Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 8. Juli 2005
Aktenzeichen: 10 TaBV 71/05

(LAG Hamm: Beschluss v. 08.07.2005, Az.: 10 TaBV 71/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 14.03.2005 - 3 BV 63/04 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 12.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

In dem zugrunde liegenden Beschlussverfahren hat der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Unterlassung des Einsatzes von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern außerhalb des Dienstplans verlangt.

Durch Vergleich vom 11.01.2005 hat der Arbeitgeber das Begehren des Betriebsrats anerkannt.

Auf Antrag des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 14.03.2005 den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 8.000,00 € festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die am 12.04.2005 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist begründet. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit war auf 12.000,00 € festzusetzen.

Die Wertfestsetzung für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG stellt - wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO - eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund der Bewertung stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 194, 441 ff.).

Bei der vom Betriebsrat begehrten Unterlassung handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nicht vermögensrechtlicher Natur (Wenzel, a.a.O., Rz. 445). Das gilt auch und gerade dann, wenn vom Arbeitgeber die Unterlassung bestimmter Handlungen verlangt wird und der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG geltend macht. Um ein fallübergreifendes System zu erhalten, welches im Hinblick auf die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit im Beschlussverfahren adäquate Abstufungen zulässt und damit erlaubt, dem Einzelfall gerecht zu werden, kann für die Ausfüllung des Ermessensrahmens des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Arbeitgeber bzw. für die Belegschaft aber nicht unberücksichtigt bleiben. Dabei ist allerdings auch der Grundtendenz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu entsprechen, die Kosten zu begrenzen (Wenzel, a.a.O. Rz. 444).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hält es die Beschwerdekammer für falladäquat, den Gegenstandswert vorliegend auf den dreifachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG festzusetzen. Maßgebend dafür war die Bedeutung der Angelegenheit für den antragstellenden Betriebsrat sowie für die Belegschaft des Arbeitgebers. Der doppelte Regelwert, wie ihn das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss festgesetzt hat, wird der Bedeutung der Angelegenheit nicht gerecht. Dies ergibt sich daraus, dass der Betriebsrat bereits in der Antragsschrift zahlreiche Verstöße des Arbeitgebers gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG aus dem Zeitraum von Oktober/November 2004 im Einzelnen aufgelistet hat. Hiervon waren allein 22 Mitarbeiterinnen des Arbeitgebers, der insgesamt 73 Mitarbeiter beschäftigt, betroffen. Die darin zum Ausdruck kommende Hartnäckigkeit des arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens hat das Interesse des Betriebsrats an einer von ihm in erster Linie erstrebten Unterlassungsentscheidung über das normale Maß hinaus erheblich gesteigert. Gerade bei hartnäckigen Verstößen gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt dem Beschlussverfahren, das auf eine Unterlassung gerichtet ist, eine gesteigerte Bedeutung zu, was zu einer Vervielfältigung des Ausgangswerts führen kann (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.1989 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 13; Wenzel, a.a.O., Rz. 492 m.w.N.). Auch in ähnlich gelagerten Verfahren hat die Beschwerdekammer den Gegenstandswert mit dem dreifachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bemessen.

Schierbaum /N






LAG Hamm:
Beschluss v. 08.07.2005
Az: 10 TaBV 71/05


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