Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 22. August 2008
Aktenzeichen: 1 AGH 38/08

(OLG Hamm: Beschluss v. 22.08.2008, Az.: 1 AGH 38/08)

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der An-tragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Gegenstandswert wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am ... geborene Antragsteller ist mit Urkunde vom ... als Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskammer E zugelassen worden.

Gegen den Antragsteller war es seit dem Jahre 2000 wiederholt zur gerichtlichen Titulierung von Geldforderungen verschiedener Gläubiger und sodann auch zu Vollstreckungsmaßnahmen zwecks Durchsetzung der Forderungen gekommen. Die den Vollstreckungen zugrunde liegenden Forderungen beliefen sich teilweise auf unter 1.000,- Euro. Das galt beispielsweise für die unter Nr. 8, 9, 10 und 34 in der von der Antragsgegnerin dem angegriffenen Widerrufsbescheid beigefügten Forderungsliste aufgeführten Verbindlichkeiten. Zudem hat der Antragsteller unter dem 10.09.2007 auf Antrag mehrerer Gläubiger die eidesstattliche Versicherung abgegeben. In seiner Erklärung gab er dabei u.a. für das zu ½ in seinem Miteigentum stehende Einfamilienhaus C-Allee a in N eine Belastung mit Grundschulden in Höhe von 330.000,- Euro an. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller erstmals unter dem 11.05.2007 zu einer Stellungnahme zu seinen Verbindlichkeiten auf. In seinem Antwortschreiben vom 11.08.2007 machte der Antragsteller Angaben nur zu einigen der aufgelisteten Forderungen, wobei er im wesentlichen darauf verwies, dass die Forderungen überwiegend beglichen seien. Im übrigen seien sie unberechtigt. Belege fügte er seinem Schreiben nicht bei. Auf weitere Aufforderungsschreiben der Antragsgegnerin reagierte der Antragsteller zunächst nur mit wiederholten Fristverlängerungsersuchen. Erst im Rahmen einer persönlichen Anhörung am 24.09.2007 sowie mit Folgeschreiben vom 04.12.2007 machte er weitere Ausführungen und reichte einige Belege über die Erledigung einzelner Forderungen ein. Nachfolgenden Aufforderungen der Antragsgegnerin zu weiteren Stellungnahmen insbesondere auch zu neuen Forderungen und Hereinreichung umfassender Beleg kam der Antragsteller nicht mehr nach.

Daraufhin widerrief die Antragsgegnerin unter dem ... die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft. Zur Begründung verwies sie auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsgegner, die Forderungen gemäß ihrer Liste und nach wie vor fehlende Belege zu behaupteten Erledigungen.

Gegen den ihm am 11.03.2008 zugestellten Widerrufsbescheid wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 31.03.2008, bei Gericht eingegangen am 01.04.2008.

Zur Begründung hat der Antragsteller geltend gemacht, er habe - wie schon früher von ihm vorgetragen - die unter Nr. 8, 9, 10, 15, 16, 18, 20, 32, 33, 34 und 35 der Liste der Antragsgegnerin aufgeführten Forderungen durch Zahlung erledigt. Lediglich die Forderungen zu Ziff. 19 und 29 der Liste seien nicht erledigt, da sie bestritten seien. Angesichts dessen sei er zu einer weiteren Offenlegung nicht verpflichtet, werde aber demnächst dennoch im einzelnen vortragen. Eine rechtswirksame eidesstattliche Versicherung habe er nicht abgegeben. Auch diesem Schreiben waren Belege nicht beigefügt.

Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 09.06.2008 ist der Antragsteller unter Fristsetzung zum 04.07.2008 aufgefordert worden, umfassend zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorzutragen und diese sowie etwaige Tilgungen der gegen ihn gerichteten Forderungen bzw. Ratenzahlungsvereinbarungen durch geeignete Unterlagen zu belegen. Dem ist der Antragsteller nicht nachgekommen.

Nach Erlass des Widerrufsbescheides vom 04.03.2008 ist es zu folgenden weiteren Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen:

- Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom ... wegen einer Forderung des Gläubigers I über 3.138,27 Euro;

- Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom ... wegen einer Forderung der Gläubigerin I2 + Co. über 814,87 Euro;

- Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom ... wegen einer Forderung des Gläubigers C über 418,89 Euro;

- Zwangsversteigerungsbeschluss des AG N vom ... betreffend das Hausgrundstück C-Allee a in N wegen einer Forderung der C AG über 265.871,77 Euro nebst Zinsen und Kosten:

- Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes N-Mitte vom ... wegen einer nachträglich auf 3.132,04 Euro reduzierten Forderung.

Außerdem sind gegen den Antragsteller unter dem ... und # insgesamt 10 Haftbefehle ergangen. Bei seiner Anhörung im Senatstermin vom 22.08.2008 hat der Antragsteller hierzu erklärt, dass diese Haftbefehle zwar noch eingetragen seien, die ihnen zugrunde liegenden Forderungen seien aber getilgt. Wegen des in der Zwangsversteigerung befindlichen Eigenheimes würden Verhandlungen mit der Bank geführt, da seine Söhne das Haus erwerben wollten. Wahrscheinlich werde die Bank bei einem Angebot von ca. 260.000,- Euro zuschlagen und auf den Rest ihrer Forderung verzichten. Von der eidesstattlichen Versicherung habe der Gerichtsvollzieher, da seine Erklärung noch nicht vollständig gewesen sei, noch nicht Gebrauch machen sollen, was er aber abredewidrig getan habe.

II.

Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls bejaht.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Vermögensinteressen der Rechtsuchenden nicht gefährdet werden. Ein Vermögensverfall liegt z.B. dann vor, wenn ein Rechtsanwalt in ungeordnete schlechte wirtschaftliche Verhältnisse geraten ist und seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Er wird darüber hinaus vermutet, wenn ein Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

1.

Der Antragsteller befand sich zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung in Vermögensverfall. Dieser ist in der Folgezeit auch nicht wieder entfallen.

a)

Vorliegend kommt aufgrund der vom Antragsteller unter dem ... abgegebenen eidesstattlichen Versicherung bereits die Vermutungswirkung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRA0 zum Tragen. Diese ist vom Antragsteller nicht zweifelsfrei ausgeräumt worden.

Soweit der Antragsteller hierzu vorgetragen hat, er habe eine rechtswirksame eidesstattliche Versicherung nicht abgegeben, ist diese Einlassung auch nach seinen Angaben im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller hat selbst eingeräumt, gegenüber dem Gerichtsvollzieher als dem zuständigen Beamten eine entsprechende Erklärung abgegeben und unterzeichnet zu haben.

b)

Abgesehen davon ist ein Vermögensverfall aber auch positiv festzustellen.

Die in der von der Antragsgegnerin ihrem Widerrufsbescheid beigefügten Forderungsliste aufgeführten Verfahren belegen deutlich, dass es der Antragsteller in der Vergangenheit immer wieder - auch wegen recht geringfügiger Beträge - zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen sich hat kommen lassen. Zwar hat sich der Antragsteller diesbzgl. darauf berufen, dass er die ganz überwiegende Zahl der aufgelisteten Forderungen beglichen habe. Er hat dies jedoch trotz entsprechender Aufforderungen weder gegenüber der Antragsgegnerin noch im vorliegenden Verfahren in aussagekräftiger Weise belegt. Soweit vereinzelt eine Erledigung nachgewiesen worden ist, hat die Antragsgegnerin dies bereits zu Gunsten des Antragstellers in ihrer Liste berücksichtigt und nur die Forderungen eingestellt, zu denen Erledigungsnachweise nicht vorgelegt worden sind. Im übrigen folgt aber auch schon aus der eigenen Einlassung des Antragstellers, dass zumindest die unter Nr. 19 und Nr. 29 genannten Forderungen der Gläubiger P u.a. noch nicht beglichen sind. Zwar bestreitet der Antragsteller deren Berechtigung. Dieses Bestreiten ist aber mangels weiterer Darlegung hierzu nicht nachvollziehbar. Bzgl. der unter Nr. 17 und 31 aufgeführten Forderungen der C Leasing bzw. der C2 hat der Antragsteller zudem konkret weder deren Berechtigung bestritten noch deren Begleichung behauptet.

Dass der somit gegebene Vermögensverfall nachträglich wieder entfallen ist und sich der Antragsteller nachhaltig konsolidiert hat, ist ebenfalls nicht feststellbar. Gegen eine solche Konsolidierung spricht vielmehr der Umstand, dass es noch nach Erlass der angefochtenen Entscheidung zu weiteren Zwangsvollstreckungen gegen den Antragsteller gekommen ist. Auch die von der C betriebene Zwangsvollstreckung in das im Miteigentum des Antragstellers stehende Hausgrundstück wird nach den eigenen Angaben des Antragstellers allenfalls zu einer Tilgung der Forderungen dieser Bank führen. Ein überschießender Erlös, mit dem der Antragsteller ggfs. seine weiteren noch offenen Verbindlichkeiten erfüllen könnte, ist dagegen nicht zu erwarten.

Da der Antragsteller im übrigen weder seine sonstige Vermögens- noch seine Einnahmensituation konkret dargetan hat, lassen sich auch hieraus keine Umstände zu seinen Gunsten herleiten.

2.

Von einer Gefährdung Rechtsuchender ist vorliegend ebenfalls auszugehen.

Regelmäßig führt der Vermögensverfall insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwaltes mit Fremdgeldern sowie auf den darauf möglichen Zugriff durch seine Gläubiger zu einer solchen Gefährdung. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine abweichende Betrachtung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 201 BRA0.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats in Zulassungssachen.






OLG Hamm:
Beschluss v. 22.08.2008
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