Landgericht Hildesheim:
Urteil vom 26. Juni 2003
Aktenzeichen: 1 S 16/03

(LG Hildesheim: Urteil v. 26.06.2003, Az.: 1 S 16/03)

Es ist auch unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten der heute auf Absender- und Empfängerseite eingesetzten Telefax-Geräte wettbewerbswidrig i. S. von § 1 UWG, an einen Gewerbetreibenden zu Werbezwecken Telefax-Schreiben zu richten, wenn dieser nicht ausdrücklich oder konkludent einverstanden ist oder sein Einverständnis vom Absender anhand konkreter Umstände, z. B. einer bestehenden Geschäftsbeziehung, vermutet werden kann.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.01.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hildesheim wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt als eingetragener Verein, der satzungsmäßig bezweckt, insbesondere durch Maßnahmen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs die beruflichen und wirtschaftlichen Interessen seiner kaufmännischen Mitglieder im Raum Ostfriesland zu wahren und zu fördern, von der Beklagten die Zahlung einer Abmahnungspauschale.

Die Beklagte warb mit einem an den Unternehmer ..., der in ... ein Wäschehaus betreibt (im Folgenden: Adressat), adressierten Telefax-Schreiben vom 24.07.2002 (Bl. 4 d.A.) um die nebenberufliche Mitarbeit in ihrem "Vertriebsförderungsunternehmen" als "Partner für die Übernahme von organisatorischen Arbeiten", obwohl sie mit diesem weder in Geschäftsbeziehungen stand noch der Adressat sein Einverständnis mit einer solchen Werbung ausdrücklich erklärt hatte. Auf die Beschwerde des Adressaten beim Kläger mahnte dieser die Beklagte mit Schreiben vom 26.07.2002 (Bl. 5 f. d.A.) wegen unzumutbarer Belästigung ab und forderte sie auf, bis zum 02.08.2002 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und sich des Weiteren zu verpflichten, an ihn pauschalisierten Aufwendungsersatz für die Abmahnung in Höhe von 150,00 € zu zahlen. Dem kam die Beklagte auch nach Mahnungen mit Schreiben vom 05.08.2002 (Bl. 8 d.A.) und mit Anwaltschreiben vom 04.11.2002 (Bl. 9 d.A.) nicht nach.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte schulde ihm unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag die verlangte Kostenpauschale von 150,00 € nebst 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2002. Die Beklagte trägt demgegenüber vor, der Adressat habe selbst durch diverse Zeitungsannoncen für sein Unternehmen geworben und damit ein Interesse auch an Angeboten wie dem streitgegenständlichen bekundet. Im Übrigen sei heutzutage davon auszugehen, dass bei denjenigen Telefax-Empfängern, die sich nicht in die sog. Robinson-Liste haben eintragen lassen, ein Einverständnis vorliege.

Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.01.2003 stattgegeben, weil es das Telefax-Schreiben der Beklagten unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1996, 660) als wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG ansieht. Mit ihrer dagegen gerichteten, in den Entscheidungsgründen zugelassenen Berufung begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie rügt das angefochtene Urteil als rechtsfehlerhaft, weil die Argumente der Rechtsprechung für eine Unzulässigkeit der unaufgeforderten Telefax-Werbung, nämlich das Blockieren des Telefax-Geräts beim Einlauf der Werbeschreiben, die Beeinträchtigung des Betriebsablaufs sowie die Belastung mit Papier-, Toner-, Strom- und anteiligen Wartungskosten, durch die technische Entwicklung überholt seien und weil der Schutz vor angeblich unlauterem Wettbewerb mittels Abmahnungen in sein Gegenteil verkehrt werde, indem die werbenden Firmen zunehmend ohne Mitteilung ihrer (vollständigen) Identität oder vom europäischen Ausland aus agierten.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf anteiligen Ersatz der durch die Abmahnung vom 26.07.2002 entstandenen Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale in Höhe von 150,00 € aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zu, welche gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB seit dem 10.08.2002 mit 5 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.

1.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass es wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG ist, an einen Gewerbetreibenden zu Werbezwecken Telefax-Schreiben zu richten, wenn dieser nicht ausdrücklich oder konkludent einverstanden ist oder sein Einverständnis damit vom Absender anhand konkreter Umstände, z.B. einer bestehenden Geschäftsbeziehung, vermutet werden kann (vgl. BGH NJW 1996, 660, 661; OLG Oldenburg NJW 1998, 3208; Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., Einl. UWG Rdnr. 69b m.w.N.). Dabei obliegt es grundsätzlich dem Absender des Telefax-Schreibens, darzulegen und zu beweisen, dass die Übersendung ausnahmsweise zulässig war (vgl. OLG Oldenburg NJW 1998, 3208 m.w.N.). Auch unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung hat die Beklagte keine Gegebenheiten vorgetragen, aufgrund derer sie ein Einverständnis des Adressaten mit einer Werbung per Telefax hätte voraussetzen können.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Adressat kein ausdrückliches Einverständnis erklärt hatte, von der Beklagten per Telefax beworben zu werden, und dass zwischen ihnen auch keine Geschäftsverbindung bestand. Es kann auch nicht generell angenommen werden, dass ein Teilnehmer mit der Installation eines Telefax-Gerätes konkludent sein Einverständnis damit erklärt, mittels dieses Geräts von jedwedem Gewerbetreibenden zu Werbezwecken angesprochen zu werden. Auch wenn inzwischen technisch die Möglichkeit besteht, die eingehenden Telefax-Schreiben zunächst auf einen PC zu leiten und dort am Bildschirm zu entscheiden, ob ein Ausdruck erfolgen soll, und die modernen Telefax-Geräte sowie die heute zur automatisierten Versendung von Telefax-Schreiben eingesetzten Computer über einen automatischen Wahlwiederholungsmodus verfügen, der erst nach zehnmaligem Absendeversuch eine Übersendung abbricht, nimmt jede unaufgeforderte Telefax-Werbung - wie auch immer sie in den Geschäftsgang geleitet wird - Arbeits- und Zeitaufwand in Anspruch, der nicht selten - insbesondere dann, wenn sich das Telefax-Schreiben nicht sogleich als Werbung erkennen lässt - mehr als nur unerheblich sein wird, und stellt damit sowie im Hinblick auf die Gefahr eines immer weiteren Umsichgreifens dieser Werbeart eine wettbewerbsrechtlich nicht zu billigende Störung des Betriebsablaufs dar (vgl. BGH NJW 1996, 660, 661).

An der Beurteilung unaufgefordert zugesandter Telefax-Werbung ändert sich auch nichts dadurch, dass es nach dem neuesten Stand der Technik möglich ist, die Empfangnahme von unaufgeforderten Telefax-Schreiben durch das Telefax-Gerät auszuschließen; denn der gesetzestreue Bürger ist nicht verpflichtet, alle denkbaren Schutzvorkehrungen gegen belästigende Handlungen anderer zu treffen (vgl. OLG Oldenburg NJW 1998, 3208). Entsprechendes gilt für eine Eintragung in die sog. Robinson-Liste.

Selbst wenn der Adressat seinerseits unter Angabe seiner Telefax-Nummer, was der Kläger bestreitet, Zeitungsinserate geschaltet hatte, hätte dies dem Beklagten keinen ausreichenden Grund für die Annahme gegeben, dass der Adressat mit dem Erhalt von Telefax-Schreiben wie dem der Beklagten einverstanden sei. Werbeanzeigen richten sich in der Regel ausschließlich an die eigenen (potentiellen) Kunden und nicht an Personen, die - wie die Beklagte - ihrerseits Werbung treiben wollen (vgl. BGH NJW 1996, 660, 661). Die Beklagte hat weder die betreffenden Zeitungsannoncen zu den Akten gereicht noch auf andere Weise konkrete Umstände dargetan, die gleichwohl die Annahme rechtfertigten, der Adressat wünsche die Zusendung von Werbung per Telefax oder sei jedenfalls damit einverstanden. Ebenso wenig lässt sich allein aus dem Eintrag des Adressaten in klickTel, einer digitalen Datenbank zum Auffinden von Telefon- und Telefax-Nummern, auf dessen Einverständnis schließen.

Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit dem Einwand durchdringen, der Schutz vor unlauterem Wettbewerb mittels Abmahnungen werde in sein Gegenteil verkehrt, weil die werbenden Firmen zunehmend ohne Mitteilung ihrer (vollständigen) Identität oder vom europäischen Ausland aus agierten. Zum einen stellt auch die grenzüberschreitende Telefax-Werbung aus dem EU-Ausland einen Wettbewerbsverstoß dar (vgl. LG Berlin NJWE-WettbR 1997, 86). Zum anderen wird ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht dadurch billigenswerter, dass der Absender seine Identität verschleiert.

2.

Unabhängig von einem schuldhaften Handeln des Abgemahnten kann ein nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klageberechtigter Verband wie der Kläger nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Abmahnungskosten in Form einer Kostenpauschale für anteilige Personal- und Sachkosten verlangen (vgl. Hefermehl, a.A. O., Einl. UWG Rdnrn. 554, 556 m.w.N.). Die vom Kläger geltend gemachte und vom Amtsgericht zuerkannte Pauschale von 150,00 € hat die Beklagte mit ihrer Berufung der Höhe nach nicht mehr angegriffen, weshalb das angefochtene Urteil insoweit einer Überprüfung durch die Kammer nicht zugänglich ist.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.






LG Hildesheim:
Urteil v. 26.06.2003
Az: 1 S 16/03


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