Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Mai 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 126/02

(BPatG: Beschluss v. 20.05.2003, Az.: 27 W (pat) 126/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortmarke DECISOR für

"Wissenschaftliche, Schiffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, elektrische und elektronische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten), insbesondere elektrische und elektronische Apparate und Instrumente für Kraftfahrzeuge, einschließlich Mikroprozessoren und elektronische Schaltungsanordnungen zur Kontrolle, Regulierung, Überwachung, Steuerung und Anzeige der Funktion und des Betriebszustandes von Motoren, Getrieben, Kraftübertragungsaggregaten, Lenkungen, Zündanlagen, Heizungen, Ventilatoren, Klimaanlagen, Turboladeranlagen, Öldurchfluß, Kraftstoff, Kraftstoffpumpen, Flüssigkeitsständen, Lüftern; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser; Kraftfahrzeuge und Teile für Kraftfahrzeuge"

ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke PRECISOR eingetragen unter der Nr 344 473 für

"Servomechanismen; pneumatische Servomechanismen; Positionier-Servomechanismen; pneumatische Positionier-Servomechanismen; Teile und Bestandteile für die vorstehend genannten Waren".

Darüber hinaus hatte die Widersprechende auch Widerspruch eingelegt aus ihrer unter der Nr 396 33 477 für "Pneumatische Ventil-Stellglieder" eingetragenen prioritätsälteren Wortmarke "PRECISOR".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen vom 20. Juli 2000 und 26. März 2002, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Widersprüche zurückgewiesen. Trotz teilweiser Warenähnlichkeit halte die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zu den Widerspruchsmarken ein, weil die Vergleichsmarken trotz der übereinstimmenden Buchstabenfolge "E-C-I-S-O-R" durch die Abweichungen am Wortanfang so deutlich voneinander abwichen, dass sie im Gesamteindruck letztlich prägnant voneinander zu unterscheiden seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sie nur noch auf die Gemeinschaftsmarke 344 473 stützt und mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Die jeweils beanspruchten Waren seien ähnlich. Die beiden Marken seien klanglich und schriftbildlich verwechselbar. In klanglicher Hinsicht seien die identische Silbenzahl und Vokalfolge "E-I-O" zu berücksichtigen; die Unterschiede am Wortanfang seien nicht ausschlaggebend, da bei beiden Marken nicht der Wortanfang, sondern der mittlere Vokal "I" betont werde. Für eine schriftbildliche Ähnlichkeit spreche die nahezu gleiche Wortlänge und der Umstand, dass bei flüchtiger Betrachtung die Buchstabenfolge "Pr" in der Widerspruchsmarke wie der Anfangsbuchtstabe "D" in der angegriffenen Marke wahrgenommen werden könne.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken im Sinne des §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG verneint hat.

Inwieweit die jeweils beanspruchten Waren ähnlich sind, kann letztlich auf sich beruhen, da die jüngere Marke selbst bei unterstellter hoher Warenähnlichkeit oder teilweise sogar Warenidentität und Annahme normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu dieser den erforderlichen Abstand noch einhält. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, daß sich die Waren der Widerspruchsmarke - anders als in den von der Widersprechenden zitierten Fällen "Erotex" (BGH GRUR 1974, 30), "Prodont" (BGH GRUR 1982, 611) und "Sana Schosana" (BGH GRUR 1993, 972) - ausschließlich an spezialisierte aufmerksame Fachkreise wenden, wie insbesondere KFZ-Industrie und KFZ-Reparaturwerkstätten. Das in der Industrie mit Bestellvorgängen befaßte geschulte kaufmännische Personal begegnet den Warenkennzeichen in der Regel mit erhöhter Sorgfalt, um Falschlieferungen zu vermeiden. Dasselbe gilt für KFZ-Meister und KFZ-Mechaniker, die über die Produkte ihres Fachbereichs normalerweise gut informiert sind und genau darauf achten, was sie bestellen. Die Gefahr, daß die Marken beim mündlichen, insbesondere telefonischen Erwerb oder bei der Wiedergabe auf Fachmessen schnell und undeutlich gesprochen oder bei der optischen Wahrnehmung nur oberflächlich wahrgenommen werden, ist daher von Haus aus erheblich reduziert. In Anbetracht dieses verwechslungsmindernden Faktors ist nicht zu befürchten, daß es in einem noch relevanten Umfang zu klanglichen oder schriftbildlichen Verwechslungen der Marken kommt.

In klanglicher Hinsicht stimmen beide Markenworte zwar hinsichtlich der Buchstabenfolge "E-S-I-S-O-R" überein. Diese Übereinstimmung allein kann eine Verwechselbarkeit der Vergleichsmarken jedoch nicht begründen. Denn der klangliche Gesamteindruck, auf den allein abzustellen ist (vgl BGH GRUR 1976, 356, 357 - Boxin), wird maßgeblich auch durch die Wortanfänge bestimmt, welche die angesprochenen Verkehrskreise erfahrungsgemäß stärker als die übrigen Wortbestandteile beachten (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal). Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass beide Marken, wie die Widersprechende geltend macht, nicht auf der ersten, sondern auf der zweiten Silbe betont werden, auch wenn dies nicht zwingend ist, sofern man - wie die Widersprechende meint - beide Marken trotz ihrer deutlichen begrifflichen Anklänge an die geläufigen Begriffe "Präzision" und "Dezision" bzw "decision" als Phantasiebegriffe ansieht, weil bei diesen die Betonung in der Regel nicht eindeutig bestimmbar ist (vgl Fezer, Markengesetz, 3. Aufl, § 14 Rn 184). Auf den Erfahrungssatz, dass die üblicherweise stärker beachteten unterschiedlichen Wortanfänge eine Verwechselbarkeit nicht ausschließen, sofern sie nicht betont werden (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 Rn 97 a.E.; Heidelberger Kommentar-Wüst, Markengesetz, § 9 Rn 96; v. Schultz, aaO, Rn 76; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn 328), kann sich die Widersprechende nicht berufen, da es sich hierbei um keine Annahme handelt, die uneingeschränkt gilt und schematisch ohne Rücksicht auf den jeweiligen Einzelfall anzuwenden wäre (vgl v Schultz, MarkenG, 2002, § 14 Rn 75). Im hier in Rede stehenden Fall werden die unbetonten Präfixe "PRE-" bzw "DE-" jedenfalls nicht unbeachtet bleiben. Denn zum einen tragen auch unbetonte Wortteile wesentlich zur begrifflichen Einheit eines Wortes und zu seinem klanglichen Gesamteindruck bei. Und zum anderen sind die beiden übereinstimmenden letzten Silben "-cisor" für sich genommen wenig aussagekräftig, weil es sich bei ihnen um einen für latinisierte Fremdworte typischen Wortteil handelt, der sich etwa auch bei den geläufigen Begriffen "Präszion" und "Dezision" bzw "decision", an welche beide Marken stark erinnern, anzutreffen ist. Wie bei diesen wird der Sinngehalt des Gesamtwortes aber erst durch die jeweils abweichenden Vorsilben erkennbar, auch wenn sie selbst unbetont bleiben.

Selbst wenn der Buchstabe "R" in der Widerspruchsmarke als eher klangschwach erscheinen mag, wird der Wortanfang dieses Zeichens doch von dem klangstarken Lippenlaut "P" geprägt, der für den in der Regel aufmerksamen Verkehr deutlich wahrnehmbar von dem Zungenlaut "D" abweicht. Selbst bei eher ungünstigen Übertragungsbedingungen, die auf dem einschlägigen speziellen technischen Fachgebiet ohnehin eine untergeordnete Rolle spielen dürften, werden die angesprochenen Verkehrskreise daher beide Marken noch deutlich unterscheiden können.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht sind Verwechslungen nicht anzunehmen. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist nämlich auszuschließen, dass maßgebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise die beiden ersten Buchstaben "PR" der Widerspruchsmarke, selbst wenn diese mit Ausnahme des Anfangsbuchstabens in Kleinschrift wiedergegeben werden, wie den Anfangsbuchstaben "D" in der jüngeren Marke lesen werden. Selbst bei etwaigen ungünstigen Wiedergabebedingungen liegt ein solches Verlesen der beiden Buchstaben eher fern.

Anhaltspunkte für eine begriffliche Verwechselbarkeit bestehen ebenso wenig wie für eine assoziative Verwechslungsgefahr.

Da die Markenstelle somit zu Recht den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 344 473 zurückgewiesen hat, war die hiergegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen; Gründe, hiervon abzuweichen, bestehen nicht.

Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 20.05.2003
Az: 27 W (pat) 126/02


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