Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 32/98

(BPatG: Beschluss v. 01.02.2001, Az.: 17 W (pat) 32/98)

Tenor

Die Beschwerde der Patentinhaber wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Erteilung des vorliegenden Patents 43 08 796 mit der Bezeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zur Überwachung und Diagnose schwingungserregter Bauteile"

wurden zwei Einsprüche erhoben.

Die Patentabteilung 51 des Deutschen Patentamts hat das Patent nach Prüfung der Einsprüche durch Beschluß vom 5. Februar 1998 mit der Begründung widerrufen, daß der Gegenstand des Patents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Beschwerde der Patentinhaber.

Die Patentinhaber verfolgen ihr Patent weiter auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2000 als Hilfsantrag 2 überreichten Patentansprüche 1 und 3 (Hauptantrag) , hilfsweise mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2001 überreichten Patentanspruch 1.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung zur Überwachung und Diagnose schwingungserregter Bauteile mit einem Schwingungsaufnehmer, einem diesem nachgeschalteten Verstärker und einer dem Verstärker nachgeschalteten Einrichtung zur Filterung und Demodulierung des aufgenommenen Schwingungssignals des jeweiligen schwingungserregten Bauteils sowie mit einem der Einrichtung zur Filterung und Demodulierung nachgeschalteten Frequenzanalysator, dadurch gekennzeichnet, daß

der Schwingungsaufnehmer von einem Klopfsensor mit im unter 12 kHz liegenden überwachten Frequenzbereich nichtlinearer Frequenzkennlinie gebildet ist und daß die Einrichtung zur Filterung und Demodulierung wenigstens einen dem Verstärker nachgeschalteten Gleichrichter zur Hüllkurvenbildung und einen weiteren Filter aufweist."

Der Patentanspruch 3 gemäß dem Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Überwachung und Diagnose mit einer Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, bei welchem das Schwingungssignal des jeweiligen schwingungserregten Bauteils zeitabhängig von einem Schwingungsaufnehmer aufgenommen wird, wobei anschließend dieses Schwingungssignal verstärkt und einer Filterung unterzogen, nachfolgend demoduliert und anschließend das demodulierte Signal von einem Frequenzanalysator vom Zeitbereich in den Frequenzbereich transformiert und ausgewertet wird, dadurch gekennzeichnet, daß

das Schwingungssignal von einem Klopfsensor mit im unter 12 kHz liegenden überwachten Frequenzbereich nichtlinearer Frequenzkennlinie aufgenommen und zur Hüllkurvenbildung gleichgerichtet wird, das demodulierte Schwingungssignal zur Eliminierung bauteilungsspezifischer Frequenzbereiche einer weiteren Filterung unterzogen und zur Signalauswertung im Frequenzspektrum eine Leistungsbestimmung durchgeführt wird."

Der Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag lautet:

"Verwendung eines als Klopfsensor ausgebildeten Schwingungsaufnehmers mit nichtlinearer Frequenzkennlinie im unter 12 KHz liegenden überwachten Frequenzbereich, an den ein Verstärker und eine diesem nachgeschaltete Einrichtung zur Filterung und Demodulierung des aufgenommenen Schwingungssignals und ein dieser nachgeschalteter Frequenzanalysator angeschlossen sind, wobei die Einrichtung zur Filterung und Demodulierung wenigstens einen dem Verstärker nachgeschalteten Gleichrichter zur Hüllkurvenbildung und einen Bandpaßfilter umfaßt, zur Wälzlager-Schadensdiagnose an Maschinen mit rotierenden Bauteilen, bei welcher zur Signalauswertung in bauteilspezifischen Frequenzbereichen eine Leistungsbestimmung sowie eine Vergleich daraus gewonnener Kennwerte mit Referenzgrößen im Zeit- oder Frequenzbereich durchgeführt wird."

Die Patentinhaber vertreten die Auffassung, daß zum Anmeldetag des vorliegenden Patents die Verwendung von in der Kraftfahrzeugtechnik zur Detektion von Klopfvorgängen bei Verbrennungsmotoren benutzten Klopfsensoren als Schwingungsaufnehmer für die Überwachung und Diagnose von schwingungserregten Bauteilen nicht nahegelegen habe. Derartige Klopfsensoren hätten nämlich einen nichtlinearen Frequenzgang und seien daher vom Fachmann als nicht geeignet angesehen worden zur Auswertung eines Frequenzspektrums, wie sie zur Diagnose von fehlerhaften Zuständen bei Bauteilen erforderlich sei.

Die Patentinhaber beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent 43 08 796 mit den in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2000 als Hilfsantrag 2 überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2001 überreichten Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, noch anzupassende Beschreibung und Figuren gemäß Patentschrift DE 43 08 796 C2.

Die Einsprechenden 1 und 2 stellen den Antrag, die Beschwerde mit dem Hauptantrag zurückzuweisen und hilfsweise, wenn dem Hilfsantrag der Patentinhaberin stattgegeben werden sollte, die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Sie vertreten die Ansicht, daß sowohl die Vorrichtung und das Verfahren zur Überwachung und Diagnose nach dem Hauptantrag als auch die Verwendung eines Klopfsensors zur Wälzlager-Schadensdiagnose nach dem Hilfsantrag nicht neu, jedenfalls aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

Daß zur Überwachung und Diagnose von schwingungserregten Bauteilen, auch von Wälzlagern, Schwingungsaufnehmer mit nachgeschaltetem Verstärker, Gleichrichter, Filter und Frequenzanalysator Verwendung fänden, sei bereits aus der Patentschrift DD 209 690 bekannt. Daneben bestehe kein technologischer Unterschied zwischen einem Klopfsensor und einem Schwingungsaufnehmer. Beide arbeiteten nach demselben piezoelektrischen Prinzip. Die Bezeichnung "Klopfsensor" kennzeichne lediglich das Einsatzgebiet, die Klopferkennung bei Verbrennungsmotoren. Dies sei dem Fachmann bekannt, sei aber beispielsweise auch aus der DE 40 24 339 A1 entnehmbar. Dort sei ein allgemein verwendbarer Beschleunigungsdetektor beschrieben, für den als ein Einsatzgebiet die Erkennung von Klopfvorgängen bei Verbrennungsmotoren genannt sei. Diese Druckschrift widerlege auch das Argument der Patentinhaber, daß Klopfsensoren einen nichtlinearen Frequenzgang aufwiesen, denn der dort beschriebene Beschleunigungsdetektor solle ein konstantes Ausgangssignal über den zu messenden Frequenzbereich haben.

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde der Patentinhaber ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patents weder nach Haupt- noch nach Hilfsantrag auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§§ 1, 4, 21 Abs 1 Nr 1 PatG).

Zum Hauptantrag:

Die Fassung der Patentansprüche 1 und 3 gemäß dem Hauptantrag ist zulässig.

Sie unterscheidet sich von den erteilten Patentansprüchen dadurch, daß der vom Schwingungsaufnehmer zu überwachende Frequenzbereich auf den Bereich unter 12 kHz eingeschränkt ist. Eine solche Einschränkung des Frequenzbereichs entnimmt der Fachmann der Figur 2 der Patentschrift, aus der sich ergibt, daß der auszuwertende Frequenzbereich unter diesem Wert liegt.

Die Vorrichtung zur Überwachung und Diagnose schwingungserregter Bauteile nach dem Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Patentschrift DD 209 690 ist eine Vorrichtung zur Analyse von Impulsfolgen zur Diagnose an Bauteilen von Maschinen und insbesondere Wälzlagern beschrieben (vgl Abs 1 der Beschreibung). Diese bekannte Vorrichtung weist in Übereinstimmung mit dem Patentanspruch 1 einen Schwingungsaufnehmer (1) auf, dem ein Verstärker (2), eine Einrichtung zur Filterung und Demodulierung (6, 3) des aufgenommenen Schwingungssignals sowie ein Frequenzanalysator (4) nachgeschaltet sind. Dabei weist die Einrichtung zur Filterung und Demodulierung wenigstens einen Gleichrichter zur Hüllkurvenbildung (3) und einen weiteren Filter (7) auf (vgl insb Patentanspruch 1 und Fig 1). Ein fehlerhaftes Bauteil wird durch Auswertung des von dem Frequenzanalysator dargestellten Frequenzspektrums erkannt. Diese Art der Auswertung soll wesentlich genauere Rückschlüsse auf den Ort und den Grad der Schädigung erlauben als eine einfache Amplitudenmessung (vgl S 2 maschinenschriftlich, vorletzter Abs). Aus dieser Textstelle schließt der Fachmann, ein auf dem Gebiet der elektrischen Meßtechnik tätiger Ingenieur mit praktischer Erfahrung in der Messung mechanischer Größen, daß es bei der vorgeschlagenen Methode zur Diagnose schwingungserregter Bauteile im wesentlichen auf die auftretende Frequenz der Schwingung und nicht auf die exakte Wiedergabe ihrer Amplitude ankommt. Bei der Wahl eines geeigneten Schwingungsaufnehmers wird der Fachmann deshalb auch solche in Betracht ziehen, die einen weniger linearen Frequenzgang aufweisen und daher auch den Einsatz von Klopfsensoren erwägen.

Die Patentinhaber führen hiergegen an, daß die Fachwelt Klopfsensoren wegen ihres wenig linearen Frequenzgangs als nicht brauchbar angesehen habe zur Überwachung und Diagnose von schwingungserregten Bauteilen.

Dieses Argument vermag nicht durchzugreifen. Wie dargelegt, spricht hiergegen schon, daß bei der gewählten und bereits in der Patentschrift DD 209 690 beschriebenen Methode der Diagnose vor allem das Frequenzspektrum und nicht so sehr die durch Nichtlinearitäten des Schwingungsaufnehmers beeinflußten Amplitudenwerte von Bedeutung sind. Gegen die Auffassung der Patentinhaber spricht weiter, daß Klopfsensoren vor dem Anmeldetag des vorliegenden Patents durchaus nicht einen derart nichtlinearen Frequenzgang aufwiesen, daß ihr Einsatz bei der Diagnose von schwingungserregten Bauteilen als abwegig anzusehen war. In der DE 40 24 339 A1 ist ein Schwingungsaufnehmer (Beschleunigungsdetektor) offenbart, mit dem insbesondere das Klopfen einer Brennkraftmaschine festgestellt werden soll. Dieser Schwingungsaufnehmer liefert ein Ausgangssignal, das über den zu messenden Schwingungsfrequenzbereich, jedenfalls im Bereich unter ca 12 kHz, im wesentlichen konstant ist (vgl Sp 4, Z 62 - Sp 5, Z 15 iVm Figur 3 der DE 40 24 339 A1).

Nachdem die Patentinhaber nicht darlegen konnten, daß sich Klopfsensoren in technologischer Hinsicht wesentlich von anderen Schwingungsaufnehmern unterscheiden, war davon auszugehen, daß für den Fachmann kein Hindernis erkennbar war, das gegen den Einsatz eines Klopfsensors bei der bekannten Vorrichtung zur Überwachung und Diagnose von schwingungserregten Bauteilen sprach.

Die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher nicht patentfähig.

Der Patentanspruch 3 bezieht sich auf ein Verfahren zur Überwachung und Diagnose mit einer Vorrichtung nach dem Anspruch 1 oder 2.

Diesem Verfahren liegt dieselbe Aufbereitung und Auswertung des vom Schwingungsaufnehmer erzeugten Signals zugrunde, wie sie aus der Patentschrift DD 209 690 bekannt sind. Dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs nach wird hierbei das Schwingungssignal ebenfalls von einem Klopfsensor aufgenommen, der im Frequenzbereich unter 12 kHz eine nichtlineare Frequenzkennlinie aufweist. Wie zum Patentanspruch 1 ausgeführt, kann im Einsatz eines Klopfsensors als Schwingungsaufnehmer zur Überwachung und Diagnose von schwingungserregten Bauteilen keine erfinderische Besonderheit gesehen werden.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 3 gemäß Hauptantrag ist daher ebenfalls nicht patentfähig.

Zum Hilfsantrag:

Der Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag ist auf die Verwendung eines Klopfsensors als Schwingungsaufnehmer zur Wälzlager-Schadensdiagnose an Maschinen mit rotierenden Bauteilen gerichtet.

Die Einsprechenden haben Bedenken gegen die Änderung der erteilten Vorrichtungs- und Verfahrensansprüche in einen Verwendungsanspruch geäußert.

Ein solcher Kategoriewechsel ist dann als zulässig anzusehen, wenn er den Gegenstand des erteilten Patents einschränkt, und die eingeschränkte Lehre im Patent offenbart ist (vgl BGH GRUR 88, 287 - Abschlußblende). Der nunmehr genannte Zweck der Verwendung zur Wälzlager-Schadensdiagnose ist ua Sp 6, Z 43 - 47 der Patentschrift zu entnehmen. Er schränkt die ursprünglich allgemein auf Bauteile gerichteten erteilten Ansprüche auch ein, so daß diese Anspruchsfassung zulässig ist.

Der auf eine Verwendung zur Wälzlager-Schadensdiagnose beschränkte Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hinsichtlich des Einsatzes eines Klopfsensors als Schwingungsaufnehmer und der Art der Auswertung des von dem Klopfsensor aufgenommenen Signals wurde bereits ausführlich Stellung genommen. In der Patentschrift DD 209 690 wird in der Beschreibungseinleitung ausdrücklich auf den nunmehr genannten Verwendungszweck zur Schadensdiagnose bei Wälzlagern hingewiesen. Auch das in dieser Anspruchsfassung ergänzte Merkmal, daß bei der Signalauswertung ein Vergleich gewonnener Kennwerte mit Referenzgrößen im Zeit- oder Frequenzbereich erfolgt, ist aus der Patentschrift DD 209 690 angeregt. Auf S 4 unten, S 5 oben (maschinenschriftlich) ist dort ausgeführt, daß am Ende der Meßkette ein Ausgabegerät 5 angeordnet sein kann, mit dem spezielle Diagnosekennwerte selektiert werden, die einen unmittelbaren Vergleich mit zulässigen Normalwerten erlauben. Aus diesen Ausführungen schließt der Fachmann, daß er Aufschlüsse über den Zustand des Wälzlagers durch den Vergleich der momentan gemessenen Kennwerte mit vorgegebenen Referenzgrößen gewinnen kann.

Es bedurfte sonach keiner erfinderischen Leistung, um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag zu kommen.

Bei dieser Sachlage war den Anträgen der Patentinhaber nicht zu folgen und die Beschwerde zurückzuweisen.

Grimm Prasch Püschel Schusterprö






BPatG:
Beschluss v. 01.02.2001
Az: 17 W (pat) 32/98


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