Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 100/99

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2000, Az.: 28 W (pat) 100/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 16. Februar 2000 die Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben. Es geht dabei um die Anmeldung einer Wortmarke "GLOBAL CARE" für verschiedene Hilfsmittel und Geräte für behinderte Menschen.

Das Patentamt hatte die Eintragung der Marke abgelehnt, da die Wortverbindung "umfassende Pflege" bedeuten würde und bereits zum Grundwortschatz des Englischen gehöre. Zwar konnte der Gebrauch der Bezeichnung nicht festgestellt werden, jedoch könne sie als sachbezogene Angabe aufgefasst werden. Das Patentamt sah darin eine glatte Bestimmungsangabe, die die Herkunft der Waren nicht hinreichend kennzeichnet.

Die Anmelderin hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass die Bezeichnung "GLOBAL CARE" nicht den eindeutigen Sinngehalt habe, den das Patentamt annimmt. Das Wort "global" werde im Deutschen nur territorial verstanden und die Waren seien für Menschen bestimmt, die sich aufgrund ihrer Behinderung nicht weltweit bewegen könnten. Deshalb sei die Bezeichnung unscharf und habe Unterscheidungskraft.

Das Bundespatentgericht gibt der Beschwerde der Anmelderin statt. Es stellt fest, dass die beiden Wortelemente "global" und "care" für sich betrachtet ohne weiteres verständlich sind. Jedoch ergeben sie in Kombination keinen Sinngehalt, der die Waren unmittelbar beschreibt oder eine Sachaussage darstellt. Zudem konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Bezeichnung "GLOBAL CARE" im Warengebiet der Hilfsmittel für behinderte Menschen zur unmittelbaren Bezeichnung der Waren verwendet wird. Daher fehlt es an den Voraussetzungen für ein künftiges Freihaltebedürfnis, das eine Eintragung als Marke rechtfertigen würde.

Das Gericht stellt außerdem fest, dass die Bezeichnung für die beanspruchten Waren nicht jegliche Unterscheidungskraft besitzt. Durch die Divergenz zwischen der emotionalen Bedeutung des weltweiten Flairs durch "global" und der Bestimmung der Waren für behinderte Menschen entsteht ein Gegenteil- und Aufmerksamkeitseffekt, der eine gewisse Originalität und damit Unterscheidungskraft begründet.

Das Bundespatentgericht hebt daher die Entscheidungen des Patentamts auf und erklärt, dass der Eintragung der Marke "GLOBAL CARE" keine Hindernisse entgegenstehen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 16.02.2000, Az: 28 W (pat) 100/99


Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 10 - vom 14. Mai 1998 und vom 25. März 1999 aufgehoben.

Gründe I.

Angemeldet zur Eintragung in das Register ist die Wortmarke GLOBAL CARE für die Waren Rollstühle für Kranke, nämlich Greifreifenrollstühle, Schieberollstühle, Transportrollstühle, Zimmerrollstühle, Sportrollstühle, Kinderrollstühle, Elektrorollstühle, Elektrokleinmobile, Schiebewagen als Lernmobile für Kinder, sowie Einzelteile der vorgenannten Waren; Toilettenstühle aus Metall oder Holz; technische Hilfsgeräte für Behinderte, nämlich Gehilfen wie Unterarm-Gehstützen, Gehwagen, Gehräder, Gehgestelle, Armstützen, Spezialkissen an Rollstühlen montierbare Toilettensitze, Kopfstützen, Beinstützen; Geräte für Rollstühle zum Ermöglichen oder Unterstützen der Sitzposition, nämlich anatomisch geformte und den Körper unterstützende Sitz- und Rückeneinlagen, Spastikereinsätze; Hilfsmöbel für Behinderte für Bad und Toilette, nämlich Duschstühle aus Metall, Duschsitze, Badewannensitze und -einsätze, Dusch- und Badewannengriffe, Aufsätze, Armauflagen, Griffe und sonstige Halter für Toiletten; rutschfeste Sicherheitsmatten für den Naßbereich; Hilfsgeräte zur Körperpflege, nämlich Nagelbürsten, Nagelfeilen, Nagelscheren, Badebürsten, Kämme und Haarbürsten, Hilfsgeräte beim An- und Auskleiden, nämlich Strumpf-An- und -Auszieher, Schuhanzieher, Knopfverschlußschließer; Hilfsgeräte für Behinderte in Freizeit und Beruf, nämlich Arthrodesenstühle, Wandstandgeräte, Aufrichtsessel, Aufrichthilfen, Drehscheiben, Telefonhalter, Spezialscheren und -zangen, Anti-Rutsch-Unterlagen, medizinische Schaffelle; Hilfsmittel für Behinderte bei der Hausarbeit, nämlich Schlüsselhilfen, Schraubverschlußöffner, Schälmesser, Universalhalter, Kehrgarnituren, Türgriffverlängerungen; Hilfsgeräte für Behinderte beim Essen und Trinken, nämlich Spezial-Geschirr, Spezial-Trinkbecher, Besteckhalter, Spezial-Bestecke, Schneidbretter; Hilfsmittel für die physikalische Therapie, nämlich Hand- und Fingerquengel und ähnliche Geräte zur Aktivierung der Hand- und Fingermuskulatur, Trainingsgeräte zur Aktivierung der Rumpf- und Rückenmuskulatur, pneumatische Matratzenauflagen und Vakuum-Sitze, Rückenkissen zur Decubitus-Prophylaxe; elektrisch, hydraulisch und mechanisch betriebene Hebezeuge für Behinderte, nämlich Badewannen-Lifte, Personenhebeeinrichtungen sowie Pkw-Lifte als Einsteighilfe; Hilfsmittel zur Überwindung von Treppen oder Höhenunterschieden, nämlich treppensteigende Rollstühle, Treppenschrägaufzüge in Sitz- und Plattformausführung, bewegliche Auffahrrampen; Pkw-Zusatzgeräte für körperbehinderte Autofahrer, nämlich Schwenksitze sowie Einstieghilfen nämlich Rutschbretter. GK. 10, 7, 8, 11, 12, 21, 27.

Die Markenstelle für Klasse 10 hat der angemeldeten Bezeichnung wegen fehlender Unterscheidungskraft die Eintragung mit der Begründung versagt, die Wortverbindung sei mit "umfassende Pflege" zu übersetzen, und da sie zum Grundwortschatz des Englischen gehöre, auch von den beteiligten Verkehrskreisen zu verstehen. Zwar sei der Gebrauch der Wortverbindung nicht festzustellen, aber er könne im Hinblick auf die Waren als sachbezogene Angabe aufgefaßt werden, denn die Zusammenfügung ergebe nur eine sprachübliche Aussage beschreibenden Inhalts, nämlich daß sämtliche beanspruchten Waren umfassend in der Alten-, Kranken- oder Behindertenpflege einsetzbar seien. Sie sei daher als glatte Bestimmungsangabe ungeeignet, einen markenmäßigen Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb zu geben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Mai 1998 und vom 25. März 1999 aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, die Bezeichnung "GLOBAL CARE" vermittle nicht den von der Markenstelle angenommenen eindeutigen Sinngehalt, denn das Wort "global" sei im Deutschen nur territorial zu verstehen. Die Waren seien aber gerade für Menschen bestimmt, die aufgrund ihrer Behinderung sich nicht weltweit bewegen könnten. Diese Diskrepanz zwischen Bedeutungsgehalt und Zweckbestimmung der Waren mache die Unschärfe der Aussage aus und begründe damit ihre Unterscheidungskraft.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Das angemeldete Wortzeichen ist eintragungsfähig gem §§ 33 Abs 2, 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG, denn ihm fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft und es besteht auch nicht ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge sowie zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können.

1. Die beiden Wortelemente sind allerdings je für sich dem deutschen Publikum ohne weiteres verständlich. "Global" ist ein aus dem lateinischen stammendes, jedoch eingedeutschtes Wort in der Bedeutung von "weltumspannend, umfassend" (DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung). Die vom Senat gesammelten, der Allgemeinsprache aus den üblichen Printmedien der Tagespresse entnommenen Belege zur Inhaltsbedeutung von "global" bestätigen die Bedeutung als ein ausschließlich mit territorialem Bezug gebrauchtes Wort, wie zB "global player", "..die regionale Kunst muß global angebunden sein.." (SZ v. 10. 1. 2000), "Lokal, global, total", "globale Zukunft", "globale Kommunikation". Die Häufigkeit seines Vorkommens läßt sogar auf seine Eigenschaft als ein Modewort schließen (vgl Loskant, Das neue Fremdwörterlexikon, 1998, S 73 f).

"Care" ist ein zum Grundwortschatz des Englischen zählendes Wort, das im Sinne von "Sorge, Betreuung" dem inländischen Publikum ebenfalls verständlich ist, zumal es auch werbemäßig häufig stark herausgestellt wird ("Nivea Hair Care").

2. Nach ihrem Gesamteindruck beurteilt ergeben beide Worte zusammen jedoch keinen Sinngehalt, der die mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren unmittelbar beschreibt, eine dahingehende Sachaussage ist oder dazu dienen könnte. Insbesondere hat der Senat vorliegend ebensowenig wie die Markenstelle Feststellungen treffen können, daß die Bezeichnung "GLOBAL CARE" auf dem vorliegenden Warengebiet zur unmittelbaren Bezeichnung der Waren oder ihrer sonstigen Merkmale verwendet wird. Darüber hinaus ist "GLOBAL CARE" auch kein Wort, das aufgrund seiner sprachüblichen und dem Publikum allgemein verständlichen, die Waren bezeichnenden Sachaussage jederzeit zur Beschreibung der beanspruchten Waren dienen kann und somit ein künftiges Freihaltebedürfnis gem § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG rechtfertigt.

Zwar hat eine vom Senat vorgenommene Recherche eine Fülle von Nachweisen ergeben, daß die Wortfolge auf einer Vielzahl von Dienstleistungsgebieten ein häufig gebrauchter Ausdruck ist, insbesondere auf dem Gebiet der Versicherungen und der Reisevermittlungen. Eine speziell auf das von der Anmelderin beanspruchte Warengebiet der Hilfegeräte für behinderte Menschen ausgerichtete Internet-Recherche des Senats erbrachte jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß "GLOBAL CARE" eine die beanspruchten Waren unmittelbar beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist oder dazu dienen kann. Dieses Ergebnis liegt schon deshalb nahe, weil die damit gekennzeichneten Waren Menschen dienen, die nicht "global", also weltweit agieren wie ein "global player", sondern vielmehr aufgrund ihrer Behinderung absolut ortsgebunden sind. Soweit Belege auf dem Gebiet der hier verfahrensgegenständlichen medizinischen, orthopädischen Geräte gefunden wurden, zeugten sie stets nur vom firmenmäßigen Gebrauch der Wortfolge.

Es läßt sich daher nur mittelbar und im Wege der analysierenden Betrachtung ein Zusammenhang zwischen der Bezeichnung und den so gekennzeichneten Waren konstruieren. Dies aber auch nur dann, wenn man das Zeichenelement "global" nicht in seiner allgemeinsprachlichen Bedeutung mit territorialem Bezug versteht. Dies ist jedoch unrichtig, denn "global" wird nicht, wie von der Markenstelle angenommen, als "umfassend" im Sinne eines Abstraktum für einen allgemeinen, auf zahllose Handlungsmöglichkeiten bezogenen Einsatz gebraucht, wie die oben aufgeführten Beispiele zeigten. Auch eine Rückübersetzung des Wortes aus dem Englischen, was aufgrund seines englischen Sprachzusammenhangs mit dem Wort "care" nahe liegt, gibt dafür keinen Anhaltspunkt. Für "umfassend" im nichträumlichen Sinne sind Wörter gebraucht, wie "extensive", "wide", "large", "complete" (Langenscheidts Großwörterbuch, Deutsch/Englisch) oder eingebunden in einen Satz wird "global" umschrieben mit "relating to.. or involving the entire world" (Websters Third New International Dictionary). Da die sprachliche Voraussetzung zur von der Markenstelle unterstellten Bedeutung des Zeichenelements "global" schon unrichtig ist, steht daher die Einordnung der angemeldeten Wortfolge als Ganzes nicht mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG in Einklang.

3. Der angemeldeten Marke fehlt für die beanspruchten Waren auch nicht jegliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Wie die vorgenannten Feststellungen des Senats ergeben haben, vermittelt die Wortfolge für sich gesehen keinen klaren Aussagegehalt, der lediglich eine im Vordergrund stehende Sachangabe und einen beschreibenden Sinnzusammenhang mit den beanspruchten Waren darstellt. Vielmehr ergibt sich gerade aus der Divergenz zwischen der emotionalen Bedeutung des weltweiten Flairs durch das Zeichenelement "global" bezogen auf die Waren, die für behinderte Menschen bestimmt sind, ein gewisser Gegenteil- und Aufmerksamkeitseffekt, dem eine gewisse, die Unterscheidungskraft begründende Originalität nicht abzusprechen ist. Der Begriff "GLOBAL CARE" ist daher geeignet, vom Verkehr als Kennzeichnung eines bestimmten Geschäftsbetriebes aufgefaßt zu werden, so daß der Eintragung der Marke in das Register keine Hindernisse entgegenstehen und die Beschwerde der Anmelderin Erfolg hatte.

Stoppel Grabrucker Martens E./Fa






BPatG:
Beschluss v. 16.02.2000
Az: 28 W (pat) 100/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/b5fd82b4d5ec/BPatG_Beschluss_vom_16-Februar-2000_Az_28-W-pat-100-99




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