Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. August 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 320/03

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 22. Juni 2001 beim deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Verfahren und eine Vorrichtung zum Erkennen von krankhaften Veränderungen wie Karies, Plaque, Konkrementen oder bakteriellem Befall an einer Gewebeoberfläche, insbesondere an Zähnen" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 6. Februar 2003 erfolgt.

Gegen das Patent ist Einspruch wegen mangelnder Patentfähigkeit erhoben worden.

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent im Rahmen eines in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neuen Vorrichtungsanspruchs 1 und daran angepasster Unteransprüche 2 bis 18. Der Patentanspruch 1 (Merkmalsgliederung hinzugefügt) lautet:

M1 Vorrichtung zum Erkennen von krankhaften Veränderungen wie Karies, Plaque, Konkrementen oder bakteriellem Befall an einer Gewebeoberfläche, insbesondere an Zähnen, M2 mit einer Einrichtung zur Erzeugung einer Anregungsstrahlung, welche mit Hilfe eines M3 zahnärztlichen Handstücks (23) auf eine zu untersuchende Gewebeoberfläche (16) gerichtet ist, M4 und mit Mitteln zur Übertragung von aus einer Quelle (3) austretender Anregungsstrahlung zu der zu bestrahlenden Gewebeoberfläche und M5 Mitteln (8) zum Erfassen einer an der bestrahlten Gewebeoberfläche angeregten Fluoreszenzstrahlung, und welche weiterhin M6 Mittel (6) zum Erfassen einer an der bestrahlten Gewebeoberfläche (16) mit der Wellenlänge der Anregungsstrahlung rückgestreuten Reflexionsstrahlung umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass M7 Korrekturmittel zur Anpassung (Normierung) des am Zahn durch die Anregungsstrahlung hervorgerufenen Teilbereichs der Fluoreszenzstrahlung unter Verwendung eines durch die Anregungsstrahlung hervorgerufenen Teilbereichs der Reflexionsstrahlung vorgesehen sind, M8 dass die Anregung der zu untersuchenden Oberfläche mit Strahlung eines ersten Bereiches des Strahlungsspektrums erfolgt und M9 dass über Mittel (6,8) die Erfassung der von der Gewebeoberfläche (16) ausgehenden Strahlung in mindestens zwei überschneidungsfreien Teilbereichen des Strahlungsspektrums erfolgt, M10 wobei einer der Teilbereiche für die Auswertung der Teilbereich der Anregungsstrahlung oder ein weiter eingeschränkter Teilbereich hiervon ist.

Bezüglich der rückbezogenen Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Anmeldung liegt das Problem zugrunde, dass eine Änderung der optischen Eigenschaften der Vorrichtung die Messwerte verändert und eine Kalibrierung der Vorrichtung erfordert (siehe Patentschrift Absatz [004]). Die Änderungen der optischen Eigenschaften können sich durch Alterung des Handstücks, Streuungen der Parameter gleichartiger Handstücke und Einsatz unterschiedlicher Handstücke ergeben. Gemäß der Patentschrift tritt auch das Problem auf (siehe Absatz [0006]), dass Teile des sichtbaren Spektrums durch Blut absorbiert werden können und dadurch eine Befundung unmöglich wird.

Zur Begründung des Einspruchs hat die Einsprechende ua auf folgende Druckschrift verwiesen:

D2 DE 42 00 741 A1 Hierzu führt die Einsprechende im Wesentlichen aus, dass bei der aus der Druckschrift D2 bekannten Vorrichtung alle Merkmale des Patentgegenstandes bis auf eine unterschiedliche Wellenlänge für die Strahlung zur Normierung der Fluoreszenzstrahlung, bekannt seien. Dieses Unterscheidungsmerkmal könne die Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes jedoch nicht begründen.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentanspruch 1 mit daran angepassten Unteransprüchen 2 bis 18, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung.

Die Patentinhaberin hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für neu und erfinderisch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Gemäß § 147 Abs 3 PatG hat über den vorliegenden Einspruch der technische Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt, so dass der Patentinhaber und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können.

Der Einspruch hat auch Erfolg, denn der Gegenstand des Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist deshalb nicht patentfähig (§§ 1, 4 PatG). Das Patent war daher zu widerrufen (§ 61 Abs 1, § 21 Abs 1 Nr 1 PatG).

Aus der Druckschrift D2 (siehe insbesondere die Fig 2 und 4 bis 6 mit zugehöriger Beschreibung) ist eine

(M1=) Vorrichtung zum Erkennen von krankhaften Veränderungen wie Karies an Zähnen bekannt (siehe Titel),

(M2=) mit einer Einrichtung 12 zur Erzeugung einer Anregungsstrahlung, welche mit Hilfe eines

(M3=) zahnärztlichen Handstücks (siehe Spalte 1, Zeile 54 bis 57) auf eine zu untersuchende Gewebeoberfläche (Zahn 20) gerichtet ist,

(M4=) und mit Mitteln 16 zur Übertragung von aus einer Quelle 12 austretender Anregungsstrahlung zu der zu bestrahlenden Gewebeoberfläche 20 und

(M5=) Mitteln zum Erfassen einer an der bestrahlten Gewebeoberfläche angeregten Fluoreszenzstrahlung (siehe Fig 6, Detektor 48 mit Filter 24 für Wellenlänge um 636 nm (Spalte 5, Zeile 25), Signal S1), und welche weiterhin

(M6­) Mittel zum Erfassen einer an der bestrahlten Gewebeoberfläche angeregten Fluoreszenzstrahlung mit einer anderen Wellenlänge umfasst (siehe Fig 6, Detektor 58 mit Filter 46 für Wellenlänge um 550nm (Spalte 5, Zeile 26), Signal S2), dadurch gekennzeichnet, dass

(M7­) Korrekturmittel 52 (siehe Spalte 5, Zeilen 36 bis 45) zur Anpassung des am Zahn durch die Anregungsstrahlung hervorgerufenen Teilbereichs der Fluoreszenzstrahlung (Signal S1) unter Verwendung eines durch die Anregungsstrahlung hervorgerufenen anderen Teilbereichs der Fluoreszenzstrahlung (Signal S2) vorgesehen sind,

(M8=) dass die Anregung der zu untersuchenden Oberfläche mit Strahlung eines ersten Bereiches des Strahlungsspektrums erfolgt (406nm gemäß Fig 4) und

(M9=) dass über Mittel 48, 58 die Erfassung der von der Gewebeoberfläche ausgehenden Strahlung in zwei überschneidungsfreien Teilbereichen des Strahlungsspektrums erfolgt (636nm und 550nm),

(M10­) wobei die Teilbereiche für die Auswertung Teilbereiche der Fluoreszenzstrahlung sind (siehe Fig 4).

Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist bei der Vorrichtung gemäß der Druckschrift D2 der zur Anpassung bzw Normierung der gemessenen Fluoreszenzstrahlung verwendete Teilbereich der Strahlung nicht ein Teilbereich der von der Anregungsstrahlung hervorgerufenen Reflexionsstrahlung, sondern ein weiterer, unterschiedlicher Teilbereich der durch die Anregungsstrahlung hervorgerufenen Fluoreszenzstrahlung (vgl Merkmalsgruppe M6, M7 und M10).

Fachmann ist in diesem Fall ein mit der Spektroskopie vertrauter Dipl.-Physiker, der bei der Entwicklung von medizinischen Geräten mit den entsprechenden Medizinern, insbesondere Zahnmedizinern zusammen arbeitet.

Aus der Druckschrift D2 ist bekannt, dass die Anpassung bzw Normierung der gemessenen Fluoreszenzstrahlung durch die Quotientenbildung mit dem Quotientenbildner 52 den Vorteil bringt, das Ergebnis unabhängig von der Intensität der eingestrahlten Strahlung zu machen. Als Ursachen für Intensitätsschwankungen werden zB Alterung der Strahlenquelle oder Stromversorgungsschwankungen genannt (siehe D2, Spalte 3, Zeilen 29 bis 37). Dem Fachmann ist daher aus der Druckschrift D2 zur Lösung des in der Patentschrift genannten Problems bekannt, unterschiedliche Teilbereiche der zurückgestreuten Strahlung zur Normierung heranzuziehen (siehe D2, Spalte 3, Zeilen 3 bis 13). Neben dem in Fig 4 beschriebenen Beispiel ist aus der Druckschrift D2 auch bekannt, diese unterschiedlichen Spektralbereiche aus den Wellenlängenbereich 620 bis 720nm und aus dem Wellenlängenbereich 540 bis 560nm zu wählen (siehe D2, Spalte 3, Zeile 14 bis 28). Gemäß der Druckschrift D2 wird die Strahlung im Bereich 540 bis 560 als Referenz für die Intensität der eingestrahlten Strahlung verwendet (siehe D2, Spalte 3, Zeilen 24 bis 26 und 29 bis 31). In der Druckschrift D2 werden auch Ausführungsbeispiele beschrieben, bei denen die Quelle Anregungsstrahlung im Wellenlängenbereich von 470 bis 580nm aussendet (siehe D2, Patentanspruch 3). Bei einem ausgewählten Wellenlängenbereich von 540 bis 560nm für die Referenzstrahlung umfasst diese somit bei einer Anregungsstrahlung bis 580nm auch einen Teilbereich der Anregungsstrahlung und damit auch der durch die Anregungsstrahlung hervorgerufenen Reflexionsstrahlung gemäß den Merkmalsgruppen M6, M7 und M10. Für den Fachmann ist es daher naheliegend, zur Normierung auf die eingestrahlte Intensität ebenfalls eine Referenzstrahlung aus dem Wellenlängenbereich der Anregungsstrahlung zu verwenden.

Der Senat ist im Übrigen der Auffassung, dass es für einen Fachmann aufgrund seiner Kenntnisse bei der Auswertung von spektroskopischen Messungen zum fachmännischen Handeln gehört, zur Gewinnung von quantitativen Ergebnissen immer eine Kalibrierung der Messung auf die eingestrahlte Intensität vorzunehmen. Zur Ausschaltung von Schwankungen der Intensität einer Lichtquelle ist eine Messung der Intensität der eingestrahlten Strahlung unumgänglich. Diese Kalibrierung wird der Fachmann dann auch bei der Auswertung von Teilbereichen eines Spektrums, wie zB besonderen Spektrallinien, ebenfalls anwenden.

Die Unteransprüche 2 bis 18 fallen mit dem Hauptanspruch (vgl hierzu BGH GRUR 2002, 143, 146 - "Suche fehlerhafter Zeichenhalter").

Dr. Häußler Engels Dr. Maksymiw Dr. Morawek Pr






BPatG:
Beschluss v. 04.08.2005
Az: 21 W (pat) 320/03


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