Oberlandesgericht München:
Urteil vom 17. März 2011
Aktenzeichen: 23 U 3673/10

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 30.06.2010 werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger beantragt die Feststellung der Unwirksamkeit von Kündigungen seines Dienstverhältnisses als Geschäftsführer einer zwischenzeitlich auf die Beklagte verschmolzenen GmbH und begehrt hilfsweise Feststellung einer Entschädigungspflicht der Beklagten aufgrund einer getroffenen Abfindungsregelung.

Der seit 1978 im M. - Konzern tätige Kläger wurde gemäß dem als Anlage K 2 vorgelegten Anstellungsvertrag mit Wirkung ab 01.01.2006 als Geschäftsführer der M. D. GmbH tätig. Ziffer 8.2 dieser Vereinbarung sieht eine Laufzeit bis zum 31.12.2010 vor, während Ziffer 8.4 für den Fall einer vorzeitigen Abberufung als Geschäftsführer €sowie der damit verbundenen Beendigung des Anstellungsvertrages€ die Geltung von Anlage 5 (= Anlage K 10) bestimmt. Mit Schreiben vom 15.05.2007 übersandte die M. D. GmbH, wiederum vertreten durch ihre Alleingesellschafterin, dem Kläger einen - ebenfalls von ihr verfassten - ersten Nachtrag zu dem Dienstvertrag (Anlage K 7), den dieser unterzeichnete. Ziffer 8.2. dieses Nachtrages enthält eine Befristung des Vertrages €bis zum frühest möglichen Zeitpunkt des Bezuges einer ungekürzten Rente aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung€; dies ist hier unstreitig der 29.12.2015.

Wegen der bevorstehenden Verschmelzung der GmbH auf die M.T. AG kündigte die GmbH den Geschäftsführervertrag mit Schreiben vom 29.05.2009 ordentlich zum 31.12.2009 (Anlage K 8). Zugleich wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen (vgl. Anlage K 9).

Die M. D. GmbH wurde zum 26.08.2009 auf die M. T. AG verschmolzen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 10.09.2009, Seite 2, = Blatt 18 d.A.), diese wiederum am 19.03.2010 auf die M. Di. & T. SE (Schriftsatz Beklagte vom 26.07.2010, Seite 2, = Blatt 158).

Der Streit der Parteien betrifft neben der Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Geschäftsführervertrages vom 29.05.2009 und einer weiteren Kündigung vom 10.9.2009 insbesondere dessen Laufzeit, weil diese die Dauer der zu zahlenden Abfindung bestimmt.

Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird ergänzend auf die ausführliche Darstellung im Tatbestand des Ersturteiles Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Koppelung des Anstellungsvertrages an das Geschäftsführerverhältnis (vgl. K 2, Ziffer 8.4 mit K 10) und damit auch die Kündigung für wirksam erachtet, dem Hilfsantrag des Klägers jedoch stattgegeben und festgestellt, dass sich die Entschädigungspflicht nach der in Ziffer 8.2. des ersten Nachtrages zum Dienstvertrag (K 7) bestimmten Laufzeit richtet, nämlich bis 29.12.2015.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt (im Einzelnen Schriftsatz vom 06.10.2010, = Blatt 164 ff.).

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung und macht mit der Anschlussberufung seine erstinstanzlich gestellten Feststellungsanträge geltend (Blatt 176 f. bzw. 178 ff., Ersturteil Seite 7 ff.).

Auf die im Anschluss an den Senatstermin vom 20.01.2011 (vgl. Protokoll Bl. 192/195) gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung, wie auch die Anschlussberufung bleiben ohne Erfolg.

1. Soweit die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verschmelzung der M. D. GmbH auf die M. T. AG nicht ordnungsgemäß vertreten war - was auch für die im Namen eines unzuständigen Organs eingelegte Berufung galt - sind diese Mängel auf entsprechenden Hinweis des Senates geheilt (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 10.03.2011, Blatt 208 ff.):

Da der Kläger Geschäftsführer der auf die M. T. AG verschmolzenen GmbH war, war die AG im Prozess nicht vom Vorstand, sondern vom Aufsichtsrat zu vertreten (§§ 51 ZPO, 112 AktG, vgl. BGH, Urt. v. 01.12.2003 - II ZR 161/02 Tz. 6, ZIP 2004, 92; BGH, Urt. v. 14.07.1997 - II ZR 168/9 Tz. 9 f., ZIP 1997, 1674).

Die zwischenzeitlich erfolgte weitere Verschmelzung auf die Europäische Gesellschaft (SE) hat hieran nichts geändert, vgl. Art. 9 Abs. 1 c der EG-VO vom 08.10.2001 (Nr. 2157/2001). Diese ursprünglichen Vertretungsmängel sind jedoch infolge Genehmigung der Prozeßführung durch den Aufsichtsrat geheilt (BGH, Urt. v. 21.06.1999 - II ZR 27/98, WM 1999, 2026; WM 1998, 557; WM 1998, 308, 309).

2. Die Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg:

Soweit das Landgericht dem Hilfsantrag stattgegeben - und damit im Kern eine dem ersten Nachtrag zum Dienstvertrag entsprechende Vertragslaufzeit bis zum 29.12.2015 bestätigt hat - folgt der Senat dieser sorgsam und überzeugend dargelegten Argumentation (Ersturteil Seite 11 ff.). Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO wird zunächst, zur Vermeidung von Wiederholungen, hierauf Bezug genommen. Zu Recht hat das Landgericht maßgeblich auf den Wortlaut von Ziffer 8.2 des ersten Nachtrages (K 7) abgestellt, der eine Befristung des Vertrages mit dem Kläger bis zum frühest möglichen Zeitpunkt eines Rentenbezuges vorsieht. Die Argumente der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung geben keinen Anlass, anzunehmen, mit dieser Regelung - die ebenso wie der ursprüngliche Vertragstext von der Beklagten selbst stammt - habe man einer schon bestehenden Befristung (Ziffer 8.2 des Vertrages vom 22.12.2005) eine zusätzliche Befristung oder Bedingung hinzufügen wollen (eine Art €zeitliche Auffanglinie€). Eine solche Konstruktion mag rechtlich möglich und vielleicht dann erwägenswert sein, wenn der Nachtrag von einem juristischen Laien verfasst worden wäre; dies ist hier - worauf das Landgericht zu Recht hinweist - indes nicht der Fall (LGU 14 oben).

Nach Vernehmung des Zeugen L. hat das Landgericht festgestellt, es lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, die es erlauben, von weitergehenden Kenntnissen des Klägers auszugehen, also davon, dass dieser - im Sinne von §§ 133, 242 BGB - erkennen konnte, die Beklagte wolle in Ziffer 8.2 des Nachtrages entgegen dessen klaren Wortlaut lediglich eine zusätzliche Bedingung einführen, die alte Fassung dieser Ziffer jedoch beibehalten (vgl. LGU 14, unter 8.). Die Berufungsbegründung zeigt keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf, die es zuließen, an der Richtigkeit dieser Beweiswürdigung zu zweifeln.

Ohne weiteres für zutreffend hält der Senat etwa auch das Argument des Erstgerichts, in dem Nachtrag seien neu zu fassende Ziffern jeweils vollständig wiedergegeben, dies auch dann, wenn nur einzelne Sätze abgeändert wurden (LGU 14 unten).

3. Auch die Anschlussberufung des Klägers bleibt ohne Erfolg, insbesondere da die €Koppelungsklausel€ in Ziffer 8.4 des Anstellungsvertrages wirksam ist:

Das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH durch Vereinbarung an das Organverhältnis gekoppelt werden (etwa BGH WM 1999, 2026; weitere Nachw. bei Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 6 Rn. 39, 111; § 38 Rn. 5 ff.). Eine solche Vereinbarung wurde hier getroffen, indem bestimmt wurde, dass mit einer vorzeitigen Abberufung als Geschäftsführer auch die Beendigung des Anstellungsvertrages verbunden sein soll (siehe Ziffer 8.4 des Anstellungsvertrages vom 22.12.2005). Soweit diese Bestimmung in einem gewissen Gegensatz zu der in Ziffer 8.2 vorgenommenen Befristung bis zum 31.12.2010 zu stehen scheint, lässt sich jedenfalls der in Ziffer 8.4 ausdrücklich in Bezug genommenen Anlage 5 (= K 10) deutlich entnehmen, dass eine Koppelung erfolgen soll: In dieser Anlage heißt es bereits in der Einleitung, bei einer vorzeitigen Beendigung der Bestellung zum Geschäftsführer ende auch der Anstellungsvertrag. Es überspannt nicht die Anforderungen an den Kläger als Geschäftsführer einer GmbH, wenn verlangt wird, diese Bestimmung zur Kenntnis zu nehmen.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob man den Anstellungsvertrag/Nachtrag den Regelungen der §§ 305 ff. BGB unterwirft, da der Kläger nicht €Verbraucher€ im Sinne von § 13 BGB ist. Die Ausführungen des Landgerichts zur gebotenen Umsetzung dieser Koppelungsklausel durch die Möglichkeit einer Kündigung lassen Rechtsfehler nicht erkennen, insbesondere folgt der Senat auch der entsprechenden Auslegung (LGU 10 unten/11 oben).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wobei hinsichtlich des jeweiligen Obsiegens von dem vom Senat bereits festgesetzten Streitwert von € 565.200,-- auszugehen war (Bl. 174; §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO). Bei der Bemessung dieses Streitwertes hat der Senat auf die Besonderheiten des Falles abgestellt, insbesondere darauf, dass es letztlich vor allem auf die Frage der Laufzeit des Vertrages ankommt, die die Höhe der Entschädigung des Klägers bestimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 09.06.2005 - III ZR 21/04 Tz. 2, 8, NJW-RR 2006, 213).

Bei einem Abstellen auf den zentralen wirtschaftlichen Gehalt des Rechtsstreits ist der Kläger zwar mit seinem Kündigungsschutzbegehren unterlegen, überwiegend jedoch die zahlungspflichtige Beklagte, weshalb vorliegend angesichts der Ausgestaltung der Anlage 5 (K 10), die eine großzügige Abfindung vorsieht, dem Kläger nur ein geringerer Teil der Kostenlast trifft.

5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO: Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes; die sich stellenden Fragen sind vielmehr durch dessen Rechtsprechung bereits ausreichend geklärt.






OLG München:
Urteil v. 17.03.2011
Az: 23 U 3673/10


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