Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. April 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 38/99

(BPatG: Beschluss v. 17.04.2000, Az.: 10 W (pat) 38/99)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderinnen gegen den Beschluß der Prüfungsstelle 11.48 des Deutschen Patentamts vom 8. Juli 1998 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Anmelderinnen beantragten am 15. Dezember 1989 die Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung "Katalysator zum Reinigen von Abgasen".

Am 21. August 1996 stellten sie Antrag auf Prüfung der Patentanmeldung und kündigten die Entrichtung der amtlichen Gebühren in Höhe von 420,-- DM

(400,-- DM Prüfungsantragsgebühr und 20,-- DM Literaturpauschale) per Einzahlungsliste an. Am 23. Dezember 1996 wurden 400,-- DM bezahlt, die das Patentamt als 8. Jahresgebühr verbuchte.

Am 18. Februar 1998 erstattete das Deutsche Patentamt den Anmelderinnen die am 23. Dezember 1996 eingezahlte Gebühr in Höhe von 400,-- DM und eine am 22. Dezember 1997 eingezahlte Gebühr von 500,-- DM.

Am 17. April 1998 entrichteten die Anmelderinnen über ihre Verfahrensbevollmächtigten DM 420,-- als Prüfungsgebühr und Literaturpauschale. Sie trugen vor, es sei kanzleiintern festgestellt worden, daß wegen noch nicht erfolgter Zahlung der Prüfungsgebühr der Prüfungsantrag als nicht gestellt gelte. Sie hätten darauf vertraut, daß das Patentamt die in den Prüfungsrichtlinien 3.1, 3. Absatz vorgesehene Mitteilung versende; sie hätten jedoch keine entsprechende Nachricht erhalten. Auch sei eine Benachrichtigung des Patentamts über den Ablauf der Prüfungsantragsfrist nicht erfolgt. Aus diesem Grund werde gebeten, den nunmehr entrichteten Betrag von DM 420.-- als rechtzeitige Zahlung der Prüfungsgebühr anzuerkennen.

Die Prüfungsstelle 11.48 des Deutschen Patentamts hat die Ausführungen der Anmelderinnen als Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Prüfungsantragsgebühr gewertet und diesen durch Beschluß vom 8. Juli 1998 zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, daß ein Patentanwalt die 7-Jahresfrist und damit auch die rechtzeitige Zahlung der Prüfungsgebühr selbst überwachen müsse und sich nicht auf das Eintreffen einer nicht vorgeschriebenen patentamtlichen Zahlungserinnerung verlassen dürfe.

Mit ihrer Beschwerde machen die Anmelderinnen geltend, sie hätten Anspruch auf eine rechtzeitige Mitteilung des Deutschen Patentamts gehabt, daß die Prüfungsgebühr noch nicht entrichtet worden sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und den Schriftsatz vom 26. August 1999 Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung haben Sie - auf Nachfrage des Senats - erklärt, daß die Prüfungsantragsgebühr in die in der Prüfungsantragsschrift erwähnte Einzahlungsliste wegen eines Versehens einer Mitarbeiterin nicht aufgenommen worden sei.

Die Anmelderinnen beantragen, den Beschluß des Deutschen Patentamts vom 8. Juli 1998 aufzuheben und sie in die Frist zur Zahlung der Prüfungsantragsgebühr wiedereinzusetzen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Deutsche Patentamt hat den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht zurückgewiesen.

Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht gemäß § 123 PatG, wenn eine dem Patentamt gegenüber einzuhaltende Frist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, ohne Verschulden versäumt wurde.

1. Die Anmelderinnen haben die Frist zur Zahlung der Prüfungsantragsgebühr versäumt.

Die Patentanmeldung ging am 15. Dezember 1989 beim Patentamt ein. Die Frist zur Stellung des Prüfungsantrages, § 44 Abs 1 PatG, und zur Zahlung der Prüfungsantragsgebühr, § 44 Abs 3 PatG, lief also am 15. Dezember 1996 ab. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Anmelderinnen zwar - wie festgestellt - den Prüfungsantrag gestellt, die Prüfungsantragsgebühr jedoch nicht gezahlt, so daß der Prüfungsantrag als nicht gestellt, § 44 Abs 3 PatG, und die Anmeldung als zurückgenommen gilt, § 58 Abs 3 PatG. Daß die Anmelderinnen vom Patentamt weder auf den bevorstehenden Ablauf der Prüfungsantragsfrist noch auf das Ausstehen der zu zahlenden Prüfungsantragsgebühr hingewiesen worden sind, wirkt sich auf den Fristablauf nicht aus. Zwar hat das Patentamt gegen Ziff 3.1. der Richtlinien für die Prüfung von Patentanmeldungen (BlPMZ 1995, 269 ff), die das Prüfungsverfahren nach § 44 PatG betrifft, verstoßen. Danach ist, falls die Prüfungsantragsgebühr nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Prüfungsantrags entrichtet worden ist, dem Antragsteller mitzuteilen, daß der Antrag als nicht gestellt gilt, solange die Gebühr nicht gezahlt ist. Die Anmelderinnen haben am 22. August 1996 Prüfungsantrag gestellt und hätten deshalb nach dem 22. Oktober 1996 alsbald eine entsprechende Nachricht erhalten müssen.

Der Verstoß gegen diese Vorschrift der Richtlinien, die den Charakter von Verwaltungsvorschriften besitzen und die nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Bindungswirkung entfalten können (vgl BGH BlPMZ 1991, 420, 421 - Zustellungsadressat - hinsichtlich der Hausverfügung Nr 10 des Präsidenten des Deutschen Patentamts vom 25. Oktober 1972) kann aber nicht den in einer höherrangigen Gesetzesnorm, nämlich § 44 PatG, geregelten Ablauf der 7-jährigen Frist zur Zahlung der Prüfungsgebühr hemmen oder gar unterbrechen. Dazu hätte es einer gesetzlichen Regelung bedurft, die der Gesetzgeber gerade nicht getroffen hat. Allerdings ist bei den Beratungen zum Gemeinschaftspatentgesetz erörtert worden, eine Pflicht des Patentamts zum Hinweis auf den bevorstehenden Ablauf der Prüfungsantragsfrist gesetzlich zu verankern (vgl Bericht zum Entwurf des Gemeinschaftspatentgesetzes, BlPMZ 1979, 292, 294 Nr 24). Davon ist jedoch abgesehen, insbesondere auch nicht zuvor über die Folgen eines solchen Verstoßes diskutiert worden. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Verstoß gegen die genannte Verwaltungsvorschrift bereits einen Fristablauf verhindert. Der Verstoß des Patentamts gegen Ziff 3.1. der Richtlinien könnte deshalb allenfalls im Rahmen des Verschuldens der Antragstellerinnen, das im Rahmen der Wiedereinsetzung zu prüfen ist, berücksichtigt werden.

2. Zur Beseitigung dieses Rechtsnachteils haben die Anmelderinnen am 17. April 1998 - einen zwar nicht ausdrücklich als solchen bezeichneten, aber vom Patentamt zutreffend so gewerteten - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Dieser Antrag ist unzulässig, weil er erst nach Ablauf der Jahresfrist gem § 123 Abs 2 S 4 PatG eingegangen ist, die am 15. Dezember 1996 endete.

Die späte Erstattung der Jahresgebühren durch das Patentamt wirkt sich auf den Ablauf der Jahresfrist nicht aus. Zwar hätte bei umgehender Rückzahlung der 8. Jahresgebühr möglicherweise die Fristversäumung rechtzeitig noch entdeckt, ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die versäumte Zahlung nachgeholt werden können. Dies ändert nichts an dem Ablauf der Jahresfrist. Diese ist - wie die Frist in § 234 Abs 3 ZPO - eine absolute Ausschlußfrist, die zur Wahrung der Rechtssicherheit unabhängig von Kenntnis und Verschulden läuft. (Busse, PatG § 123 Rdn 66) und gegen deren Versäumung Wiedereinsetzung nicht statthaft ist (Benkard, PatG, 9. Aufl § 123 Rdn 53). Zwar hat die Rechtsprechung in besonderen Fällen die Anwendung der Vorschrift (in diesen Fällen: § 234 Abs 3 ZPO) ausgeschlossen, zB wenn bei Ablauf der Ausschlußfrist über ein innerhalb der Rechtsmittelfrist gestelltes Gesuch um Gewährung von Prozeßkostenhilfe noch nicht entschieden war oder das Gericht allein aus in seiner Sphäre liegenden Gründen nicht innerhalb eines Jahres von dem Ende der versäumten Frist an darüber entschieden hat, ob eine Revision form- und fristgerecht eingelegt worden ist und beide Parteien aufgrund gerichtlicher Verfügung der Auffassung sein konnten, der Rechtsstreit werde demnächst materiellrechtlich entschieden (BGH VersR 1987, 1237f mwN). Einen derartigen Ausnahmefall hält der Senat hier für nicht gegeben. Das Patentamt war zur Erstattung der Gebühren verpflichtet, es ist aber keine Regelung ersichtlich, die dies innerhalb eines bestimmten Zeitraums gebietet.

3. Das Patentamt hat die Anmelderinnen - entgegen ihrer Auffassung - nicht dadurch von Amts wegen (stillschweigend) wieder eingesetzt, daß es den am 23. Dezember 1996 eingezahlten Betrag von DM 400.-- erst nach Jahresfrist erstattet und damit als Prüfungsantragsgebühr behandelt hat.

Der Betrag von DM 400.-- wurde nach dem eigenen Vortrag der Anmelderinnen für die 8. Jahresgebühr entrichtet. Auch das Patentamt hat dies so gesehen, denn auf dem Kontoblatt vom 27. Januar 1997 ist dieser Betrag mit dem Gebührencode "112108" versehen, der gemäß dem Gebührenverzeichnis zum PatGebG die 8. Jahresgebühr betrifft. Das Patentamt hat also die am 23. Dezember 1996 gezahlten DM 400.-- gerade nicht als Prüfungsantragsgebühr entgegengenommen, sondern als 8. Jahresgebühr verbucht, zumal die Bestimmung des Zahlenden für das Patentamt bindend ist (Benkard aaO § 17 Rdn 14 Busse aaO vor § 17 Rdn 27) und eine Unrichtigkeit der ursprünglichen Angaben über den Bestimmungszweck nicht ersichtlich war. Somit die Anmelderinnen den Bestimmungszweck des genannten Geldbetrags geändert haben, ist dies ein Beschwerdeverfahren und damit verspätet erfolgt (Benkard, aaO, vor § 17 Rdn 15).

Selbst wenn der für die 8. Jahresgebühr bezahlte Betrag auf die Prüfungsantragsgebühr hätte verrechnet werden können, wäre damit allenfalls die versäumte Handlung, nämlich die Zahlung der Prüfungsantragsgebühr, nachgeholt. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen kommt aber nur dann in Betracht, wenn alle die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Tatsachen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Monaten dem Patentamt bekannt sind (BPatGE 25, 121; Busse, aaO, § 123 Rdn 58). Es müssen dem Patentamt insbesondere Umstände bekannt sein, die ein Verschulden der Beteiligten oder seiner Vertreter bei der Fristversäumung ausschließen und die die Ursächlichkeit der bekannten Umstände für die Versäumung belegen. Tatsachen aus der Sphäre der Anmelderinnen bzw ihrer Verfahrensbevollmächtigten, die deren fehlendes Verschulden annehmen lassen konnten, waren innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist aber nicht erkennbar (Benkard aaO § 123 Rdn 47). Soweit die Anmelderinnen im Beschwerdeverfahren vortragen, es sei - entsprechend dem Hinweis auf den Prüfungsantrag - beabsichtigt gewesen, die Prüfungsantragsgebühr per Einzahlungsliste zu entrichten, die konkrete Gebühr sei aber versehentlich nicht auf diese Liste gesetzt worden, war dieser Umstand für das Patentamt weder aktenkundig noch sonst ersichtlich.

Das für das Patentamt erkennbare Fehlen des Hinweises gem Ziff 3.1. der Richtlinien für die Prüfung von Patentanmeldungen belegte für sich ebenfalls nicht eine schuldlose Versäumung der Zahlungsfrist. Diese konnte auch andere Ursachen haben, insbesondere eine freiwillige Aufgabe des Schutzrechts oder ein Versehen. So war es auch hier, denn - wie sich aus dem Vorbringen der Anmelderinnen im Beschwerdeverfahren zeigt - war nicht der fehlende Hinweis des Patentamts, sondern ein Büroversehen im Bereich der Inlandsvertreter ursächlich für die Fristversäumung.

4. Nach alledem war die Beschwerde letztlich aus tatsächlichen Gründen zurückzuweisen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war deshalb nicht veranlaßt.

Bühring Winkler Schuster Hu






BPatG:
Beschluss v. 17.04.2000
Az: 10 W (pat) 38/99


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