Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 16. Januar 2003
Aktenzeichen: 21 S 286/02

(LG Bielefeld: Urteil v. 16.01.2003, Az.: 21 S 286/02)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das 18. Oktober 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

A.

Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 1.220,36 € aus §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 2, 675 BGB.

I.

Aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrags ist der Beklagte verpflichtet, dem Kläger die erbrachten Leistungen zu vergüten. Durch die außergerichtliche Vertretung des Beklagten gegenüber der Fa. C. GmbH sind eine Geschäftsgebühr und eine Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1) und 2) BRAGO angefallen. Da der Kläger für den Beklagten Rückzahlung des vollen Kaufpreises begehrte, ist der Gegenstandswert für diese Gebühren mit 42.000,00 DM zutreffend berechnet. Die in Ansatz gebrachte Höhe der Gebühren von jeweils 7,5/10 wird vom Beklagten nicht beanstandet. Zzgl. Auslagenpauschale und MWS errechnet sich danach die vom Amtsgericht zuerkannte Forderung von 2.386,82 DM = 1.220,36 €.

II.

Der Beklagte kann gegen diese Honorarforderung nicht mit Erfolg die rechtsvernichtende Einwendung einer unzulässigen Rechtsausübung erheben, § 242 BGB. Denn die Belastung des Beklagten mit der vorbezeichneten Gebührenforderung beruht nicht auf einer Pflichtverletzung des Klägers. 1)

Der Kläger war allerdings vertraglich verpflichtet, den Beklagten umfassend zu beraten und seine Interessen in einer optimalen Weise wahrzunehmen. Da der Beklagte rechtsschutzversichert ist, musste der Kläger das Mandat so führen, dass der Beklagte nicht mit Kosten belastet wurde. Stand dies im Konflikt mit einer sachdienlichen Erledigung des Mandats in der Hauptsache, musste er den Beklagten über die Nichteintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers trotz der zunächst erteilten Deckungszusage aufklären (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 276, Rn 45). Gegen diese Hinweispflicht hat der Kläger verstoßen. Er hätte den Beklagten vor der außergerichtlichen Einigung mit der Fa. C. darüber belehren müssen, dass er seine Anwaltskosten trotz der erteilten Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers selbst tragen musste:

a)

Gegenüber der Fa. C. bestand kein materiellrechtlicher Anspruch auf Kostenerstattung, wie das Amtsgericht Bielefeld mit Urteil vom 08.02.2002 - 42 C 1340/01 - zutreffend ausgeführt hat.

b)

Angesichts der außergerichtlichen Einigung mit der Fa. C. ist auch der Rechtsschutzversicherer des Beklagten, die A. Rechtsschutzversicherung AG, nicht zur Erstattung der angefallenen Rechtsanwaltsgebühren verpflichtet. Denn nach der ersten Alternative von § 2 Abs. 3 Ziffer a) ARB 75 trägt der Rechtsschutzversicherer nicht die Kosten, die aufgrund einer gütlichen Erledigung, insbesondere eines Vergleichs, nicht dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen.

aa)

Der vom Beklagten gegenüber der Fa. C. geltend gemachte Gewährleistungsanspruch wurde gütlich erledigt. Die Kaufvertragsparteien haben durch gegenseitiges Nachgeben einen Vergleich geschlossen, § 779 BGB. Der Beklagte hat sich abweichend von seiner ursprünglichen Forderung gezogene Nutzungsvorteile anrechnen lassen. Die Fa. C. hat dem Beklagten bei der Zuzahlung auf das Neufahrzeug wegen der stärkeren Motorisierung einen Nachlass gewährt und sich mit einer nur teilweisen Anrechnung der gezogenen Nutzungsvorteile einverstanden erklärt.

bb)

Die gütliche Einigung umfasst keine Kostenregelung. Danach hat der Beklagte die ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten vollständig selbst zu tragen. Dies entspricht nicht dem Verhältnis seines Obsiegens zum Unterliegen. Der Beklagte begehrte vollständige Rückzahlung des Kaufpreises von 42.000,00 DM. Dieses Ziel hat er wirtschaftlich nahezu erreicht. Die Fa. C. verpflichtete sich zur Lieferung eines anderen Neufahrzeugs mit - abgesehen von einem stärkeren Motor - denselben Ausstattungsmerkmalen. Soweit der Kläger sich 1.970,00 DM für gezogene Nutzungen anrechnen ließ, wurde dieses Nachgeben durch einen Nachlass der Fa. C. auf den Mehrpreis für den leistungsstärkeren Motor i.H.v. 1.000,00 DM zum Teil wieder ausgeglichen. Das Unterliegen des Beklagten beträgt danach wirtschaftlich nur 970,00 DM, das sind zu vernachlässigende 2 %.

cc)

Ob die getroffene gütliche Einigung der Sach- und Rechtslage entspricht, ist ohne Bedeutung. Die Erstattungspflicht des Rechtsschutzversicherers entfällt, soweit die Kostentragungspflicht des Versicherungsnehmers nicht dem formalen Verhältnis des Unterliegens zum Obsiegen, wie es sich aus dem Vergleich ergibt, entspricht. Auch spielt es keine Rolle, dass der Beklagte keinen außergerichtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen die Fa. C. hatte. § 2 Abs. 3 Ziffer a) ARB bezweckt, Kosten von der Erstattungspflicht des Versicherers auszunehmen, deren Übernahme der Versicherungsnehmer dem Gegner zugesteht, um von ihm Zugeständnisse in der Hauptsache zu erhalten. Dass dies im Einzelfall dazu führen kann, dass sich der Versicherer kostenmäßig besser steht, als wenn es nicht zum Abschluss eines Vergleichs gekommen wäre, wird aus Praktikabilitätsgründen hingenommen (BGH VersR 1977, 809; OLG Hamm VersR 1982, 392; LG Bielefeld ZfS 1991, 415). Durch eine Rechtsschutzversicherung soll das Kostenrisiko nur insoweit abgedeckt werden, als der Versicherungsnehmer infolge eines Unterliegens in der Hauptsache mit Kosten belastet wird. Beruht eine Kostentragungspflicht auf anderen Gründen - wie z.B. im vorliegenden Fall auf dem Fehlen eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs trotz Obsiegens in der Hauptsache - so besteht dafür kein Versicherungsschutz.

dd)

Die Einschränkung der Kostentragungspflicht nach § 2 Abs. 3 Ziffer a) ARB erstreckt sich nicht nur auf die Vergleichsgebühr; sie betrifft vielmehr sämtliche bis zur gütlichen Erledigung der Rechtssache angefallenen Kosten. Man kann die anwaltliche Vertretung des Beklagten durch den Kläger auch nicht in zwei selbständige Abschnitte aufteilen, eine erste Phase bis zum Vollzug der Wandlung und eine zweite Phase hinsichtlich der Einigung über den Inhalt des Rückgewährschuldverhältnisses. Der Kläger hat für den Beklagten zunächst einen großen Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Die Fa. C. hat diesen Anspruch zurückgewiesen und demgegenüber u.a. eine Wandlung des Kaufvertrags angeboten. Nach einigem Schriftwechsel und einigen Telefonaten, auch mit der zur Kaufpreisfinanzierung eingeschalteten Bank, wurde letztlich in einem Gespräch am 23.07.2001 die bereits dargestellte Einigung erzielt.

ee)

Der Rechtsschutzversicherer ist schließlich auch nicht aufgrund seiner Deckungszusage zur Erstattung der beiden noch streitgegenständlichen Gebühren verpflichtet. Bei der Deckungszusage handelt es sich um ein deklaratorisches Anerkenntnis des Versicherers, das die ihm bis dahin bekannten Einwendungen gegen seine Leistungspflicht ausschließt (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., § 16, Rn 5; Prölss/ Martin, VVG, 26. Aufl., § 17, Rn 14). Die gütliche Erledigung der Angelegenheit erfolgte jedoch erst nach Erteilung der Deckungszusage und wird von dem Einwendungsausschluss daher nicht erfasst.

2)

Dem Beklagten ist durch die Pflichtverletzung des Klägers jedoch kein Schaden entstanden. Es ist nicht feststellbar, dass der Beklagte bei Aufklärung über die Rechtslage einen anderen Weg der Rechtsverfolgung gewählt hätte, der ihn von der Pflicht zur Tragung der Anwaltskosten befreit hätte:

a)

Außergerichtlich hatte der Beklagte nur die Alternative, die ursprüngliche Rechtsposition der Verkäuferin vollumfänglich zu akzeptieren, also eine Wandlung des Kaufvertrags oder einen Austausch des Fahrzeugs gegen ein gleichwertiges Neufahrzeug unter vollständiger Anrechnung der gezogenen Nutzungsvorteile (ca. 2.530,00 DM). Das wäre aber ebenfalls eine gütliche Erledigung i.S. v. § 2 Abs. 3 Ziffer a) ARB gewesen mit der Folge eines allenfalls geringen Kostenerstattungsanspruchs gegen den Rechtsschutzversicherer (6 %) und hätte den Beklagten daher nicht besser gestellt. Unter gütlicher Erledigung ist nämlich nicht nur ein Vergleich zu verstehen, sondern auch ein schlichtes Nachgeben einer Partei oder das endgültige Absehen von der Verfolgung eines Anspruchs (Harbauer, a.a.O., § 2, Rn 167; Prölss/ Martin, a.a.O., § 2, Rn 21).

b)

Es blieb damit nur die Möglichkeit der Führung eines Rechtsstreits. Insoweit hätte der Kläger den Beklagten aber zugleich auf die mit jedem Prozess verbundenen Risiken hinweisen müssen. Zum anderen wäre auch in diesem Fall eine Kostenerstattung nicht sicher gewesen. Der Beklagte musste mit einem Anerkenntnis der Fa. C. rechnen, so dass ihm die Auferlegung der Kosten nach § 93 ZPO drohte. Die Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers wäre in diesem Fall äußerst zweifelhaft gewesen. Es dürfte eine Obliegenheitsverletzung nach § 15 Abs. 1 Ziffer d) cc) ARB in Form einer unnötigen Erhöhung der Kosten darstellen, einen Vertragsgegner zu verklagen, nachdem dieser sich grundsätzlich bereits mit der begehrten Rückabwicklung eines Vertrages einverstanden erklärt hat und nur noch eine untergeordnete Frage zu klären ist.

B.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 3, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F..

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 analog, 713 ZPO.

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LG Bielefeld:
Urteil v. 16.01.2003
Az: 21 S 286/02


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