Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. September 2004
Aktenzeichen: IXa ZB 115/04

(BGH: Beschluss v. 24.09.2004, Az.: IXa ZB 115/04)

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 5. Mai 2004 aufgehoben.

Der Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Pfaffenhofen an der Ilm vom 27. Oktober 2003 wird in der Hauptforderung dahin geändert, daß die vom Gläubiger an die Schuldnerin zu erstattenden Kosten auf 1.036,80 € festgesetzt werden.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben.

Wert: 573,96 €

Gründe

I.

Der Gläubiger betreibt aus einem gegen die Schuldnerin erwirkten Titel die Zwangsvollstreckung wegen eines Betrages in Höhe von 15.318,30 € nebst Zinsen. Er ließ den Drittschuldnern durch den Gerichtsvollzieher vorläufige Zahlungsverbote zustellen; eine Pfändung der Forderungen der Schuldnerin wurde nachfolgend nicht bewirkt. Gegen die beiden Vorpfändungen gegenüber der Drittschuldnerin zu 1 legte die Schuldnerin mit Datum vom 10. Januar und 15. Januar 2003, gegen die Vorpfändung gegenüber der Drittschuldnerin zu 2 mit Datum vom 21. Januar 2003 Erinnerung ein. Weitere Vorpfändungen gegen die Drittschuldner erfolgten am 10. Februar 2003; dagegen wandte sich die Schuldnerin mit ihrer Erinnerung vom 24. Februar 2003. Das Amtsgericht erklärte die Zwangsvollstreckung für unzulässig und hob die vorläufigen Zahlungsverbote auf; die hiergegen gerichtete Beschwerde des Gläubigers wurde zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungsund des Beschwerdeverfahrens wurden jeweils dem Gläubiger auferlegt. Die Schuldnerin stellte für die Erinnerungen vom 10. Januar, 15. Januar und 21. Januar 2003 Kostenfestsetzungsanträge, in denen jeweils eine 3/10-Gebühr gemäß §§ 11, 57 Abs. 1 Satz 1 BRAGO geltend gemacht wurde. Daneben stellte sie einen Kostenfestsetzungsantrag für das Beschwerdeverfahren mit dem Ansatz einer 5/10-Gebühr gemäß §§ 61 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.

Das Amtsgericht hat den Kostenfestsetzungsanträgen in vollem Umfang entsprochen und die vom Gläubiger an die Schuldnerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.323,78 € festgesetzt. Die Beschwerde des Gläubigers ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat -unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln (Rpfleger 2001, 149) -ausgeführt:

In der Zwangsvollstreckung sei die Abgrenzung, ob es um eine oder mehrere Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne gehe, gemäß § 58 Abs. 1 BRAGO nach der Anzahl der Vollstreckungsmaßnahmen vorzunehmen; diese Bestimmung sei gegenüber § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO vorrangig. Der Rechtsanwalt erhalte die Gebühr auch dann mehrmals, wenn er aufgrund eines einheitlichen Auftrages tätig werde, in dessen Erfüllung jedoch zur Einleitung der Zwangsvollstreckung mehrere Anträge stelle oder -wie hier -mehrere Vorpfändungen veranlasse. Dem stehe nicht entgegen, daß die Erinnerungen gegen die einzelnen Vorpfändungen zu einem Erinnerungsverfahren und später zu einem einheitlichen Beschwerdeverfahren zusammengeführt worden seien. Dem sei bereits dadurch Rechnung getragen, daß im Kostenfestsetzungsbeschluß für das Beschwerdeverfahren nur eine einheitliche 5/10-Gebühr in Ansatz gebracht werde.

Die Rechtsbeschwerde hält dem entgegen, es sei ausschließlich auf den dem Rechtsanwalt erteilten Auftrag abzustellen. Liege mehreren Vorpfändungen gegenüber verschiedenen Drittschuldnern ein einheitlicher Auftrag zugrunde, handele es sich um eine einheitliche Angelegenheit, die auch nur eine Gebühr nach § 57 Abs. 1 BRAGO auslöse.

2. Beide Standpunkte berücksichtigen nicht hinreichend, daß für die vom Gläubiger angegriffene Kostenfestsetzung allein zu prüfen ist, welche anwaltlichen Gebühren zugunsten des Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin angefallen sind, der für diese die Erinnerungen geführt hat. Ob die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers auf einem einheitlichen -und umfassenden -Vollstreckungsauftrag beruht und er deshalb gebührenrechtlich nur in einer Angelegenheit tätig geworden ist, ist für das vorliegende Verfahren von nachgeordneter Bedeutung; einer Zulassung der Rechtsbeschwerde hätte es unter diesem Gesichtspunkt nicht bedurft.

a) Dem Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin steht die Gebühr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zu, weil er diese in der Zwangsvollstreckung vertreten hat. Durch die 3/10-Gebühr wird seine gesamte Tätigkeit abgegolten, sofern sie die gleiche Angelegenheit betrifft (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Aufl., § 57 Rn. 24, 28). Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, beurteilt sich nach § 58 Abs. 1 BRAGO. In der Zwangsvollstreckung gilt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch sie vorbereiteten Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine Angelegenheit. Dazu hat der Senat entschieden, daß grundsätzlich die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluß der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit bilden. Dabei stehen die Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen (Senatsbeschluß vom 12. Dezember 2003 -IXa ZB 234/03, Rpfleger 2004, 250 unter II 3).

b) Für die gegenüber der Drittschuldnerin zu 1 ausgebrachten beiden Vorpfändungen ist ein solcher innerer Zusammenhang zu bejahen. Die Benachrichtigung der Drittschuldnerin durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 845 Abs. 1 ZPO ist nur deshalb wiederholt worden, weil der Gläubiger nicht binnen eines Monats die Pfändung der Forderung erreicht hatte, so daß der ersten Vorpfändung nicht die Wirkung eines Arrestes zukommen konnte (§ 845 Abs. 2 ZPO). In der zweiten Pfändungsankündigung war daher lediglich die Fortsetzung der einmal begonnenen Vollstreckungsmaßnahme zu sehen. Sie hatte unverändert zum Ziel, den zwangsweisen Zugriff auf eine bestimmte Forderung der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin vorzubereiten, um daraus wegen des titulierten Anspruchs Befriedigung zu suchen.

Anders verhält es sich mit der Pfändungsankündigung, die gegenüber dem Drittschuldner zu 2 erfolgt ist. Sie beinhaltet eine eigenständige Vollstreckungmaßnahme, mit der die Pfändung einer weiteren Forderung der Schuldnerin gegenüber einem anderen Drittschuldner vorbereitet worden ist. Der erforderliche innere Zusammenhang fehlt, was sich schon daran zeigt, daß beide Vollstreckungsmaßnahmen unabhängig voneinander zur Befriedigung des Gläubigers hätten führen können.

c) Zu der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahme gehört auf seiten des Schuldners die Erinnerung, mit der er sich gemäß § 766 ZPO gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung wendet (vgl. Riedel/Sußbauer/ Fraunholz/Keller/Schneider, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 8. Aufl., § 58 Rn. 12). Wird die Erinnerung wiederholt eingelegt, hat sie aber eine Vollstreckungshandlung zum Gegenstand, die als Teil derselben Vollstreckungsmaßnahme im Sinne des § 58 Abs. 1 BRAGO anzusehen ist, kann der Verfahrensbevollmächtigte daraus keinen zusätzlichen Gebührentatbestand ableiten. Er hat die Gebühr erst dann mehrfach verdient, wenn der für den Schuldner eingelegte Rechtsbehelf eine anderweitige Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers betrifft. Das läßt sich zusätzlich aus § 61 BRAGO begründen. Für die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung und gegen den Kostenansatz ist in § 61 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO eine besondere 5/10-Gebühr vorgesehen; auch diese fällt jedoch nach § 61 Abs. 2 BRAGO in derselben Angelegenheit nur einmal an.

Die vom Gläubiger an die Schuldnerin zu erstattenden Kosten sind demnach dahin festzusetzen, daß neben der 5/10-Gebühr für das Beschwerdeverfahren die 3/10-Gebühr des § 57 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zweifach in Ansatz zu bringen ist, und zwar für die Erinnerungen vom 10. Januar und 15. Januar 2003 einerseits und für die Erinnerung vom 21. Januar 2003 andererseits.

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Beschluss v. 24.09.2004
Az: IXa ZB 115/04


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