Landgericht Duisburg:
Beschluss vom 20. November 2014
Aktenzeichen: 34 KLs-143 Js 193/10-10/12

(LG Duisburg: Beschluss v. 20.11.2014, Az.: 34 KLs-143 Js 193/10-10/12)

Tenor

Die Erinnerung wird als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung über die Erinnerung ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Pflichtverteidiger der Angeklagten E hat mit Kostenfestsetzungsantrag vom 15.07.2013 unter anderem die Festsetzung einer Unkostenpauschale gemäß Nr. 7000 VV-RVG für die Anfertigung von 15.265 Seiten als Ausdrucke aus der auf CD elektronisch gespeichert überlassenen Hauptakte i.H.v. 2307,25 € zuzüglich Mehrwertsteuer verlangt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg vom 20.08.2013 wurden die geltend gemachten Kosten festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Duisburg mit der Erinnerung vom 03.02.2014.

II.

Die gemäß § 56 Abs. 1 und 2 RVG zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Duisburg vom 20.08.2013 ist unbegründet. Das Landgericht hat dem Antrag des Pflichtverteidigers vom 15.07.2013 auf Festsetzung eines Betrages von 8163,63 € als Vorschuss für Gebühren und Auslagen zu Recht in vollem Umfang entsprochen.

1.

Die Auslagen für den Ausdruck der elektronisch gespeicherten Akte sind Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten, deren Herstellung zu sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war im Sinne von Nr. 7000 VV-RVG.

Dem Verteidiger sind zum Zwecke der Akteneinsicht, welche im Zusammenhang mit der Anklageerhebung durch Schreiben des Gerichts vom 16.05.2012 erfolgte, auf CD gespeicherte elektronische Ermittlungsakten übersandt worden. Wird dem Verteidiger eine elektronische Gerichtsakte zugeleitet und fertigt er, etwa um bestimmte Vorgänge plastischer vor Augen zu haben oder in der Handakte leichter zu finden, hiervon Ausdrucke an, so stellt er den Ausdruck einer Gerichtsakte her. Gleiches gilt für den Ausdruck aus einer eingescannten körperlichen Gerichtsakte. Es wäre überspitzt zu argumentieren, dass jetzt nicht mehr die Gerichtsakte selbst, sondern nur eine von ihr genommene elektronische Datei kopiert werde, die nicht mehr die Gerichtsakte sei (Müller-Rabel in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, 7000 VV Rz. 49 f.). Es wäre nicht überzeugend, die zum Zweck der Akteneinsicht überlassene eingescannte Ermittlungsakte kostenrechtlich nicht als Ermittlungsakte anzusehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.08.2014, Az.: III 2 Ws 343/14).

Ausdrucke aus der eingescannten Akte können nicht anders behandelt werden als Kopien von körperlichen Akten.

Zur Bearbeitung der Akte kann der Verteidiger einen Ausdruck auf Papier anfertigen und muss sich nicht auf eine Bearbeitung der umfangreichen Akte am Computerbildschirm verweisen lassen, wenn dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Akten Papierform in vorliegen (Prinzip der Waffengleichheit) (OLG Celle, NJW 2012, 1671; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.08.2014, Az.: III 2 Ws 343/14).

Der Ausdruck der gesamten Hauptakte war auch zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten. Bei der Frage, ob die Anfertigung einer Kopie erforderlich ist, ist auf den Standpunkt eines vernünftigen und sachkundigen Dritten abzustellen, wobei der Anwalt einen großzügigen Ermessensspielraum hat (Hartmann, Kostengesetze, 4. Auflage, VV 7000, Rz. 6 m. w. N.; Kroiß in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage, Nr. 7000-7002 VV Rz. 5). Zwar braucht er vor dem Ausdruck nicht Blatt für Blatt auf seinen Kopierbedarf zu überprüfen; Kopien mögen aber nicht geboten sein, soweit der Anwalt einfach die gesamte Akte kopiert, ohne zu prüfen, welche ihrer Teile er überhaupt noch zu weiteren vertragsgemäßen Tätigkeit benötigt (OLG Düsseldorf, JurBüro 2000, 359).

Hier waren die Anklagevorwürfe in drei Tatkomplexe aufgeteilt, wobei der Angeklagten E nur Taten insbesondere Betrugshandlungen in dem Tatkomplex "U GmbH" vorgeworfen wurden. Auch wenn ein großer abgrenzbarer Teil der aus 76 Bänden bestehenden Hauptakte die Tatkomplexe "U1" und "B" betraf, war hier der Ausdruck der gesamten Hauptakte geboten. Den übrigen Angeklagten wurden in den beiden Tatkomplexen "U1" und "B" ähnlich gelagerte Betrugstaten wie in dem Tatkomplex "U GmbH" vorgeworfen, so dass jedenfalls aus diesem Grund die Sichtung und Beurteilung aller Tatkomplexe zur Vorbereitung der Hauptverhandlung erforderlich war. Denn eine Strafbarkeit der Angeklagten E war unter Akzessorietätsgesichtspunkten ganz wesentlich von den Feststellungen bezüglich der Mitangeklagten G und I abhängig, welchen gemeinschaftlicher Betrug mit der Angeklagten E vorgeworfen wurde, welche aber auch an den Tatkomplexen "U1" und "B" beteiligt gewesen sein sollten.

Der Verteidiger hat hier auch nicht die gesamte Ermittlungsakte ausgedruckt, die neben der Hauptakte aus 3.503 Fallaktensonderbänden, einer Vielzahl von Sonderbänden, Beweismittelordnern und Beiakten besteht, sondern sich auf den Ausdruck der Hauptakte beschränkt.

Ob der bereits zum Zeitpunkt der Akteneinsicht als notwendiger Verteidiger bestellte Verteidiger ggf. vor dem Anfertigen eigener Ausdrucke zunächst bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht eine kostenlose Mehrfachakte zum Verbleib hätte anfordern müssen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Bestellung des Verteidigers zum Pflichtverteidiger der Angeklagten E erfolgte erst am 31.05.2013, also deutlich nach der Akteneinsicht am 16.05.2012. Zum Zeitpunkt der Akteneinsicht war der Verteidiger demnach als Wahlverteidiger tätig, der grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anfertigung von Abschriften der Akte hat. Da das Vorgespräch mit der Kammer des Landgerichts am 09.04.2013 stattfand und die Hauptverhandlung am 12.06.2013 begann, war ein frühzeitiger Ausdruck für eine angemessene Vorbereitung auch erforderlich.

Dem Verteidiger war es hier auch nicht zuzumuten, die umfangreiche Hauptakte zur Vorbereitung der Hauptverhandlung aus Ersparnisgründen verkleinert auszudrucken (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.08.2014, Az.: III 2 Ws 343/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.09.2014, Az.: III 1 Ws 247/14, III 1 Ws 283/14).

2.

Auch wenn im vorliegenden Verfahren zwei der vier Angeklagten von Rechtsanwälten einer Rechtsanwaltskanzlei, nämlich der Kanzlei des Verteidigers der Angeklagten E, vertreten wurden, war hier ein zweifacher Ausdruck der elektronischen Akte - für jeden Verteidiger ein Exemplar - geboten. Dass jedem Verteidiger für die Einarbeitung in die Akten und ordnungsgemäße Vorbereitung der Hauptverhandlung ein eigenes Exemplar der Akte zur Verfügung stehen muss, auf das er jederzeit zugreifen und das er unter Beachtung des Blickwinkels des eigenen Mandanten unbefangen bearbeiten kann, ergibt sich bereits aus dem in § 146 StPO verankerten Verbot der Mehrfachverteidigung, das den Beschuldigten davor schützen soll, dass der Verteidiger in einen Interessenwiderstreit gerät und dadurch seine Beistandsfunktion beeinträchtigt wird. Dieser Gedanke ergibt sich ebenfalls aus § 43a Abs. 4 BRAO. Ein nur einfacher Ausdruck der Dateien und ein Austausch der Ausdrucke zwischen den Verteidigern würde auf eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung hinauslaufen (OLG Celle, NJW 2012, 1671).

3.

Das Entstehen der Auslagen ist durch die anwaltliche Versicherung des Verteidigers vom 17.06.2014, dass die abgerechneten Ausdrucke für das Verfahren angefertigt worden sind, ausreichend glaubhaft gemacht. Die Vorlage der Ausdrucke oder weiterer Mittel der Glaubhaftmachung sind hier vor dem Hintergrund des langen Zeitablaufs seit Eingang des Kostenfestsetzungsantrages am 19.07.2013 und der Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 03.06.2014, die Anfertigung der Ausdrucke glaubhaft zu machen, nicht notwendig.

4.

Das Verfahren über die Erinnerung ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gerichtsgebührenfrei. Notwendige Auslagen werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.






LG Duisburg:
Beschluss v. 20.11.2014
Az: 34 KLs-143 Js 193/10-10/12


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