Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 10. Juni 2002
Aktenzeichen: 5 U 41/02

(OLG Hamm: Urteil v. 10.06.2002, Az.: 5 U 41/02)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. November 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin handelt mit Flüssiggas. Auf der Grundlage des Liefervertrages vom 9.9.1998 (Bl. 9 f. GA) stellte sie bei ihrem Kunden M einen oberirdischen Flüssiggastank auf. Nach dem Vertrag sollte der Tank im Eigentum der Klägerin verbleiben, da er im Sinne des § 95 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sei. Für die vereinbarte Laufzeit des Vertrages (15 Jahre) vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Kunde seinen Gesamtbedarf an Flüssiggas ausschließlich von der Klägerin beziehen sollte.

Am 13.12.2000 wurde der Tank im Auftrage des Kunden M mit Gas befüllt, das von der Beklagten geliefert wurde (Lieferschein Bl. 12 GA).

Mit der Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsgeld/Ordnungshaft zu verurteilen, im Eigentum der Klägerin stehende, mit Eigentumsaufklebern versehene Gastanks ohne Einwilligung der Klägerin zu befüllen bzw. befüllen zu lassen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Einzelheiten - auch des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der Anträge - wird auf das Urteil (Bl. 177 f. GA) Bezug genommen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie trägt vor:

Die Klägerin sei nicht Eigentümerin des beidem Kunden M stehenden Tanks. Herr M habe sich gegenüber der Beklagten selbst als Eigentümer bezeichnet. Dafür spreche auch die Vermutung des § 1006 I BGB. Auf den Liefervertrag könne sich die Klägerin insoweit nicht berufen; der sei wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 12 AGBG unwirksam. Im Übrigen habe Herr M den Liefervertrag vor der Belieferung durch die Beklagte gekündigt (Beweis: Zeuge L.

Das Befüllen des Tankes sei keine Eigentumsbeeinträchtigung. Er sei lediglich bestimmungsgemäß genutzt worden.

Die Beklagte sei nicht Störer im Sinne des § 1004 I BGB. Sie habe lediglich im Auftrag des Kunden M gehandelt. Anhaltspunkte dafür, dass der Tank im Eigentum der Klägerin stehe, habe sie nicht gehabt. Schon bei einer vorangegangenen Belieferung durch sie habe Herr M Liefervertragfreiheit versichert. Ein Schild der Klägerin habe sich auf dem Tank nicht befunden.

Nach der Öffnungsklausel in Ziff. 2 des Liefervertrages habe sich Herr M von Dritten beliefern lassen dürfen.

Die Verpflichtung, sich ausschließlich durch die Klägerin beliefern zu lassen, verstoße jedenfalls gegen § 9 I AGBG und sei unwirksam.

Ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 I BGB sei ausgeschlossen, da die Beklagte sich nicht wettbewerbswidrig nach dem UWG verhalten habe. Wenn kein Verstoß nach dem UWG vorliege, könne einem Mitbewerber nicht über § 1004 BGB eine größere Zurückhaltung auferlegt werden.

Der Tenor des Urteils gehe zu weit. Der Begriff "Eigentumsaufkleber" sei zu unbestimmt. Die Öffnungsklausel der Lieferverträge der Klägerin sei nicht berücksichtigt. Genauso wenig sei berücksichtigt, dass der Kunde sein Eigentum versichern und Belieferung verlangen könne.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage auf Unterlassung stattgegeben.

A.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), soweit die begehrte Unterlassung von Fremdbefüllungen davon abhängig gemacht worden ist, dass die Gasbehälter im Eigentum der Klägerin stehen.

Der Unterlassungsantrag muss möglichst konkret gefasst sein, damit für Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar ist, worauf sich das Verbot erstreckt (BGH NJW 2000, 1794), eine letzte Bestimmtheit kann im Antrag aber nicht verlangt werden (BGHZ 140, 3), weil sich nicht alle Fälle voraussehen lassen, der Gegner sich auch nicht danach einrichtet. Der Erfolg, der erzielt werden soll, ist aber bestimmt anzugeben (BGH NJW 1999, 3638). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, insbesondere ist der Tenor eines dem Antrag stattgebenden Urteils vollstreckbar gem. § 890 ZPO.

Im Verfahren gemäß § 890 ZPO hat das Prozessgericht des ersten Rechtszuges neben den allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen stets zu prüfen, ob der erwiesene Sachverhalt eine schuldhafte Verletzung der Unterlassungspflicht des Schuldners darstellt. Hierzu gehört im vorliegenden Fall die Prüfung, ob die Gläubigerin Eigentümerin der Flüssiggasbehälter ist. Die Gläubigerin hat nachzuweisen, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung begangen wurde. Eine Glaubhaftmachung genügt hierzu nicht (Zöller-Stöber, 22. Aufl., § 890 ZPO, Rdnr. 13). Wird der Nachweis des Eigentums im Einzelfall nicht erbracht, ist der Antrag vom Prozessgericht zurückzuweisen.

Hierin liegt keine unzulässige Verlagerung einer Prüfung von Anspruchsvoraussetzungen in das Vollstreckungsverfahren. Die Voraussetzungen der begehrten Unterlassungspflicht sind vielmehr im Antrag klar umrissen. Das Prozessgericht erster Instanz hat im Vollstreckungsverfahren zwar eine rechtliche Prüfung des Eigentums vorzunehmen. Dessen Bestehen ist bei der Vollstreckung gem. § 890 ZPO wegen Eigentumsstörungen aber immer mit zu prüfen.

Auch der Begriff "Eigentumsaufkleber" ist entgegen der Ansicht der Beklagten ausreichend bestimmt: eben ein Aufkleber, der textlich auf das Tankbehältereigentum der Klägerin hinweist.

B.

Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Befüllung von Flüssiggasbehältern, die in ihrem Eigentum stehen ( § 1004 Abs. 1 BGB). Indem die Beklagte den bei dem Kunden M stehenden Gastank der Klägerin mit ihrem Flüssiggas befüllt hat, hat sie eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 I BGB begangen. Weitere Beeinträchtigungen sind zu besorgen.

Die Klägerin war und ist Eigentümerin des von der Beklagten befüllten, bei Herrn M stehenden Tanks. Ihr originäres Eigentum ist unstreitig. Dies hat sie nicht auf ihren Kunden M übertragen, wie sich aus dem Liefervertrag vom 9.9.1998 ergibt. Ob der Vertrag wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam oder kündbar ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, eine Eigentumsübertragung nach §§ 929 f. BGB hat jedenfalls nicht stattgefunden.

Auch eine Kündigung des Liefervertrages durch Herrn M hat auf die Eigentumslage keinen Einfluss. Der Tank fällt bei Vertragsbeendigung nicht automatisch in das Eigentum des Kunden, sondern nach Ziff. 7 des Liefervertrages nur dann, wenn der Kunde das wünscht, die Klägerin zustimmt und der Kunde den Zeitwert des Tanks vergütet. Ob Herr M sich gegenüber der Beklagten als Eigentümer bezeichnet hat, ist unerheblich.

§ 94 BGB (wesentliches Bestandteil eines Grundstücks) greift nicht ein, da der Tank - wie es in dem Liefervertrag vom 9.9.1998 in Ziffer 7 (Bl. 9 GA) zum Ausdruck gekommen ist - nach dem Willen und der Vorstellung der Vertragsschließenden nur vorübergehend auf dem Grundstück stehen sollte (§ 95 BGB).

Da das Eigentum der Klägerin feststeht, ist für die Anwendung des § 1006 I BGB kein Raum. Die Vermutung ist jedenfalls widerlegt.

Das Eigentum wurde in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt.

Eine ,,Beeinträchtigung in anderer Weise" i.S.d. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist gegeben, wenn die Eigentumsbeeinträchtigung sich nicht in einer Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes erschöpft und auf menschliches Verhalten zurückzuführen ist (Münchener Kommentar - Medicus, 3. Aufl., § 1004 BGB, Rdnr. 20, 21). Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne ist jeder dem Inhalt des Eigentumsrechts widersprechende tatsächliche Zustand oder Vorgang. Ein solcher ist gegeben, wenn ein Dritter, der ,,Störer", durch sein Verhalten oder durch den Zustand seiner Sachen auf die Sache des Anspruchsstellers einwirkt oder aber irgendeine Einwirkung des Anspruchsstellers auf die ihm gehörende Sache be- oder verhindert und auf diese Weise eine Herrschaftsposition einnimmt, die ihm nach der Eigentumsordnung nicht zukommt (Staudinger - Gursky, § 1004 BGB, Rdnr. 7 m. w. N.). Beeinträchtigungen der tatsächlichen Seite der Eigentümerbefugnisse sind von der Rechtsprechung z.B. bei der Fremdbefüllung von Pfandflaschen angenommen worden. Das Eigentum an Limonadenflaschen wird dadurch verletzt, dass Konkurrenten sie in ihren Betrieben mit Getränken abfüllen (BGH GRUR 1957, 84, 85). Auch das Anbringen von Beschriftungen ist als Eigentumsverletzung angesehen worden (BAG NJW 1979, 1847 ).

Nach diesen Kriterien liegt auch im Streitfall eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin vor. Hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob mit der Fremdbefüllung identisches Flüssiggas eingebracht worden, der Tank also von seiner technischen Einrichtung her bestimmungsgemäß verwendet worden ist. Maßgeblich ist vielmehr auf die mit der Einwirkung auf die Sache verbundene Herrschaftsposition des Störers abzustellen. Auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges muss nicht hinnehmen, dass ein Dritter das Fahrzeug ohne sein Einverständnis betankt, selbst wenn die Betankung als solche ordnungsgemäß erfolgt.

Die Beklagte ist Störerin.

Unmittelbarer Störer ist, wer die tatsächliche Einwirkung auf die fremde Sache vornimmt; im vorliegenden Fall ist dies der von der Beklagten jeweils beauftragte Auslieferungsfahrer. Sind mehrere Störer vorhanden, so sind sie nebeneinander verantwortlich (Münchener Kommentar- Medicus, 3. Aufl., § 1004 BGB Rdnr. 44 m. w. N.). Allgemein haftet neben demjenigen, der die störende Tätigkeit ausübt, auch derjenige mittelbare Störer, der sie veranlasst hat. So ist der Besteller lärmender Bauarbeiten ebenso als Störer anzusehen wie die ausführenden Arbeiter (BGH NJW 1962, 1342). Danach kann im Streitfall die Beklagte als mittelbare Störerin in Anspruch genommen werden. Über die Frage, ob auch der Kunde selbst als weiterer mittelbarer Störer anzusehen sind, ist nicht zu befinden. Entscheidend ist, dass die Beeinträchtigung von der Beklagten adäquat (mit-)verursacht worden ist (vgl. BGH NJW 2000, 2901).

Die Beklagte hat die Möglichkeit der Abhilfe, also zur Unterlassung des störenden Verhaltens (vgl. BGHZ 62, 388, 393). Die Abhilfemöglichkeit darf auch im Fall des mittelbaren Störers nur unter engen Voraussetzungen verneint werden (Münchener Kommentar Medicus, § 1004 BGB, Rdnr. 47). Die Beklagte kann durch zumutbare Maßnahmen sicherstellen, dass nur solche Tanks befüllt werden, die nicht im Eigentum der Klägerin stehen. Eine Erkundigung ist ihr schon deshalb ohne weiteres möglich. Als Mitbewerberin auf dem Flüssiggasmarkt kennt die Beklagte die Marktverhältnisse, insbesondere die Existenz von langfristigen Lieferverträgen. Dies wird nicht zuletzt aus den von ihr selbst verwendeten Lieferscheinen deutlich, auf denen Kunden die Bestätigung abgeben, der Tank stehe in ihrem Eigentum. Die Prüfung, wie weit die Erkundigungspflicht im Einzelfall reicht, ist nicht Gegenstand dieses Erkenntnisverfahrens. Sie erfolgt im Verfahren gemäß § 890 ZPO, wenn es darum geht, ein Verschulden festzustellen.

Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte das Eigentum der Klägerin erkennen konnte. Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB besteht verschuldensunabhängig; auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich (BGHZ 110, 313). Die Frage, ob die Tanks der Klägerin mit einer Beschriftung versehen sind, ist deshalb für das Bestehen der Unterlassungspflicht bedeutungslos. Wegen § 308 Abs. 1 5. 1 ZPO war die diesbezügliche Einschränkung des Klageantrags im Urteil allerdings zu berücksichtigen.

Die Anwendbarkeit von § 1004 I BGB wird - wenigstens im vorliegenden Fall - nicht durch die Regelungen des UWG eingeschränkt.

Richtig ist allerdings, dass sich im Bereich wettbewerblicher Handlungen eine Einschränkung des Anwendungsbereichs ergeben kann, wenn es um die Frage geht, ob die §§ 1004, 823 BGB eingreifen, obwohl die Voraussetzungen der Vorschriften des UWG nicht erfüllt sind, es insbesondere am Verstoß gegen die guten Sitten (§ 1 UWG) mangelt. Die hierüber geführte Diskussion verhält sich aber ausschließlich über das Verhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und dem von der Rechtsprechung anerkannten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Soweit sich die Beklagte im Einklang mit der Entscheidung des Landgerichts Augsburg vom 2. März 2000 auf die Ausführungen von Hefermehl (Baumbach/HefermehL Wettbewerbsrecht., 22. Aufl., Allg. Grundlagen, Rdnr. 114) beruft, besagen diese gerade nicht, die direkte Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB auf absolute Rechte sei eingeschränkt. Es wird im Gegenteil die Feststellung getroffen, bei dem "Recht am Unternehmen" handele es sich nicht um ein absolut geschütztes Recht. Die Ansicht wird u.a.. damit begründet, die Schranken des Eigentums seien dem Grade nach bedeutend geringer als die eines Unternehmens, das dem Wettbewerb ausgesetzt sei (Baumbach/Hefermehl a.a.O.).

Der über § 1004 BGB gewährte Schutz des Eigentums als absolutes Recht wird also auch von dieser Auffassung nicht in Frage gestellt.

Aber auch aus der zwischen den Parteien bestehenden konkreten Wettbewerbssituation lassen sich keine Umstände herleiten, die für eine Einschränkung des absoluten Eigentumsrechts der Klägerin gegenüber der Beklagten sprechen könnten. Die Parteien stehen zwar miteinander im Wettbewerb, weil sie beide mit Flüssiggas handeln, es fehlt aber insoweit an einer Vergleichbarkeit der Angebote als die Beklagte ihren Kunden keine eigenen Gasbehälter zur Verfügung stellt.

Ob ein Erwerb des Eigentums an den Gasbehältern durch die von der Klägerin belieferten Kunden in jedem erdenklichen Fall wegen § 95 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist, kann bei der Prüfung, ob der Unterlassungsanspruch grundsätzlich besteht, letztlich offen bleiben. Hierauf kommt es nicht entscheidend an, weil sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nur auf solche Behälter bezieht, welche in ihrem Eigentum stehen. Hat im Einzelfall - etwa bei unterirdisch installierten Behältern, wenn dem Kunden ein Wahlrecht eingeräumt wird (vgl. BGHZ 104, 298) - ein Eigentumsübergang auf den Kunden stattgefunden, so hat die Klägerin auch keinen Anspruch gegen die Beklagte.

Die Klägerin ist nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung der Eigentumsbeeinträchtigung verpflichtet. Gesetzliche Rechtfertigungsgründe und Duldungspflichten sind nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich eine Duldungspflicht aus den vorstehend unter Ziff. 4 genannten Gründen nicht aus den Vorschriften des UWG. Eine schuldrechtliche Pflicht zur Duldung besteht ebenfalls nicht. Sie könnte allenfalls aus den zwischen der Klägerin und den Kunden geschlossenen Lieferverträgen hergeleitet werden, wenn die Beklagte sich in entsprechender Anwendung von § 986 Abs. 2 BGB hierauf berufen könnte (vgl. Staudinger-Gursky, § 1004 BGB, Rdnr. 182). Bereits die Anwendbarkeit von § 986 Abs.2 BGB erscheint zweifelhaft, weil sich die Beklagte nicht im Besitz des Gasbehälter befindet (vgl. Staudinger-Gursky a.a.O.). Diese Frage kann aber auf sich beruhen, weil die Klägerin ihren Kunden eine Fremdbefüllung der Gasbehälter nicht gestattet, eine hiervon abgeleitete Befugnis der Beklagten also nicht in Betracht kommt. Die in Ziff. 2 der Vertragsbestimmungen (Bl. 9 GA) getroffenen Regelungen beinhalten ein solches Recht des Kunden nicht. Für den Fall, dass der Kunde wegen eines günstigeren Konkurrenzangebots "aus dem Vertrag entlassen", mit ihm also eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen wird, ist er vielmehr grundsätzlich zur Rückgabe des Gasbehälters verpflichtet. Dasselbe gilt für eine eventuelle Kündigung. Die Rückgabepflicht besteht in allen Fällen der Beendigung des Liefervertrags.

Eine schuldrechtliche Duldungspflicht würde im übrigen auch dann nicht bestehen, wenn - wie die Beklagte meint - die Vereinbarung der Bezugspflicht des Kunden gegen § 9 AGBG verstoßen würde. In diesem Fall wäre der Kunde zwar zu einer Bestellung von Flüssiggas bei anderen Lieferanten befugt, müsste zur seiner Lagerung und Verwendung jedoch einen anderen Behälter benutzen, weil der vereinbarte Ausschluss von Fremdbefüllungen auch beim Wegfall der Bezugverpflichtung wirksam bliebe (§ 6 Abs. 1 AGBG).

Es besteht Wiederholungsgefahr. Der bereits begangene Verstoß vom 13.12.2000 im Fall des Kunden M rechtfertigt die objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen. Die vorangegangene Verletzung begründet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch die Beklagte als Störerin hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGHZ 140, 1). Eine im Rechtsstreit abgegebene Verpflichtungserklärung beseitigt die Wiederholungsgefahr nur, wenn sie uneingeschränkt ist. Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat lediglich erklärt, sie werde Befüllungen unterlassen, wenn ihr positiv bekannt sei, dass die Behälter im Eigentum der Klägerin stehen. Diese Erklärung reicht nicht aus. Auf die Kenntnis der Beklagten kommt es nicht an. Sie hat die Befüllung von Gasbehältern der Klägerin auch dann zu unterlassen, wenn sie von deren Eigentum keine Kenntnis hat.

Die Bedenken der Beklagten gegen die Fassung des Urteilstenors greifen nicht durch. Der Begriff "Eigentumsaufkleber" ist - wie bereits ausgeführt - ausreichend bestimmt. Die Fälle der "Öffnungsklausel" brauchten nicht ausgenommen werden, da auch in diesen Fällen grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch besteht (s. o.). Der Unterlassungsanspruch besteht ferner auch unabhängig davon, ob der Kunde durch falsche Angaben die Fremdlieferung veranlasst. Dies kann sich nur auf das Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO ("Bestrafung" nur bei Verschulden) auswirken.

Die Androhung der Ordnungsmittel folgt aus § 890 ZPO.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 543 II Nr. 3 ZPO hat der Senat aus dem Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen.






OLG Hamm:
Urteil v. 10.06.2002
Az: 5 U 41/02


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