Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 41/98

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2000, Az.: 17 W (pat) 41/98)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um das Patent mit der Nummer 37 34 681, das ein optisches Informationsaufzeichnungsmedium betrifft. Das Patent wurde am 29. Februar 1996 erteilt und am 14. August 1996 veröffentlicht. Die Einsprechende hat gegen dieses Patent Einspruch erhoben und die Widerrufung des Patents gefordert. Sie argumentierte, dass der Patentgegenstand nicht neu sei und keine erfinderische Tätigkeit vorliege. Sie verwies auf verschiedene Druckschriften, um ihre Position zu stützen. Die Patentinhaberin hingegen forderte die Abweisung der Beschwerde und wollte eine Frist erhalten, um auf die neuen Druckschriften der Einsprechenden einzugehen. Das Bundespatentgericht entschied, dass der Patentanspruch die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Patents nicht erfüllt. Das Medium ist zwar neu, aber die patentgemäße Lehre ergibt sich naheliegenderweise aus dem Stand der Technik. Daher wurde der Beschluss des Deutschen Patentamtes aufgehoben und das Patent widerrufen. Die neu eingereichte Druckschrift war für das Urteil nicht mehr relevant, daher war eine Schriftsatzfrist nicht erforderlich.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 13.07.2000, Az: 17 W (pat) 41/98


Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 53 des Deutschen Patentamts vom 3. März 1998 aufgehoben und das Patent 37 34 681 widerrufen.

Gründe

:

I.

1. Auf die am 13. Oktober 1987 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung P 37 34 681.4-53, welche die Priorität der japanischen Anmeldung JP P 242 136/86 vom 14. Oktober 1986 in Anspruch nimmt, wurde am 29. Februar 1996 unter der Bezeichnung

"Optisches Informationsaufzeichnungsmedium"

durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G11B das Patent (Streitpatent) erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 14. August 1996.

Nach Prüfung eines für zulässig erachteten Einspruchs der B... AG in L..., hat die Patentabteilung 53 des Deutschen Patentamtes mit Beschluss vom 3. März 1998 das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden, mit der sie weiterhin den Widerruf des Patents verfolgt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Optisches Informationsaufzeichnungsmedium mit einer auf einem Substrat aus einem Polycarbonatharz ausgebildeten optischen Informationsaufzeichnungsschicht, von der Signale optisch gelesen werden, dadurch gekennzeichnet, daß die Menge der in dem Substrat enthaltenen Restchlorionen nicht mehr als 1,0 ppm beträgt."

Wegen der abhängigen Ansprüche 2 und 3 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

2. Die beschwerdeführende Einsprechende macht geltend, der Streitpatentgegenstand sei nicht neu, zumindest beruhe er nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und verweist hierzu u.a. auf folgende Druckschriften:

E1 US 4 038 252 E2 R. Riess und H. Loewer: "POLYCARBONATE RESINS FOR OPTICAL MEMORIES AND COMPACT DISKS", PLASTICS 1985, Seiten 470 bis 475 E4 DE 34 29 960 A1.

Mit am 12. Juli 2000 per Fax eingegangenem Schriftsatz führt die Einsprechende außerdem die Druckschrift E5 EP 0 262 557 A1 ein, die im vorliegenden Fall als prioritätsältere Anmeldung und Stand der Technik gemäß § 3 (2) Satz 1 PatG zu berücksichtigen sei.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, sowie eine Frist zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Einsprechenden vom 12. Juli 2000 und die dort neu eingeführte Druckschrift zu erhalten.

Sie macht geltend, im angegriffenen Patent gehe es um die Langzeitsicherung von Datenbeständen auf optischen Speichermedien. Die in der Patentschrift beschriebenen Versuche hätten in diesem Zusammenhang überraschenderweise ergeben, daß Korrosionserscheinungen in der Aufzeichnungsschicht optischer Polycarbonat-Speicherplatten vermieden werden können, wenn der Gehalt an Chlorionen im Substrat nicht mehr als 1 ppm betrage. Dies werde dadurch erreicht, daß das bei der Herstellung über Phosgen und Bisphenol im Polycarbonat verbleibende Chlor entsprechend lange und sorgfältig ausgewaschen werde. Bis zum Prioritätstag des Streitpatents habe die Fachwelt die Chlorproblematik überhaupt nicht bemerkt und sich bei dem die Aufzeichnungsschicht tragenden Substrat mit weniger ausgewaschenem Polycarbonat zufrieden gegeben, zumal die für optische Speicher verwendeten Beschichtungen nicht als besonders chlorempfindlich bekannt gewesen seien. Die streitpatentgemäße Lehre sei somit neu und aus dem Stand der Technik heraus nicht nahegelegt.

Bezüglich weiterer Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, weil der Patentanspruch 1 die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung des Patents nicht erfüllt (§ 21 Abs 1 Nr 1 iVm § 4 Satz 1 PatG).

1. Das Streitpatent betrifft ein optisch auslesbares Informationsaufzeichnungsmedium mit einer Informationsaufzeichnungsschicht, die bspw. eine Tb-Fe-Co-Schicht für magnetooptische Platten oder eine Aluminiumbeschichtung sein kann, wie sie für die sog. Compact Discs (CD) verwendet wird. Diese Schicht ist auf einem Substrat aus thermoplastischem Polycarbonat aufgebracht, das typischerweise auf der Basis von Bisphenol mit Phosgen produziert wird. Bei dieser Art der Herstellung verbleiben im Polycarbonat ggfs. noch Restmengen an Chlor. Um die hierdurch bedingte Korrosion der Aufzeichnungsschicht zu vermeiden, soll gemäß geltendem Patentanspruch 1 das Polycarbonat-Substrat nicht mehr als 1,0 ppm an Rest-Chlorionen enthalten.

2. Die Lehre gemäß Patentanspruch 1 ist neu, denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften beschreibt ein optisches Aufzeichnungsmedium mit allen im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen. Sie beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit; denn sie ergibt sich für den Fachmann, einen Fachhochschulabsolventen mit Schwerpunkt Kunststoffverarbeitung, der mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung optischer Speichermedien hat und auch über entsprechende chemische Kenntnisse verfügt, oder ggfs. den Polymerchemiker zu Rate zieht, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Polycarbonat ist ein gängiger thermoplastischer Kunststoff für im Spritzgieß- oder Preßverfahren hergestellte Formteile. Bspw. beschreibt die Druckschrift [1] ein Herstellungsverfahren nach der Methode der Phasengrenzflächenkondensation, bei dem Bisphenolat mit Phosgen in Gegenwart einer Alkalihydroxidlösung umgesetzt wird (Spalte 1 Zeilen 9 bis 15). Die entstehende Polycarbonatlösung mit 15,1 % Feststoffgehalt enthält störende Verunreinigungen, insbesondere Chlor, das durch Auswaschen beseitigt werden muß (Spalte 6 Zeilen 18 bis 22). Was den verbleibenden Chlorgehalt anbelangt, der im fertigen Polycarbonat noch vorhanden sein kann, so findet sich bei allen Beispielen sowohl für verseifbares wie auch für anorganisches Chlor jeweils die Angabe <2 ppm (Spalte 6 Zeilen 27 bis 33; Spalte 7 Zeilen 10 bis 17). Der so hergestellte Kunststoff ist insbesondere für Platten und Folien sowie für optische Anwendungen gedacht (Spalte 5 Zeilen 43 bis 47).

Der im wesentlichen gleiche Sachverhalt ergibt sich aus der Druckschrift [4], die auf das Verfahren der Phasengrenzflächenkondensation ausdrücklich Bezug nimmt (Seite 5 Absatz 2) und ebenfalls bei verseifbarem, anorganischem sowie "Gesamtchlor" jeweils <2 ppm ausweist (Seite 11 Tabelle zu Beispiel 1).

Aufgrund der Anwendungsvorschläge und wegen der günstigen optischen und mechanischen Eigenschaften wird der Fachmann das aus dem Stand der Technik bekannte Polycarbonat als Substrat für CDs oder magnetooptische Aufzeichnungsmedien bevorzugt heranziehen (vgl. bspw. den Titel von Druckschrift [2] iVm Seite 471, Absatz 1). Er gelangt damit im Rahmen des Standes der Technik, ohne erfinderisch tätig zu werden, nicht nur zu einem Aufzeichnungsmedium, das im Substrat in jedem Falle weniger als 2 ppm Chlorionen enthält, sondern er entnimmt aus jeder der gen. Druckschriften a.a.O. auch die grundsätzliche Zielvorgabe, daß das Substrat so rein wie möglich sein soll, womit, wie die Beispiele in den Druckschriften [1] oder [4] ausweisen, zu allererst Chlor gemeint ist. Die Forderung, daß das Material elektrolytfrei gewaschen werden soll (Druckschrift [1] Spalte 6 Zeile 19), kann der Fachmann jedenfalls nur dahingehend verstehen, daß im fertigen Kunststoff Chlor möglichst nicht mehr vorkommen soll. Die im Stand der Technik immer wiederkehrende stereotype Angabe "<2 ppm" kann der Fachmann in diesem Zusammenhang nur als "unterhalb der (damaligen) Nachweisgrenze" verstehen. Sich nun das Ziel zu setzen, den Chloranteil unter 1 ppm, d.h. faktisch auf Null zu drücken, womit der Fachmann auch bereits beim Streitpatentgegenstand angelangt ist, wird somit durch den Stand der Technik bereits vorgegeben und bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit, zumal im Streitpatent auch keine andere Reinigungsmethode als das bekannte "Auswaschen" vorgesehen ist.

Die von der Patentinhaberin im Zusammenhang mit der von ihr angegebenen "Aufgabe" geltend gemachte besondere Wirkung, wonach die Korrosion der Aufzeichnungsschichten vermieden werden soll, kann zur Überzeugung des Senats die Erfindung nicht tragen, denn zum einen erfaßt der geltende Anspruch 1 auch diejenigen optischen Aufzeichnungsmedien, die - etwa aufgrund von Edelmetallbeschichtungen - vergleichsweise korrosionsunanfällig sind, und zum andern kann es, soweit unedle Metalle und deren Legierungen beteiligt sind, bei der bekannten Reaktionsfreudigkeit von Chlor den Fachmann nicht überraschen, daß solche Schichten angegriffen werden.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist somit nicht patentfähig. Dieser Anspruch ist nicht gewährbar. Mit ihm fallen zwangsläufig die abhängigen Ansprüche 2 und 3, die im übrigen zur Überzeugung des Senats ebenfalls nichts enthalten, was einen selbständigen Patentschutz begründen könnte. Gegenteiliges wurde von der Patentinhaberin auch nicht geltend gemacht.

Angesichts der geschilderten Sachlage war der Beschluß des Deutschen Patentamtes aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Nachdem es auf die zuletzt eingeführte Druckschrift E5 nicht mehr ankam, war insoweit die Gewährung einer Schriftsatzfrist nicht erforderlich.

Grimm Greis Püschel Schuster Fa






BPatG:
Beschluss v. 13.07.2000
Az: 17 W (pat) 41/98


Link zum Urteil:
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