Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. Januar 2012
Aktenzeichen: I-2 U 115/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 19.01.2012, Az.: I-2 U 115/10)

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. September 2010 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zwangs-weise beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Si-cherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 500.000,-- Euro festgesetzt.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin war vom 2. Oktober 2002 bis zum 22. April 2010 eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes betreffend eine Rastierhülse für eine Schaltwelle (Klagepatent, Anlage K 1), das sie nach ihrem Vorbringen zusammen mit sämtlichen Rechten daraus einschließlich etwaiger Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche für die Vergangenheit mit Wirkung zum 1. Februar 2010 auf die S. T. G. & C.K. übertragen hat und das am 23. April 2010 auf diese Gesellschaft im Patentregister umgeschrieben worden ist. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf der angegriffenen Erzeugnisse und Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und zum Schadenersatz in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist am 10. August 1999 unter Inanspruchnahme einer deutschen Unionspriorität vom 7. September 1998 eingereicht und am 15. März 2000 im Patentblatt veröffentlicht worden. Der Hinweis auf die Patenterteilung und die Klagepatentschrift sind am 6. November 2002 bekannt gemacht bzw. veröffentlicht worden. Die in diesem Rechtsstreit bedeutsamen Patentansprüche 1, 2 und 5 lauten in der erteilten Fassung wie folgt:

1. Rastierhülse für eine Schaltwelle (2) eines mechanisch schaltbaren Zahnräderwechselgetriebes von Fahrzeugen zur Sicherung von Verstellpositionen der Schaltwelle (2), wobei die Rastierhülse (3a bis 3d) mehrteilig aufgebaut ist und eine drehfest auf der Schaltwelle (2) befestigte Hülse (10; 10a) umfasst, mit einer separaten Scheibe (11) oder einer einteilig an der Hülse befestigten Scheibe, die einen radialen Abstand zu einem die Schaltwelle (2) koaxial umschließenden Topfteil (12 bzw. 12a bzw. 12b) überbrückt, und wobei das als ein Spanlosteil gestaltete Topfteil mit zumindest einem Übertragungsteil bzw. Übertragungselement versehen ist, das mit einem der Schaltwelle (2) nebengeordneten Bauteil zusammenwirkt, dadurch gekennzeichnet, dass das Topfteil aus einem Bandmaterial gefertigt ist, das weitestgehend zylindrisch gerollt und deren Enden an einer in Richtung einer Längsachse (16) der Rastierhülse verlaufenden Trennebene (15) verbunden sind.

2. Rastierhülse für eine Schaltwelle (2) eines mechanisch schaltbaren Zahnräderwechselgetriebes von Fahrzeugen zur Sicherung von Verstellpositionen der Schaltwelle (2) mit den Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Topfteil zumindest zwei Bauteile (13, 14) umfasst, die in einem Trennbereich miteinander verbunden sind.

5. Rastierhülse nach Anspruch 1 oder nach Anspruch 2, wobei das Topfteil (12b) zwei in axialer Richtung angeordnete Abschnitte (26, 27) umfasst, die unlösbar miteinander verbunden sind und deren Trennebene (30) rechtwinkelig zu der Längsachse (16) der Rastierhülse (3c) verläuft (Figur 4).

In dem durch die Beklagte unter dem 5. März 2010 (vgl. Anlage B 1) eingeleiteten Nichtigkeitsverfahren verteidigt die Klägerin den im vorliegenden Verletzungsverfahren geltend gemachten Anspruch 2 in einer Fassung, die auch die Merkmale des bisherigen Unteranspruches 5 einbezieht. Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht steht am 15. Mai 2012 an (vgl. Anlage B12).

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1, 4, 6 und 7 der Klagepatentschrift erläutern den Erfindungsgegenstand anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 7 stellt den Gesamtzusammenhang der Erfindung dar und zeigt den Einbau einer Rastierhülse in einem Schaltgetriebe, Figur 1 die Rastierhülse als Einzelteil in Draufsicht, Figur 6 einen Querschnitt durch eine erfindungsgemäße Rastierhülse und Figur 4 ein durch zwei Abschnitte gebildetes Topteil entsprechend dem erteilten Patentanspruch 5, dessen Hülse vollständig innerhalb des Topfteils verläuft, um den erforderlichen axialen Bauraum der Rastierhülse zu verringern.

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Die Beklagte stellt her und vertreibt Schaltungen mit einem Schaltwählmodul, das in den hier bedeutsamen konstruktiven und funktionalen Einzelheiten aus der von der Klägerin als Anlage K 6 zu den Akten gereichten Fotoserie und der ebenfalls von der Klägerin als Anlage K 7 vorgelegten von der Beklagten stammenden Beschreibung erkennbar ist, deren Bilder 1 bis 3 nachstehend wiedergegeben sind (die Bezugszahlen sind jeweils von der Klägerin hinzugefügt worden).

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Das vorstehend abgebildete Schaltwählmodul für ein Getriebe weist eine Schaltwelle auf, die von einem - in Anlage K 7 als "Schaltwalze" bezeichneten - zylindrischen Bauteil umgeben ist. Dieses wird gebildet aus einem Blechbiegeteil, an das ein Sinterteil angeschweißt ist, dessen Funktionsbereiche in dem Bericht gemäß Anlage K 7 als Schaltfinger, Schaltwählkontur und Kulisse bezeichnet werden. Die gesamte Einheit aus Blechbiege- und Sinterteil ist durch zwei Kugelhülsen (in Anlage K 7 auch als Nadel- oder Kugellager bezeichnet) axial verschiebbar auf der Schaltwelle gelagert. Ein an der Schaltwelle angeformter Mitnehmer greift in eine Arretierführung des Blechbiegeteils, verhindert dadurch ein Verdrehen der Einheit aus Blechbiege- und Sinterbauteil und beschränkt dessen axialen Verschiebeweg auf der Schaltwelle.

Die Klägerin meint, die vorstehend beschriebene Vorrichtung stimme wortsinngemäß mit der technischen Lehre des verteidigten Klagepatentanspruches 2 überein. Sie betrachtet die Gesamtheit aus Kugelhülsen, Blechbiegeteilen und Sinterbauteil als Rastierhülse, wobei die Kugelhülse die Hülse im Sinne des Klagepatentes darstellen und Blechbiege- und Sinterteil gemeinsam den erfindungsgemäßen Topfteil bilden sollen. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht, erfindungsgemäß brauche die Hülse der Rastierhülse zur drehfesten Befestigung auf der Schaltwelle nicht unmittelbar drehfest auf dieser gelagert zu sein; es reiche aus, dass der in eine Arretierführung des zylindrischen Blechbiegeteils eingreifende Mitnehmer das Verdrehen der Einheit und damit auch der über eine Scheibe hiermit verbundenen Hülse auf der Schaltwelle verhindere. Das Topfteil müsse in funktionaler Hinsicht zum Einen einen Hohlraum bilden, durch den die Schaltwelle hindurchgreifen könne, zum Anderen müsse sein Durchmesser so gewählt werden, dass seine Mantelfläche ausreichend Raum für die vorgesehenen Funktions- und Übertragsteile biete. Dies sei bei der angegriffenen Vorrichtung der Fall.

Die Beklagte stellt die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede und meint, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatentes keinen Gebrauch. Sie hat vor dem Landgericht vorgetragen, der angegriffene Gegenstand weise weder ein erfindungsgemäßes Topfteil noch eine drehfest auf der Schaltwelle gelagerte Hülse auf. Das Topfteil müsse erfindungsgemäß in räumlichkörperlicher Hinsicht einseitig offen und relativ dünn sein und einen verhältnismäßig großen Innenraum aufweisen. Das Blechbiegeteil - von der Beklagten im vorliegenden Verfahren auch als Schaltwalzenrohling bezeichnet - erfülle diese Anforderungen nicht, weil es auf beiden Seiten verschlossen sei, nämlich auf der einen Seite durch die bereits erwähnte Scheibe und die daran anschließende Kugelhülse und auf der anderen Seite durch das massive Sinterbauteil. Das Sinterbauteil sei kein Topfteil, weil es weder dünnwandig sei noch einen radialen Abstand zu der Schaltwelle aufweise, sondern das Kugellager unmittelbar umschließe. Blechbiege- und Sinterbauteil könnten zusammen kein erfindungsgemäßes - zweiteiliges - Topfteil bilden, weil dieses erfindungsgemäß ein Spanlosteil sein müsse. Das bedeute aus der Sicht des Fachmanns, dass das Topfteil in einer einheitlichen Spanlostechnik hergestellt werden müsse. Bei der angegriffenen Vorrichtung seien Blechbiegeteil und Sinterbauteil jedoch in unterschiedlichen Verfahren hergestellt und das Sinterbauteil spanend nachbearbeitet worden. Zudem seien die endseitig angeordneten beiden Kugelhülsen drehbar und axial verschieblich auf der Schaltwelle gelagert; erst der Mitnehmer verbinde den Schaltwalzenrohling im Wesentlichen drehfest mit der Schaltwelle. Demgegenüber erfordere die Lehre des Klagepatentes, die Hülse selbst - etwa durch Aufpressen - auf der Schaltwelle zu befestigen.

Mit Urteil vom 2. September 2010 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angegriffene Vorrichtung stimme mit der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre nicht überein. Jedenfalls sei die Hülse nicht im Sinne des geltend gemachten Anspruchs drehfest auf der Schaltwelle befestigt, so dass offen bleiben könne, ob die angegriffene Ausführungsform ein erfindungsgemäßes Topfteil mit den räumlichkörperlichen Vorgaben des Klagepatentes aufweise. Obwohl es funktional entscheidend auf die Drehfestigkeit des mit den Übertragungsteilen versehenen Topfteils im Verhältnis zur Schaltwelle ankomme, ordne das Klagepatent nicht etwa dessen drehfeste Befestigung auf der Schaltwelle an, sondern verlange stattdessen die drehfeste Befestigung der Hülse, die bewirke, dass auch die mit ihr verbundenen weiteren Bauteile der Rastierhülse, nämlich die Scheibe und das Topfteil, drehfest mit der Schaltwelle verbunden sind. Diese konstruktive Auswahl habe das Klagepatent getroffen, weil allein die Hülse unmittelbar an der Schaltwelle anliege, während sich das Topfteil in einem radialen Abstand zu der Schaltwelle befinde, der durch die Scheibe überbrückt werde. Mit dieser im Patentanspruch getroffenen Auswahl, der die vorgenannte konstruktive Funktion zukomme, sei es unvereinbar, die drehfeste Verbindung zwischen der Hülse und der Schaltwelle lediglich über das Topfteil zu vermitteln, wie es bei der angegriffenen Ausführungsform geschehe. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiter. Zur Begründung führt sie unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag aus, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft den technischen Sinngehalt der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre zu eng verstanden und infolge dessen die wortsinngemäße Übereinstimmung des angegriffenen Gegenstandes mit der Erfindung verneint. Die Hülse der angegriffenen Ausführungsform sei über ein Kugellager auf der Schaltwelle gelagert und dort auch drehfest befestigt. Hierfür sorge das Kugellager, das die Befestigung auf der Schaltwelle gewährleiste. Die Drehfestigkeit der Hülse auf der Schaltwelle, die aber noch eine Axialbewegung zulasse, sei dadurch erreicht, dass auf der Schaltwelle Finger ausgebildet seien, die in eine Führung des Topfteils eingreifend eine Verdrehung gerade der Hülse auf der Schaltwelle verhinderten. Sollte der technische Sinngehalt des vom Landgericht verneinten Merkmal darauf reduziert werden müssen, dass die Rastierhülse über ihre Hülse drehfest an der Schaltwelle befestigt sein müsse, mache die angegriffene Ausführungsform von diesem Merkmal mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln Gebrauch.

Die Klägerin beantragt,

I.

auf die Berufung der Klägerin hin das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis insgesamt zu 2 Jahren, zu unterlassen,

Rastierhülsen für eine Schaltwelle eines mechanisch schaltbaren Zahnräderwechselgetriebes von Fahrzeugen zur Sicherung von Verstellpositionen der Schaltwelle, wobei die Rastierhülse mehrteilig aufgebaut ist und eine drehfest auf der Schaltwelle befestigte Hülse umfasst, mit einer separaten Scheibe, die einen radialen Abstand zu einem die Schaltwelle koaxial umschließenden Topfteil überbrückt, und wobei das als ein Spanlosteil gestaltete Topfteil mit zumindest einem Übertragungsteil bzw. Übertragungselement versehen ist, das mit einem der Schaltwelle nebengeordneten Bauteil zusammenwirkt,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen das Topfteil zwei in axialer Richtung angeordnete Abschnitte umfasst, die unlösbar miteinander verbunden sind und deren Trennebene rechtwinkelig zu der Längsachse der Rastierhülse verläuft,

2.

in einem geordneten, nach Kalenderjahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenen Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 15. April 2000 begangen hat, wobei die Rechnungslegung über die bis zum 22. April 2010 begangenen Handlungen an die Klägerin und über die seit dem 23. April 2010 begangenen Handlungen an die S. T. G.& C.. K. zu erfolgen hat, und zwar unter Angabe

a)

der Herstellungsmengen und -zeiten zugeordnet zu Typenbezeichnungen;

b)

der Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer und unter Vorlage von Rechnungen;

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie bei Internetwerbung des Schaltungszeitraums der Internetadressen sowie der Suchmaschinen, bei denen die jeweiligen Seiten direkt oder über ein Gesamtangebot angemeldet waren;

e)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei diese Angaben erst ab dem 6. Dezember 2002 zu machen sind;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger sowie der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin und/oder der S. T. G.& C. K. einem von der jeweiligen Rechnungslegungsgläubigerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der jeweiligen Rechnungslegungsgläubigerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3.

die vorstehend unter Ziffer I.1 bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen und seit dem 1. September 2008 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse zurückzurufen, indem, diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des europäischen Patentes erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wir und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport-, bzw. -Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, wobei die Beklagte verpflichtet ist, die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1.

an die Klägerin die in der Zeit vom 15. April 2000 bis zum 5. Dezember 2002 begangenen Handlungen nach Ziffer I.1. eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2.

der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen nach Ziffer I.1. entstanden ist und noch entstehen wird, die in der Zeit vom 6. Dezember 2002 bis zum 22. April 2010 begangen wurden und der S. T. G. & C. K. allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch Handlungen nach Ziffer I 2., die ab dem 23. April 2010 begangen wurden, entstanden ist und noch entstehen wird;

Die Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt unter ergänzender Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen zusätzlich vor, das Sinterbauteil der angegriffenen Ausführungsform sei kein als Spanlosteil ausgebildetes Topfteil, sondern nach dem Sintern an den drei Bereichen SP 1, 2 und 3 (vgl. die nachstehenden Abbildungen auf S. 20 der Berufungserwiderung vom 2. Mai 2011, Bl. 221 d.A.) spanabhebend bearbeitet worden. Die Zone SP 1 sei eine drehbearbeitete Rampenfläche (vgl. Bezugszahl 19 der genannten Abbildung und in Anlage K 7), die eine Eingriffsfläche für eine Rastiereinrichtung zur Vorspannung der Schaltwalze in eine bestimmte Schaltklasse biete und wie auf den Bildern 2 und 3 der Anlage K 7 gezeigt, mit dem unteren bzw. rechten Plunger in Eingriff stehe. Beim Sintern lasse sich diese Fläche noch nicht einarbeiten, weil ein bereits mit Rampenfläche gesintertes Bauteil aufgrund vorhandener Hinterschneidungen nicht zerstörungsfrei aus der Sinterform entnommen werden könne. SP 2 sei eine gefräste Eingriffsfläche, die den Eingriff eines weiteren Bauteils mit der Schaltwalze ermöglichen solle und der Axialverstellung der Schaltwalze relativ zur Schaltwelle und der Auswahl der Schaltgasse diene. SP 3 sei die das Sinterbauteil durchsetzende zylindrische Ausnehmung zur Aufnahme einer der beiden endseitigen Kugelhülsen zur Lagerung der Schaltwalze auf der Schaltwelle, die erst nach dem Verschweißen des gesinterten Bauteils mit dem hohlzylindrischen Blechbiegeteil gedreht werde, da beide Kugelhülsen exakt miteinander fluchten müssten.

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Darüber hinaus sei der Rückrufanspruch unverhältnismäßig, weil das Rückrufen und Entfernen bereits in Fahrzeuge eingebauter Getriebeteile für sie - die Beklagte - und ihre Abnehmer mit unzumutbarem Aufwand und unzumutbaren Kosten verbunden sei. Nach wie vor werde auch die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede gestellt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht und im Wesentlichen auch mit zutreffender Begründung hat das Landgericht eine wortsinngemäße Übereinstimmung der angegriffenen Ausführungsform mit der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre verneint; eine Verwirklichung mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln, wie sie die Klägerin nun erstmalig in dem Berufungsverfahren geltend macht, liegt ebenfalls nicht vor.

1.

Für den Zeitraum ihrer Eintragung als Schutzrechtsinhaberin im Patentregister ist die Klägerin formell legitimiert, Ansprüche aus dem Klagepatent gerichtlich geltend zu machen. Die Aktivlegitimation hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Ansprüche hängt in erster Linie vom Stand des Patentregisters ab. Dort war die Klägerin in der Zeit vom 14. März 2006 bis zum 22. April 2010 unter ihrem damaligen Namen "S. K." und in der Zeit vom 2. Oktober 2002 bis zum 13. März 2006 unter ihrer vormaligen Bezeichnung "I.-S. KG" eingetragen; soweit sie die Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadenersatz für diesen Zeitraum erhebt, ist sie hierzu nach § 30 PatG ohne Rücksicht auf die tatsächliche materielle Rechtsinhaberschaft legitimiert. Unwidersprochen hat die Klägerin (Klageschrift S. 6, Bl. 7 d.A.) vorgetragen, sie sei mit der ab diesem Tag eingetragenen INA-Schaeffler KG identisch und habe nur umfirmiert.

Die am 23. April 2010 erfolgte Umschreibung des Klagepatents auf die S. T. G. und C. K. hat an der Aktivlegitimation der Klägerin für die Folgezeit nichts geändert. Da diese Umschreibung erst nach Zustellung der Klage stattgefunden hat, wirkt die bei Klageerhebung vorhandene Eintragung nach § 265 ZPO als Aktivlegitimation für die Zeit nach der Umschreibung fort; für den Fall einer nachträglichen Änderung der Legitimation nach Rechtshängigkeit gilt § 265 Abs. 2 ZPO entsprechend (vgl. BGH GRUR 2011, 313 - Crimpwerkzeug IV; NJW 1979, 269, 270 - Aufwärmvorrichtung betr. Klage auf Übertragung des Anspruchs auf Patenterteilung und Einwilligung in die Umschreibung; NJW 1993, 203, 204 - Tauchcomputer betr. Nichtigkeitsklage und anschließende Patentumschreibung; zust. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 265 Rdnr. 5; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rdn. 704).

Für den Zeitraum vor dem 2. Oktober 2002 ist die Aktivlegitimation der Klägerin jedoch zu verneinen. Zur Geltendmachung derjenigen Ansprüchen auf Auskunft, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz, die in der Zeit bis zum 1. Oktober 2002 vor der Eintragung der Klägerin als Schutzrechtsinhaberin entstanden sind, bedarf es einer entsprechenden Abtretung durch die in diesem Zeitraum als Rechtsinhaberin eingetragene I. W. S. o. weil die Eintragung im Patentregister für sich allein nur zur Geltendmachung der im Eintragungszeitraum entstandenen Ansprüche berechtigt. Eine solche Abtretung hat die Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 3. August 2010 (dort S. 3 unten; Bl. 93 d.A.) zwar angekündigt, jedoch nicht vorgelegt; in der mündlichen Berufungsverhandlung hat sie auf Anfrage des Senats erklärt, sie verfüge über eine solche Abtretung nicht.

2.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft eine Rastierhülse, die in mechanisch schaltbare Zahnräderwechselgetriebe (manuelle Schaltgetriebe oder Schalthandgetriebe) von Fahrzeugen eingesetzt wird.

a)

Bei derartigen Wechselgetrieben erlaubt der Einsatz mehrerer Zahnradsätze unterschiedliche Übersetzungsverhältnisse, die den einzelnen wählbaren Gängen entsprechen; weiter vorgesehen ist eine Drehrichtungsumkehr für den Rückwärtsgang. Um im Leerlauf des Getriebes, in dem keinerlei Kraftschluss zwischen den Gangrädern und den mit der Antriebswelle verbundenen Zahnrädern besteht, einen Gang einzulegen, bewegt der Fahrer nach Betätigung der Kupplung einen Ganghebel, der wiederum eine Dreh-Schiebe-Bewegung zur Hauptwelle hin überträgt.

Der Schalthebel ist - in der Regel über Seilzüge - mit einer Schaltschiene verbunden. Diese Schaltschiene ist meist als Schaltwelle ausgebildet, die um eine Achse in Umfangsrichtung schwenkbar und längs dieser Achse verschiebbar in einem Getriebegehäuse gelagert ist. Eine solche Schaltwelle wird etwa in den nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der in der Klagepatentschrift als Stand der Technik erörterten deutschen Offenlegungsschrift (Anlage K 2) gezeigt, wobei Figur 2 ähnlich Figur 7 der Klagepatentschrift den Einbau einer entsprechenden Rastierhülse in einem Schaltgetriebe zeigt. Die Schaltwelle kann um eine quer zur Fahrzeuglängsrichtung verlaufende Achse in Umfangsrichtung schwenkbar sowie längs dieser Achse verschiebbar in einem Getriebegehäuse gelagert sein.

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Bei der Wahl des gewünschten Ganges wirken an der Schaltstange angeordnete Schaltelemente (4) - etwa in Form von Schaltfingern - mit einer Schaltgabel (5) zusammen. Die genannte Dreh-Schiebebewegung betätigt eine vorbestimmte Schaltgabel; hierdurch wird in der für den Gang gewählten vorbestimmten Zahnradpaarung ein Kraftschluss hergestellt, so dass die Getriebeeingangswelle mit der gewünschten Übersetzung angetrieben wird. Die Schiebebewegung wählt zunächst eine Schaltgasse aus (beispielsweise Gasse 1/2, 3/4 oder 5/6). Die anschließende Dreh-Bewegung sorgt dafür, dass die in der vorgewählten Gasse erreichbaren Gänge geschaltet werden (vgl. zum technischen Hintergrund auch die Ausführungen in Abs. [0021] der Klagepatentbeschreibung).

b)

Nach dem Schalten muss sichergestellt sein, dass der gewählte Gang auch bei Erschütterungen im Fahrbetrieb eingelegt bleibt und nicht unbeabsichtigt "herausspringt". Hierzu muss die Schaltwelle in allen Winkellagen und Schaltstellungen exakt positioniert fixiert werden. Diese Funktion kann ein federbelastetes Rastelement (8; siehe vorstehende Figur 2 der älteren Druckschrift) übernehmen, das gegenüber einer Rastkontur der Schaltstange vorgespannt ist. Ein solches Rastelement in Form einer Kugelraste zeigen sowohl die deutsche Patentschrift (Anlage K 3), deren einzige Figurendarstellung nachstehend an erster Stelle wiedergegeben ist, als auch die nachstehend an zweiter Stelle eingeblendete Figur 3 der bereits erwähnten deutschen Offenlegungsschrift .

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Die in der deutschen Patentschrift beschriebene Kugelraste besitzt eine mit Vertiefungen an der Schaltwelle zusammenwirkende Einrastkugel (1, Bezugsziffern entsprechen der vorstehend wiedergegebenen Zeichnung), die über Stützkugeln (12) in einem Abstützteil (3) und unter der Vorspannung einer Druckfeder (6) längsverschieblich in einem Schraubgehäuse (5) angeordnet ist. Das Schraubgehäuse besteht aus einem von einer Hohlschraube (9) aufgenommenen Innenteil (7) mit einem Boden (8). Das Innenteil (10) ist als Tiefziehteil ausgebildet, das Abstütz- bzw. Führungsteil (3) dagegen ist massiv und umfasst einstückig eine Kugelschale für die Einrastkugel und die Stützkugeln. Wälzkörper (4) zwischen dem Abstütz- bzw. Führungsteil und dem Gehäuse sind im Schraubgehäuse (5) geführt. Zur Sicherung des Führungsteils im Gehäuse ist dieses mit einem radial nach innen umgebördelten Rand (11) versehen (vgl. Klagepatentschrift Abs. [0004]).

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Bei der in der vorstehend eingeblendeten Figur 3 der deutschen Offenlegungsschrift gezeigten Kugelraste sind zur Verringerung der Bauteile und zur Vereinfachung von Montage und Herstellung sowohl das Gehäuse (10; Bezugszeichen entsprechen vorstehender Abbildung) als auch das über einen mit Wälzkörpern (18) versehenen Käfig (17) darin geführte Führungsteil (14) als Tiefziehteile gestaltet (vgl. Klagepatentschrift Abs. [0005]).

Die Rastkontur für die Einrastkugel einer solchen Kugelraste wird zweckmäßig nicht direkt auf der Schaltwelle angebracht, da dies die Welle schwächte und das Einbringen der Rastkontur durch eine aufwendige spanabhebende Bearbeitung erschwerte. Die gattungsgemäße Internationale Patentanmeldung WO sieht hierzu eine Hülse mit einer Rastkontur (Rastierhülse) auf der Schaltwelle vor, deren Ausbildung aus den nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen der letztgenannten Druckschrift ersichtlich ist. Die vorbekannte Rastierhülse weist einen zylindrischen Teil (13; Bezugszeichen entsprechen den nachstehend eingeblendeten Figuren 1 bis 3 der älteren Druckschrift) und einen mit größerem Durchmesser versehenen Topfteil (11) auf, die beide über einen Boden (12) miteinander verbunden sind, der den Übergang zwischen dem größeren Durchmesser des Topfteils und dem kleineren Durchmesser des unteren zylindrischen Teils überbrückt. Das zylindrische Teil ist fest auf die Schaltwelle aufgepresst und dadurch drehfest auf dieser befestigt (vgl. S. 1, Zeilen 10 bis 11 der letztgenannten älteren Schrift [Anlage K 4] sowie Klagepatentschrift Abs. [0003], [0021] und [0022]). Das Topfteil bildet einen offenen Hohlraum und verfügt über Rastausnehmungen (6), in die die Einrastkugeln (9) der Kugelraste (7) eingreifen können. Die Einzelteile der Rastierhülse sind jeweils spanlos und im Tiefziehverfahren hergestellt (Klagepatentschrift Abs. [0003]).

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c)

Wie Anspruch 2 des Klagepatentes auch in der geltend gemachten eingeschränkten Fassung erkennen lässt, soll die Ausbildung des Topfteils als Spanlosteil beibehalten werden. Kritisiert wird aber, und zwar nicht nur an der in Abs. [0005] der Klagepatentbeschreitung unmittelbar angesprochenen Vorrichtung aus der deutschen Offenlegungsschrift , sondern generell (vgl. Abs. [0009]), im Tiefziehverfahren hergestellte Blechziehteile verlangten aufwendige, komplizierte Werkzeuge und ein mehrstufiges Tiefziehverfahren, das gegebenenfalls noch eine Zwischenbehandlung bedingt, was die Herstellkosten zusätzlich erhöht.

d)

Die von der Klägerin (S. 10/11 ihrer Berufungsbegründung vom 15. Dezember 2010; Bl. 158/159 d.A.) zusätzlich erörterte auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift aufgeführte, aber in der Patentbeschreibung nicht gewürdigte europäische Patentschrift (Anlage NK 4 zur Anlage B 1) lehrt eine Rasthülse in zwei verschiedenen Ausführungsformen. Die erste besteht aus einem längsgeteilten Topf, einem aus zwei Halbschalen gebildeten Schaftabschnitt bzw. einer Hülse sowie einem beide Teile verbindenden Boden. Bei der zweiten in den Figuren 4 und 5 dargestellten Ausführungsform fehlt diese Hülse, und die hierdurch erforderliche besondere Verbindung der Rastierhülse mit der Schaltwelle wird durch ein Band, einen Absatz oder dergleichen an der Schaltwelle hergestellt, an welchen die Bodenfläche der Rastierhülse anliegen kann.

e)

Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung gibt die Klagepatentschrift an, einen Aufbau für das Topfteil der Rastierhülse zu schaffen, mit dem Herstellkosten und Gewicht reduziert werden können (Klagepatentschrift Abs. [0006]).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die unter Schutz gestellte Erfindung einen zweiteiligen Aufbau des Topfteils vor, mit dessen Hilfe sich auch kompliziert gestaltete Topfteile ohne kostspielige Werkzeuge und ohne ebenso kostspielige mehrstufige Tiefziehverfahren herstellen lassen (vgl. Klagepatentschrift Abs. [0009], [0010] und [0017]). Anspruch 2 des Klagepatentes in der geltend gemachten Fassung umschreibt die entsprechende Vorrichtung mit folgender Merkmalskombination:

Rastierhülse (3) für eine Schaltwelle (2) eines mechanisch schaltbaren Zahnräderwechselgetriebes von Fahrzeugen zur Sicherung von Verstellpositionen der Schaltwelle.

Die Rastierhülse (3) ist mehrteilig aufgebaut und umfasst

eine Hülse (10),

eine separate oder eine einteilig an der Hülse befestigte Scheibe (11) und

ein Topfteil (12).

Die Hülse ist drehfest auf der Schaltwelle befestigt.

Die Scheibe überbrückt einen radialen Abstand zu dem Topfteil.

Das Topfteil (12)

umschließt die Schaltwelle koaxial,

ist als ein Spanlosteil gestaltet,

ist mit zumindest einem Übertragungsteil bzw. Übertragungselement versehen und

umfasst zwei Abschnitte (26, 27),

die in axialer Richtung angeordnet sind,

die unlösbar miteinander verbunden sind und

deren Trennebene (30) rechtwinklig zu der Längsachse (16) der Rastierhülse (3c) verläuft.

Das Übertragungsteil bzw. Übertragungselement wirkt mit einem der Schaltwelle nebengeordneten Bauteil zusammen.

Wie die Merkmalsgruppe 2 erkennen lässt, übernimmt Anspruch 2 des Klagepatentes grundsätzlich den aus der gattungsbildenden Internationalen Patentanmeldung 96/03684 bekannten stufenförmigen Aufbau der Rastierhülse bestehend aus einer drehfest auf der Schaltwelle befestigten Hülse und einem Topfteil mit größerem Durchmesser; ohne diesen Durchmesserunterschied bedürfte es nicht der in Merkmal 2.2 gelehrten Scheibe, die den radialen Abstand zum Topfteil gemäß Merkmal 4 überbrückt.

f)

Kern der Erfindung ist die in der Merkmalsgruppe 5 näher beschriebene Gestaltung des Topfteils. Dieses Topfteil hat - auch insoweit wie im Stand der Technik - zumindest ein Übertragungsteil bzw. Übertragungselement aufzuweisen und muss zusätzlich die in der Merkmalsgruppe 5.4 genannten beiden axial zueinander angeordneten Abschnitte besitzen; beide müssen als Spanlosteil gestaltet sein. Diese Unterteilung des Topfteils in mehrere Abschnitte ist es, die den erfindungsgemäß bezweckten Vorteil erreicht, dass für jeden Abschnitt dieses Topfteils unterschiedliche Fertigungsverfahren und Werkstoffe gewählt werden können, die sich optimal auf die jeweils erforderliche Funktion abstimmen lassen (Klagepatentschrift Abs. [0010]). Beispielhaft erwähnt die Klagepatentbeschreibung (Abs. [0014]), dass sich ein solcher Aufbau für spanlos als Tiefziehteil gestaltete Abschnitte bzw. Segmente mit voneinander abweichenden geometrischen Formen eignet, sie erwähnt ferner die Herstellung aus Bandmaterial (vgl. Anspruch 1; Abs. [0008] und [0023]) und weist allgemein darauf hin (Abs. [0019]), dass alle dem Fachmann bekannten spanlosen Formgebungen einschließlich des hydraulischen Aufweitens eines Rohrkörpers zum Einsatz kommen können; spanende Verfahren werden damit ausdrücklich ausgeschlossen. Dass die Klagepatentschrift es zulässt, das Topfteil mit Bohrungen zu versehen, in die etwa ein Schaltfinger eingesetzt werden kann (vgl. Abs. [0015], [0023] und [0024]), ändert daran nichts. Solche Bohrungen sind nur Nachbearbeitungen geringen Umfangs; die Formgebung des Topfteils als solche darf davon aber nicht betroffen sein, insofern beschränkt sich der Schutzbereich der Erfindung ausdrücklich auf spanlose Formgebungen (vgl. Klagepatentschrift Abs. [0019]). Ein anderes Verständnis wäre auch mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, das verlangt, dass Dritte sich darauf müssen verlassen können, dass die Patentansprüche vollständig dasjenige umschreiben, was unter Schutz gestellt ist. Wollte man deshalb den Hinweis der Klagepatentbeschreibung auf die Möglichkeit, Bohrungen einzubringen, als einen solchen auf die Zulässigkeit spanender Formgebung größeren Umfangs verstehen, wäre die Vorgabe eines spanlos hergestellten Topfteils im wesentlichen bedeutungslos und ihre Tragweite für Dritte nicht mehr vorhersehbar.

Die Bezeichnung "Topfteil" wird den Fachmann allerdings nicht zu einem Verständnis führen, dieses Funktionsteil der Rastierhülse müsse wie im eingangs genannten Stand der Technik als Topf im herkömmlichen Sinne ausgebildet sein und einen Hohlraum zur Schaltwelle umschließen. Die Klagepatentbeschreibung weist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit hin, die Rastierhülse mit einem separaten, das Topfteil koaxial umschließenden Rastierring zu versehen (Abs. [0017]) und gibt als Vorteil dieser Ausbildung an, ein solcher Rastierring biete einen Kostenvorteil gegenüber einer einteiligen Lösung, die ein mehrstufiges Ziehverfahren oder ein massives Topfteil erfordere. Auch wenn ein solches insgesamt massives Topfteil mit Blick auf das in der Aufgabenstellung formulierte Ziel kontraproduktiv erscheint, das Gewicht des Topfteils zu reduzieren, so lässt die Patentbeschreibung mit diesen Ausführungen doch erkennen, dass jedenfalls ein teilweise bzw. nur mit einem der beiden Abschnitte massiv ausgebildetes Topfteil der Erfindung nicht schlechthin zuwider läuft, sofern es im Übrigen die Merkmale der Merkmalsgruppe 5 und des Merkmals 6 aufweist; Gegenstand der schutzbeanspruchten Lehre ist nicht die maximale Gewichtsoptimierung. Der gegenüber der Hülse größere Durchmesser ist insbesondere deshalb notwendig, weil das Topfteil mit seinem Außenumfang von der Schaltwelle beabstandet sein muss. Um die Schaltwelle nicht zu schwächen, soll das Topfteil an ihrer Stelle mit einem Übertragungsteil bzw. Übertragungselement versehen sein, das mit anderen Bauteilen zusammenwirken soll. Da die dazu notwendigen Vorrichtungen bzw. Ausnehmungen aber auch das Topfteil nicht schwächen dürfen, muss dessen Außenumfang einen solchen radialen Abstand von der Schaltwelle haben, dass die Einarbeitung etwa von Rastausnehmungen keinen Materialabtrag auf der Schaltwelle erfordert.

Warum das Topfteil als Spanlosteil ausgebildet sein soll, wird in der Klagepatentschrift nicht näher beschrieben; offenbar liegt diese Maßnahme aber auf der durch die Aufgabenstellung vorgegebenen Linie, die Teile möglichst kostengünstig herzustellen und nicht hinter den Stand der Technik gemäß der bereits erwähnten Offenlegungsschrift zurückzugehen, deren Kugelrastengehäuse nach den Ausführungen der Klagepatentbeschreibung (Abs. [0005]) bereits spanlos hergestellt wird.

g)

Aus der bereits erwähnten PCT-Anmeldung WO übernommen ist die Vorgabe des Merkmals 3, die Hülse drehfest auf der Schaltwelle zu befestigen, was nach dem Offenbarungsgehalt der genannten älteren Druckschrift dadurch geschieht, dass die Hülse auf die Schaltwelle aufgepresst ist (Anlage K 4, S. 1, Zeilen 10/11), und auch das Ausführungsbeispiel der Klagepatentschrift übernimmt diese Gestaltung. Der Wortlaut des Merkmals 3 (auf der Schaltwelle) lässt kein anderes Verständnis zu, als das Landgericht geurteilt hat. Auf der Schaltwelle ist die Hülse nur dann drehfest befestigt, wenn sie selbst unmittelbar und ohne Hinzunahme des Topfteils verdrehsicher auf der Schaltwelle fixiert ist. Hierfür spricht nicht zuletzt auch der vom Landgericht zutreffend herangezogene technische Zusammenhang der Merkmalsgruppe 2 und des Merkmals 3: Wenn die Merkmalsgruppe 2 die Rastierhülse in die beiden Grundbestandteile Hülse und Topfteil aufteilt und der Hülse die Funktion der drehfesten Befestigung auf der Schaltwelle zuweist, ist das eine konstruktive Vorgabe, die ernst genommen werden muss. Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob dieses Merkmal in patentrechtlich äquivalenter Form dadurch verwirklicht werden kann, dass die Hülse drehfest mit dem Topfteil verbunden und dieses gegenüber der Schaltwelle nicht verdreht werden kann. Auch wenn die Klagepatentschrift nicht näher ausführt, weshalb nach Anspruch 2 des Klagepatentes gerade die Hülse auf der Schaltwelle drehfest befestigt werden soll, und zwar ohne Zuhilfenahme des Topfteils, ist dem Fachmann klar, dass die Hülse deshalb ausgewählt wird, weil sie im Gegensatz zum Topfteil direkt auf der Schaltwelle angeordnet ist und keinen größeren radialen Abstand zu ihr aufweist, so dass es auch keiner aufwendigen und umständlichen Eingriffs- und Befestigungsmittel bedarf wie bei einer Befestigung über das Topfteil. Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung vertretenen Auffassung enthält die Klagepatentschrift auch keinen Hinweis darauf, dass die Befestigung über die Hülse Kippbewegungen verhindern soll, wenn auf das Topfteil beim Schalten Druck ausgeübt wird; mit dieser Problematik befasst sich das Klageschutzrecht nicht. Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, die Hülse solle tatsächlich Kippbewegungen des Topfteils beim Schalten verhindern, ist das im Gegenteil ein weiterer Grund, dass es im Rahmen der Erfindung gerade die Hülse sein muss, die direkt und nicht über das Topfteil auf der Schaltwelle befestigt ist. Denn direkt auf der Schaltwelle befestigt kann sie ein Kippen der Rastierhülse besonders zuverlässig verhüten.

3.

Geht man hiervon aus, stimmt die angegriffene Vorrichtung nicht mit der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre überein.

a)

Sie verwirklicht jedenfalls nicht das Merkmal 5.2 der vorstehenden Merkmalsgliederung, denn das Topfteil ist nicht in seiner Gesamtheit spanlos hergestellt. Geht man zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass das Sinterbauteil zusammen mit dem Blechbiegeteil das Topfteil der angegriffenen Vorrichtung bildet, ist jedenfalls das Sinterbauteil nicht spanlos gefertigt. Wie die Beklagte zutreffend geltend macht (S. 8 ihres Schriftsatzes vom 5. September 2011, Bl. 276 d.A.), betrifft Anspruch 2 das Topfteil als funktionsfertigen Gegenstand und nicht lediglich als Rohling, der nur die Grundform aufweist und für zahlreiche Funktionen noch spanabhebender Nachbearbeitungen bedarf. Anspruchsgemäße Aufgabe und Funktion des Topfteils ist es, ein Übertragungsteil bzw. Übertragungselement zu tragen, das auch eine Rastkontur sein kann, welche mit einem der Schaltwelle nebengeordneten Bauteil, also etwa einer federbelasteten Rastkugel, so zusammen wirkt, dass eine Sicherung von Verstellpositionen der Schaltwelle gegeben ist. Wenigstens zur Erfüllung dieser im Patentanspruch definierten Eignung und Funktion muss das Topfteil erfindungsgemäß als Spanlosteil ausgestaltet sein, um die in der Beschreibung (Abs. [0014], [0010]) angesprochene kostengünstige Herstellung einer Rastierhülse mit spanlos als Tiefziehteil gestalteten Abschnitten bzw. Segmenten mit voneinander abweichenden geometrischen Formen realisieren zu können. Die Beklagte hat (S. 19 und 20 ihrer Berufungserwiderung vom 2. Mai 2011, Bl. 220, 221 d.A.) insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass das Sinterbauteil der angegriffenen Vorrichtung in den Bereichen SP 1, 2 und 3 spanend bearbeitet worden ist und ohne diese Bearbeitung für eine Funktion als Abschnitt des Topfteils noch nicht geeignet gewesen wäre. Dies stellt die Klägerin auch nicht in Abrede, sondern meint lediglich, die noch ausstehenden spanabhebenden Bearbeitungsprozesse seien vom Klagepatent ausdrücklich zugelassenen nachträglichen Bohrungen in Abschnitte des Topfteils gleichzusetzen. Das widerspräche jedoch der vom Klagepatent angestrebten kostengünstigeren Herstellung des Topfteils, denn ein Sinterbauteil ist ein ohnehin sehr massives Bauteil, das durch aufwendige spanende Verfahren erst in die für seine Funktion geeignete endgültige Form gebracht werden muss, wobei beispielsweise einzubringende Rastmulden bedingen, dass in ihrem Bereich so viel Material stehen bleibt, dass ähnlich wie zuvor bei der Schaltwelle eine Schwächung sicher ausgeschlossen ist. Da die Beklagte das diesbezügliche Vorbringen erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in das Verfahren eingeführt hat, sind Gründe, es gemäß § 531 ZPO als verspätet zurückzuweisen, nicht erkennbar; darüber hinaus ist die tatsächliche Ausgestaltung unstreitig, und die Bewertung dessen, was das Klagepatent unter einem Spanlosteil versteht, ist Rechtsfrage und unterliegt als solche nicht den Bestimmungen des § 531 ZPO.

b)

Auch das Merkmal 3 ist aus den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen jedenfalls nicht wortsinngemäß erfüllt; den diesbezüglichen Darlegungen im angefochtenen Urteil (Abschnitt II. der Entscheidungsgründe; Umdruck S. 17 - 19 [Bl. 125 - 128 und 137, 138 d.A.) tritt der Senat in vollem Umfang bei und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Eine Verwirklichung mit äquivalenten Mitteln kommt nach den Grundsätzen der Entscheidung "Diglycidverbindung" des Bundesgerichtshofes nicht mehr in Betracht, weil eine Äquivalenz jetzt voraussetzt, dass sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen mit der unter Schutz gestellten technischen Lösung deckt und sich in ähnlicher Weise wie diese Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruch aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidet. Im vorliegenden Fall gibt es jedoch keine nur in der Beschreibung aufgezeigte Lösungsmöglichkeit zur Befestigung der Hülse auf der Schaltwelle, die sich von der in Merkmal 3 umschriebenen Lösung in gleicher Weise unterscheidet wie die angegriffene Ausführungsform.

III.

Eine Aussetzung der Verhandlung nach § 148 ZPO, um das Ergebnis des den deutschen Teil des Klagepatentes betreffenden Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten, erscheint mit Rücksicht auf die vom Bundespatentgericht angekündigte Aussichtslosigkeit der Nichtigkeitsklage (vgl. Anlage B 12) nicht angezeigt.

IV.

Da die Berufung der Klägerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den § 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, da die in § 543 ZPO hierfür auch aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als reine Einzelfallentscheidung wirft die Rechtssache keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht bedurfte.

Dr. T. K. Dr. B. K






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 19.01.2012
Az: I-2 U 115/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b77436de940e/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_19-Januar-2012_Az_I-2-U-115-10




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