Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. November 2009
Aktenzeichen: 28 W (pat) 5/09

(BPatG: Beschluss v. 11.11.2009, Az.: 28 W (pat) 5/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin der seit 2. April 2001 international registrierten Wortmarke 755 018 BOI die in der Bundesrepublik Deutschland für die nachfolgend wiedergegebenen Waren Schutz genießt.

"10 Implants chirurgicaux, en particulier implants dentaires."

Die Antragstellerin hat im Juli 2007 beim DPMA die nachträgliche Schutzentziehung der IR-Marke nach §§ 115 Abs. 1, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 MarkenG mit der Begründung beantragt, die Bezeichnung "BOI" sei bereits lange vor Registrierung der IR-Marke im deutschsprachigen Raum von Fachkreisen als Synonym und Abkürzung für die spezielle Implantationsmethode der Basal-Osseo-Integration von Zahnimplantaten verwendet worden. Der angegriffenen Marke hätte daher wegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert werden müssen.

Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig und in allen Punkten widersprochen.

Die Markenabteilung 3.4 des DPMA hat mit Beschluss vom 5. September 2008 der international registrierten Marke nachträglich den Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen. Im Zeitpunkt der Schutzerstreckung habe die Bezeichnung "BOI" einem Freihaltebedürfnis unterlegen, da sie zur Beschreibung der zahnärztlichen Implantationsmethode "Basale Osseo Integration" sowie des hierbei verwendeten basalosseointegrierten Implantats, einer Implantatart mit besonderem Einsatz im zurückgebildeten Kiefer, gedient habe. Dies ergebe sich daraus, dass bereits im Jahr 1999 der Implantoral-Club Deutschland, ein Berufsverband von mit basalosseointegrierten Implantaten arbeitenden Zahnärzten, Oralchirurgen und Kieferchirurgen, einen sog. "Konsensus zu BOI" in der Schweizer Monatsschrift Zahnmedizin veröffentlicht habe, mit dem der früher gebrauchte Begriff "Diskimplantat" künftig durch die Bezeichnung basalosseointegriertes Implantat (BOI) ersetzt werden sollte. Die beschreibende Verwendung der Bezeichnung ergebe sich auch aus dem Programm eines Fortbildungsseminars des Implantoral-Club Deutschland vom 10. Februar 2001, bei dem "BOI-implantatgetragener festsitzender Zahnersatz" und die "Kombination von BOI-Implantaten" thematisiert worden seien. Das Schutzhindernis bestehe auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Schutzentziehung fort, denn der Begriff "BOI" werde laut einer Internet-Recherche auch heute noch von Zahnärzten beworben und verwendet und stelle somit bezogen auf die registrierten Waren einen freihaltungsbedürftigen Begriff dar, da er die Art und Bestimmung derartiger Zahnimplantate für das Basalosseointegrationsverfahren beschreibe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

In der mündlichen Verhandlung beantragt sie hilfsweise, dem Warenverzeichnis der angegriffenen Marke folgende eingeschränkte Fassung zu geben:

"Chirurgische Implantate, insbesondere Dentalimplantate mit Ausnahme von basalen osseointegrierten Implantaten".

Zur Begründung der Beschwerde trägt die Markeninhaberin vor, bei dem Begriff "Basal-Osseo-Integration" handele es sich um einen wissenschaftlichen Fantasiebegriff, der vom Mehrheitsaktionär der Markeninhaberin, Herrn Dr. I..., sowie Herrn Dr. S... geprägt worden sei, um ein neuartiges Kieferimplantat zu kennzeichnen, das in den Grundbereich des Knochens seitlich eingeschoben (basalosseo) werde und vollkommen in den Knochen integriert sei. Um diese Implantate zu vermarkten, sei der Berufsverband, Implantoral-Club Deutschland, gegründet worden, der 1999 den sog. "Konsensus zu BOI" veröffentlicht habe, um der Fachwelt eine Anleitung zu geben, unter welchen Umständen ein solches Zahnimplantat eingesetzt und wie es angewendet werde. Als treffende Abkürzung des genannten Fantasiebegriffs sei die Kurzform BOI geschaffen worden. Die von der Antragstellerin zur Begründung des Löschungsantrags vorgelegten Unterlagen seien vor dem Hintergrund der Vermarktungsbemühungen der Markeninhaberin zu beurteilen und belegten keine freie Benutzung der Marke BOI, soweit sie vor dem 2. April 2001, dem Datum der Schutzerstreckung der angegriffenen Marke, datierten. So sei die Veröffentlichung des "Konsensus zu BOI" im Namen des Schöpfers des Begriffs, Herrn Dr. I..., erfolgt, der mittelbar Inhaber der angegriffenen Marke sei. Der Aufsatz in der Schweizer Monatsschrift Zahnmedizin gehe ebenfalls auf den Schöpfer des Fantasiebegriffes "basalosseointegrieres" Implantat und die Abkürzung BOI zurück. Soweit die Unterlagen aus der Zeit nach der Schutzerstreckung datierten, stammten sie von Herrn Dr. I... selbst bzw. von mit diesem zusammenarbeitenden Kollegen oder von Kunden und seien daher dem Schöpfer des Kunstwortes zuzuordnen. Da es sich bei "BOI" weder um eine gebräuchliche noch aus sich heraus verständliche Abkürzung handele, bestehe kein Freihaltungsbedürfnis. Der angegriffenen Marke fehle auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt den ihrer Ansicht nach unzutreffenden Ausführungen der Markeninhaberin in allen Punkten entgegen. Die Markeninhaberin könne die angegriffene Bezeichnung nicht für sich allein in Anspruch nehmen, da diese im Zeitpunkt der Entstehung des Markenschutzes wie auch heute freihaltungsbedürftig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Marke stellt sich auch nach Ansicht des Senats als eine ausschließlich sachbezogene Angabe dar, der entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG i. V. m. §§ 107 Abs. 1, 113 Abs. 1 MarkenG, Art. 5 Abs. 1 MMA, 6quinquies B Nr. 2 PVÜ der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland bewilligt worden ist. Daher hat die Markenabteilung auf den Löschungsantrag hin der angegriffenen Marke nach §§ 50 Abs. 1 und 2, 107 Abs. 1, 115 Abs. 1 MarkenG zu Recht nachträglich den Schutz entzogen.

Dem Schutz der angegriffenen Marke in der Bundesrepublik Deutschland steht § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, denn es handelt sich bei ihr ausschließlich um eine Angabe, mit der eine bestimmte Art von Zahnimplantaten bezeichnet werden kann und die daher im Allgemeininteresse freizuhalten ist, und insbesondere den Mitbewerbern der Markeninhaberin zur freien Verwendung offen stehen muss.

Den in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen der Markenabteilung zur Bildung der angegriffenen Fachbezeichnung als Kurzform für basalosseointegrierte Implantate tritt die Markeninhaberin letztlich auch nicht substantiell entgegen. Insbesondere bestreitet sie nicht, dass der Begriff "BOI" bereits im Jahr 1999 im Rahmen des "Konsensus zu BOI" als Fachwort für die dort genannten Implantate gebildet wurde, und im Anschluss daran die Veröffentlichung dieser Vereinbarung in der Schweizer Monatsschrift für Zahnmedizin stattfand. Spätestens seitdem hat sich auch nach den Feststellungen des Senats der Begriff in den beteiligten Verkehrskreisen als Fachwort für die beanspruchten Waren etabliert und zwar zeitlich weit vor Erlangung des Markenschutzes. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob Schutzhindernisse der Eintragung einer Bezeichnung als Marke entgegenstehen, ist entgegen dem Vorbringen der Markeninhaberin ohnehin nicht das Datum der Eintragung der Schweizer Basismarke (Juni 2000). Vielmehr kommt es gemäß §§ 107 Abs. 1, 112 Abs. 1 MarkenG auf den Tag der internationalen Registrierung (2. April 2001) an, der dieselbe Wirkung entfaltet, wie wenn die Marke national eingetragen worden wäre, worauf nach § 50 Abs. 1 MarkenG abzustellen ist. Soweit die Markeninhaberin vorträgt, die angegriffene Bezeichnung sei ein Phantasiebegriff, der von der Markeninhaberin nahestehenden Zahnärzten erstmals gebildet wurde, steht dies der Annahme eines Schutzhindernis schon deshalb nicht entgegen, weil dem Markenrecht ein Vorbenutzungsrecht wie im Patentrecht fremd ist. Auf die Feststellung, auf wessen Entwicklung die speziellen Implantate sowie die zur Integration erforderlichen Operationsmethoden zurückgehen, kann es in diesem Zusammenhang ebenso wenig ankommen wie auf den Vortrag der Markeninhaberin, wonach Veröffentlichungen etwa im Internet zum Begriff "BOI" auf ihren Vermarktungsbemühungen beruhten und damit auf sie zurückzuführen bzw. von ihr veranlasst worden seien. Vielmehr wird im "Konsensus zu BOI" ausschließlich rein sachbezogen und nach Art einer Standardisierung für dort im einzelnen näher bezeichnete Implantate eine neue Bezeichnung vorgestellt, die künftig an Stelle des früher gebrauchten beschreibenden Begriff "Diskimplantat" treten soll. Anhaltspunkte dahingehend, dass mit "BOI" nach Art einer Marke lediglich auf Implantate eines bestimmten Herstellers hingewiesen werden sollte, finden sich dagegen an keiner Stelle in dem Konsensus. Dies gilt auch für die bis zur Schutzerstreckung zeitlich nachfolgenden weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen und für Fortbildungsveranstaltungen zum Thema "BOI" (etwa Anlage 6 bzw. 8 des Löschungsantrags), die nach der Einlassung der Markeninhaberin auf die Mitwirkung der von ihr genannten Schöpfer des Begriffs "BOI" zurückzuführen seien. Auch der Einwand der Markeninhaberin, die Bezeichnung "BOI" sei nicht zwingend notwendig für die beanspruchten Waren, so dass die Mitbewerber zu deren Beschreibung auf andere Begriffe ausweichen könnten, führt aus Rechtsgründen nicht weiter. Denn für das Vorliegen von Schutzversagungsgründen reicht es bereits aus, dass der Begriff zur Beschreibung der Ware geeignet erscheint (vgl. EuGH GRUR 2004, 473 Leitsatz 3 -Postkantoor). Für den nach § 50 Abs. 1 MarkenG maßgeblichen Zeitpunkt der Schutzerstreckung steht damit fest, dass es sich bei der angegriffenen Bezeichnung um einen die beanspruchten Waren ihrer Art nach glatt beschreibenden Fachbegriff im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG handelt. Für den nach § 50 Abs. 2 MarkenG ebenfalls zu berücksichtigenden Zeitpunkt der Entscheidung über den Schutzentziehungantrag kann nichts anderes gesagt werden. Soweit die Markeninhaberin im Einzelfall auf eine markenmäßige Verwendung von "BOI" mit dem Zusatz R im Kreis hinweist, führt dies nicht zum nachträglichen Wegfall des Schutzhindernisses. Jedenfalls sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, wonach sich die Bezeichnung "BOI" als Kennzeichnung für die von der Markeninhaberin beanspruchten Waren nachträglich im Verkehr durchgesetzt haben könnte. Diesbezüglich ist von der Markeninhaberin auch nichts vorgetragen worden.

Die angegriffene Marke konnte auch nicht im Umfang der hilfsweise vorgenommenen Beschränkung des Warenverzeichnisses Bestand haben. Die als Ausnahmevermerk formulierte Fassung ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zulässig, da sie vom Markenschutz lediglich diejenigen Merkmale der Waren (hier: basalosseointergrierte Implantate) ausnehmen will, für die ein Schutzhindernis besteht. Es fehlt somit an einer rechtlich relevanten weil anhand der Natur der Waren objektivierbaren Reduzierung des vorliegenden Warenverzeichnisses.

Die Beschwerde der Markeninhaberin war daher insgesamt zurückzuweisen.

Anhaltspunkte, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG), sind nicht ersichtlich.

Stoppel Schell Martens Me






BPatG:
Beschluss v. 11.11.2009
Az: 28 W (pat) 5/09


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