die Patentinhaberinnen haben in Person des Herrn T... erst durch das Schrei- ben der Firma C... vom 10. Juli 2003 erfahren, dass es nicht zu einer fristgemä- ßen Zahlung gekommen war. Ausgehend von diesem Datum ist der Wiedereinsetzungsantrag am 9. September 2003 noch rechtzeitig gestellt worden. Die frühere Kenntnis des Büros M... & Partner müssen sich die Patentinhaberin- nen nicht zurechnen lassen, weil dieses zum damaligen Zeitpunkt nicht als Vertreter, sondern lediglich als Beauftragter zur Gebührenzahlung fungiert hat (vgl. Schulte, PatG. 7. Aufl., § 123 Rn. 83, und die von den Patentinhaberinnen genannte Entscheidung BPatGE 18, 196, 199 f.). Dies ergibt sich daraus, dass die Kanzlei seinerzeit nicht von den Patentinhaberinnen eingeschaltet wurde (sondern von der Firma C..., die ihrerseits nur als Hilfsperson für die Patentinhaberinnen tätig war), und dass sie damals auch gegenüber dem Patentamt nicht als Vertreterin in Erscheinung trat.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist aber nicht begründet, weil die Patentinhaberinnen die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr durch unsorgfältiges Verhalten verschuldet haben.

Maßstab für die zu fordernde Sorgfalt ist die übliche Sorgfalt eines ordentlichen Verfahrensbeteiligten, die dieser im konkreten Einzelfall angewandt haben würde (Schulte, a. a. O., Rn. 75). Die Vorgehensweise der Patentinhaberin zu 2) hat diesem Maßstab nicht entsprochen. Kenntnis von dem Fristablauf hatte sie nicht erst durch das Schreiben der Firma C... vom 23. Juni 2003. Bei diesem Schreiben handelte es sich lediglich um einen letzten Warnhinweis ("Urgent - Lapsing Case Report"), dem - wie sich aus dem Hinweis "Last Reminder Date" auf der rechten Spalte des Schreibens ergibt - ein Erinnerungsschreiben vom 22. Mai 2003 vorangegangen war. Die Patentinhaberin zu 2) hätte bei ihrem Vorgehen sowohl die Verzögerungen einkalkulieren müssen, die sich aus der Befassung der Firma C... und dem von dieser einzuschaltenden, die Zahlung letztlich ausführenden deutschen Stelle ergaben, als auch den Zeitunterschied, der zwischen Kalifornien und Deutschland neun Stunden, zwischen Virginia und Deutschland sechs Stunden beträgt (Kalifornien gehört zur Pacific Standard Time-Zone, Virginia zur Eastern Standard Time-Zone, Deutschland zur Mitteleuropäischen Zeitzone, woraus sich die Zeitdifferenzen ergeben, Nachweise im Internet unter www.Zeitzonen.de).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände durfte die Patentinhaberin zu 2) nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Zahlung der Jahresgebühr bei einer Beauftragung der Firma C... am späten Vormittag des letzten Tages der Frist (d. h. - wenn man auf die Ortszeit am Zahlungsort DPMA abstellt - am späten Nachmittag oder frühen Abend) noch rechtzeitig erfolgen würde. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass Fristen bis zum Ablauf des letzten Tages ausgenutzt werden dürfen. Gerade in einem solchen Fall trifft den Verfahrensbeteiligten eine erhöhte Sorgfaltspflicht (Schulte, a. a. O., Rn. 114 m. w. N.), d. h. er muss durch geeignete Vorkehrungen dafür Sorge tragen, dass die Zahlung trotz des engen noch zur Verfügung stehenden Zeitrahmens rechtzeitig bewirkt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass die Patentinhaberin zu 2) im vorliegenden Fall derartige besonderen Vorkehrungen getroffen hat. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb bei der Patentinhaberin zu 2) eine frühere Entscheidung über die Verlängerung der Patentlaufzeit nicht möglich gewesen sein soll. Der Umstand, dass sich zwei Entscheidungsträger die Tage zuvor auf Geschäftsreise befunden haben, stellt keine ausreichende Begründung dar, zumal nicht dargetan ist, dass diese Abwesenheit unvorhersehbar und dass an den Abwesenheitstagen eine Kommunikation (etwa per Telefon oder email-Verkehr) nicht möglich gewesen sei.

4. Es besteht kein Grund für eine Zurückverweisung der Sache an das DPMA. Insbesondere leidet das Verfahren vor dem DPMA nicht unter einem wesentlichen Mangel, der eine Zurückverweisung gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG rechtfertigen könnte. Die Patentinhaberinnen hatten ausreichend Gelegenheit, zu den Gesichtspunkten, die Patentamt oder Gericht für entscheidungserheblich gehalten haben, Stellung zu nehmen. Auch der Senat hat bereits mit Hinweis vom 24. Januar 2008 vor der mündlichen Verhandlung seine vorläufige Rechtsauffassung bekanntgegeben. Das rechtliche Gehör ist deshalb erkennbar nicht verletzt.

Schülke Püschel Rauch Pr






BPatG:
Beschluss v. 14.02.2008
Az: 10 W (pat) 55/05


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