Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 11. September 2014
Aktenzeichen: 2 U 178/13

(OLG Stuttgart: Urteil v. 11.09.2014, Az.: 2 U 178/13)

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. November 2013 (Az.: 11 O 47/13) in Ziffer II

a b g e ä n d e r t

und wie folgtn e u g e f a s s t:

II. Die Zahlungsklage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen

der Kläger 1/10 und

die Beklagte 9/10.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder der Parteien wird wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sich aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des insoweit vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000,- EUR bis zur Antragstellung im Berufungsrechtszug am 11. September 2014, danach 1.780,20 EUR.

Gründe

I.

Der Kläger hatte sich ursprünglich gegen die Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in Verbraucherverträgen über kapitalbildende Lebensversicherungen, kapitalbildende Rentenversicherungen sowie fondsgebundene Rentenversicherungen gewandt und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen erstattet verlangt. Nur der Zahlungsanspruch steht noch im Streit.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. November 2013 (Az.: 11 0 47/13) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage weitgehend, der Zahlungsklage aus § 5 UKlaG, § 12 Abs. 1 S. 2 UWG stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zum Zahlungsanspruch hat es im Kern ausgeführt:

Aufgrund der Schwierigkeit rechtfertige der Fall den Auftrag an einen Rechtsanwalt, da versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, die den Rahmen der täglichen Beratungspraxis der Klägerin für das Versicherungsvertragsrecht überschritten, erforderlich gewesen seien.

Der angesetzte Streitwert von 100.000 EUR für die Abmahnung der drei Unterlassungsansprüche sei angemessen, ebenso die berechnete 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale, so dass die Klägerin Ersatz von 1.780,20 EUR fordern könne.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11. September 2014 hat die Beklagte ihre Berufung auf den Zahlungsanspruch beschränkt und sie im Übrigen (wegen der Unterlassungsansprüche) zurückgenommen.

Die Beklagte trägt, soweit noch im Streit, vor:

Abmahnkosten könne der Kläger nicht verlangen. Er habe erst nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom 25.07.2012 - IV ZR 201/10, abgemahnt. Die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung hätte jeder Mitarbeiter des Klägers prüfen können, zumal der Kläger diese Rechtsprechung selbst erstritten habe, so dass er weiterer Spezialkenntnisse nicht bedurft habe, um abzumahnen.

Zudem biete er für 65,- EUR eine "umfassende Vertragsprüfung Kapitallebens- u. Rentenversicherung" an. Die Prüfung umfasse auf Wunsch u. a. die Überprüfung der Höhe des Rückkaufswertes, die Prüfung, ob ein Anspruch auf Nachzahlung bestehe, die Prüfung, ob die Ablaufleistung des Versicherungsvertrages plausibel sei und die Ermittlung der Rendite des Vertrages (B 8).

Das Vorbringen des Klägers zur Kostenerstattung gehe an der Rechtsprechung vorbei. Eigenen Aufwand habe der Kläger nicht betrieben und könne für solchen daher nicht entschädigt werden.

Die Beklagte beantragt in Ansehung des Kostenerstattungsanspruchs:

Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19.11.2013, 11 0 47/13, wird abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil gegen die Berufung:

Den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten habe das Landgericht zutreffend zuerkannt. Nur die €Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen" müssten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG €insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande sein, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen". Für die €qualifizierten Einrichtungen" gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG gelte dies nicht. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG würden bestimmte Anforderungen an die Ausstattung von Verbraucherschutzorganisationen nur gestellt, soweit es €zu deren satzungsmäßigen Aufgaben gehöre, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen".

Selbst Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung könnten Anwaltskosten für eine Abmahnung erstattet verlangen (BGH, Urteil vom 08.05.2008 - I ZR 83/06). Den Kläger anders zu behandeln, wäre eine Diskriminierung.

Die Abmahntätigkeit gehöre nicht zu den Kernaufgaben der Verbraucherzentralen.

Die Zentralen arbeiteten personell am Limit. Sie könnten die Abmahntätigkeit nicht ohne anwaltliche Hilfe durchführen.

Bedauerlicherweise behandele die Rechtsprechung Kostenfragen mit einer gewissen Unlust und daher mit minderer Gründlichkeit und ohne Blick auf die finanziellen Zwänge der Verbraucherzentralen. Darauf, ob eine Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt sei, komme es nicht an. Der Kläger könne die gebotene Prüfung von Versicherungsbedingungen gar nicht leisten.

Zumindest müsse dem Kläger eine Kostenpauschale von 250,- EUR für seinen Aufwand zugesprochen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 11. September 2014 Bezug genommen.II.

Die Berufung ist zulässig und begründet, da sich die Beklagte nur noch gegen den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten aus §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 S. 2 UWG wendet, den das Landgericht zu Unrecht zugesprochen hat. Darauf, ob und ggf. in welcher Höhe ein Abschlag zu machen wäre, weil die Abmahnung nicht in vollem Umfang berechtigt war (vgl. BGH, Urteile vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949, Tz. 49 - Missbräuchliche Vertragsstrafe; und vom 10. Dezember 2009 - I ZR 149/07, GRUR 2010, 744, Rn. 52 - Sondernewsletter; Hess, in: juris-PK UWG, 3. Aufl., 2013, § 12 UWG Rz. 44), kommt es nicht an; ebenso nicht auf den Ansatz des Gegenstandswertes der Abmahnung.1.

Nach § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG steht dem Abmahnenden ein Kostenerstattungsanspruch auf Erstattung der erforderlichen Aufwendungen zu, wenn die Abmahnung jedenfalls zum Teil berechtigt war.2.

Dass der Kläger die Beklagte zumindest in Teilen zurecht abgemahnt hat, ist unzweifelhaft und wird auch von der Beklagten ersichtlich nicht in Zweifel gezogen.3.

Die vom Kläger verlangten Rechtsanwaltskosten sind zur Rechtsverfolgung vorliegend nicht erforderlich gewesen.a)

Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, vergleichbar der Notwendigkeit der Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in § 91 Abs. 1 ZPO und der erforderlichen Aufwendungen im Sinne des § 249 BGB, führt dazu, dass die Kosten für einen zum Zwecke der Abmahnung eingeschalteten Rechtsanwalt nicht in allen Fällen verlangt werden können (vgl. (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 01. Oktober 2010 - 20 U 126/09, unter IV. der Entscheidungsgründe, bei juris, u.H. auf OLG Hamburg, Urteil vom 27. Juli 2010 - 9 U 235/09); zum Ganzen Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., 2014, Rn. 1.93 ff. zu § 12 UWG).

Erforderlich sind nur diejenigen Kosten, die eine vernünftige, wirtschaftlich denkende Partei auf sich genommen hätte, hätte sie davon ausgehen müssen, ihre Aufwendungen nicht erstattet zu erhalten. Erstattungsfähig sind jedenfalls nur die tatsächlich angefallenen Aufwendungen und Kosten, nicht hingegen fiktive (vgl. Hans. OLG Hamburg, Urteil vom 12. November 2008 - 5 U 245/07, bei juris Rz. 32, u.H. auf Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 11 Rn. 17; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 41 Rn. 91, u.a.; mit Anm. Rehart, WRP 2009, 532; s. auch Hess, juris-PK UWG, 3. Aufl., 2013, § 12 UWG Rz. 42, m.w.N.; Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.77).b)

Fehl geht der Kläger, indem er vorbringt, er müsse einem Unternehmen mit einer Rechtsabteilung gleichgestellt sein und deshalb die Rechtsanwaltskosten für eine Abmahnung stets erstattet erhalten.aa)

Dass der Kläger in diesem Zusammenhang von einer Diskriminierung spricht, zeigt ein grundsätzlich falsches Verständnis dieses Begriffes. Der Kläger vermengt Diskriminierung und Differenzierung. Eine Diskriminierung liegt nicht schon in jeder Ungleichbehandlung. Von einer Diskriminierung kann nur dort gesprochen werden, wo eine Differenzierung ohne sachlichen Grund und gerade zu dem Zwecke erfolgt, eine Benachteiligung um ihrer selbst willen zu erwirken. Das Recht erlaubt nicht nur Unterscheidungen, sondern erfordert sie. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in einer Vielzahl von Entscheidungen aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet, dass es geboten ist, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Übrigen verlangt der Kläger selbst an anderer Stelle, besser gestellt zu werden als Wettbewerbsverbände, ohne darin eine Diskriminierung dieser Verbände zu sehen.bb)

Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn ein Unternehmen kann in der Regel, aber nicht - wie der Kläger vorträgt - stets, die für eine Abmahnung entstandenen Anwaltskosten ersetzt verlangen (OLG Stuttgart, WRP 2007, 688, zur Abschlusserklärung). Dies gilt, woran der Kläger vorbeigeht, auch dann, wenn dieses Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, die aber mit anderen Bereichen als dem Wettbewerbsrecht befasst ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 26. März 2013 - 2 U 7/12, bei juris; Bornkamm, a.a.O., Rn. 93, u.H. auf BGH, GRUR 2008, 928 - Abmahnkostenersatz; BGH, GRUR 2010, 1120, Rn. 26 - Vollmachtsnachweis; OLG Karlsruhe, WRP 1996, 591; Möller, NJW 2008, 2652). Selbst ein Rechtsanwalt, der in eigener Sache abmahnt, kann nicht durchgängig Kostenerstattung nach Maßgabe des RVG verlangen (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rn 93, u.H. auf BGH, GRUR 2004, 789 - Selbstauftrag; KG, AfP 2010, 271).c)

Für Wettbewerbsverbände und qualifizierte Einrichtungen gilt gleichermaßen, dass sie - anders als Unternehmen - ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein müssen, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 UKlaG muss eine qualifizierte Einrichtung i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG für ihre Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG unter anderem auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten. Diese ist nur bei hinreichender personeller und sächlicher Ausstattung zu erwarten. Danach muss sich der Kläger zur Erfüllung seines Verbandszwecks grundsätzlich selbst mit den hierfür notwendigen Mitteln versehen und zumindest so ausgestattet sein, dass er typische und durchschnittlich schwer zu verfol-gende verbraucherfeindliche Praktiken selbst erkennen und abmahnen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1984 - I ZR 45/82, NJW 1984, 2525 - Anwaltsabmahnung).

Vom Bestehen einer ausreichenden Sachkunde jedenfalls zur Bearbeitung durchschnittlich schwieriger Fallgestaltungen ist bei anspruchsberechtigten Stellen im Sinne von §§ 3, 3a UKlaG auszugehen (BT-Drs. 15/1187, S. 25; KG, KGR 2006, 155).

Sie können daher die für eine Abmahnung angefallenen Anwaltskosten regelmäßig nicht als erforderliche Aufwendungen ersetzt verlangen (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rn. 97, m.w.N.). Sie müssen sachlich und personell dafür ausgestattet sein. Nur dann rechtfertigt sich die ihnen vom Gesetzgeber eingeräumte prozessuale Privilegierung der Klagebefugnis ohne eigene Rechtsbetroffenheit, verbunden mit einer Rechtsinhaberschaft. Soweit der Kläger dagegen auf § 4 Abs. 2 S. 2 UKlaG hinweist, bestätigt die darin enthaltene gesetzliche Vermutung die Gleichbehandlung von Verbänden und Vereinen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UKlaG gerade. Denn die Vermutung, dass bei einer Einrichtung nach Ziffer 1 diese Ausstattungsvoraussetzungen gegeben seien, wäre gar nicht nötig, müssten sie nach dem Gesetz bei einer solchen Einrichtung nicht vorhanden sein. Die Vermutung dient dazu, der Einrichtung im Einzelfall den Nachweis zu ersparen, dass sie vorlägen. Der Angegangene soll nicht einwenden können, die Einrichtung sei gar nicht im Stande. ihre Aufgaben umfassend zu erfüllen, was gerade angesichts der von den Verbraucherzentralen immer wieder in Rechtsstreitigkeiten behaupteten unzureichenden finanziellen Ausstattung dieser Einrichtungen anderenfalls drohen würde. Diese Gefahr bestünde hingegen nicht, müssten die Verbraucherzentralen diese Voraussetzungen gar nicht erfüllen.

Davon zu trennen ist aber die Antwort auf die Frage, ob mit der Rechtsverfolgungsbefugnis die Pflicht des Abgemahnten einhergeht, die Kosten für den abmahnenden Rechtsanwaltes zu erstatten. Ersteres betrifft die Berechtigung, Ansprüche aus dem UKlaG geltend zu machen. Zweiteres hingegen den Umfang des mit dem Unterlassungsanspruch einhergehenden materiell-rechtlichen Zahlungsanspruchs aus §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

Beauftragt ein Verband oder eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 UKlaG einen Anwalt für die erste Abmahnung, so geschieht dies regelmäßig im eigenen, nicht im fremden Interesse (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rn. 97, u.H. auf BGH, GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung, mit Anm. Jacobs; BGH, GRUR 2004, 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; u.a.). Durfte der Verband anwaltliche Hilfe nicht für erforderlich halten, so steht ihm kein Anspruch auf Erstattung der anwaltlichen Kosten für die erste Abmahnung zu.

Ebenso wie für eine auf eine erfolglose erste Abmahnung folgende zweite, nachfassende (vgl. BGHZ 149, 371, 375 = GRUR 2002, 357 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Bornkamm, a.a.O., Rn. 97a, u.H. auf BGH, GRUR 2010, 354, Rz. 8 f. - Kräutertee; OLG Hamburg, WRP 2009, 1569; a.A. zuvor OLG Brandenburg, WM 2008, 418) können Rechtsanwaltskosten dann nicht als notwendig angesehen werden, wenn der Auftrag an einen Rechtanwalt erteilt wurde, nachdem die entscheidenden Rechtsfragen bereits gegenüber einem Dritten geklärt wurden (vgl. zur Obliegenheit, ein Abschlussschreiben selbst zu verfassen OLG Köln, WRP 2000, 226, 230 u.H. auf BGH, GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung).d)

Anders als vom Landgericht ausgeurteilt und vom Kläger verteidigt, war der Auftrag an einen Rechtsanwalt für die streitgegenständliche Abmahnung der Beklagten nicht erforderlich.aa)

Zwar ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass die im vorliegenden Verfahren zu klärenden Rechtsfragen als rechtlich anspruchsvoll anzusehen waren und eine umfassende Prüfung unter Einsatz versicherungsrechtlicher Spezialkenntnisse erforderten, ehe der Bundesgerichtshof seine Entscheidungen vom 25. Juli 2012 bekanntgegeben hatte (s. auch BGHZ 194, 208, bei juris Rz. 75).

Unstreitig hat der Kläger die Beklagte aber erst nach Erlass dieser Urteile abmahnen lassen. Mit ihrem Erlass waren aber die versicherungsrechtlichen Sonderfragen geklärt, so dass die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für eine Abmahnung nicht mehr als erforderlich angesehen werden konnte. Der Kläger trägt selbst vor, dass er die Rechtsverfolgung gegen die Beklagte zugunsten von mehreren, dann am 25. Juli 2012 höchstrichterlich entschiedenen Musterverfahren gegen andere Versicherer zurückgestellt hatte, obwohl die nunmehr beanstandeten Klauseln der Beklagten solchen entsprachen, deren Verwendung er in jenen Verfahren verfolgt hatte. Er hätte daher unter Bezugnahme auf die ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes ohne weitere spezialrechtliche Prüfung die Beklagte selbst abmahnen können.bb)

Eine vernünftige, auf Kostenersparnis bedachte Partei, die die anfallenden Kosten selbst zu tragen hätte, hätte in einer solchen Situation keinen Rechtsanwalt für die Abmahnung beauftragt, sondern - unabhängig von den zwischenzeitlich ergangenen Urteilen - auf die Ausführungen ihres Rechtsanwaltes in jenen Verfahren zurückgegriffen.cc)

Der Kläger verhält sich im Übrigen widersprüchlich, indem er einerseits unstreitig den Verbrauchern eine umfassende rechtliche Prüfung ihrer versicherungsrechtlichen Ansprüche in Bezug auf Konstellationen verspricht, bei der inzident auch die hier im Streit stehenden Klauseln auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden müssen, andererseits aber geltend macht, er sei bei der Entscheidung darüber, ob er die Beklagte abmahne, aufgrund der rechtlichen Schwierigkeit der Materie nicht im Stande, genau dieselbe Prüfung selbst durchzuführen.

Die Prüfung, die er dem Verbraucher verspricht, muss der Kläger auch vor einer Abmahnung durchführen können. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war folglich nicht erforderlich.dd)

Demgegenüber kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er müsse beim Einsatz seiner Ressourcen Prioritäten setzen.(1)

Auf die Finanzlage des Klägers und darauf, ob seine finanzielle Ausstattung durch die öffentliche Hand ausreichend ist, ist nicht abzustellen. Zum einen hat er die Beschränkung seiner Mittel diesbezüglich nicht substantiiert, zum anderen käme es darauf schon deshalb nicht an, weil es mit dem Kriterium der Erforderlichkeit und mit den Voraussetzungen für die Anerkennung als qualifizierte Einrichtung im Sinne des UKlaG unvereinbar wäre, dieses eigene wirtschaftliche Problem auf einen Abgemahnten abzuwälzen.

Sintemal handelt es sich bei der Ausstattung der Verbraucherzentralen um eine haushaltspolitische Entscheidung, die nicht im Wege der Rechtsauslegung überspielt werden darf. Dies schon wegen der Gewaltenteilung, aber auch um nicht unter dem Prüfungspunkt der Erforderlichkeit von Aufwendungen sachfremde Ungleichbehandlungen zu schaffen zwischen den Verbraucherzentralen und klagebefugten Verbänden einerseits sowie zwischen einzelnen Verbraucherzentralen, die von verschiedenen Bundesländern unterschiedlich ausgestattet werden. Eine solche Differenzierung wäre mit Artikel 3 Abs. 1 GG kaum zu vereinbaren. Sie findet aber jedenfalls im Gesetz keine Stütze.

Indem der Kläger vor dem Senat gleichwohl die Auffassung vertreten hat, es sei Aufgabe der Gerichte, eine unzureichende Mittelausstattung der Verbraucherzentralen durch eine ihnen günstige Rechtsauslegung auszugleichen, verlässt er den Boden einer rechtswissenschaftlichen Gesetzesauslegung zugunsten einer ergebnisorientierten und damit willkürlichen Vorgehensweise.(2)

Auch die - nur pauschal - behauptete Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter des Klägers kann nicht dazu führen, dass der Kläger erhebliche Mehrkosten, wie sie mit dem Prüfungs- und Abmahnauftrag an einen Rechtsanwalt hier verbunden waren, verursachen darf. Es liegt im Verantwortungsbereich und in der Entscheidungskompetenz des Klägers, wie und wofür er seine Ressourcen einsetzt; reichen sie nicht aus, alle anstehenden Aufgaben zu erfüllen, so muss der Kläger entweder weiteres Personal einstellen oder - falls er dies nicht kann oder will - Prioritäten bei der Auswahl seiner Tätigkeiten setzen, wie er dies bei der Auswahl der Klageverfahren, die zu den Urteilen des Bundesgerichtshof vom 25. Juli 2012 geführt haben, nach eigenem Bekunden auch getan hatte.

Aus diesen in seine Sphäre fallenden Entscheidungen kann er keine objektive Erforderlichkeit von Kosten herleiten, die ein anderer zu tragen hat. Die gegenläufige Argumentation des Klägers ist auch deshalb nicht stringent, weil der Kläger den Verbrauchern eine Prüfung ihrer Versicherungsverhältnisse gegen Entgelt anbietet, also im Gegenzug durch die Tätigkeit seiner Mitarbeiter Einnahmen erzielt hat, sofern es zutrifft, dass seine sachkundigen Mitarbeiter im fraglichen Zeitraum ohnehin überbeschäftigt waren. Zudem hätte der Kläger für eine Abmahnung durch eigene Mitarbeiter im Falle einer berechtigten Abmahnung durch eigene Mitarbeiter die Kosten in Gestalt einer Kostenpauschale in Rechnung stellen dürfen und so im Zuge der Kostenerstattung in der Summe seiner eigenen Abmahntätigkeit die Mittel an die Hand bekommen, die so eingesetzte und für andere Tätigkeiten verlorene Arbeitskraft durch eine Aufstockung seines Personals zu kompensieren.ee)

Dem kann die Klägerin nicht, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertreten, entgegen halten, da die Beklagte auf die Abmahnung des Klägervertreters nicht reagiert habe, sei erwiesen, dass die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erforderlich gewesen sei; anderes könne nur über den Rechtsgedanken des § 93 ZPO gelten, hätte die Beklagte auf die anwaltliche Abmahnung sofort eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Denn die Erforderlichkeit ist ex ante zu beurteilen und daher nicht abhängig von der Reaktion des Abgemahnten. Außerdem verfängt dieses Argument des Klägers nicht, weil die Zumutbarkeit eigener Abmahntätigkeit des Klägers auch inhaltlich nicht davon abhängt, wie der Abgemahnte auf die Abmahnung reagiert.5.

Auch mit ihrem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeführten Hilfsvorbringen, zumindest sei ihm eine Kostenpauschale von 250,- EUR zuzusprechen, kann der Kläger keinen Erfolg haben.a)

Für einen Verband, dem es zuzumuten ist, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen, kommt in derartigen Fällen nur ein Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale in Betracht. Sie kann nicht für fiktive Kosten geltend gemacht werden, sondern nur für tatsächliche Aufwendungen, die als Pauschale zu berechnen sind (s. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2010, 221; ergänzend Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.100, m.w.N., auch zur Gegenmeinung).b)

Von daher hat der Senat weder darüber zu befinden, dass der Kläger mit seiner Forderung von 250,- EUR deutlich über die in der Rechtsprechung als Abmahnpauschale zuerkannten Sätze hinausgeht, dass die Beklagte die Angemessenheit dieses Betrages bestreitet und dass auch insoweit trotz der Pauschalierung zu berücksichtigen wäre, dass es sich bei der Abmahnung an die Beklagte um eine "Schubladenabmahnung" gehandelt hatte, nachdem der Kläger schon mehrere gleichgelagerte Fälle mit rechtsanwaltlicher Unterstützung bis zum Bundesgerichtshof durchgestritten hatte.III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 516, 92 Abs. 1 ZPO. Angesichts der durch die Fortführung des Rechtsstreits nach der Teilberufungsrücknahme durch die Beklagte entstandenen Kosten liegt in der Gesamtschau mit dem Teilunterliegen des Klägers in der Sache kein Fall des § 92 Abs. 2 ZPO mehr vor.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Den Streitwert schätzt der Senat nach §§ 51, 47 Abs. 1, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1, 3 ff. ZPO. Zwar ist bei der Wertbemessung für das Unterlassungsbegehren nicht auf die Zahl der angegriffenen Sätze abzustellen, aber auf die Zahl der angegriffenen Klauseln. Vor dem Hintergrund der uneinheitlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Streitwertfestsetzung in Klauselnichtigkeitsverfahren nach dem UKlaG, angesichts der Bedeutung von Versicherungsklauseln für die Gesamtheit der Verbraucher und - was für den zweiten Rechtszug maßgebend ist - angesichts des Interesses der die Berufung führenden Beklagten sieht der Senat vorliegend einen Wert von insgesamt 100.000,- EUR als angemessen an. Insbesondere sind die hier streitgegenständlichen Klauseln schon im Einzelfall von weit größerer wirtschaftlicher Bedeutung als das Gros der Belehrungsverstöße und Klauselverbote, bei denen weite Teile der Rechtsprechung - und so auch der erkennende Senat - mittlerweile regelmäßig von einem Wertansatz pro Klausel von 2.500,- EUR ausgehen. Diesen Wert unbesehen zu übernehmen, verbietet schon der Umstand, dass der Gesetzgeber es in Kenntnis der Diskussion auch bei den Neuregelungen im GKG unterlassen hat, einen Einheitswert gesetzlich festzulegen. Es verbleibt daher bei der freien Werteinschätzung durch das Gericht bis zur gesetzlichen Obergrenze; im vorliegenden Fall für beide Rechtszüge auf 100.000,- EUR.

Ein Fall des § 12 Abs. 4 oder Abs. 5 UWG kann nach dem Vortrag der Parteien nicht angenommen werden.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 11.09.2014
Az: 2 U 178/13


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