Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 243/04

(BPatG: Beschluss v. 17.07.2007, Az.: 27 W (pat) 243/04)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. August 2004 wird aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 303 15 696 für die Waren und Dienstleistungen

"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Transportwesen; Veranstaltung von Reisen"

angeordnet worden ist. Insoweit wird der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 2 530 590 zurückgewiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 28. Mai 2003 für die Waren

"Musikinstrumente; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse, Buchbinderartikel, Fotografien, Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten, Drucklettern; Druckstöcke; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material); Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Christbaumschmuck; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer; Werbung; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen"

eingetragene Wortmarke 303 15 696 Sixty menist aufgrund des Widerspruchs aus der am 10. Januar 2002 angemeldeten Gemeinschaftsmarke 2 530 590 MISS SIXTY, die am 10. Juli 2003 eingetragen worden ist für:

"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zur Leitung, Umschaltung, Umwandlung, Speicherung, Regelung oder Steuerung von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhe, Kopfbedeckungen; Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis. Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken. Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Verpflegung von Gästen (Lebensmittel); Beherbergung von Gästen,"

durch den angefochtenen Beschluss teilweise gelöscht worden, nämlich für:

"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Transportwesen; Veranstaltung von Reisen."

Den weitergehenden Widerspruch hat die Markenstelle zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Im Umfang der Zurückweisung sei die jüngere Marke mit der Widerspruchsmarke verwechselbar im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die ältere Marke sei von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft; die von der Löschung umfassten Waren und Dienstleistungen seien zu entsprechenden Waren der Widerspruchsmarke identisch oder jedenfalls - und sei es im Hinblick auf die Politik der Sortimentserweiterung etwa im Bekleidungssektor - in relevanter Weise ähnlich. In gleicher Weise bestehe auch Ähnlichkeit zwischen den Bereichen des Transportwesens und der Gastronomie. Den sich daraus ergebenden strengen Anforderungen an den Unterschied zwischen den beiden Marken werde die jüngere Marke nicht gerecht. Die Vergleichszeichen wichen zwar durch ihre Wortbestandteile "MISS" beziehungsweise "men" deutlich voneinander ab; es bestehe aber die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, weil zumindest ein markenrechtlich relevanter Teil der angesprochenen Verbraucher diesen allgemein verständlichen Markenbestandteilen einen beschreibenden Hinweis auf verschiedene Produktserien für den Mann beziehungsweise für die Frau entnehmen würden. An eine solche Praxis gewöhnt, würde das Publikum die beiden Vergleichsmarken ohne weiteres derselben Herkunft zuordnen.

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 16. August 2004 zugestellt worden ist, hat der Inhaber des angegriffenen Zeichens mit Schriftsatz vom 10. September 2004, zugegangen am 13. September 2004, Beschwerde eingelegt. Er hält den angegriffenen Beschluss für insgesamt nicht zutreffend.

a. Eine Sortimentsentwicklung, die zu einer Ähnlichkeit der Waren "Spiele, Spielzeug" einerseits und "Bekleidungsstücke" andererseits führe, sei die Ausnahme. Allenfalls in Spezialbereichen der Kinderbekleidung sei dergleichen denkbar, was indes durch die Bestandteile "men" bzw. "MISS" von vornherein ausgeschlossen sei, weil es hier erkennbar um Erwachsenenbekleidung gehe. Auch zwischen "Verpflegung von Gästen, Beherbergung von Gästen" und "Transportwesen, Veranstaltung von Reisen" sei keine relevante Ähnlichkeit gegeben. Die jeweiligen Dienstleistungen gehörten zu unterschiedlichen Dienstleistungssparten.

b. Die Vergleichsmarken unterschieden sich nicht nur durch die unterschiedlichen Markenwörter "men" und "MISS", sondern auch dadurch, dass diese jeweils an unterschiedlichen Stellen in der Gesamtbezeichnung stünden. Sämtliche Bestandteile beider Vergleichsmarken stellten beschreibende Angaben dar, die jeweils für sich betrachtet keinen Hinweischarakter auf einen Markeninhaber entwickeln könnten. Insbesondere "Sixty" sei nicht geeignet, auf den Inhaber der älteren Marke hinzuweisen. Eine relevante Verwechslungsgefahr im Sinn des gedanklichen in Verbindung Bringens könne daher nicht angenommen werden.

Der Inhaber des angegriffenen Zeichens beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt demgegenüber, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, ihre verschiedenen Marken mit dem Bestandteil "sixty", und mithin auch die Widerspruchsmarke, verfügten über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Angesichts der jedenfalls relevanten Ähnlichkeit zwischen den jeweiligen Waren und Dienstleistungen seien daher diese identischen Wortbestandteile geeignet, die Produkte des Beschwerdeführers unzutreffender Weise der Widersprechenden zuzuordnen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg, da im Hinblick auf die im Tenor genannten Waren keine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gegeben ist. Diese besteht indes im Hinblick auf die Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen".

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II; GRUR 2002, 1067, 1068 - DKV/OKV, jeweils m. w. N.), hält das jüngere Zeichen den erforderlichen Abstand zur älteren Marke bei allen beanspruchten Produkten mit Ausnahme von Bekleidungsstücken, Schuhwaren und Kopfbedeckungen ein.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als insgesamt durchschnittlich anzusehen. Allein die Tatsache, dass es sich bei den beiden Wortbestandteilen um jeweils beschreibende beziehungsweise schwache Bestandteile handelt, schließt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft nicht aus, denn in ihrer Kombination ist der Gesamtbegriff "Miss Sixty" keineswegs eindeutig beschreibend oder sonst geschwächt. Die dem Verkehr ohne weiteres nahe liegende direkte Übersetzung mit "Fräulein Sechzig" ergibt nämlich keinen sprachüblichen Sinn, da heutzutage weibliche Personen in den sechziger Lebensjahren kaum je als "Fräulein" angesprochen werden dürften. Demgegenüber enthält die Widerspruchsmarke allenfalls einen gewissen Anklang an die Begrifflichkeit "Mode für junge Frauen im Stil der sechziger Jahre"; das erschließt sich jedoch nicht so unmittelbar, dass daraus eine Schwächung der Kennzeichnungskraft folgen müsste. Dies gilt erst recht im Hinblick auf Waren, die nicht dem Mode- und Bekleidungssektor zuzurechnen sind. Auf der anderen Seite sieht der Senat aber für die von der Widersprechenden geltend gemachte Steigerung der Kennzeichnungskraft keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vorgelegten Unterlagen legen allenfalls dar, dass die Widerspruchsmarke in dem speziellen Warensegment "streetwear" ein "großer Player" ist und im Vereinigten Königreich den Platz 1 unter den "bestselling brands" einnimmt. Für die Bedeutung der Marke im Inland lassen sich daraus keine hinreichenden Schlüsse ziehen.

Die mit den Vergleichsmarken beanspruchten Waren sind teils identisch, teils - in unterschiedlichem Maße - ähnlich, wie die Markenstelle im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, wobei hinsichtlich von "Bekleidung" und "Spielwaren" aber allenfalls eine sehr entfernte Ähnlichkeit anzunehmen sein dürfte.

Angesichts der klanglichen, schriftbildlichen und auch begrifflichen Unterschiede in den Gesamtbezeichnungen kommt, wie die Markenstelle weiterhin zutreffend angenommen hat, allenfalls eine Gefahr von Verwechslungen dergestalt in Betracht, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Der Argumentation der Markenstelle ist allerdings nur insoweit zu folgen, als es um Produkte geht, bei denen eine geschlechtsspezifische Differenzierung durch besondere Produktserien üblich ist. Dies ist, wie dem erkennenden Senat aus zahlreichen Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit Marken aus dem Modebereich bekannt ist, vorzugsweise im Bereich der Bekleidungsstücke, der Schuhwaren und der Kopfbedeckungen der Fall. Insoweit hat die Markenstelle eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im angefochtenen Beschluss zu Recht angenommen.

Anders sieht es dagegen bei den weiterhin mit dem angefochtenen Beschluss gelöschten Waren der jüngeren Marke aus. Bei den Waren und Dienstleistungen "Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Transportwesen; Veranstaltung von Reisen" mag es zwar im Einzelfall denkbar sein, dass diese sich eher an ein weibliches oder eher an ein männliches Publikum richten, dagegen ist von einer spezifischen Produktserie, anders als bei den vorgenannten Waren der Klasse 25, hier nicht auszugehen.

Anhaltspunkte, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 MarkenG abzuweichen, wonach alle Beteiligten ihre Kosten jeweils selbst zu tragen haben, sind nicht ersichtlich.

Dr. Albrecht Kruppa Richter Schwarz ist we-

gen Urlaubs an der Un-

terschrift verhindert Dr. Albrecht Me






BPatG:
Beschluss v. 17.07.2007
Az: 27 W (pat) 243/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b759e780e777/BPatG_Beschluss_vom_17-Juli-2007_Az_27-W-pat-243-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share